Kapitel 51
Jetzt startet der letzte Leseabend zu "Angel Eyes"!
Ich wünsche euch allen viel Spaß beim Lesen 😊
• S A M •
"Geht es dir gut?", frage ich meinen großen Bruder, der sichtlich angespannt zu sein scheint. Seine Fingerknöchel treten weiß hervor, was mir sagt, dass er das Lenkrad viel zu stark umfasst.
Als er nur ein Brummen von sich gibt, lege ich mit einem leisen Seufzen den Kopf gegen die kühle Fensterscheibe des Autos. "Du kannst dann auch im Wagen warten, während ich mit-"
"Ich lasse dich nicht alleine, Sam", fällt er mir ins Wort, während er sich auf den Verkehr konzentriert. "Ich habe dir versprochen, dass wir gemeinsam unserem Vater entgegentreten. Und dass wir beide Trevor unterstützen, wenn es nötig ist."
Sofort weiß ich, dass es von Nöten sein wird.
Nachdem ich mich per Instagram bei ihm gemeldet und mich entschuldigt habe, hat mir Trevor geschrieben, dass sie noch heute die Stadt verlassen werden, um ihn in ein Internat zu schicken.
Weg von seinem Freund und vor allem weit weg von uns. Seiner anderen Familie.
Es kommt mir immer noch so unwirklich vor, einen weiteren Bruder zu haben. Und dann ist es ausgerechnet auch noch Trevor. Doch ich weiß meine Mutter hat Recht, ich kann ihm nicht die Schuld für die Fehler unseres Vaters geben. Das wäre nicht fair von mir.
Und Trevor braucht jetzt unbedingt unsere Hilfe. Er braucht uns und unseren Beistand, denn allein scheint er machtlos gegenüber Thomson zu sein.
Ich hoffe einfach, dass wir noch rechtzeitig am Hotel ankommen, bevor sie sich in Richtung Flughafen aufmachen und alles zu spät ist.
"Geht es nicht noch ein wenig schneller?", frage ich deswegen unruhig.
"Dann stoße ich gegen unseren Vordermann, Sammy", widerspricht mein Bruder. "Ich fahre schon so schnell, wie es dieser beschissene Verkehr erlaubt. Aber in der Innenstadt kann ich eben nicht-"
"Ist ja gut", unterbreche ich ihn hastig, bevor er sich noch weiter aufregt. Als ich ihn für einen Moment mustere, weiß ich, dass ihn diese ganze Situation genauso sehr mitnimmt wie mich. "Ich mache mir nur Sorgen, dass-"
"Wir werden noch rechtzeitig ankommen", verspricht er mir und wirft mir einen aufmunternden Seitenblick zu, bevor wir uns einer Ampel nähern. Sie schaltet gerade von Grün auf Gelb, als Patrick aufs Gas tritt. Mit einem Ruck werde ich in den Autositz gepresst.
"Pat!"
"Das hat noch gegolten", meint er schulterzuckend, während er die Geschwindigkeit nun wieder ein wenig ausbremst.
"Wenn du weiterhin so fährst, haben wir bald polizeiliche Gesellschaft."
"Ein paar Punkte kann ich mir leisten", sagt er weiterhin gleichgültig und fährt scharf in eine Kurve.
"Alter!", presse ich hervor. "Es werden nicht nur ein paar Punkte, wenn du jemanden umfährst!"
"Du wolltest doch, dass ich mich beeile", zickt er mich von der Seite an und auf die Schnelle fällt mir nichts ein, um ihm widersprechen zu können. Er hat immerhin recht. Dennoch würde ich gern lebend ankommen, schließlich habe ich noch ein paar Dinge zu klären, bevor ich diese Welt verlassen darf.
Dank seines riskanten Fahrstils halten wir tatsächlich wenige Minuten später vor dem Hotel, in dem Trevors Familie wohl diese Nacht verbracht hat. Der Portier, der einem älterem Ehepaar die Tür aufhält, schaut sich erschrocken nach uns um, als wir ruckartig vor ihm zum stehen kommen.
