25. Überraschung: Alter Bekannter
Ich hoffe ich komme wieder an den Punkt, an dem ich tatsächlich jede Woche posten kann. Ich hasse das hier selber, Entschuldigung. Und ja, der Titel ist in den Top Ten der Sinnlosesten. Schreibt jemand mit?
Wie geht es euch?
And nothing really goes to plan
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Pov Harry
Das Schicksal hasste mich tatsächlich.
Zumindest war ich mir dessen ziemlich sicher, auch wenn Ellen mich immer ausgelacht hatte, wenn ich den Spruch brachte. Ihrer Meinung nach existierte kein Schicksal und keine höhere Macht, sondern man war für alles, was einem widerfuhr, selbst verantwortlich. Beziehungsweise das Ich des letzten Lebens, das man grade hinter sich hatte. Wenn da nämlich alles schief gelaufen war, dann musste man in diesem Leben dafür bezahlen.
Sah so aus, als wäre ich in meinem letzten Leben der Innbegriff von einer Katastrophe gewesen.
Am Montagabend war noch alles in Ordnung, ich hatte zwar das Gefühl, als würde mein Schicksal - mein Karma, Gott, was auch immer - mich nicht besonders gut leiden können, aber von hassen konnte noch keine Rede sein. Immerhin hatte ich heute einen zwar anstrengenden, aber doch ganz erfolgreichen und interessanten Unitag hinter mir, ich hatte am Wochenende richtig schön entspannt, Freunde getroffen und gleichzeitig auch noch Inspiration für ein paar Amatuergedichte gesammelt. Perfekt. Zwar hatte ich das alles nicht ohne das weiße Zeug aus meiner Blechdose überstehen können, aber das schob ich ganz weit weg.
Erst am Dienstag schlug das Schicksal zu. Und diesmal auch so richtig.
,,Harry, bleibst du heute im Bett oder verpennst du grade?", riss mich morgens Zayns amüsierte Stimme aus dem Schlaf und beendete den Traum von Sand, Meer und Wind, den ich bis grade genossen hatte.
Müde blinzelte ich in die Sonne, die unpassenderweise grade heute einen Weg durch die Häuserreihen Londons bis in mein Schlafzimmer fand. Zayns Gesicht direkt über meinem hätte mich vielleicht erschrecken sollen, aber das Erste, was ich sah, als ich die Augen aufschlug, war seine Frisur von unten. Und das war dann doch eher lustig als beängstigend.
,,Wie spät ist es?", fragte ich herzhaft gähnend, sobald Zayn einen Schritt rückwärts gemacht hatte und sein schadenfrohes Grinsen mich nicht mehr blendete. Meine Gelenke knackten, als ich die Arme über den Kopf hob und mich ausgiebig streckte.
,,Halb sieben, Dornröschen."
Ich fluchte lautlos und rollte mich unter der Decke hervor. Also hatte ich noch schlimmer verschlafen als an meinem ersten Tag in der Uni - an dem mein verräterischer Wecker auch nicht geklingelt hatte, Herzlichen Dank an das beschissene Ding - und noch weniger Zeit zum fertigmachen, wenn ich eine der früheren, weniger überfüllteren Bahnen erwischen wollte. Mein Bedürfnis mich in einen stickigen, menschenüberlaufenen Waggon zu quetschen war nämlich nicht wirklich vorhanden. Nein danke.
,,H, jetzt bin ich traumatisiert!", rief Zayn mir gequält hinterher, als ich halbnackt an ihm vorbei Richtung Bad stürmte und betete, dass Luke noch länger im Bett lag als ich und sich noch nicht für die Dusche interessierte. Ich hatte Glück, der Raum war leer.
,,Stell dich nicht so an, du hast mich auch schon ohne Badehose im Pool von Liams Eltern gesehen.", lautete meine etwas zu patzige Antwort, bevor ich die Badezimmertür zuzog. Zayns Lachen zerstörte mein schlechtes Gewissen sofort, ein Dankeschön hatte er also nicht nötig gehabt.
