21. Kapitel
Ohne ein Wort, zu schockiert um zu antworten, starrte ich meinen besten Freund an. Oder das Pokemon, dass ich mein Leben lang für meinen besten Freund gehalten hatte. Das Aquana stand mir gegenüber und grinste, seine Augen funkelten bösartig.
Ich konnte nicht mehr tun, als entsetzt meinen Kopf zu schütteln.
"Das ist nicht dein Ernst", brachte ich schließlich hervor, "Das ist nicht dein verdammter ernst, Vapo."
"Warum sollte es das nicht sein?"
Er ließ sich auf dem Boden nieder, schlag die Flosse, die seinen Schweif darstellte, um seine Beine und funkelte mich an. "Wenn es nicht mein Ernst wäre, wärst du doch wohl nicht hier?"
"Du hast mich verraten?", erschrocken von dieser Offenbarung taumelte ich einen Schritt nach hinten. Meine Welt begann sich zu drehen. Ich hatte es ja im Grunde schon geahnt, als Vapo vor mir aufgetaucht war. Ich hatte es da schon gewusst. Aber realisieren wollte ich es nun immer noch nicht.
Vapos Augen blitzen auf. Es war eine Mischung aus Wut und Verletzung.
"So würde ich es nicht formulieren", meinte er kalt, "Ich habe dich nicht verraten, ich habe das Richtige getan." Er zuckte mit den dunkelblauen Flossen an seinem Kopf.
"Das Richtige getan?", wiederholte ich fassungslos. "Wo hast du bitte das Richtige getan? Ich bin dein Freund, Vapo!"
"Du bist nutzlos!", nun schien es auch mit Vapos Ruhe vorbei zu sein. Er sprang auf und bleckte seine Zähne. "Kaito, du hast doch keine Ahnung! Du kannst nicht kämpfen, du kannst nicht jagen, du bist ein Trottel wenn es um soziale Kontakte geht, du kannst noch nicht mal im Dunkeln sehen!" Es schnaufte. "Ich habe keine Ahnung, warum unser edler Meister gerade so jemanden wie dich auswählen wollte, aber die Beschreibung war eindeutig: Das schwächste Pokemon, was die Umgebung zu bieten hatte, ein Geschöpf der Nacht, der Partner eines anderen Pokemon der gleichen Gattung. Das musstest einfach du sein."
Er machte eine Pause und ich wollte die Zeit gerade nutzen, um etwas zu erwidern, als Vapo fortfuhr.
"Ich wusste es schon, als von einem nutzlosen Pokemon die Rede war. Allerdings kann ich mir bis heute nicht erklären, was Darkrai mit einem wie dir will. Aber eines ist sicher." Er trat an mich heran, seine Augen glänzten trüb und verärgert, seine Muskeln waren angespannt.
"Glace verdient so jemanden wie dich nicht. Sie braucht jemand, der besser ist. Jemanden wie mich."
"Du hast mich verraten, weil ich mit Glace zusammen bin?" Ich fühlte, wie meine Beine langsam nachgaben, lange würde ich mich nicht mehr auf den Pfoten halten können. Das Vapo mich verraten hatte, machte mich geistig ziemlich fertig. Vapo knirschte mit den Zähnen, wiegte den Kopf leicht hin und her, wandte den Blick ab, nur um mich wieder anzusehen.
"Nicht nur", knurrte er, "Aber ich bereue nicht, dass ich es getan habe. Glace gehört mir."
"Glace gehört niemandem!" Ohne einen Moment darüber nachzudenken, holte ich mit der Vorderpfote aus und knallte sie ihm gegen den Kopf. "Sie ist kein Objekt, dass man besitzen kann! Und selbst wenn, sie ist MEINE Freundin! Und sobald ich hier wieder draußen bin, werde ich sie zu meiner Gefährtin machen!"
"Du vergisst dabei zwei Sachen!" Vapo schien mit meinem Schlag nicht gerechnet zu haben, denn er schnaubte überrascht auf und machte einen Hopser nach hinten, blitze mich aber weiterhin verärgert an. "Erstens: Du sitzt gefangen in der wohl bestbewachtesten Höhle, die du in dieser Welt finden kannst. Zweitens: Die letzten Spuren, die Glace von dir finden wird, sind die von dir und Espasa in den Büschen...und Espasa ist ein weibliches Pokemon. Seitdem hat man dich nie wieder zu Gesicht bekommen, seit mehr als einer Mondphase. Wie leicht oder schwer wird es nun also sein, Glace eine Geschichte zu erzählen, die sie nicht glauben will, aber glauben wird? Über dich und ein gewisses weibliches Pokemon?"
"Das wirst du nicht tun", grollte ich bedrohlich, "Das wirst du nicht tun, Vapo."
Mit einem Schlag war Vapos Grinsen zurück. Er streckte sich, hob den Kopf und schüttelte seinen Schweif.
"Wer wird mich aufhalten?", lachte er, "Du? Vergiss es, mein Junge."
Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich wieder. "Ich bin erstens körperlich viel besser trainiert als du, kann hier zweitens ohne Probleme raus und habe drittens auch viel stärkere Attacken drauf als du. Ich meine...deine sind nun wirklich ein Witz dagegen. Tackle, Verfolgung, Rutenschlag und irgendeine Attacke, die so unwichtig ist, dass ich sie schon wieder vergessen habe."
Schmarotzer. Die letzte Attacke, die ich noch beherrschte, war Schmarotzer. Zumindest theoretisch - ich hatte den Angriff noch nie erfolgreich angewendet, und irgendwann hatte ich es einfach aufgegeben. Kämpfen war sowieso noch nie eine große Stärke von mir gewesen.
"Sieh es ein, Kaito", fuhr Vapo unbeirrt fort, "Du bist eine Niete." Er wirbelte herum und machte Anstalten, zu gehen. Doch so leicht wollte ich ihn nicht gehen lassen. Mit einem kämpferischen Knurren stieß ich mich vom Boden ab und rammte mich mit meiner kompletten Körperkraft gegen meinen ehemaligen besten Freund.
Vapo fauchte erschrocken auf, wandte sich blitzschnell zu mir herum und verpasste mir mit seinem Hinterbein einen Tritt, der es in sich hatte. Ich wurde nach hinten geschleudert, schlug auf den Boden auf und rutschte noch ein paar Schritte über den Boden, ehe ich anhielt und dir Möglichkeit hatte, mich wieder aufzurappeln. Das schaffte ich aber nicht, da Vapo während meines Fluges bereits den Kopf nach hinten gerissen und einen Kampfschrei ausgestoßen hatte, dann wieder zu mir herumgefahren war und sein Maul aufgerissen hatte, wie als wolle er Feuer speien. Statt einer Feuerbrunst traf mich allerdings ein Schwall aus siedend heißem Wasser, der meinen verzweifelten Aufstehversuch im Keim erstickte.
Ich stieß einen leidenden Schrei aus, kniff die Augen zusammen und versuchte hoffnungslos, unter dem Fall des heißen Wassers wegzurobben. Als Vapo seinen Angriff beendete, schüttelte ich hastig meinen Kopf, um die Wassertropfen abzuwerfen, die sich wie Funken durch mein Fell zu brennen schienen.
"Sieh es ein, Kaito", hörte ich Vapo noch sagen, "Sieh ein, dass du ein Verlierer bist."
Dann verschwand das Geräusch seiner Schritte.
Ich schnappte ein paar Mal heftig nach Luft, ehe ich endlich die Kraft fand, um mich aufzurappeln. Das Wasser, das immer noch in Strömen durch mein Fell ran, hatte sich zum Glück schon wieder ein wenig abgekühlt und verletzte mich nicht mehr.
"Alles okay?"
Ich zuckte zusammen, als mich eine bekannte Stimme aus der Dunkelheit ansprach. Als ich mich umdrehte, blickte ich auch schon in die roten Augen von Doom. Das Hundemon stand hinter mir, den Kopf leicht gesenkt, da sonst seine Hörner an der Decke des Ganges hängen bleiben würde.
"Sehe ich so aus?", erwiderte ich geschwächt. Ich hatte keinen Mut mehr, irgendetwas anders zu tun, als mir meine Niederlage und das nahe Ende meines Lebens einzugestehen.
"Nein", antwortete Doom, "Du siehst so aus, als habe man dich zuerst mit einem Konfusstrahl und dann frontal mit einem Siedewasser getroffen."
"Das mit dem Siedewasser stimmt", kraftlos ließ ich den Kopf senken. "Das andere kommt ehr da her, dass ich nichts mehr verstehe. Gar nichts mehr. Ich verstehe nicht, warum ich hier bin, was man von mir will, wem ich noch vertrauen kann, und am Allerwenigsten verstehe ich Espasa."
Doom musterte mich eine lange Zeit, dann drehte er sich schweigend um. "Komm mit, Kaito", meinte er dann und trabte los. Ich beeilte mich, ihm zu folgen.
"Weißt du, über die vergangene Herrschaft der Drachen gibt es viele Mythen und Legenden", machte Doom weiter, kaum hatten wir beide uns in seiner Höhle niedergelassen. Ich hatte mich hingelegt und den Kopf auf meine Pfoten gebettet, weil ich zu schwach zum Sitzen war. Nun legte ich aber die Ohren an und sah zu Doom nach oben. Wenn das Hundemon nun auch noch anfangen würde, in Rätseln zu sprechen, würde ich durchdrehen. "Ja?", fragte ich vorsichtig nach.
"Viele von ihnen entsprechen nicht oder nur noch zu kleinsten Teilen der Wahrheit", fuhr Doom fort, "Aber es gibt eine, eine einzige, die vollkommen wahr ist, und die werde ich dir nun erzählen. Ich hoffe, danach wirst du mehr verstehen."
Er sah mich an. "Bereit?"
Eigentlich hatte ich keine andere Wahl, als zu nicken. Dann schloss ich die Augen und legte meinen Kopf zurück auf meine Pfoten, während Doom anfing zu erzählen.
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