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Louis
Meine Wasserflasche werfe ich in meine Tasche, bevor ich mir mit meinem Handtuch den Schweiß aus dem Gesicht wische. Das heutige Training war der reinste Horror. Morgen haben wir unser erstes Spiel mit unserer Trainerin, die noch mehr aus uns machen will, als dass wir es schon sind. Die letzten drei Jahre hat uns unser alter Trainer zum Gewinn geführt, jetzt soll es die Tochter eines millionenschweren Fußballspielers aus Deutschland machen. Es ist ihr erstes Jahr als Trainerin eines Vereins, welcher in der Premier League spielt. Hoffentlich werden wir wegen ihr nicht unseren Titel verlieren.
»Ich glaube, ich kriege einen Krampf«, stöhnt George neben mir und hält sich seinen Oberschenkel, ehe er gegen die Wand hinter der Bank schlägt. Helfen kann ich ihm dabei nicht. Wäre der Krampf in der Wade, könnte ich gegen seinen Fuß drücken, jetzt ist er auf sich allein gestellt. »Ich schwöre, sie hat es faustdick hinter den Ohren. Ich spiele seit sechs Jahren als Profi und kein Training hat mich so mitgenommen. Eine Minute länger mit ihr und ich hätte angefangen zu weinen.« Ich stimme James lachend zu und ziehe mir mein Trainingstrikot aus, um schneller in die Duschen zu kommen. Den Abend haben wir frei und um ehrlich zu sein, möchte ich einfach nur ins Bett. Ich möchte schlafen und meinen Muskeln beim Entspannen zusehen. Morgen geht es dann richtig los. Achtunddreißig Pflichtspiele, in denen es jedes Mal aufs Neue um den Sieg der Saison geht.
»Kommt jemand heute noch etwas trinken? In den nächsten Wochen haben wir weniger Zeit dazu.« Wir müssen viel reisen, was für mich heißt, dass ich nicht nach Harry suchen kann, den ich das erste Mal vor einer Woche gesehen habe. Schon seit der ersten Sekunde weiß ich, dass es schwer werden wird, ihn zu vergessen. Ich kann meine Gefühle in der Öffentlichkeit nicht preisgeben, trotzdem musste ich ihn einfach ansprechen. Er hat mit seinem Kleidungsstil zwar absolut nicht in die Bar gepasst, aber es war seine Ausstrahlung, die mich angezogen hat. Dass er wahrscheinlich mehr als genug Geld besitzt, war mir zu diesem Zeitpunkt egal. Ich brauche das Geld von anderen nicht, weil ich selbst genügend verdiene.
Ich möchte ihn kennenlernen. Schauen, ob aus uns eventuell etwas werden könnte, wenn er auch an Männern interessiert ist. In dem kurzen Gespräch hat er mir gemischte Signale gegeben und ich konnte mich nicht dazu überwinden, ihn zu fragen. Einen Ring hat er nicht getragen, verheiratet ist er also nicht, trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er vergeben ist. Wenn ich so aussehen würde wie er, wäre ich es wahrscheinlich schon lange. Wenn ich hetero wäre.
Aber wieso saß er alleine in dieser Bar? Ich wette, dass es genügend Menschen gibt, die nach seiner Aufmerksamkeit ächzen. Freunde hat er bestimmt ebenfalls genügend, mit denen er feiern gehen kann. Also warum saß er alleine dort? Sonderlich begeistert sah er nicht aus, als ich ihn über Pudel und Wölfe gefragt habe. Etwas anderes ist mir auf die Schnelle nicht eingefallen. Vor allem nicht die Standardbegrüßung.
»Ich passe. Ich habe ein Rendezvous mit meinem Bett. Unsere Beziehung ist unschlagbar.« Wenn ich nicht auf dem Feld bin, bin ich am liebsten in meinem Bett. Auf dem Feld fühle ich mich angekommen und verstanden. Dort habe ich Freunde, auf die ich zählen kann. Zuhause erwartet mich eine leere Wohnung, die für mich alleine viel zu groß ist. Aber etwas anderes war zu dem Zeitpunkt, als ich nach London gezogen bin, nicht frei.
