Sizilien
Kurzer Verweis zum Kapitel: Ich habe versucht die Unterschiede zwischen British English und dem Aussie Slang irgendwie ins Deutsche zu übersetzen. Das erste Slangwort ist: "bloody" - im normalen englischen Gebrauch heißt es ja eher blutig (zumindest hab ich es noch nicht im anderen Zusammenhang gehört-falls es doch anders geht, dann korrigier ich das gerne ;) ), aber die Aussie's benutzen es sehr häufig für "extrem" oder "sehr" deshalb der erste witzige Wortwechsel. Als zweites ist das Wort "beaut" oder "beauty" gemeint was Aussies für das Wort "fantastisch" benutzen. Aber im Englischen kann es ja auch "Schöne" oder "Schönheit" heißen (deshalb hier auch die Szene am Ende). Damit es nicht zu Verwirrungen kommt, wollte ich das erwähnen <3
Gott nein.
Ich schüttele meinen Kopf, ein frustrierendes Gefühl breitet sich in mir aus, als ich mich im Spiegel der Umkleidekabine betrachte.
Vielleicht solltest du dir doch einen Badeanzug kaufen...
Mein Blick fährt über den geblümten Bikini, den mein kleines A Körbchen kaum ausfüllt. Meine Haut hat die Farbe von Käse, obwohl es Ende Juni ist. Ich wurde einfach nicht braun, so sehr ich es mir wünschte und hoffte. Das waren nun mal eine der Tatsachen, mit denen man als Rothaarige leben musste. Im hellen Umkleidelicht sehe ich jede einzelne Delle an meinem Körper, die Cellulite, die ich so hart versuchte wegzutrainieren, war sichtbar wie eh und je.
Der Bikini hatte so süß ausgesehen, doch an mir sah er aus, wie an einem pubertierenden Teenagemädchen, das noch nicht ganz entwickelt war. Mit einem Seufzer ziehe ich den Bikini aus und zeihe mir schließlich meine Kleidung wieder über. Es hatte keinen Sinn. Ich würde mich nie in einem Bikini wohl fühlen. Ich würde einfach meinen alten Bikini mit nach Sizilien nehmen. Er war zwar nicht der Schönste, aber immerhin konnte ich damit schwimmen gehen. Und schließlich war es nur für 12 Wochen. Einen zu bestellen war jetzt eh zu kurzfristig. Morgen würde er niemals bei mir zuhause eintrudeln.
Meine müden Augen blicken mir im Spiegel entgegen, als ich mir meinen Pferdeschwanz wieder ordentlich mache. Ich hatte die ganzen letzten Tage damit verbracht meinen Aufsatz zu überarbeiten, damit ich ihn heute erneut einreichen konnte. Jetzt hieß es nur noch beten.
Ich betrachte mich weiter im Spiegel, ein ekeliges Gefühl dringt in meinem Inneren hoch. Ein Gefühl, welches mir nur zu bekannt war. An manchen Tagen war es einfach verdammt hart in den Spiegel zu schauen. Warum konnte ich nicht aussehen, wie eine Frau? Warum konnte ich nicht lange, glatte Haare in einer normalen Haarfarbe haben? Irgendwelche weiblichen Kurven haben und einfach cool sein?
Stattdessen musste ich eine fast nicht existierende Brust haben, blass sein, rote leuchtende Haare haben und mich die meiste Zeit sportlich kleiden. Und warum konnte ich mich einfach nicht mehr wie eine Frau verhalten?
Aber wie verhielt sich eine Frau heutzutage überhaupt...
Ich seufze leise auf. Manchmal wünschte ich mir einfach ich sei intelligenter. Aber nicht zu intelligent. Manchmal wünschte ich mir ich könnte mit Männern flirten. Ich wäre lustiger und interessanter und nicht so komisch und aufgedreht wie ich oft war.
Das Geräusch meines Handys reißt mich aus meinen Gedanken. Ich drücke auf den grünen Hörer und halte mir das Handy ans Ohr.
„Freya, wo bist du?", ruft mir Vicky ins Ohr.
„Bei H&M.", antworte ich knapp.
„Das in der Oxford Street?", fragt sie mich, ein kurzes Rauschen dringt durch das Telefon.
„Ja. Hör mal ich kann dich nur noch ganz schlecht verstehen. Gehst du gerade zur U-Bahn?", frage ich sie.
„Jap.", gibt sie knapp von sich gefolgt von einem weiteren Rauschen und nun abgehackten Worten. „.... Picadilly Line... zwei Haltestellen....", höre ich nur noch, bevor die Verbindung abbricht.