So schnell wie ich nur konnte sprang ich unter die zu meinem Leidwesen eiskalte Dusche, wusch mir die Haare und rubbelte mich in einem meiner großen Handtücher wieder trocken, bevor ich mich darin einhüllte. Mit der rechten Hand klaute ich mir meine Bürste von meinem Regalbret, mit der Linken öffnete ich bereits wieder die Tür, um in den Flur zu treten. In meiner Eile hatte ich mir nicht mal was zum Anziehen mit ins Bad genommen.
Es kostete mich kaum Zeit mir einen Hoodie und eine Jeans auszusuchen, hineinzuschlüpfen und ein paar Ringe an meine Finger zu stecken. Mit der Bürste durch meine Locken zu kommen war dann doch etwas zeitaufwendiger - heute ging da wohl gar nichts. Letztendlich gab ich auf und steckte die Bürste ein. Vielleicht könnte ich da noch etwas retten, wenn meine Haare etwas angetrocknet waren. Man konnte ja wohl mal hoffen.
,,Du solltest dich beim Guinnessbuch der Rekorde melden, Haz. Ich glaube, es ist menschliche Höchstleistung sich innerhalb von fünf Minuten vom verschlafenen Zombie zum ausgehbereiten Studenten zu verwandeln.", stichelte Zayn, sobald ich mit meinem vollgestopften Rucksack die Küche betrat, um mir meinen Tee zu besorgen. Ich verdrehte die Augen und erwiderte Zayns Grinsen.
,,Brauchst du Tipps? Oder musst du nicht in ein paar Minuten zu Studio, um die letzten Entwürfe für den anspruchsvollen Kunden um acht fertigzustellen? Es sei denn natürlich, du willst das im Schlafanzug tun."
,,Hah, würde ich glatt durchziehen", murmelte Zayn und warf einen Blick auf sein Handy, ,,aber ich schätze, ne vernünftige Hose muss doch sein. Aber erst nachdem ich meinen Kaffee hatte, sonst werde ich den Blödmann mit seinem bescheuerten Phoenix-Tattoo nicht ertragen. Ich meine, man, es gibt so viele schöne Phoenixdesigns, wieso muss man alles umwerfen und dem blöden Vieh ne Brille aufsetzen?! Das sieht scheiße aus, ehrlich, H."
Konnte ich mir vorstellen. Ich grinste trotzdem nur und tätschelte Zayn mitfühlend die Schulter, bevor ich mir eine der bunt gepunkteten Tassen aus dem Schrank angelte und das Wasser, das Zayn scheinbar schon für mich aufgewärmt hatte, hineingoss. Dafür tätschelte ich ihm gleich nochmal die Schulter.
,,Was soll's. Ignorieren wir einfach, dass er eine hübsche mythologische Figur in ein hässliches Ding mit Brille, Hut und Gehstock verwandeln will und ich das auch noch zeichnen muss...ich krieg ja Geld dafür. Auch wenn ich alle Entwürfe verbrennen werde, wenn der Termin überstanden ist, darauf kannst du Gift nehmen!", regte mein Mitbewohner sich weiter auf und ich setzte mich mit meinem fertigen Schwarztee ihm gegenüber, obwohl ich mich so unruhig kribblig fühlte, dass ich am liebsten sofort zur Bahn gelaufen wäre. Freundschaftsdienste waren dann doch etwas, was etwas wichtiger war als die frühere Bahn.
,,Du schaffst das schon, Z. Ich meine...du hast wahrscheinlich längst den perfekten Entwurf in der Tasche und dann überlebst du das Stechen auch noch. Du weißt immerhin, dass deine eigenen Tattoos deutlich besser aussehen als seine, hm?" zumindest ein kleiner Aufmunterungsversuch.
,,Jaja." Zayn nahm einen weiteren Schluck, dann ersetzte er das düstere Gesicht durch ein Neugieriges. ,,Wie wär's eigentlich, wenn du dir mal ein Tattoo stechen lässt, Haz? Passt irgendwie zu dir, finde ich. So ein kleines, nerdiges Symbol oder so eine Hundetatze am Knöchel..." Er grinste.
,,Hab ich auch noch vor. Und dann komm ich zu dir, keine Sorge.", murmelte ich in meinen Tee und nahm ein paar Schlucke, obwohl er noch viel zu heiß war. Egal, das interessierte die Zeiger der Uhr nicht wirklich.