»Sicher? In den nächsten Wochen haben wir kaum Zeit, um abends raus zu gehen.« Lächelnd nicke ich und greife nach meinen Waschsachen, bevor ich in die Sammeldusche gehe und den Schweiß des heutigen Trainings loswerde. So gerne ich Harry auch wiedersehen möchte, die Wahrscheinlichkeit ist zu gering, dass ich ihn auch tatsächlich treffen werde. Und wenn es doch so sein sollte, wäre ich wahrscheinlich wieder viel zu nervös, um auf ihn zuzugehen. Alles an ihm lässt mich unsicher werden. Sei es sein Blick, seine Haltung oder seine Aussprache. Aber vor allem ist es es sein Anblick, der mir die Kehle zuschnürt. Er sieht aus wie ein Model. Jedoch würde ich ihn kennen, wenn er eins wäre. Ich finde es interessant, mir solche Zeitschriften anzuschauen. Da fällt es nicht so auf, wenn ich mir die Männer länger anschaue, als die Frauen. Und mein Suchverlauf wird nicht beeinträchtigt.
Jetzt muss ich mir erstmal etwas Mut ansammeln, ehe ich ihn wieder anspreche. Mich wird er wahrscheinlich niemals freiwillig ansprechen. Ich sehe nicht aus, als würde ich in sein Beuteschema passen. Als ich ihn angesprochen habe, hatte ich Stoppeln im Gesicht und meine Haare brauchten einen ordentlichen Haarschnitt. Jetzt sind meine Wangen rasiert, jedoch hatte ich noch nicht die Zeit, zum Frisör zu gehen. Vielleicht, wenn das erste Spiel gespielt ist.
»Louis?« Ich binde mir gerade das Handtuch um die Hüften, als Alex sich an der Trennwand unserer Duschen abstützt und sich durch die nassen Haare fährt. Fragend schaue ich ihn an und bin mir sicher, dass ich weiß, worum es geht.
»Alles okay mit dir? Vorgestern warst du schon nicht richtig bei der Sache und heute auch nicht. Du weißt, wenn du reden möchtest, sind wir für dich da. Das gesamte Team.« Wie gesagt, hier fühle ich mich angekommen. Neben meinem besten Freund und meiner kleinen Schwester, sind die Jungs die einzigen, die wissen, dass ich schwul bin. Erzählen wollte ich es ihnen nicht, aber als meine Sexualität ans Licht kam, habe ich nur aufmunternde Worte zu hören bekommen. Auch von unserem ehemaligen Trainer, der mich bei der Sache vollkommen unterstützt hat.
»Danke, aber ich brauche niemanden zum Reden.« Alex war mit mir in der Bar, als ich Harry gesehen habe und hat mich dazu motiviert, ihn anzusprechen. Wenn ich alleine gewesen wäre, hätte ich mich wahrscheinlich nie dazu überwunden. Nicht bei jemandem wie Harry. Er braucht niemanden, der so aussieht wie ich. Man mag mich, weil ich gut Fußball spiele, nicht weil ich gut aussehe. Ich bin Ende zwanzig und meine letzte Beziehung ist Jahre her.
»Seitdem du diesen Typen an der Bar angesprochen hast, bist du so. Sicher, dass du uns nichts erzählen willst? Hat er dich bedroht? Wenn er dich erpresst, finden wir ihn und zeigen ihm, dass er so nicht mit dir umgehen kann. Du bist unser Freund, Louis. Wir stehen alle hinter dir.« Lächelnd bedanke ich mich und trete aus der Kabine.
Ich möchte einfach nur nach Hause und in mein Bett. Wenn ich mich dazu aufraffen kann, werde ich endlich das Buch zur Hand nehmen, welches meine Schwester mir vor mehr als zwei Monaten geliehen hat. Es soll um einen Feuerwehrmann und seine Physiotherapeutin gehen. Er verletzt sich bei einem Einsatz und sie ist dazu da, ihn wieder auf die Beine zu bringen. Das einzige, was sie davon abhält? Ihre drei Kinder von ihrem verstorben Ehemann.
Oft lese ich nicht, aber wenn ich endlich mal dazu komme, bekommt man mich kaum von dem Buch weg. Deshalb brauche ich auch Zeit dafür. Am liebsten lese ich in einer langen Sitzung. Ich kann mich währenddessen vollkommen auf die Geschichte konzentrieren und eine Welt eintauchen, in der es egal ist, was mit einem passiert ist. Am Ende werden alle glücklich.
»Mit dem Typen war nichts. Wahrscheinlich sehe ich ihn eh nie wieder. Jemand wie er hat in einer Bar wahrscheinlich nicht viel verloren«, erkläre ich Alex noch, bevor ich endgültig aus den Duschen verschwinde und das Handtuch gegen einen Trainingsanzug tausche. Mich wird heute niemand mehr zu sehen bekommen. Da ist es egal, wie ich auf dem Weg nach Hause aussehe.
💛
Das war auch schon Kapitel 2. Habt keine Sorge, es hat alles seinen Sinn und Zweck. Vertraut mir❤️
Wir sehen uns bald wieder!
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