"Ich warte auf den Parkdienst, geh du schon mal vor", weist mich Patrick an. Ich bleibe ihm eine Erwiderung schuldig, denn ich springe sogleich aus dem Auto und begrüße hektisch den älteren Herrn am Eingang, der mich zwar verwundert, aber ebenso freundlich begrüßt.
Das Foyer ist trotz der Größe sehr unübersichtlich. Um diese Uhrzeit befinden sich noch zu viele Gäste im angrenzenden Hotelrestaurant, denn so sehr ich mich auch bemühe, ich kann Trevor unter diese Masse von Menschen nicht ausmachen. Vorausgesetzt er befindet sich bereits unter ihnen.
Deswegen versuche ich mein Glück am Empfangsbereich, in der Hoffnung, dass seine Familie noch nicht ausgecheckt hat.
Eine Dame mittleren Alters schenkt mir ein warmherziges Lächeln, als ich mich ihr nähere. "Herzlich Willkommen im Mercure Hotel. Mein Name ist Sara. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?", begrüßt sie mich.
"Guten Tag. Entschuldigen Sie, ich habe es ein wenig eilig. Könnten Sie mir eventuell sagen, in welchem Zimmer eine Familie Field untergekommen ist?"
Sie verzieht bedauerlich das Gesicht und auch, wenn sie es nicht weiß, zerstört sie damit in mir den restlichen und winzigen Teil an Hoffnung, den ich noch in mir getragen habe. "Aus datenschützenden Gründen kann ich leider keine Angaben zu unseren Gästen weitergeben-"
"Bitte, es ist dringend", versuche ich es und krame währenddessen mein Portemonnaie aus der Hosentasche. "Sehen Sie, ich muss meinen Bruder, Trevor Field, unbedingt sprechen."
Ich reiche ihr meinen Führerschein, den sie zaghaft an sich nimmt. Vielleicht reicht es, wenn sie sieht, dass wir denselben Nachnamen tragen, aber sie muss mir einfach glauben.
Sie öffnet bereits den Mund, um mir eine Antwort geben zu könne, als ich eine Hand auf meiner Schulter spüre. Als ich mich umdrehe, steht Patrick vor mir. "Und, haben sie schon ausgecheckt?"
"Ich weiß ni-"
"Die Familie befindet sich noch bis zur nächsten Stunde in unserem Hotel", klärt uns die nette Dame dann auf und gibt mir meinen Führerschein zurück. "Sie wohnen im Zimmer 163. Folgen Sie der Beschriftung zu den Aufzügen da vorne", sie deutet auf eine Beschilderung, die tatsächlich zu den Fahrstühlen führt, "im ersten Stockwerk müssen Sie nach rechts", hilft sie uns, woraufhin wir ihr dankbar zulächeln.
Hätten wir es nicht eilig, würde ich sie am liebsten ganz fest an mich drücken und abknutschen.
"Los, komm!"
Ich folge Patrick zu den Aufzügen und ohne Rücksicht auf die anderen Gäste, drücken wir auf jeden der Knöpfe an den Wänden, um so schnell wie möglich einen der sechs Fahrstühle zu rufen.
"Da wären wir ja schneller, wenn wir die Treppen nehmen würden", gibt mein Bruder genervt von sich, als sich die Türen eines Aufzugs öffnen. Wir warten, bis er sich leert und betreten dann mit anderen Gästen den Innenraum.
Wir nutzen den Moment, dass sich die Türen wieder schließen und der Fahrstuhl sich in Bewegung setzt, um kurz durchzuatmen. Als ich Patrick von der Seite mustere, sehe ich, wie er breit grinst, was mich verwirrt die Augenbrauen verziehen lässt.
"Was ist?", frage ich deswegen irritiert.