Obwohl Vicky seit zwei Jahren in London lebte, hatte sie immer noch nicht verstanden, dass man so bald man die U-Bahn betrat kein Netz mehr hatte. Soviel wie ich sie verstanden hatte, musste sie irgendwo an Marble Arch sein und nahm nun die Picadilly Line, um mich an Oxford Circus zu treffen. Wir waren das letzte Mal bevor ich übermorgen nach Sizilien flog zum Lunch verabredet.
Ich schiebe den Vorhang der Umkleidekabine zur Seite, hänge den Bikini an der Kleiderstange ab und mache mich auf den Weg zum Oxford Circus. Auf dem Weg dahin, verfluchte ich die Touristen, die an jeder Ecke stehen blieben und es mir unmöglich machten mich schnell fortzubewegen. Als ich schließlich am Oxford Circus ankomme, wartet Vicky bereits auf mich. Ihre Augen sind auf ihr Handy fokussiert auf das sie wild eintippt.
„Hey.", gebe ich von mir, als ich vor ihr zum Stehen komme, weil sie mich immer noch nicht erkannt hat.
Erschrocken zuckt sie zusammen und hebt ihren Kopf. „Ach, hi.", sie schenkt mir ein Lächeln, wendet sich kurz ihrem Handy wieder zu und tippt ihre Nachricht noch zu Ende, bevor sie das Handy in die hintere Hosentasche ihrer Shorts steckt. Ihre blonden Locken sind zu einem dieser unordentlichen Dutts auf dem Kopf zusammengefasst. Nur dass es bei ihr wie einer dieser gewollt ordentlichen Dutts aussieht.
Sie hat ein Lächeln auf dem Gesicht, als wir uns auf den Weg zum Vapiano machen. „Wie geht's dir ?" , fragt sie mich schließlich.
„Gut, ich freu mich auf Sizilien.", gebe ich von mir, ein Lächeln auf meinem Gesicht, als ich ans Meer denke.
Es gibt nichts was mich glücklicher macht, als der Ozean. Jedes Mal, wenn ich mich am Meer befand, fühlte ich mich frei. All meine Probleme schienen plötzlich klein und nutzlos zu sein, denn das Meer zeigte mir jedes Mal, wie groß und weit die Welt doch war und wie klein ich im Gegensatz dazu war. Und das galt auch für meine Probleme. Das Geräusch der Wellen beruhigte mich jedes Mal wie ein beruhigendes Schlaflied und ließ gleichzeitig die wilde, ungehemmte Seite meines Inneren frei, die ich oft versuchte zu verstecken. Auf merkwürdige Art und Weise hatte es einen Schlüssel für das Schloss in meinem Inneren und öffnete es für eine Weile.
„Das glaub ich dir. Ich bin schon neidisch.", dringt Vicky's Seufzen durchmeine Gedanken und holt mich wieder zurück zum Hier und Jetzt.
„Nächstes Jahr fliegen wir wieder zusammen", ich lege ihr meine Hand auf den Arm und schenke ihr ein Lächeln.
„Auf jeden Fall.", gibt sie von sich, als wir vorm Vapiano angekommen sind.
Innen drin, bekommen wir einen Tisch zugeteilt und nach dem wir uns etwas zu Trinken und Essen bestellt haben, fängt Vicky erneut an zu sprechen. Sie erzählt von ihrer Arbeit, fragt mich wie es in der Uni läuft und für eine Weile unterhalten wir uns über unsere letzten Tage und unseren Alltag. Während ich ihr zuhöre, singe ich das Lied mit was im Radio läuft und wippe meinen Körper mit. Gott ich liebte Musik einfach!
Aus den Augenwinkeln sehe ich zwei Mädchen am Tisch neben uns, die mich mit einem abwertenden Gesichtsausdruck mustern, so als ob es eine Straftat wäre in einem Restaurant bei der Musik mitzusingen.
Plötzlich beginnt Vicky mit einem einleitenden Satz, den sie immer benutzt, um die Konversation in eine Richtung zu lenken.
„Ich muss dir was erzählen."
Ich muss dir was erzählen , war Code für : Nun folgt eine Männergeschichte.
„Mich hat ein Typ bei Tinder angeschrieben und wir schreiben jetzt schon seit Tagen."
Verwirrt runzele ich mit der Stirn.
„Aber was ist mit Noah?"
Vicky macht eine abfallende Handbewegung. „Ach, wenn er keinen Schwanz in der Hose hat, um mich auf ein Date zu fragen, dann ist er es nicht wert.", sagt sie so beiläufig, als ob sie mir nicht die letzten Tage die Ohren vollgeheult hätte.
