30. Juli 2031
Der meergrüne Stein lag in meiner Hand. Er war ziemlich glatt mit nur keinen Unebenheiten und fühlte sich kühl an. Ich schloss meine Finger um ihn. Er schmiegte sich perfekt in meine Handfläche. Ich hob den Kopf und lächelte Taynara zu. „Danke!" Auch sie lächelte. „Keine Ursache. Dann hast du einen mehr für deine Sammlung." Mir fiel die Kinnlade herunter. „Woher...?!" Mein Gegenüber lachte. „Es ist ja sehr schwer zu erkennen, dass du Steine sammelst, wenn man deine Rumpelkammer einmal betreten hat!" Jetzt stimmte auch ich in ihr Lachen ein. Daran hätte ich auch denken könnten. Als kleine Anmerkung nebenbei: Meine Rumpelkammer ist wirklich „etwas" mit Steinen vollgestopft.
Ich blickte hoch – Taynara war fast einen Kopf größer als ich. Fast sofort versank ich in diesen einfach nur wunderschönen dunkelgrünen Augen mit den grauen Sprenkeln. Na, wer sagt noch, dass man nur in Augen von Männern so wunderbar versinken kann? Ich konnte nur mit etwas Mühe ein Seufzen unterdrücken. Einige würden sich bei dem Wort „seufzen" wahrscheinlich typisch Mädchen denken – allerdings irren sie sich da, das weiß ich aus eigener Erfahrung! Und wieso hatte ich mich eigentlich unbedingt in ein Mädchen verlieben müssen? Ein Mädchen, das noch nicht einmal aus meiner Stadt stammte... Ich wusste, dass es für Taynara und mich unmöglich eine Zukunft geben konnte. Es war wirklich zum heulen... Ich wäre gerne ewig so geblieben und hätte ihr einfach nur in die Augen geschaut. Dann hörte ich plötzlich ein Räuspern, das mich zusammenzucken und herumwirbeln ließ. Es war Tom, der mich wissend – HALLO?! WISSEND?!?!?! – angrinste. Ich schnaubte leise. Zu leise, dass Tom es hätte hören können, aber Taynara warf mir einen leicht verwirrten Blick zu. Mein Glück, dass sie in dieser Sache etwas schwerer von Begriff war...
Vorsichtig legte ich den Stein auf ein hellblaues Tuch ab – ich hatte inzwischen so viele Steine, dass ich dazu übergegangen war, sie nach passenden Farben zu sortieren. Ich strich noch einmal sanft über ihn. Er bedeutete mir jetzt schon wirklich viel. Er war das erste Geschenk von Taynara und sie hatte sich auch wirklich darüber Gedanken gemacht! Mein Herz flatterte bei dem Gedanken in meiner Brust wie ein eingefangener Kolibri und ich schaute, wie eigentlich immer, wenn ich an Taynara dachte, verträumt im Raum herum.
Erneut wurde ich von meinem lieben Ehemann, der die Tür hinter sich schloss, aus meinen Gedanken gerissen, was er in letzter Zeit irgendwie gefühlt zehnmal täglich tat. Er grinste mich an und setzte sich auf einen hölzernen Hocker – einer der wenigen Orte in meiner Rumpelkammer, der nicht dazu auserwählt war, als Podest für einige meiner hochheiligen Steine zu dienen.
„Also, wie läuft's?", fragte mich Tom grinsend. Verständnislos sah ich ihn an. Was meinte er? Was sollte wie laufen? Man hatte meine Verwirrung anscheinend aus meinem Gesicht ablesen können, denn mein bester Freund stöhnte etwas genervt und verdrehte die Augen. „Taynara?", half er meinem Gehirn etwas auf die Sprünge. „Ach so, sag das doch gleich!", grummelte ich in meinen nicht vorhandenen Bart. Erneut verdrehte mein Gegenüber, diesmal allerdings belustigt, die Augen. „Also?" „Ähm, wir verstehen uns sehr gut", war meine etwas lahme Antwort. Tom stöhnte erneut genervt auf. Anscheinend mutierte er gerade zu seinem eigenen Papagei. „Du magst sie sehr gerne, oder?" Ich nickte und merkte, dass mir leichte Röte in die Wangen kroch. Tom grinste triumphierend und murmelte etwas von „hab ich's doch gewusst". Ich sah ihn mit meinem typischen sag-noch-ein-Wort-und-deine-Nase-hat-die-schönste-Zeit-ihres-Lebens-hinter-sich-gehabt-Blick an. Dann nahm ich mir ein Tuch und wand mich mit dem Ziel heute ein Viertel aller Steine zu polieren wieder meinem Heiligtum zu.
„Sky?" „Was?", gab ich etwas aggressiv zurück. Toms ständige Unterbrechungen gingen mir langsam echt auf den Geist. „Ich muss dir was sagen." „Hab ich ja auch überhaupt nicht vermutet." Manchmal wünschte ich mir echt meinen nicht vorhandenen Bart herbei. Dann gab ich mir einen Ruck und legte das Tuch beiseite. „Schieß los!", seufzte ich, nachdem ich mich auf den zweiten Hocker niedergelassen hatte. „Ich habe... ich bin...", er schien nach Worten zu finden, um mir das, was er mir sagen wollte, anscheinend etwas schonend mitteilen und nicht mit der Tür ins Haus fallen wollte. „Sag, ich werde dich dafür schon nicht umbringen!" „Also gut. Ich treffe mich seit ein paar Wochen mit Fiona Ninnon, du kennst sie wahrscheinlich, sie ist ein Jahrgang unter uns." Ich nickte. Natürlich kannte ich sie. Sie war sehr hübsch mit ihren langen schwarzen Haaren, den smaragdgrünen Augen und ihrer perfekten Figur. Außerdem war sie perfekt erzogen und sehr beliebt. Wenn ich ehrlich war, war ich auch etwas neidisch auf ihr Aussehen... „Wir haben uns also getroffen, uns unterhalten und..." Im schienen nicht passende Worte einzufallen. „Und jetzt hast du dich in sie verliebt." Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Tom nickte und stieß die angehaltene Luft aus. Ich grinste. „Ich freue mich für dich! Fiona ist nett, hübsch, beliebt. Ihr passt wirklich sehr gut zusammen!" Ich strahlte meinen besten Freund an und umarmte ihn.
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