,,Müsstest du gar nicht, wenn dir meine Designs nicht gefallen. Immerhin würdest du dir was für immer auf den Körper stechen lassen...da solltest du weniger nach der Sympathie mit dem Tätowierer gehen als nach dem Entwurf." Zayn zwinkerte mir zu. Natürlich würde ich zu ihm gehen, würde ich mich irgendwann mal für ein Symbol entscheiden und bereit fühlen.
,,Scheiße, ihr seid viel zu laut.", beschwerte sich Luke, als er in die Küche trat und unsere Unterhaltung mit einem Gähnen unterbrach. Ich drehte mich auf meinem Stuhl um, um den verschlafenen Studenten anzusehen, der noch nicht wirklich anwesend zu sein schien.
,,Sorry, war keine Absicht."
,,Ach, der muss jetzt eh aufstehen", wank Zayn ab, ,,der will nur, dass du ein schlechtes Gewissen bekommst und ihm sein Frühstück machst."
,,Warum weißt du so genau, wann ich normalerweise aufstehe?", beschwerte sich Luke und gähnte nochmal, bevor er mir zuzwinkerte und sich selbst die Packung Toastbrot schnappte. An jedem anderen Tag hätte ich ihm jetzt Rührei oder sowas gemacht, aber heute war das zeitlich nicht mehr drin. Ich schluckte weiter heißen Tee.
,,Weil ich seit nem Jahr mit dir zusammenwohne, du Blödmann. Und Harry, bevor du fragst, dein blöder Wecker steht immer auf sechs, das ist nicht schwer einprägsam.", erklärte sich Zayn mit einem Stirnrunzeln, dann stand er auf und stellte seine geleerte Kaffetasse an die Spüle. Ich kippte den Rest Tee meine Kehle hinunter.
,,Ich geh mich anziehen und dann auf ins Studio. Wer kocht heute Abend? Ich war einkaufen, müssten Einiges da haben." Zayn starrte Luke auffordernd an, der seelenruhig sein Toast mit Butter bestrich. Ich stand auf und stellte meine Tasse neben die von Zayn.
,,Kann ich machen, müsste um vier oder so hier sein.", sagte ich dann und schulterte meinen Rucksack. Zayn verzog das Gesicht.
,,Du hast schon gestern gekocht, obwohl du viel zu lang in der Uni warst. Und Sonntag auch. Luke ist dran."
,,Luke kann heute leider nicht, er hat ein Date.", kommentierte Luke und schenkte mir einen kleinen entschuldigenden Blick.
Ich grinste nur.
,,Luke hat also ein Date? Mit deiner Freundin, deren Namen Harry nicht mal kennt?"
,,Genau mit der. Vielleicht stellt Luke sie Harry mal vor, wenn er nett ist."
,,Das wäre - "
,,Stop!", unterbrach mich Zayn mit wild rudernden Händen, ,,wir reden nicht in dritter Person von uns, bitte! Das ist...das ist furchtbar, davon bekomme ich Aggressionen!"
,,Gut, dann werde ich mich jetzt mal auf den Weg zur Uni machen und heute Abend gerne kochen. Wir sehen uns.", grinste ich und Luke lächelte dankbar zurück, worüber Zayn nur den Kopf schüttelte. Er ließ mich trotzdem ziehen und endlich zog ich mir meine Jacke über, schlüpfte in die Schuhe und dann aus der Wohnungstür hinaus. Kaltes Herbstwetter begrüßte mich.
Erst als ich den zumindest nicht völlig zugestopften Waggon der Bahn betrat, bemerkte ich, dass ich meine Tablette heute früh vergessen hatte. Was eigentlich gut sein sollte, ich durfte sie nicht zu oft einwerfen, aber an so einem Tag hätte ich das mal lieber getan...
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Der Tag lief scheiße, um es zusammenzufassen.
Erstmal kostete es mich mehr Kraft als ich besaß, um die Bahnfahrt zu überstehen, sobald ich gemerkt hatte, was ich in der Eile vergessen hatte. Zwar rückte mir niemand auf die Pelle, man ließ mich in Ruhe und die ohrenbetäubende Musik aus meinen Kopfhörern half auch, aber das Zittern und Zucken konnte ich kaum verstecken. Zumindest konnte ich atmen, bis ich an meiner Station ausstieg. Nur war ich bereits dann schon geschafft gewesen und das eigentliche Problem lag noch vor mir.
