
Kapitel 9
• N I C K •
"Wen haben wir denn da?", höre ich Miley erfreut sagen, als ich die Ladentür hinter mir schließe.
Lächelnd gehe ich auf meine gute Freundin zu und umarme sie zur Begrüßung. "Schön, dich zu sehen."
"Ich hole kurz deine Bestellung aus dem Lager. Warte hier."
Granny ist ganz vernarrt in Blumen, sie kauft sich ständig neue Blumensträuße in ihrem Stammblumenladen. Unser Haus könnte ein eigener Laden sein.
Miley hilft einige Tage in der Woche nach der Schule hier aus. Wir haben uns vor fast drei Jahre kennengelernt und sofort gut verstanden.
Ich streife die Blüten von einer Orchidee, als die Schwarzhaarige mit den Rosen zurückkommt. "Und erzähl mal. Gibt es etwas Neues?"
"Mein Leben ist nicht so interessant, wie du glaubst", erwidere ich schmunzelnd, während ich meine Geldbörse aus meiner Hosentasche krame und ihr ein paar Geldscheine über den Tresen reiche.
"Merkwürdig. Dabei bin ich mir ziemlich sicher, dass du irgendwie gestresst aussiehst", neckt sie mich und kommt um die Theke herum. "Komm schon, Schätzchen. Du hast doch etwas auf dem Herzen."
Wir steuern einen kleinen Tisch an, an welchem sie oft Hausaufgaben macht. Während ich mich hinsetze, geht sie in den Nebenraum, um uns etwas zu trinken zu holen.
"Ich höre dir zu. Also rede!", ruft Miley aus den Aufenthaltsraum. Ich höre, wie sie Schränke öffnet und sich dann im Kühlschrank bedient.
Seufzend lege ich den Blumenstrauß beiseite, achte darauf, dass er keinen Schaden davontragen kann. Grandma würde mir die Ohren lang ziehen, wenn ihren Blumen etwas geschieht.
"Es geht um Paige", beginne ich seufzend. "Unser Verhältnis ist gerade ein wenig...schwierig."
"Wie denn das? Ihr seid doch das Dream Team", merkt sie verwundert an, als sie wiederkommt. Überrascht schaue ich auf das Kuchenstück, dass sie bei sich trägt.
"Kaffeekränzchen?", frage ich belustigt und nehme ich den Teller ab, damit sie unsere Getränke abstellen kann.
"Wir haben uns lange nicht gesehen, Nicki. Also gibt es auch einiges zu erzählen. Warum ist euer Verhältnis gerade schwierig? Habt ihr Streit oder so?"
Kopfschüttelnd nehme ich eine der Kuchengabeln und stochere in den Käsekuchen ein. "Findest du, ich habe ihr Leben bisher kontrolliert?"
"Hat sie das etwa gesagt?"
"Nein, aber...Naja, sie kapselt sich jetzt immer mehr von mir ab. Und ich versuche wirklich, sie loszulassen. Sie hat mich darum gebeten, um endlich eigene Erfahrungen machen zu können. Das verstehe ich ja auch. Aber Paige ist nun mal meine kleine Schwester und ich sorge mich um sie."
Miley steckt sich ein großes Stück Kuchen in den Mund. Ich gebe ihr die Zeit, zu kauen, bis sie schließlich erwidert: "Das ist als Bruder auch vollkommen normal, denke ich. Immerhin hast du auch nur sie. Aber Nick, sie ist kein kleines Mädchen mehr und braucht ihre Freiheiten."
"Das weiß ich doch! Ich versuche nur, sie vor den Gefahren da draußen zu beschützen. Sie ist so naiv, dass sie selbst zu einem unheimlichen Mann in den schwarzen Van steigen würde."
Belustigt nippt sie an ihrer Cola. "Übertreibst du nicht ein wenig? Hör mal, ich kenne Paige. Sie ist nicht dumm. Klar, sie möchte sich ausprobieren. Aber daran ist nichts falsch. Und sie wird sicherlich nicht mit zwielichtigen Gestalten in der Nacht von zuhause flüchten."
So vernarrt sie in Thea und, vor allem, Sam ist, könnte ich mir das leider sehr gut vorstellen.
Das gestern in der Stadt hat mir schon wieder gezeigt, wie leichtgläubig Paige ist. Sie denkt wirklich, unsere Cousine könnte so etwas wie Scham empfinden. Oder Samuel, er versucht mit Geld aus der Misere zu entfliehen.
