18. Kapitel
Ein kalter Windhauch, der durch mein Fell fuhr, rief mich in die reale Welt zurück. Die Augen noch immer geschlossen und mit rasenden Gedanken versuchte ich, mich an das zu erinnern, was passiert war. Warum ich dieses Mal bewusstlos auf dem kalten Boden lag. Nach wenigen Momenten kamen die Erinnerungen zurück, an Sylv, an das was sie mir gesagt hatte und an alles, was davor passiert war. Vorsichtig zuckte ich mit einer Pfote, um zu überprüfen, ob ich wieder genug Kraft hatte, sie zu benutzen. Erleichtert stellte ich fest, dass es nicht schmerzte und keine größeren Anstrengungen kostete. Also wandte ich mich der nächsten Aufgabe zu, welche das Öffnen meiner Augen war.
Allem Anschein nach befand ich mich noch in der gleichen Höhle, in der Sylv mich zurück gelassen hatte. Die Wände jedoch hatten ihren Glanz verloren und lagen nun trist und schlicht in der Dunkelheit, was womöglich daran lag, dass das Feuer in der Mitte des Raumes erloschen war und nur noch wenige verbrannte Holzscheite vor sich hinglühten. Ohne die wärmenden Flammen war der Raum kalt, fast eisig, was auch erklären würde, warum ich soeben durch einen kalten Hauch geweckt worden war.
Langsam schob ich meine Pfoten unter meinen Körper und drückte mich hoch, stellte die Ohren auf und lauschte in die Dunkelheit hinein, doch außer den üblichen Geräuschen konnte ich nichts wahrnehmen. Das hieß wahrscheinlich, entweder suchte man nicht nach mir, oder man hatte es bereits aufgegeben. Dies schloss ich aus der Tatsache, das niemand nach mir rief, auch wenn es eine naive Schlussfolgerung war.
Nachdem sich meine Augen etwas mehr an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte ich, dass die Beeren, die Sylv mir gebracht hatte, immer noch unangerührt vor mir lagen. Sie sahen gut aus, auch wenn sie ihren Duft verloren hatten, und ich hatte Hunger. Also streckte ich den Kopf nach unten und probierte vorsichtig eine kleine, rote Frucht. Schlecht schmeckte sie nicht, aber irgendwie auch nicht gut. Viel zu trocken und zu merkwürdig. Kurz überlegte ich, ob die Beeren möglicherweise vergiftet waren, dann aber fiel mir ein, dass Sylv mir gesagt hatte, sie dürfte mich nicht töten. Getrieben vom Hunger schlang ich die restlichen Früchte herunter.
Als ich mir die Schnauze sauber geleckt hatte, sah ich mich nach einem Ausgang um. Irgendwie musste ich ja hier rein gekommen sein und Sylv hatte die Höhle schließlich auch wieder verlassen. An der Wand direkt vor mir konnte ich allerdings keinen Riss und keine Öffnung erkennen, also wandte ich mich aufgrund mangelnder Alternativen herum.
Im nächsten Moment zuckte ich zusammen, schnappte nach Luft und wich einen Schritt nach hinten. Tatsächlich hatte ich hinter mir einen Ausgang gefunden. Doch in dieser Öffnung konnte ich schemenhaft die Umrisse eines Pokemon erkennen. Was für eines konnte ich nicht sagen, aber es besaß vier lange Beine, einen breiten Schweif und große Ohren.