Die nächsten Stunden versank ich in Selbsthass und Scham, wenn ich ehrlich war. Das Gefühl, sofort aufstehen und jegliche Vorlesung verlassen zu müssen war so stark, dass ich in jedem Kurs bloß dasaß, meine Atmung kontrollierte und meine Hände immer tiefer in die Taschen des Hoodies schob, während meine Gedanken Achterbahn fuhren. Dabei gab es nichts, was mich in Panik versetzte, es gab nichts, wovor ich mich fürchten konnte. Und es fühlte sich auch nicht so an wie die Panik, die ich nur zu gut kannte. Das hier war anderes. Das hier war einfach nur der verzweifelte Wunsch nach den blöden Medikamenten in meinem Zimmer Zuhause. Mehr nicht. Und dass ich diesen Wunsch nicht soweit verdrängen konnte, dass ich die Worte der Professoren wahrnahm, erfüllte mich mit heißer Wut auf mich selbst.
Ich hatte aufgepasst. Ich war vorsichtig mit dem Zeug, weil Jacob recht hatte. Es konnte genauso schlimm sein wie Drogen. Und doch saß ich jetzt hier und zitterte.
Erst kurz vor dem Mittagessen erlaubte ich mir, auf der Toilette zusammenzubrechen. Erst als die Tür fest hinter mir verriegelt war und ich sichergestellt hatte, dass ich alleine war, ließ ich zu, dass die Tränen über meine Wangen strömten, meine Schluchzer mir den Atem raubten und meine Knie unter mir nachgaben. Ich rutschte an den kalten Fliesen hinab, zog meine Knie an die Brust und versteckte das Gesicht in meinen Händen. Scheiße, einfach scheiße.
Ich hörte meine eigenen verzweifelten Versuche, Luft in meine Lungen zu pressen, ich spürte meinen Körper beben. Meine Fingernägel gruben sich tief in meine Handflächen, der Schmerz war zumindest etwas, an dem ich mich festhalten konnte. Irgendwie orientieren konnte. Er war real, nicht dieses Gefühl, dass fremde Hände auf meinen Brustkorb drückten und mich am Atmen hinderten. Das war nur mein Kopf. Genauso wie das Gefühl, ohne diese blöden Tabletten nicht mal die nächste halbe Stunde zu überleben.
Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich dort saß, zusammengekauert, allein, schluchzend. Ich fühlte mich mit jedem Atemzug, der es doch irgendwie in meinen Körper schaffte, noch elendiger und schwächlicher. Es ergab keinen Sinn, dass ich so heftig reagierte. Überhaupt keinen. Ich war doch schon ohne Tablette vorher einkaufen gewesen, ich nahm die Dinger vorsichtig dosiert und nur dann, wenn ich mich in Menschenmengen wagte. Zum falschen Zeitpunkt in die Bahn, in die Uni, auf Konzerte wie am Samstagabend. Ich hatte das unter Kontrolle gehabt. Und doch saß ich jetzt hier und nicht die Menschen versetzen mich in Panik, sondern allein der Gedanke, dass ich heute morgen nicht meine übliche Beruhigungspille geschluckt hatte. Dabei sollte mir das Zeug doch eigentlich nur helfen.
Ich schnaubte, auch wenn mir nicht danach war. Die einzige Lösung, die ich für meine Probleme gefunden hatte, bereitete mir nun schließlich einfach noch mehr Probleme. Typisch.
Ich hickste und wischte mir mit dem Handrücken über die Wangen, um die Nässe loszuwerden. Tief einatmend schloss ich für ein paar Sekunden die Augen, dann zog ich die Nase hoch und gab mir alle Mühe, das Zittern meiner Hände zu unterdrücken. Hier herumzusitzen und die furchtbaren Gefühle in mir brodelnd an die Oberfläche kommen zu lassen half ja auch nicht weiter. Ich musste nachdenken.
Liste, eine Liste. Ich brauchte eine Liste.
Meine Fingernägel gruben sich tiefer in meine Handflächen, als ich meine Gedanken zu Ordnen versuchte.
Erstens: Die Uni konnte ich für heute vergessen - lernen oder konzentrieren war nicht mehr drin.