„Das stimmt", sage ich nur, weil es in dieser Situation zwecklos war meine Meinung von mir zu geben.
Ich kannte Vicky nur zu gut. Sie sehnte sich nach Jemanden, der sie liebte. Nur im Gegensatz zu mir ging sie damit anders um. Sie datete wahllos eine Scharr von Typen, manche solche Dummköpfe, dass ich mich manchmal fragte, was sie an ihnen fand. Während ich mich in meine Leidenschaften stürzte und an meinen Zielen und meiner Karriere arbeitete.
„Jedenfalls, ist Alfie so anders, Freya. Wenn ich mit ihm schreibe fühle ich mich einfach total wohl..."
„Das freut mich für dich.", ein kleiner Stich gefolgt von einem Schwall von Angst durchfährt meinen Körper.
Jedes Mal, wenn Vicky einen neuen Typen kennenlernte, kroch Angst in mir hoch. Angst, dass Vicky die große Liebe ihres Lebens gefunden hatte und dies mich alleine zurücklassen würde. Dass ich alleine sterben würde, während alle Menschen um mich herum glücklich sein würden. Ich wusste, dass war ein bisschen melodramatisch, aber die Angst alleine zu sterben war, obwohl ich erst 21 war, manchmal so echt und groß, dass mir schlecht wurde, wenn ich darüber nachdachte.
Ich schiebe die Angst ganz weit nach unten und schenke Vicky ein Lächeln, was eine Einladung für sie ist mir weiter von Alfie zu erzählen.
Nachdem sie mir alles von ihm erzählt hat, lehnt sie sich mit einem verträumten Ausdruck auf ihrem Gesicht zurück. Manchmal wünschte sich ein kleiner Teil in mir, dass ich so aussah, wie Vicky. Die Welt wäre manchmal so viel einfacher, wenn ich blond wäre anstelle von rothaarig.
„Wie läufts mit dir und den Typen eigentlich? Irgendetwas Neues?", fragt sie mich schließlich.
Ich schüttele den Kopf. „Nö alles beim Alten."
„Kein süßer Typ in der Uni?"
Ich verdrehe die Augen. „Gott, nein! Die Typen an der Uni sind die Schlimmsten Vicky. Ich sag's dir. Die meisten von denen, haben einen Stock im Arsch und denken sie wären es. Und mal ganz ehrlich zu mir passt kein Typ, der einen Stock im Arsch hat. Ich würde ihn mit meinem Gelaber und meiner verrückten Art in den Wahnsinn treiben."
Sie schüttelt den Kopf. „Freya du machst dich immer viel schlechter als du bist."
Ich schenke ihr ein leicht trauriges Lächeln. „Nein Vicky, ich bin nur ehrlich. Kein Typ will ein Mädchen, dass permanent quasselt oder in wilde Tanzparties ausbricht oder sich wie ein Kleinkind manchmal benimmt."
„Aber das ist nun mal deine Art, Freya. Lieber so, als langweilig sein."
Ich lache auf. „Ja ich weiß, aber manchmal wünschte ich mir ich wäre einfach jemand anders."
„Freya! Hör auf sowas zusagen! Die Leute, die dich nicht mögen, haben dich nicht verdient. Die richtigen Menschen werden dich für das zu schätzen wissen, was du bist."
„Danke.", murmele ich nur und versuche das Thema zu wechseln. Wenn ich mich noch weiter daran aufzog, würde ich anfangen zu weinen. Ich war mir sicher.
„Gott Sizilien wird sooo cool werden!", rufe ich schließlich begeistert aus, um das Thema zu wechseln.
„Ich werde dich aber vermissen. Was soll ich denn die nächsten 12 Wochen bloß ohne dich machen?", fragt mich Vicky traurig.
„Du wirst es schon überleben.", sage ich und klopfe ihr tröstend auf den Arm. „Und du hast ja jetzt Alfie."
Vicky zieht ihre Augenbrauen hoch. „Alfie ist aber nicht meine Freundin.", sagt sie erbost „Das ist nicht das Gleiche. Und außerdem weiß ich doch noch nicht mal, ob überhaupt was aus uns wird"
Ich schenke ihr ein Lächeln und sage: „Abwarten."
***
Pure Freude durchflutet meinen Körper, als ich am anderen Ende des Flughafens meine Freundin Alessia entdecke. Ich hatte sie fast anderthalb Jahre nicht mehr gesehen. Seit sie ihr Auslandssemester in London beendet hatte. Wir hatten uns in einem meiner Literaturkurse kennengelernt und in diesem halben Jahr hatte uns unsere Liebe zu Taylor Swift zusammengeschweißt.