"Hallo?", stieß ich vorsichtig hervor und ging den Schritt, den ich soeben nach hinten gewichen war, wieder nach vorne, in der Hoffnung, das Pokemon ein wenig besser erkennen zu können. Keine Antwort. Die Gestalt zuckte nur einmal mit den Ohren, vielleicht wollte er mir damit vermitteln, dass er mich gehört hatte, vielleicht auch nur sein Desinteresse zeigen. Misstrauisch kniff ich die Augen zusammen, stellte die Ohren auf und konzentrierte meiner Energie auf die Stellen, an denen sich meine gelben Ringe befanden. Im nächsten Moment blitzen diese auf und erfüllten den Raum spärlich mit Licht. Doch dummerweise reichte der schein nicht aus, um das Pokemon zu erreichen, welches sich etwas weiter in den düsteren Gang zurückgezogen hatte. Ich bekam gerade noch mit, wie er seinen braunen Vorderpfoten aus dem Licht zog. Dann nickte das Pokemon mir zu, drehte sich herum und stürmte den Gang entlang. Verblüfft blickte ich dem Schatten nach. Wieso sollte dieses unbekannte Pokemon vor mir fliehen? Welchem Wesen in dieser Höhle konnte ich denn zur Gefahr werden?
Plötzlich kam mir ein Gedanke, eine Erinnerung. Eine Erinnerung an etwas, dass Sylv mir gesagt hatte. "Nein, das war ich nicht.", hatte sie gesagt, als ich sie gefragt hatte, ob sie mich in den See gestoßen und somit fast umgebracht hatte. "Die Chance, dass du dabei draufgegangen wärst, wäre zu hoch."
Das hieß also, dass ich wertvoll war. Wie Doom gesagt hatte, ich wurde für ein Ritual benötigt und war dabei wohl offenbar äußerst unersetzlich. Demjenigen, der mich versucht hatte zu töten, drohte vermutlich das gleiche Schicksal wie Solana. Wenn mir mein Angreifer, der beinahe auch zu meinem Mörder geworden war, wieder unter die Augen trat, dann bestünde vermutlich die Gefahr, dass ich ihn erkennen würde und somit ans Licht kommen würde, wer mich attackiert hatte. Und dann würde dieser Jemand auch die Konsequenzen spüren, vor welchen er sich bisher allem Anschein nach erfolgreich drücken konnte. Zumindest hatte ich nicht mitbekommen, dass Samantha, Espasa oder weiß Arceus wer irgendjemanden für einer derartige Tat bestraft hatte. Diese Gedanken waren die einzige Erklärung für das seltsame Verhalten des Unbekannten, die ich mir zusammenreimen konnte.
Ich zögerte nicht lange. Mit einem frustrierten Knurren stieß ich mich ab und stürmte ebenfalls in den Gang hinein, dem Pokemon hinterher. Ich konnte es zwar nicht mehr sehen, aber ich hörte seine trommelnden Pfotenschritte dicht vor mir. Es ging einen aufsteigenden Gang entlang, dann zweimal nach links, und dann in einer scharfen Rechtskurve immer weiter nach oben. Vermutlich war es ein spiralförmiger Gang. Mein Atem ging schnell und flach und ich stellte fest, dass ich eigentlich noch viel zu geschwächt war, um so eine weite Distanz zu schnell zu rennen. Aber ich wollte nicht aufgeben, nicht jetzt, wo ich meinem potentiellen Mörder so nahe war.
Nach der scharfen Kurve öffnete sich der Gang in eine weiter Höhle. Breite Tropfsteine ragten von der Decke hinab, die Wände waren hoch und voller kleiner Vorsprünge, auf denen sich merkwürdig geformte Pflanzen nach oben rankten. Ihre Blüten waren geformt wie winzige Sterne und glühten in einem schwachen Rotton, das Licht reichte gerade aus, um den Boden erhellen zu können. Das mir immer noch unbekannte Pokemon musste die Höhle bereits vor mir durchquert haben, denn ich konnte ihn nirgendwo entdecken und auch seine Schritte waren trotz der hohen Wände bereits verklungen. Das er in irgendeinem der zahlreichen Schlitze in den Wänden verschwunden war, konnte ich auch ausschließen, denn es gab nur einen Weg durch die Höhle, den man nicht verlassen konnte. Hohe Stalagmiten grenzten den Pfad ein und wenn man nicht gerade ein begabter Kletterer war oder über ein Paar Flügel verfügte, kam man vermutlich nicht herüber ohne sich ernsthafte Verletzungen zuzufügen.