Zweites: Ich musste irgendwie nach Hause kommen.
Drittens: Die Bahn erschien grade unmöglich.
Viertens: ich brauchte jemanden, der mich abholen könnte. Der ein Auto hatte.
Die logische Schlussfolgerung war natürlich Zayn. Nur dass Zayn grade arbeitete. Und Fragen stellen würde, viele Fragen, wenn er mich verheult und erschöpft abholen würde. Und wenn nicht, dann würde er zumindest mit Liam über den Vorfall reden. Und Liam mit Louis. Louis, der mich seit ich hier war nicht nur einmal gefragt hatte, wie es mir ging und der mit Sicherheit ziemlich am Rad drehen würde. Vielleicht würde er mich zu reden zwingen. Oder direkt zu einem Therapeuten, wenn er hörte, dass ich die Panikattacken noch immer nicht im Griff hatte. Zumindest ohne Medikamente nicht.
Oder ich würde in der Entzugsklinik laden, wenn die andern dachten, ich wäre Xanax abhängig. Was natürlich Blödsinn war - das sähe anders aus.
Nein, Zayn konnte ich nicht anrufen, nicht wenn ich mich nicht dazu bewegen konnte, ihm glaubhaft eine Lüge über eine Bahnfahrphobie, die sich in den letzten dreißig Minuten bei mir entwickelt hatte, aufzutischen. Was ich nicht konnte. So blöd war Zayn nicht, ganz und gar nicht.
Wer besaß noch ein Auto? Liam. Aus den selben Gründen unmöglich wie Zayn, logischerweise. Er wäre sogar noch schlimmer als Zayn.
Die Verzweiflung packte mich ein weiteres Mal, als mir bewusst wurde, dass ich keine Ahnung hatte, wen ich um Hilfe bitten könnte. Ellen war in Manchester, keiner, den ich zwar kannte, aber nicht zu gut als das er Fragen stellen würde, hatte ein Auto...mal davon abgesehen, dass ich so auf meine engsten Freunde fokussiert war, dass ich nicht wirklich andere Bekanntschaften hatte. Ich schniefte.
Also doch die Bahn.
Mein Herz stockte, als ich mir ausmalte, wie nah ich völlig Fremden kommen würde, wie viele Ellbogen und Hände mich berühren würden, wie viel fremder Atem in meinen Ohren widerhallen würde. Ein Schauer kroch über meinen Rücken, ich zuckte zusammen und meine Fingernägel sorgten dafür, dass scharfer Schmerz mich davon abhielt, in meiner Panik zu versinken. Nicht jetzt, nicht hier, nicht nochmal. Ich musste mich konzentrieren.
Betont ruhig und gleichmäßig atmend zwang ich mich, nach weiteren Lösungen zu suchen. Da musste ein Weg sein, jetzt nach Hause zu kommen, ohne auf wackligen Beinen kilometerweit zu laufen. Oder Geld für ein Taxi auszugeben, das ich nicht übrig hatte, seit ich Jakob das letzte Mal bezahlt hatte.
Jakob. Derek.
Ich biss mir auf die Unterlippe und verwarf den Gedanken im selben Atemzug. Lieber Bahn fahren als Derek wiederzusehen oder gar um Hilfe zu fragen. Ich würde mich nie wieder in diese Spirale begeben, ganz sicher nicht. Und wenn ich in der Bahn ohnmächtig werden würde.
Ein schrilles Geräusch zerriss die Stille in der kleinen Toilettenkabine im dritten Stock der Jurafakultät, die zuvor nur durch mein Atemgeräusch gestört worden war. Ich zuckte zusammen, blinzelte dann verwundert. Erst nach ein paar Sekunden bemerkte ich, dass das Geräusch aus meiner Hosentasche kam. Mein Handy klingelte.
Mit zittrigen Händen holte ich das Gerät ans Tageslicht. Unbekannte Nummer. Ich zögerte. Weder vertraute ich grade meiner Stimme, noch wusste ich, wer da am anderen Ende war. Wenn es wichtig war, würde der jemand sich schon ein zweites Mal melden müssen.