"Er muss später wohl ziemlich blechen. Ich habe dem Parkservice gesagt, dass es auf die Rechnung von Thomson Field gesetzt werden soll."
"Wow ... Du böser Junge", gebe ich schmunzelnd von mir, denn er scheint darüber wirklich stolz zu sein.
Im ersten Stockwerk angekommen folgen wir den Worten der Empfangsdame und biegen rechts ab. Meine Augen wandern über die verschiedenen Zahlfolgen, bis wir dem Hotelzimmer immer näherkommen.
... 159 ...
... 160 ...
... 161 ...
... 162 ...
"Bist du bereit?", frage ich meinen großen Bruder, als wir schließlich vor dem Zimmer 163 stehen bleiben.
Er atmet nochmal tief ein, scheint sich selber beruhigen zu wollen, bevor er meinen Blick erwidert und entschlossen nickt.
Meine Nervosität steigt mir bis zum Halse hoch, als ich an die Bernsteineicheholztür klopfe. Es dauert einige Sekunden, dann höre ich eine gedämpfte Frauenstimme, die uns bittet, einen Moment zu warten.
Als sich dann vor uns die Tür öffnet, steht eine attraktive, schwarzhaarige Frau vor uns. Ihre hellblauen Augen mustern uns einen Moment lang eindringlich, bis sich Erkenntnis auf ihrem Gesicht ausbreitet und sie zu begreifen scheint, dass die Kinder ihres Ehemanns vor ihr stehen.
Ein unsicheres Lächeln umspielt ihre Lippen und ihre Stimme zittert ein wenig, als sie zu sprechen beginnt: "Wie kann ich euch beiden helfen?"
Unfähig etwas darauf zu erwidern, bin ich unendlich erleichtert, dass Patrick das Wort ergreift. "Das wissen Sie sicherlich, Mrs. Field. Wir müssen mit Trevor reden."
"Er ist-"
"Lydia, wer ist denn an der Tür?", dringt eine tiefe Männerstimme zu uns vor, die mir eine Gänsehaut am ganzen Körper bereitet. Ekel steigt in mir hinauf und ein kalter Schauer rinnt meinen Rücken hinab. Sogleich habe ich Mühe die Galle in meinem Magen zu halten und mich nicht hier und jetzt vor den Füßen von Mrs. Field zu übergeben. Meine Hände werden augenblicklich feucht, sodass ich sie mir an meiner Hose abwische, als würde das etwas nützen.
"Jungs, bitte. Das ist kein guter Zeitpunkt", flüstert Lydia, als würde sie gerade eine verbotene Unterhaltung führen. Sie beugt sich zu uns, sodass ihr seidig schwarzes Haar vor ihr Gesicht fällt wie ein Vorhang, den sie versucht hektisch beiseite zu schieben. "Thomson ist nicht in der besten Stimmung, nachdem Trevor abgehauen ist, um euch zu sehen. Und er-"
"Darauf können wir keine Rücksicht nehmen", unterbreche ich sie harsch, nachdem ich meine Stimme wiedergefunden habe und schenke ihr einen entschuldigenden Blick. "Wir sind nicht wegen ihm hier, sondern um unseren Bruder zu unterstützen."
Überrascht weiten sich ihre Augen und sie betrachtet mich sprachlos, doch im nächsten Augenblick dränge ich mich an ihr vorbei. Ich beiße mir auf die Zunge, denn ich habe beinahe Mitleid mit ihr. Lydia kann hierfür schließlich am wenigsten.
"Trevor?", rufe ich in das Innere des Wohnraums und schaue mich um. Es ist tatsächlich größer als erwartet und vielmehr ein gemütliches Appartement, als ein Hotelzimmer, verfügt sogar über eine eigene spärlich eingerichtete Küche. Dort entdecke ich allerdings keinen Geringeren als meinen Erzeuger, der erst mich und dann Patrick ungläubig betrachtet.