„Oh mein Gott.", rufe ich aus und renne auf sie zu. „Dio Mio.", ruft sie gleichzeitig in ihrer Muttersprache, bevor wir uns beide in die Arme fallen. Wir drücken uns bei fest und lachen.
„Ich hab dich vermisst.", sage ich lachend.
„Deine Haare, Girl!", ruft Alessia laut aus, macht einen Schritt zurück und betrachtet mich. „Die sind ja richtig lang geworden!"
Nervös zwirbele ich durch meine Haare. „Ja ich weiß."
„Du siehst gut aus.", sie schenkt mir ein Lächeln, ihre braunen Augen liegen warm auf mir.
„Du auch.", ich schenke ihr ebenfalls ein Lächeln. „Ich mag dein Kleid. Hast du das selbst genäht.", ich schaue ihr rotgeblümtes Kleid bewundern an. Alessia nähte in ihrer Freizeit und die Kleidung, die sie selbst nähte sah immer total gut aus.
Sie nickt. „Ja. Ich hab den Stoff auf dem Markt letztens gesehen und ich konnte einfach nicht vorbeigehen. Hat mich zu sehr an Gabriella aus High School Musical erinnert."
„Oh mein Gott ja!", rufe ich euphorisch aus.
„Wie war dein Flug?", fragt sie mich schließlich, während ich neben ihr durch den Flughafen laufe.
„Ganz gut. War ziemlich ruhig. Zum Glück keine Turbulenzen."
Früher hatte ich totale Angst vorm Fliegen gehabt. Mittlerweile ging es und ich fand Fliegen nicht mehr so schlimm. Trotzdem musste ich Turbulenzen nicht wirklich haben.
„Gut. Hast du Hunger? Ich hab dir ein Panini mitgebracht."
Sie reicht mir das Brot und ich nehme es dankend entgegen.
Als wir aus dem Flughafen treten, trifft mich die Hitze wie ein Schlag. Obwohl es erst zehn Uhr morgens ist. Der Himmel erstreckt sich strahlend blau über uns, keine einzige Wolke am Himmel.
„Gott ich bin viel zu unpraktisch angezogen...", lache ich auf, als ich in meiner langen Hose und meinem T-Shirt hinter Alessia herlaufe. Juli in London war nicht unbedingt immer heiß. Und heute war einer dieser Tage gewesen.
„Ach.", sie macht eine abfallende Handbewegung. „Wenn wir bei mir zuhause sind, kannst du dich umziehen."
Sie führt mich zu einem kleinen silbernen Fiat Punto. Statt den Kofferraum zu öffnen, öffnet sie die hinteren Türen und schmeißt meinen Koffer auf die Sitzbank. Ich schüttele lachend den Kopf und laufe zum Beifahrersitz. Nur dass der Beifahrersitz, der Fahrersitz. Ich schlage mir mit der Handfläche gegen die Stirn.
„Sorry! Andere Seite, ich weiß.", ich laufe schnell zur rechten Seite und öffne die Tür, um mich auf den Beifahrersitz zu setzen.
Alessia startet den Wagen und sofort ertönt Taylor Swift's "King of my heart" aus den Lautsprechern.
Sofort fangen wir beide lauthals an zu singen.
***
„Oh mein Gott! Hier wohnst du?", mein Mund ist geöffnet, als ich auf das Haus vor mir blicke.
Ich hatte noch nie in meinem Leben so ein schönes Haus gesehen. Ich komme nicht mehr aus dem Staunen heraus, als mein Blick wieder und wieder über das Gebäude gleitet. Das ganze Haus ist in einem hellen Terracottaton gestrichen, die einzelnen Ziegeldächer in Rot. An der linken Häuserwand schlängelt sich ein Weinstrauch hoch, mit kleinen noch nicht wirklich gereiften Weintrauben. In der Ferne höre ich Grillen zirpen und wenn ich mich ganz stark konzentriere höre ich sogar ...
„Oh mein Gott ist das das Meer, was ich höre!", rufe ich aufgeregt aus.
„Ja.", antwortet Alessia mit einem Lachen.
Mein Herz beginnt höher zu schlagen, als ich nach meinem Koffer greife.
„Das da drüben ist dein Reich für die nächsten Wochen." Alessia zeigt auf einen kleinen Anbau mit eigener Eingangstür und einer kleinen beigen Treppe, der sich neben dem Haus befindet.