Bevor ich mich versah, verklang das Geräusch. Sah so aus, als wäre mir die Entscheidung abgenommen worden, das Display des Handys wurde schwarz. Ich atmete durch. Vielleicht sollte ich doch Zayn anrufen, jetzt, wo das Handy in meiner Hand lag. Vielleicht könnte ich ihn bitten, keine Fragen zu stellen. Vortäuschen, eine Prüfung nicht bestanden zu haben und deswegen am Boden zerstört zu sein. Irgendwie sowas. Es würde schon gut werden.
Ich entsperrte das Handy und scrollte durch meine Kontakte, aber noch bevor ich den Finger auf Zaynie legen konnte, begann das Gerät in meiner Hand ein zweites Mal zu vibrieren und gleich darauf auch zu klingen. Wieder klang das Geräusch im stillen Zimmer viel zu laut und wieder zuckte ich zusammen. Dieselbe unbekannte Nummer. Es schien wichtig zu sein. Vielleicht brauchte jemand Hilfe. Vielleicht war es Tony, die ich noch nicht eingespeichert hatte, seit sie mir ihre Nummer gab, und wollte wissen, wo ich war. Es wäre nicht nett, sie suchen zu lassen.
Ich räusperte mich, wischte die letzten Tränen fort und richtete mich auf. Vielleicht klang ich weniger verheult, wenn ich weniger danach aussah. Dann rückte ich auf den grünen Hörer und meldete mich zu Wort, bevor ich es mir anders überlegen konnte.
,,Guten Tag?" Ich klang tatsächlich nicht allzu furchtbar, stellte ich erleichtert fest.
,,Royal Free Hospital hier, Guten Tag. Sind Sie Harry Styles?", meldete sich eine weibliche Stimme auf der anderen Seite der Leitung zu Wort und ich zuckte zusammen, als die Worte bei mir ankamen. Ein Krankenhaus.
,,Ja?" Jetzt zitterte meine Stimme doch, aber ich konnte mich nicht darum kümmern.
,,Ich rufe wegen Nick Grimshaw an, Sie sind als einer seiner beiden Notfallkontakte gemeldet. Er wurde eben hier eingeliefert, scheinbar hatte er einen Fahrradunfall. Könnten Sie vorbeikommen?" Die Frau klang freundlich, aber ich brauchte einen Moment, bis ich verarbeiten konnte, was sie gesagt hatte. Nick. Nick hatte einen Unfall gehabt. Und er hatte mich als seinen Notfallkontakt eingetragen. Ich würde ihn wiedersehen.
Erst nachdem ich das realisiert hatte, kam die Sorge in mir auf.
,,Einen Unfall? Ist er schwer verletzt?", fragte ich und hörte selbst die Angst in meiner Stimme. Wieder schlug mein Herz viel zu schnell, während ich mich schonmal auf die Beine zog. Ich musste zu diesem Krankenhaus.
,,Dazu kann ich Ihnen zurzeit noch nicht viel sagen, er war allerdings bei seiner Einlieferung nicht ansprechbar, darum haben wir uns an seine Notfallkontakte gewendet. Könnten Sie so bald wie möglich hier sein?" Die Frau klang so, als hätte sie das allein heute schon tausenden besorgten Angehörigen am Telefon erzählt. Ich schluckte. Das hatte sie wahrscheinlich wirklich. Meine zitternden Finger kämpften mit den Schloss der Tür.
,,Natürlich, ich mache mich sofort auf den Weg. Danke für ihren Anruf.", schaffte ich es noch zu keuchen, bevor sich die Frau höflich verabschiedete und auflegte. Ich riss die Tür auf, ignorierte den Spiegel über dem Waschbecken und warf mir meinen Rucksack über die Schulter. Ich musste zu diesem Krankenhaus.
Richtig. Wo war das überhaupt? Zitternd tippte ich Royal Free Hospital bei Google ein und ließ mir die Andresse ausspucken. Google Maps verkündete mir, dass ich zu Fuß gut fünfzig Minuten Gehweg vor mir haben würde. Ich biss mir auf die Lippe. Das war zu viel. Andererseits...jetzt hatte ich einen vernünftigen Grund, wieso Zayn mich fahren musste.
Meine Finger wählten die Nummer, bevor ich weiter nachdenken konnte.
,,Zayn? Ich brauche deine Hilfe, bitte!"
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Ich weiß, Nick sollte verschwunden sein.
Überraschung - er ist es nicht (:
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