"W-Was ...", bringt er überfordert hervor, denn anscheinend hat es ihm die Sprache verschlagen, uns hier anzutreffen.
Genauso wie ich, wirft mein Bruder ihm einen kalten Blick zu. Leider kann ich nicht abstreiten, dass wir ihm äußerlich ähnlicher sind als es mir lieb ist. Glücklicherweise ist es das Einzige, was uns miteinander verbindet.
Ich atme tief durch, ignoriere das schnelle Klopfen meines Herzens, genauso wie meinen Erzeuger, und versuche mich auf das Wesentliche zu konzentrieren, denn Trevor ist bisher nicht aufgetaucht.
Wo steckt er bloß? Wenn er verschwunden wäre, hätte er mir doch geschrieben ...
"Trevor!", rufe ich deswegen nochmal, aber dieses mal lauter, um auf mich aufmerksam zu machen. "Du kannst rauskommen, wir sind jetzt hier", ermutige ich ihn, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob es bei ihm überhaupt ankommt.
"Was wollt ihr von ihm?", kommt es aus der Richtung von dem Mann, mit dem ich in diesem Leben nichts zu tun haben wollte.
Als sich eine Tür öffnet, atme ich erleichtert auf. Trevor schaut sich zuerst unsicher um, doch seine Augen leuchten auf, als er uns entdeckt. Ohne zu zögern läuft er auf uns zu und als ich ihm entgegenkomme, fallen wir uns um den Hals. Jegliche Anspannung fällt von mir ab, sobald ich weiß, dass es ihm gut zu gehen scheint.
"Ihr seid wirklich hier", haucht er mir ins Ohr.
"Das habe ich dir doch versprochen", erwidere ich ebenso leise und bin unglaublich froh, ihn sicher in meinen Armen zu wissen.
Seine Fingern krallen sich in meine Schulterblätter, als er sagt: "Er schickt mich auf ein Internat. Dad ist so erbarmungslos! Er lässt mir nicht einmal die Chance, es zu erklären."
"Wir lassen nicht zu, dass er dich wegschickt", versichere ich ihm und drücke ihn noch einmal fest an mich, bevor wir uns schließlich voneinander lösen. Seine Augen sind verräterisch feucht, doch er lächelt mich dankbar an.
Seine Nase ist von einer Bandage umgeben, die Augen sind noch ein wenig blutunterlaufen. Aber er scheint sich daran nicht zu stören und, glücklicherweise, hat er wohl auch keine Schmerzen.
"Das hast du nicht zu entscheiden, Samuel", höre ich unseren Vater sagen. Ich fasse nach der Hand meines Bruders und drehe mich zu ihm um, um ihn wütend anzufunkeln. Dann sehe ich, wie Patrick auf ihn zugeht.
"Wage es nicht, nochmals seinen Namen in den Mund zu nehmen, du Mistkerl", zischt er wutentbrannt.
Thomson zuckt merklich zusammen. "Patrick-"
"Du bist ihm niemals ein Vater gewesen, also nimm dir nicht das Recht heraus, über ihn bestimmen zu wollen! Du hast ihm überhaupt nichts zu sagen, kapierst du?", macht Pat ihm deutlich und bleibt schließlich vor ihm stehen. Sie sind sich dem anderen gegenüber in der Körperstatue nicht unterlegen. "Nicht nur, dass du dich nie für uns interessiert hast, scheinst du nicht mal für Trevor ein guter Vater zu sein. Was sind es bitteschön für Eltern, die ihr Kind auf ein Internat schicken wollen, weil es ..."
Er stockt.
Gespannt verfolgen wir die Unterhaltung der beiden, als Patrick sich seiner Ehefrau zuwendet. "Was hat es denn eigentlich für einen Grund? Lydia, können Sie mir darauf vielleicht eine Antwort geben?"