„Oh wow.", die Worte verlassen meinen Mund in einem Hauchen.
„Aber erstmal will ich dich meiner Mutter und meinem Vater vorstellen."
Sie läuft vor mir auf das Haus zu, um dessen Außenfassade sich verschiedene Pflanzen und Blumen befinden. Das Hauptgebäude hat zwei einzelne Balkontüren mit jeweils einem ovalen Fenster drüber. Eine kleine beige Treppe führt zum Haupteingang. Ich hieve meinen Koffer die Treppe hoch und betrete schließlich hinter Alessia das Haus.
„Mamma, papà siamo a casa.", ruft Alessia laut durch das Haus.
Mein Italienisch ist nicht wirklich gut, aber das verstehe ich.
„Alessia!", höre ich eine begeisterte, fröhliche Stimme rufen, gefolgt von einer Frau mittleren Alters, die um die Ecke kommt.
Als die Frau mich erblickt, breitet sich ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht aus, bevor sie mit ausgebreiteten Armen auf mich zu kommt und mich in ihre Arme zieht. Ein Hauch von Parfüm dringt in meine Nase, als die Frau mir zwei Küsschen auf die Wange druckt. „Ciao! Willkommen in Sizilien.", sagt sie mit einem starken italienischen Akzent. Dann löst sie sich von mir, macht einen Schritt zurück und nimmt meine Hände in ihre. Für einen kurzen Augenblick bin ich sprachlos, als sie mir gegenüber steht und mich mit einem so strahlenden Gesicht anschaut, dass ich das Gefühl habe von ihrer Schönheit geblendet zu werden. Die Frau, die mir gegenüber steht, sieht mit ihren dunklen, langen, glänzenden Haaren, ihren dunklen Augen und ihren weichen, hübschen, femininen Gesichtsauszügen wie eine Mischung aus der italienischen Schauspielerin und Modelikone Monica Bellucci und Claudia Cardinale, als sie jünger war, aus. Sie trägt ein weißes knielanges Kleid, dessen Ärmel sie hochgekrempelt hat, auf ihrem Kopf ein weißer Sonnenhut.
„Ich bin Alessia's Mutter, Ginevra. Du musst Freya sein", sagt sie mit sanfter Stimme. „So eine hübsche junge Frau. Und dann diese Haare. Sono bellissima!", ruft sie begeistert aus. „Die Männer in England müssen ja wie sagt man eh...", sie schnippst mit ihren Fingern um nach einem Wort zu suchen. „Verrückt nach dir sein."
Mein Mund klappt auf und ich blicke Alessia's Mutter fassungslos an. Sie musste Scherze machen. Hatte diese Frau selbst einmal in den Spiegel geschaut. Ich schüttele den Kopf und sage peinlich berührt „Nein nicht wirklich."
Ginevra schnalzt mit ihrer Zunge. „Stupidi Ragazzini.", sagt sie abwertend und schüttelt mit dem Kopf.
Schließlich wendet sie sich Alessia zu, die schräg hinter mir steht.
„Dein Vater ist mit Davide auf dem Fischmarkt, er kommt erst in ein paar Stunden nach Hause. Wie wärs, wenn du Freya ihr Zimmer für die nächsten Wochen zeigst, bevor du zur Bücherei musst?", schlägt Ginevra vor und wendet sich mir wieder zu.
„Fühl dich ganz wie zuhause. Wir sind froh, dass du da bist", sagt sie und drückt warm meine Hände, bevor sie mich loslässt, sich umdreht und weiter ins Haus läuft.
Bevor sie jedoch um die Ecke verschwunden ist, bleibt sie noch einmalkurz stehen und wirft eine letzten Satz über ihre Schulter zu. „Alessia, stell Freya bloß nicht Ernesto vor. Dem Armen werden die Augen aus dem Kopf fallen."
Ich höre Alessia neben mir lachen, während ich verwirrt die Nase rümpfe.
„Ähm wer ist Ernesto?", frage ich Alessia schließlich, während ich mit meinem Koffer neben ihr das Haus verlasse und gemeinsam durch die Hitze zum kleinen Nebenanbau laufe.
„Unser Nachbar. Er wohnt in die Richtung den Hügel runter. Er ist 35 und notorischer Junggeselle.", sie zeigt in die Richtung des Hügels und zieht schließlich einen kleinen Schlüssel aus einem der Blumenkübel, der neben dem Eingang des Nebenanbaus liegt und schließt schließlich die Tür auf.