Als ob ich darauf angewiesen wäre, dass er mir einen blöden Bilderrahmen bezahlt. Klar, er kann nicht verstehen, warum ich mich so über diese Aktion aufgeregt habe. Aber es geht ihm auch nichts an.
Unsere Familiengeschichte hat ihn einfach nichts anzugehen. Und ich hoffe, dass das Paige auch so sieht und ihm nichts vom Tod unserer Eltern erzählt. Dasselbe gilt für Thea.
"Erde an Nick. Existiert noch Leben in dir drin? Oder sitzt nur noch eine attraktive, seelenlose Hülle vor mir?", sagt meine Freundin und wedelt mit ihrer Hand wild vor meinem Gesicht herum.
"Es kostet mich wirklich einiges an Überwindung, sie loszulassen", gestehe ich und trinke nun selbst einen Schluck meiner Cola.
Miley lächelt mich mitfühlend an und legt eine Hand auf meine Schulter. "Schätzchen, du schaffst das schon. Weißt du, wenn du dich auf etwas anderes konzentrieren würdest, würde es dir sicherlich leichter fallen, Paige ihren Weg gehen zu lassen."
"Was meinst du?"
"Ich habe mich falsch ausgedrückt. Was hältst du davon, mal wieder jemanden kennenzulernen?"
Nicht sie auch noch. Erst meine Schwester und Granny, und jetzt meine Freundin. Warum wollen sie alle, dass ich mir jemanden suche?
"Vergiss es."
"Komm schon, Nicki! Sei kein Spielverderber und gönn dir mal wieder etwas. Wann bist du das letzte Mal wieder mit einen Kerl ausgegangen?"
"Ich brauche keinen Typen an meiner Seite, um glücklich zu sein", brumme ich und esse auch etwas von dem Käsekuchen. "Diese Einstellung ist doch total veraltet."
"Niemand hat gesagt, dass du dich gleich verloben sollst. Aber vielleicht genügt auch ein wenig...Du weißt schon."
Ungläubig sehe ich meine Freundin an, die anzüglich mit den Augenbrauen wackelt. Dieses Mädchen ist einfach unglaublich. "Miley..."
"Ein bisschen Knick Knack für Nicki!", ruft sie begeistert aus, was mich lachend den Kopf schütteln lässt. "Warum denn nicht? Tue doch nicht so, als hättest du deine besten Jahre schon gehabt."
"Du bist doch verrückt", meine ich immer noch mit einem breiten Grinsen um den Lippen. "Und vor allem kindisch. Ich bleibe einfach bei meinem Standpunkt: Keine Erwartung, keine Enttäuschung."
Achselzuckend zieht sie den Teller zu sich. "Kinder reden nicht über sowas. Und lenk gefälligst nicht ab. Ist es denn so abwegig? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es da draußen keinen Typen gibt, der nicht an dir interessiert ist."
"Für Knick Knack?"
"Du hast es erfasst!"
Das Mädchen ist zwar total abgedreht, aber dafür kann man sie nur lieben.
Ich mustere ihr heutiges Outfit. Eines ihrer unverkennbaren selbst zerschnittenen T-Shirts, eine rot-blau gemusterte Hose, die eher aussieht wie eine Schlafanzughose. Darüber trägt sie ein Paar riesige weiße Socken, die sie über die Hose gestülpt hat, und schließlich schwarze Boots. Es passt alles absolut nicht zusammen, aber das kümmert Miley nicht.
"Miley, es gibt eigentlich niemand, der mich interessiert. Also..."
"Eigentlich?", fällt sie mir mit leuchtenden Augen ins Wort. "Das bedeutet, du hast ein Auge auf jemanden geworfen!"
"Nein, ich habe schon damit zu tun, einen Idioten aus meinem Leben fernzuhalten. Da habe ich keine Zeit, um mit jemanden auszugehen."
"Wer? Hast du etwa einen Verehrer?"
Meine Finger spielen am Papier um dem Blumenstrauß herum, während ich den Kopf schüttle. "Kein Verehrer. Jemand aus meiner Schule, der mir das Leben schwerzumachen versucht."
"Ist dieser Idiot denn heiß?"
"Wenn man auf sowas steht", brumme ich augenverdrehend und will nach dem Kuchen greifen, doch sie schiebt ihn weg. "Warum nimmst du mir den Kuchen weg? Ich will Käsekuchen."