Diese wirkt betroffen und wendet sichtlich angespannt den Blick ab. Das scheint für unseren Bruder wohl aussagekräftig genug zu sein. Er dreht sich wieder Thomson zu. "Dann verrate du es mir. Ich wüsste zu gerne, was Trevor angestellt haben soll, dass er nicht mehr zuhause leben darf."
"Das hat euch nichts anzugehen, wie ich meinen Sohn erziehe-"
"Falsch", kommt es über meine Lippen. "Trevor hat uns um Hilfe gebeten. Die Familie hat für dich vielleicht keinen großen Stellenwert, aber für mich gibt es nichts Wichtigeres auf dieser Welt." Ich schaue zu Trevor, der tatsächlich ein wenig ungläubig dreinblickt, als er meine Worte hört. "Und er ist mein Bruder, den ich zu beschützen weiß."
"Ihr müsst ihn nicht beschützen", gibt unser Vater hart von sich. "Trevor muss mit den Konsequenzen leben, wenn man seine Eltern belügt. Und nicht zum ersten Mal ..."
Ich kann nicht anders, als über seine Worte laut loszulachen. Über meine Reaktion überrascht, bricht er mitten im Satz ab. "Er wird also dafür bestraft, gelogen zu haben?", wiederhole ich seine Aussage und suche den Blick meines älteren Bruders. Patrick hebt darüber ebenfalls empört die Augenbrauen. "Wie wäre es, wenn du die Schuld dafür bei dir selbst suchst, du egoistischer Mistkerl? Mir fallen witzigerweise in diesem Moment so einige Situationen ein, in denen du es mit der Wahrheit auch nicht so ernst gemeint hast!"
"Samu-"
"Nein, du hältst jetzt den Mund und hörst mir zu, was ich zu sagen habe!", falle ich ihm ins Wort. Als ich einen Schritt nach vorne trete, drückt Trevor meine Hand, die er noch immer fest umklammert. Ich drücke sie sanft, als Zeichen, dass ich nichts Dummes anstellen werde. "Du hast gelogen, du hast betrogen ... und vor allem hast du enttäuscht. Du hast deine Frau betrogen, als ihr ein kleines Kind zuhause hattet, und anstatt wenigstens die Eier in der Hose zu haben, dich anschließend von ihr zu trennen, hast du dieses ekelhafte Spiel weiterangetrieben. Und das nur, um unsere Mutter einige Monate später schwanger sitzen zu lassen, weil irgendeine dahergelaufene Mätresse dir schöne Augen gemacht hat."
Trevors Mutter schnappt entsetzt nach Luft, als ich sie so nenne, dabei wäre mir beinahe ein ganz anderes Wort über die Lippen gekommen. Dass meine Wut nun auch sie trifft, tut mir zwar ein wenig leid, aber darauf kann und möchte ich im Moment keine Rücksicht nehmen.
"Hast du dir eigentlich einmal Gedanken darüber gemacht, wie es Mom damit gegangen ist, nachdem du sie so behandelt hast?", werfe ich Thomson vor, der mit zusammengepressten Lippen vor uns steht. "Wobei, ich sollte dir so viel Rückgrat gar nicht zutrauen. Es ist dir wahrscheinlich einfach egal gewesen."
"Das stimmt nicht!", ruft er dann doch aus. "Sie hat mich euch nicht besuchen lassen-"
"Und das wundert dich?", kommt mir Patrick zur Hilfe, der über diese Aussage nur den Kopf schütteln kann. "Wie erbärmlich bist du denn?"
"Wann immer ich einen Gedanken an dich verschwendet habe", fahre ich fort, "dachte ich, du wärst ein herzensloser Mensch, dem seine Kinder nicht unwichtiger sein könnten. Doch in Wahrheit bist du einfach nur mitleidserregend."