Ich ziehe meine Augenbraue hoch. „Und was hat das mit mir zu tun?" „Italienische Männer haben ein Faible für rote Haare, glaub mir.", sie zuckt mit den Schultern, als wir beide den Nebenanbau betreten.
„Tada. Das ist dein Reich für die nächsten Wochen", ruft sie schließlich aus und zeigt auf das Zimmer vor mir.
Es ist nicht wirklich groß, aber es reicht. Ein Bett mit einer orangenen dünnen Decke steht in der Ecke, an der Wand steht ein kleiner Tisch mit einem Stuhl. Angrenzend kann ich eine Tür entdecken, die in ein kleines Badezimmer führt.
„Es ist nicht wirklich groß, aber das Nötigste hast du hier. Im Bad ist eine kleine Dusche und eine Toilette. Handtücher hab ich dir ins Bad gepackt. Wenn du Hunger hast lauf einfach rüber und nimm dir aus dem Kühlschrank was du willst."
„Ich bin froh, dass du hier bist, Freya", sagt Alessia plötzlich mit sanfter, emotionaler Stimme und umarmt mich schließlich.
„Ich auch", antworte ich ihr mit einem Lächeln.
***
Zwei Stunden später laufe ich den Hügel von Alessia's Haus runter zum Strand, in der Hoffnung, dass mich Ernesto der komische Nachbar nicht entdeckt. Ich hatte keine Ahnung, wie er überhaupt aussah, aber laut Alessia's Beschreibungen musste er ziemlich der Playboy sein.
Alessia war auf den Weg zu ihrem Job in der Bücherei, wo sie neben ihrem Studium arbeitete. Es war nur noch für knapp 6 Wochen, dann hatte sie Sommerferien. Bis dahin würde ich sie nur am Morgen für ein paar Stunden sehen, am Abend und an den Wochenenden. Aber das war es mir wert. Alessia und ich waren in dem halben Jahr, das sie in London verbracht hatte zusammengewachsen. Ich nannte sie manchmal liebevoll meine italienische Schwester.
Die Sonne knallt auf meinen Kopf und meine Haut. Ich bin froh, dass ich eine Cap trage und mich mit Sonnenschutzfaktor 50 eingerieben habe. Anderweitig würde ich verbrennen, da war ich mir sicher. Als Rothaarige und generell als bleicher Mensch lebte man im Sommer gefährlich.
Zum Glück habe ich mir bereits meinen Bikini unter meine kurze Hose und mein himmelblaues Top gezogen, so dass ich als ich am Strand angekommen bin, sofort meine Kleidung runterreißen kann. Dann stelle ich den Sonnenschirm, den ich mir fünf Minuten zuvor gekauft habe in den Sand und spanne ihn auf, damit ich auf meinem Handtuch von der prallen Sonne geschützt bin.
Und dann hält mich plötzlich nichts mehr. Voller Freude renne ich über den Sand Richtung Meer und schmeiße mich in die Fluten, als ob ich Ariel die Meerjungfrau wäre.
***
Drei Stunden später falte ich mein Handtuch zusammen, meine Haut rot von der Sonne, obwohl ich mich eingecremt habe, mein Haar ein einziges Durcheinander vom Salzwasser. Weil mein Bikinioberteil noch nicht trocken ist, stopfe ich mein Top in meine Tasche und entschließe mich in Shorts und Bikinioberteil loszulaufen. Hier kannte mich eh keiner. Schnell flechte ich meine Haare und setze mir wieder meine Cap auf. Dann renne ich über den heißen Sand zur Treppe und schlüpfe am Ende schließlich in meine Sandalen.
Auf dem Weg zurück summe ich leise Taylor Swift's „August" vor mich hin. Der Himmel erstreckt sich in einem klaren Blau über mir, in der Ferne sehe ich den Vulkan Ätna. Um mich herum höre ich überall Fetzen von Italienisch, Frauen in schönen Strandkleidern mit Körben voller Orangen laufen an mir vorbei, am Straßenrand ruft mir ein Eiskäufer mittleren Alters pfeifend „Bella Donna!" hinterher.
Ich schüttele nur den Kopf. Italiener mussten wirklich notorische Flirter sein, wenn sie mir hinterherschrien.
Die Sohlen meiner Sandalen klatschen auf dem Boden, während ich an der Kreuzung zum Hügel ankomme. Ein Röhren, wie das Geräusch eines Motors durchdringt plötzlich die Luft und aufeinmal sausen drei Quads an mir vorbei. Ich bleibe stehen und schaue fasziniert ein paar Mädels und Typen hinterher, die auf den Quads sitzen und durch die Straße brettern.