"Und ich will mehr von diesem Idioten hören. Also erzähl endlich!" Bevor ich den Mund öffnen kann, sagt sie schnell: "Nein, warte! Zeig mir lieber ein Foto von ihm."
"Aber sicher doch. Ich trage für solche Momente immer eins bei mir", entgegne ich schroff.
"Wow, er hat ja ganz schön Eindruck bei dir gemacht, wie es aussieht."
"Also bitte. Samuel Fields ist mir sowas von egal. Du kannst dir nicht vorstellen, wie dumm er ist. Mit so jemanden will ich gar ni..."
"Nicholas Prescott, du öffnest jetzt sofort Instagram und zeigst mir diesen Samuel. Und zwar schnell!", fährt sie mich an und hält mir ihre ausgestreckte Hand hin.
Widerwillig suche ich mein Smartphone heraus und wähle die App aus. Miley wippt ungeduldig mit ihrem Bein, was mich wahnsinnig macht. "Lass das."
"Beeile dich. Wenn Mum rausfindet, dass ich mit dir hier herumsitze, anstatt zu arbeiten, darf ich wieder den Laden putzen."
"Sie ist doch gar nicht hier", erwidere ich schmunzelnd, verziehe dann aber das Gesicht, als ich Sams Profil aufrufe. "Hier, bitteschön", ich halte es ihr hin.
Neugierig bewundert sie gefühlt jedes seiner Bilder. Ihre Augen weiten sich beinahe ungläubig, was mich stutzig machen lässt. "Was ist?", frage ich deshalb.
"Wen willst du eigentlich verarschen, Nick? Du willst mir also weismachen, du würdest ihn nicht heiß finden? Schätzchen, er sieht aus wie Trevor!"
"Was? Nein, das stimmt doch gar nicht!"
"Diese wilden dunkle Haare, ein kussperfekter Schmollmund, gebräunte Haut...Hat er etwa sogar blaue Augen?" Die Schwarzhaarige versucht, den Augenbereich ranzuzoomen, zuckt dann aber auf einmal zurück. "Upsi."
Ich massiere meine Schläfen. "Was hast du denn jetzt gemacht?"
"Eventuell habe ich gerade eines seiner Beiträge geliket...In deinem Namen."
"Wie bitte?", rufe ich ungläubig aus und möchte ihr das Handy aus den Händen reißen. Doch sie weicht mir kichernd aus. "Was tust du denn?" Ich beobachte, wie sie weiterscrollt.
"Also ehrlich, dieser Samuel ist definitiv dein Typ. Ich habe Fotos von Trevor gesehen, die beiden sehen sich unglaublich ähnlich!"
"Trevor war charmant."
"Und warum hast du dann mit ihm Schluss gemacht?"
"Wir waren nie zusammen. Es war nur eine..."
"Eine romantische Sommerliebschaft? Komm schon, irgendwann seid ihr nur noch ins Camp gefahren, um euch sehen zu können", erinnert sie mich grinsend und gibt mir dann endlich mein Handy wieder.
Ihre Worte ignorierend prüfe ich nach, was sie getan hat. Mein Herz bleibt stehen, als ich sehe, dass sie gleich mehrere Bilder von Sam geliket hat.
"Das hast du nicht gemacht. Sag mir bitte, ich halluziniere", gebe ich mit trockenem Hals von mir.
"Es kann dir doch egal sein, wenn du ihn so dumm findest. Oder etwa nicht?", zieht sie mich kichernd auf.
Brummend lehne ich mich über den Tisch, um den Kuchen zu nehmen und stopfe mir die Hälfte davon in den Mund.
"Lass mir noch etwas übrig, Nick!", meckert sie und will ihn mir wegnehmen, doch dieses Mal weiche ich ihr aus.
"Vergiss es. Das hast du echt nicht verdient, du blöde Kuh. Du weißt gar nicht, was du damit angerichtet hast."
"Mein Süßer, du wirst mir bald danken, wenn er dir an den Schritt fassen will."
Miley könnte glatt in meinen Freundeskreis passen 😂
Sie hat ja keine Ahnung, in welche Probleme sie Nick vielleicht gebracht hat 😂
Wie könnte Sam denn darauf reagieren, wenn er sieht, dass Nick ihn anscheinend auf seinem Profil gestalkt hat? 😆
Und interessant zu wissen, dass Sam wohl doch ins Beuteschema von Nick passt 😏
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