"Du hast nicht das Recht, Trevor dafür zu bestrafen, woran du die Schuld trägst", meint Patrick und schenkt diesem ein aufmunterndes Lächeln. "Er hat nichts anderes gewollt, als den fehlenden Teil seiner Familie kennenzulernen. Und wenn ich unter anderen Umständen von ihm gewusst hätte, hätte ich nicht anders gehandelt."
Unser Vater schaut zwischen seinen Söhnen hin und her, und gibt ein schweres Seufzen von sich. "Ich habe das alles doch nicht gewollt-"
"Siehst du, jetzt lügst du doch schon wieder", beschuldige ich ihn. "Du hast die Wahl gehabt, von Anfang an mit offenen Karten zu spielen! Dass du dich irgendwann in Lydia verliebt hast, halte ich dir nicht vor. Nur, dass du danach mit ihren und den Gefühlen unserer Mutter gespielt hast. Du hättest lediglich ehrlich sein müssen. Stattdessen hast du den Schwanz eingezogen und ... uns das Gefühl gegeben, dass wir unbedeutend und ... ersetzbar sind", bringe ich mühselig hervor und kämpfe gegen die aufsteigenden Tränen an.
Verflucht, ich möchte ihm nicht die Macht darüber geben! Das hat er nicht verdient!
Dennoch schnürt sich meine Kehle zu, weswegen ich mich bemühe tief durchzuatmen und versuche das verräterische Brennen in meinen Augen zu ignorieren.
"Ich habe euch niemals ersetzen wollen", widerspricht Thomson und bedenkt mich mit einem sanften Blick, als würde der alles wieder gut machen. Er bemerkt meinen Ausbruch, meine Schwäche, die ich ihm niemals zeigen wollte.
"Mach Trevor nicht für deine Fehler verantwortlich", ignoriere ich seinen Einwurf gekonnt, während ich Trevor neben mir leise schniefen höre. Dieses Geräusch sorgt dafür, dass sich mein Herz schmerzhaft zusammenzieht. Wenn ich ihn jetzt ansehen würde, würde ich ihn weinen sehen, da bin ich mir sicher. "Du kannst ihm keinen Vorwurf machen, dass er seine Geschwister kennenlernen wollte-"
"Und genauso kannst du ihm nicht vorhalten, ihn wen er sich verliebt hat. Wenn du doch selbst damals keine Kontrolle über deine Gefühle hattest", bestärkt Patrick mich und ich bin wieder einmal froh darüber, dass er gerade an meiner Seite steht, um mich - uns - zu unterstützen. "Du hast dich, obwohl du mit Mom zusammen warst, in Lydia verliebt. Und sie ist nicht einmal mehr wütend auf dich. Du bist ihr schlichtweg scheißegal", sagt er und sieht von unserem Vater zu seiner Frau. "Könnt ihr es dann nicht einfach darauf beruhen lassen, dass Trevor sich ebenfalls verliebt hat, und wenn es auch ein Junge ist?"
"Seht es als eine letzte Chance, es als Eltern richtig zu machen, und akzeptiert euren Sohn, wie er ist", gebe ich ihnen zu bedenken.
"Liebt ihn, wie er ist."
Lydia bricht in Tränen aus und schluchzt laut auf. "Ich liebe meinen Sohn über alles."
Trevor, der sich bisher zurückgehalten hat, lässt meine Hand los, um auf seine Mutter zuzugehen. "Mommy, weine bitte nicht."
Wir sehen zu, wie die beiden sich um den Hals fallen und einander Halt geben. Ohne dass ich darauf Einfluss habe, muss ich bei deren Anblick unwillkürlich lächeln.
Und auch Thomson geht zögerlich auf seine kleine Familie zu, um sie schließlich in eine Umarmung zu reißen.
Patrick wirft mir daraufhin einen vielsagenden Blick zu, worauf ich nur mit den Achseln zucke. Für mich wird dieser Mann niemals die Rolle des Vaters einnehmen. Nicht mehr in diesem Leben. Ich komme gut ohne ihn zurecht. Aber ich habe ihn auch niemals an meiner Seite gehabt.
Anders ist es bei Trevor. Er weiß, wie es ist, eine solche Familie zu haben, in der er beide Elternteile hat. Und ihm würde Thomson fehlen.
Nun, wir haben getan, was wir konnten. Jetzt liegt es an ihnen, sich wieder zusammenzuraufen.
Ich bedeute Patrick, dass wir verschwinden sollten. Stumm nickt er und räuspert sich, um die Aufmerksamkeit der Anderen zu bekommen. "Wir lassen euch dann mal alleine, damit ihr nochmal über alles sprechen könnt. Trevor", meine Brüder gehen aufeinander zu und umarmen sich ein wenig unschlüssig, "Es würde mich freuen, wenn wir bald voneinander hören."
"Unbedingt!", verspricht Trevor lächelnd und sieht zu mir. "Ich möchte euch beiden unbedingt näher kennenlernen."
"Gut, dann können wir also auch damit rechnen, irgendwann in naher Zukunft deinen Freund kennenzulernen", entgegne ich augenzwinkernd, woraufhin seine Wangen einen verräterischen Rotton annehmen. "Tue alles, um ihn zurückzugewinnen, Bruder", bestärke ich ihn und betone das letzte Wort, was sein Lächeln breiter werden lässt.
"Man, Sam, jetzt bring ihn doch nicht wieder zum Heulen", brummt Patrick amüsiert, als sich Trevors Augen abermals mit Tränen füllen.
Er schlägt spielerisch nach unserem großen Bruder, als er behauptet: "Rede keinen Schwachsinn! Als würde ich vor euch heulen", gibt er grinsend von sich. "Aber alles gut, Andy und ich sind auf dem besten Weg, um wieder ins Reine zu kommen."
Er scheint ein Kämpfer zu sein, das finde ich toll. Und es freut mich für ihn, dass es offenbar zwischen ihm und seinen Freund bald wieder alles gut wird. Ich habe ja von Nick zu hören bekommen, dass Trevor sehr unter der Trennung von diesem Andy gelitten hat.
Und als sein Bruder wünsche ich mir ja, dass er glücklich ist.
Patrick klatscht begeistert in die Hände. "Dann muss sich ja nur noch unser Bruder mit seinem Liebsten versöhnen", meint er und sieht mich bedeutend an, was mich die Augen verdrehen lässt.
Die Sache zwischen mir und Nick ist deutlich komplizierter. Ich muss mir etwas einfallen lassen, um das reparieren zu können.
"Ich wollte mich auch da nochmal entschuldigen, Sam." Trevors Blick ist voller Bedauern. "Ich habe niemals gewollt, dass ihr euch wegen mir so sehr streitet. All das Drama ist-"
"Keine Sorge, Trevor", ich hole tief Luft, "Ich wäre nicht Samuel Field, wenn ich so leicht aufgeben würde."
Ich habe auch schon eine Idee im Kopf, wie ich meinen Freund zurückgewinnen könnte. Wenn nicht schon alles verloren ist ...
Wer hätte gedacht, Sam und Trevor jemals so harmonisch miteinander zu erleben?
Aber unser Sammy ist wohl wirklich nochmal in sich gegangen und hat nach dem Gespräch mit seiner Mutter eingesehen, dass er einen weiteren Bruder hat, der ihn ganz offensichtlich braucht 🙈
Ich finde die beiden ja schon knuffig zusammen 😚 Da muss Patrick noch aufpassen, dass er nicht am Ende das fünfte Rad am Wagen ist 😅
Und es kam endlich zur Konfrontation mit Thomson. Ob sich da allerdings noch etwas entwickelt in Richtung Vater-Sohn-Beziehung, bezweifle ich stark 👀
Nun aber - was, denkt ihr, steckt hinter Sams Idee, sich mit Nick zu versöhnen? 🥰
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