Oh mein Gott, das will ich auch!
Ein Kribbeln dringt durch meinen Körper, meine Augen folgen der Richtung der Quadfahrer. Ich sehe wie sie am Ende der Straße rechts abbiegen. Schnellen Schrittes, laufe ich in die Richtung und biege ebenfalls rechts ab, meine Strandtasche eng um meine Schulter. Als ich in die Straße einbiege, landen meine Augen endlich auf einen Stand, neben dem sich eine Reihe von Quads und anderer Autos befinden. Vor dem Stand stehen ein paar Leute, die darauf warten sich ein Gefährt auszuleihen. Aufregung durchzuckt meinen Körper, meine Schritte werden schneller, während ich überlege wie viel Geld ich eingesteckt habe. Am Flughafen hatte ich ein paar Pfund in Euro umgetauscht. Sonst hatte ich meine Kreditkarte mit. Die Karte lag bei Alessia zu Hause, aber die Euros hatte ich in meiner Tasche. Als ich am Stand ankomme und mein Blick auf das Preisschild landet, erscheint ein Grinsen auf meinem Gesicht. Ich habe genug Geld dabei!
Solange ich in der Schlange warte bestaune ich die Quads und suche mir insgeheim schon mal eins aus. Es gibt grüne und blaue und meine Augen haben sich nach einer Minute auf ein bestimmtes Blaues festgefahren. Als ich endlich an dem Verleiher angekommen bin, begrüßt dieser mich mit einem heftigen italienischen Akzent. Er ist kleiner als ich und etwas dicklich.
„Ciao Bella! Was kann ich für dich tun?"
„Hi. Ich würde gerne ein Quad ausleihen."
„Sicher", sagt er mit einem Lächeln und zeigt auf das Schild hinter sich auf dem die Preise aufgelistet sind.„Sie haben die Auswahl zwischen zwei Stunden oder einer Tageskarte."
„Zwei Stunden", gebe ich von mir, weil Alessia in drei Stunden wieder nach Hause kommt und ich nicht den ganzen Tag Zeit habe mit dem Quad durch die Gegend zu fahren.
„Okay. Dann bekomme ich einmal Ihren Führerschein und 40 Euro"
Führerschein?
„Meinen Führerschein?", frage ich mit hoher Stimme, obwohl es total Sinn macht, dass ich um ein Quad zu fahren meinen Führerschein brauche. Immerhin ist es ein Fahrzeug wie jedes andere.
Mein Herz sinkt in sich zusammen, als ich realisiere, dass ich kein Quad fahren kann, weil ich meinen Führerschein vergessen hab.
Wie dumm bin ich eigentlich, dass ich meinen Führerschein nicht mit in den Urlaub nehme?
Weil du in London wohnst Freya, deshalb. Und in London kommst du fast überall mit dem Bus und der U-Bahn hin. Mit dem Auto zu fahren ist Selbstmord.
„Sorry, aber ich hab meinen Führerschein zu Hause in England vergessen...", gebe ich nun etwas trauriger von mir. „Ich komm die Tage noch mal wieder, meine Freundin hat sicherlich einen Füh...", beginne ich schnell, doch auf einmal werde ich von einer Stimme hinter mir unterbrochen.
„Ich hab aber einen", eine männliche Hand schnellt hinter mir nach vorne und legt einen Führerschein auf den Tisch.
Mein Blick fällt kurz auf das Foto, das einen jungen Typen zeigt.
Ich hebe meinen Kopf und drehe mich vorsichtig nach hinten um. Mein Blick trifft zuerst auf seine Augen, die nicht blau sind, sondern grün. So grün, dass sie mich an Efeu erinnern. Merkwürdigerweise fängt mein Herz plötzlich in meiner Brust an zu schlagen, wie ein kleiner Vogel, dessen Flügel gegen einen Käfig schlagen. Meine Augen wandern weiter über seine dunklen Haare, die ein bisschen länger oben sind, als an den Seiten, über seine dichten Augenbrauen, seine schmale Nase, seine vollen Lippen, bis hin zu seiner markanten Kieferpartie. Ein plötzliches, merkwürdiges Gefühl breites sich in der Luft aus und dringt durch meinen Körper. Ich habe das Gefühl als ob ich gegen eine Wand gelaufen wäre oder ein Blitz bei mir eingeschlagen wäre.
Es war offiziell! Ich wurde wahnsinnig.
„Cool, viel Spaß.", presse ich über meine Lippen und flüchte von dem Stand weg, mein Herz schlägt wild in meiner Brust.
Eine Hand landet plötzlich auf meinem Arm, hält mich zurück.