Ungefähr in der Mitte der Höhle blieb ich stehen und lauschte in die Düsternis hinein. Stille. Vor mir hörte ich keine Schritte mehr. Entweder war mir der Flüchtende also weit voraus, war angehalten oder hatte es tatsächlich geschafft, mich irgendwo abzuhängen.
Da mir keine andere Idee kam, durchquerte ich die Höhle weiter und schlüpfte am anderen Ende wieder in einen schmalen Gang, der nun wie eine Art Treppe stufenweise nach oben führte. Als ich die letzte Stufe hinter mir gelassen hatte, schien ich wieder in eine Art offenen Raum gekommen zu sein. Ehe ich mich jedoch umsehen konnte, wurde ich von einem Schwall eiskalte Luft getroffen und helles Licht ließ mich die Augen zusammenkneifen. Tageslicht. Licht von außen.
Allem Anschein nach hatte ich einen Ausgang gefunden. Fassungslos blinzelte ich und schaffte es schließlich sogar, meinen Lider wieder zu heben und ins Licht zu sehen. Tatsächlich, es handelte sich um das Licht der Sonne. Ich befang mich in einer Art Schacht, Felsvorsprünge führten die steilen Steinwände wie eine Treppe nach oben. Irgendetwas warf einen Schatten in die Senke hinein, vermutlich ein Baum oder eine andere große Pflanze. Als ich den Kopf in den Nacken legte, konnte ich sogar den Himmel und einige Wolken sehen. Die Luft war klirrend kalt und brannte in meinen Lungen und der Wind jagte durch mein Fell und ließ meine Ohren flattern. Ich hatte nicht gedacht, dass in so einem tiefen Schacht eine solche Brise herrschen würde, aber es war gut, die frische Luft einzuatmen.
Mit neuem Mut machte ich mich daran, die Felsvorsprünge entlang nach oben zu klettern. Zwar reichten sie nicht bis zur oberen Kante der Schlucht, aber nach kurzem Suchen fand ich einen Gang, der mit annehmbarer Steigung durch den Boden nach oben führte. Am Ende konnte ich ebenfalls Tageslicht schimmern sehen. Vorsichtig drehte ich den Kopf nach hinten und schielte die Felswand nach unten, nur um sicherzugehen, dass ich nicht beobachtet oder verfolgt wurde. Wenn man mich wirklich nicht gesehen hatte, dann war das hier zu schön um wahr zu sein. Aber ich konnte niemanden entdecken. Auch der Gang vor mir schien leer zu sein, von zwei Stalagnaten am Ende, kurz vor dem Tor in die Freiheit, einmal abgesehen. Ich beschloss, nicht mehr zu zögern. Was gab es, was mich hier hielt? Gar nichts. Ich hatte zwar noch unzählige offene Fragen, aber ich konnte sehr gut ohne die Antworten leben, wenn ich nur wieder zu meinen Freunden konnte. Zu Glace, zu meiner Familie, zu Vapo und zu allen anderen.
Entschlossen schloss ich die Augen und stürmte in den Gang hinein, um die Gefangenschaft ein für alle mal hinter mir zu lassen.
~~
Diesmal wieder etwas kürzer, aber ich hoffe, es ist trotzdem befriedigend^^"
An dieser Stelle möchte ich mich auch einmal für alle bedanken, die mir ermutigende Kommentare schreiben - das motiviert mich wirklich mega! Ich will dann immer sofort weiterschreiben und dadurch haben wir doch alle etwas davon^^ deshalb, danke dafür. Wenn ich die Zeit und eine stabile Internetverbindung hätte, würde ich mich unter jedem Kommentar persönlich bedanken aber...das hab ich nicht :( deswegen hier einmal ein Dankeschön, jetzt höre ich auch auf mit dieser Gefühlsduselei^^" man sieht sich
Und SPOILER
Nein, das ist nicht das Ende, auch wenns mit meinem emotionalem Gefasel vielleicht so klang^^"
Spoiler Ende
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