„Warte Liebling.", seine Stimme klingt tief, sein Akzent ähnlich dem meinen, doch wenn man genau hinhört erkennt man, dass er nicht aus England ist.
Mein Arm kribbelt, da wo er mich anfasst und als ich mich schließlich vorsichtig umdrehe, schaue ich ihn sein lächelndes Gesicht. Sein Gesicht, dass so schön aussieht, dass ich mir sicher bin, dass er ohne Mühe in einem GQ Magazin erscheinen könnte.
Auf einmal bin ich mir richtig bewusst, dass ich nur in einem Bikinioberteil vor ihm stehe. Mein flaches A Körbchen, wie die eines Jungen. Mein Gesicht befreit von jeglichem Makeup, geben mir den Look von nicht existierenden Augenbrauen.
„Was?", frage ich plötzlich fast atemlos, Nervosität, dass mir so ein schöner Typ gegenüber steht durchdringt mich.
Gott, ich hoffe er merkt nicht, dass ich rot anlaufe.
„Ich hab einen Führerschein." Er zuckt mit den Schultern und schaut mich weiterhin mit diesem warmen Lächeln an, mit der er bestimmt die ganze Antarktis schmelzen könnte. „Wir können zusammenfahren, wenn du Lust hast.", schlägt er mir auf einmal vor.
Was?!
Ich bin mir sicher, irgendwo sind Kameras versteckt. Dieser Typ will mich doch verarschen. Ich zögere und blicke ihn nur an.
„Scusi, aber Sie sollten sich für etwas entscheiden. Hinter Ihnen stehen noch andere Kunden...", dringt plötzlich die Stimme des Verkäufers zu mir.
„Also was ist? Ich wette es wird blutig cool werden!", dringt seine tiefe Stimme mit dem gleichen Akzent von Chris Hemsworth wieder zu mir.
Oh Gott, er ist Australier.
Meine Eierstöcke waren vor ihm nicht sicher.
„Blutig?", frage ich ihn schließlich verwirrt.
Er lacht auf, sein Lachen tief. Es verursacht eine Gänsehaut auf meinen Armen und lässt ein Kribbeln durch mich hindurchfahren.
„Nicht blutig, Liebling. Extrem. Wir Aussies sagen das so."
„Achso.", sage ich lachend. „Da ist cool.", die Worte kommen wie von selbst, ich schenke ihm ein Lächeln.
Er zieht seine Augenbrauen hoch und schaut mich auf einmal mit einem intensiven Ausdruck im Gesicht an, der mir normalerweise Angst machen würde und bei dem ich unter normalen Umständen die Flucht ergreifen würde. Vor allem, weil er so ein hübscher Mann ist und ich mir sicher war, dass er sich entweder nur Sex erhoffte oder mich irgendwie verarschen wollte. Ich weiß nicht wirklich, ob es die Tatsache ist, dass ein anderes Land mich mutiger macht oder ich einfach einen Sonnenstich hatte und dieser mein Gehirn verbrannte. Denn plötzlich höre ich mich sagen.
„Okay."
Schock durchfährt mich gleich danach, wird aber von seinen nächsten Worten weggeschoben.
„Schöne! Ich bin Jack.", sagt er in seinem tiefen australischen Slang und reicht mir seine Hand.
„Nur Freya", murmele ich und merke wie ich bei seinen Worten rot werde.
So bald sich unsere Finger berühren, schießt ein kleiner elektrischer Schlag durch meine Finger.
„Nur Freya?", fragt er mich, ein kleines Lächeln stielt sich auf seine Lippen, was seine Augen zum Leuchten bringt.
Gott, er war einfach so sympathisch.
Ich nicke und werde erneut rot. „Ja."
Plötzlich fängt er an zu lachen.
„Ach sorry Liebling. Ich vergesse immer, dass du kein Aussie bist. Ich meinte fantastisch"
Ich werde noch röter. Mein Gesicht muss dem einer verbrannten Tomate ähneln.
Lieber Boden, bitte verschlinge mich. Er und seine dummen australischen Slangwörter.
Plötzlich wird er jedoch ernst, seine grünen Augen schauen mich auf einmal fast schon undurchdringlich an. Etwas flackert zwischen uns in der Luft. Mein Atem bleibt in meiner Kehle stehen.
„Um ehrlich zu sein...", seine Stimme klingt plötzlich eine Spur heiser, als seine Augen meinen Körper herunterwandern und er schließlich auf meinem Gesicht verweilt. „Meinte ich Beides."
Oh mein Gott.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro