20. Einmischen ist nicht das richtige Wort
Ich weiß, es ist lange her. Ich hoffe, ich habe überhaupt noch Leser^^
Es tut mir so leid, dass and move on, love, eventually momentan so unzuverlässig ist (ich bin unzuverlässig, sonst niemand), aber ich gebe mein Bestes (:
Wie geht es euch?
I'll be here, by your side
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Pov Franzi
Ich fühlte mich nicht wohl damit, mich in Emmas und Nils Beziehung einzumischen, aber mit Emmas Zustimmung und dem Wohlergehen von beiden Parteien im Sinn hatte ich kaum eine andere Wahl. Zumindest sagte das mein Gewissen.
Nicht, dass ich eine fantastische Beziehungsberaterin oder Beziehungsretterin wäre - meine Erfahrung beschränkte größtenteils sich auf Nick und die würde hier keinen weiter bringen, meine Beziehung mit Niall war zwar irgendwie ein bisschen zu perfekt, aber immer noch zu frisch, um wirklich als Erfahrungswert herangezogen zu werden, mal davon abgesehen, dass ich keine Ahnung hatte, wie das mit uns überhaupt passiert war - aber wie es aussah, war ich Emmas kleiner Hoffnungsschimmer. Und das mein Bruder unglücklich war, roch ich aus 10 Kilometer Entfernung. Mich einzumischen wäre also vielleicht von alle von Vorteil. Viel verschlimmern konnte ich wohl nicht.
Genau diese Gedanken geisterten durch meinen Kopf, als ich mich an die kalte Metallstange über meinem Kopf klammerte und versuchte, nicht durch das Schwanken der Bahn aus dem Gleichgewicht zu geraten. Noch drei Stationen bis zu meinem Treffpunkt mit Nils. Ich seufzte leise.
Nils hatte ohne zu zögern einem Treffen zugestimmt, auch als ich leise durchklingen ließ, dass es um Emma gehen könnte. Vielleicht wollte er auch mal einfach mit seiner Schwester sprechen.
Und zack, da war das schlechte Gewissen wieder. Ich bekam es einfach nicht hin, mein Leben zwischen Uni, Niall und meinen Freunden auszubalancieren, nicht mal mein Bruder bekam die Aufmerksamkeit, die er verdiente. Das war so verdammt viel leichter gewesen, als wir noch alle zusammengelebt hatten.
Die Bahn bremste quietschten und ich rutschte beinah an der Stange ab, konnte mich aber noch fangen und las dann die Schrift auf der Stationenanzeige. Noch zweimal bremsen. Mein Handy summte. Ich fummelte an meiner Jacke herum, um mein Handy zu finden und kämpfte gleichzeitig um meinen Stehplatz, als die Besatzung der Bahn sich neu zusammensetzte. Sah so aus wie Feierabendverkehr, die meisten Leute um mich herum trugen entweder Anzüge oder einen hübschen Pennerlook. Ich fand mein Handy.
Bin schon da, steh am Gleis
Ich runzelte die Stirn. Sah ihm nicht ähnlich, so führ dran zu sein. Mein Bruder war selten pünktlich oder sogar überpünktlich, wenn es nicht überlebensnotwenig war oder irgendwer ihm mit Konsequenzen drohte. Sah so aus, als hätte er wirklich Gesprächsbedarf. Oder ich interpretierte zu viel in eine Uhrzeit hinein. War auch möglich. Louis würde mich auslachen.
Alles klar, fünf Minuten plus minus
Dürfte so stimmen. Ich steckte das Handy wieder ein und klammerte mich erneut fest, als die Bahn sich in Bewegung setzte. Irgendwo ein paar Plätze weiter telefonierte jemand hektisch in einer Sprache, die ich nicht verstand und links von mir lehnte ein Typ ohne jegliche Gleichgewichtsschwierigkeiten an der Wand der Bahn und spielte mit eingeschaltetem Ton irgendein Kriegsspiel auf seinem Handy. Vielleicht dasselbe wie das, das Liam und Louis gerne und mit viel zu viel Aggression zockten. Ich wusste nicht, ob ich den Kerl wegen seiner Fähigkeit des Bahnfahrens vergöttern oder wegen seiner nervigen Geräusche mies finden sollte.
Zwei Stationen konnten sich wie Kaugummi ziehen, ich brauchte ein halbes Leben, um zu Nils zu gelangen. Und dieses halbe Leben war zu voll, zu stickig und zu laut gewesen, also war ich mehr als nur erleichtert, als ich auf den Bahnsteig purzeln und tief einatmen konnte. Eigentlich machte mir Gedränge kaum etwas aus, aber niemand mochte die Londoner U-Bahn, da war ich mir sicher. Erstrecht nicht zu solchen Uhrzeiten.
,,Schwesterherz!", rief mich Nils Stimme von irgendwoher und ich zurrte meinen Rucksack fest, bevor ich mich um die eigene Achse drehte, um meinen Bruder ausfindig zu machen. Ich dürfte dank meiner Haarfarbe leicht zu identifizieren sein, dasselbe konnte ich von ihm nicht behaupten. Ich erkannte ihn schließlich an seiner neongrünen Jacke. Gut, das war noch auffälliger als meine Haare. Aber auch nur, wenn man die Jacke Nils zuordnen konnte, was bei mir ein paar Sekunden dauerte. Dann stand mein Bruder auch schon vor mir.
,,Ich war pünktlicher als du.", verkündete Nils mit schiefem Grinsen und ich drückte ihn kurz an mich - natürlich nur so kurz, dass er nicht das Gesicht verziehen musste.
,,Falsch, du warst über fünf Minuten zu früh und ich zwei zu spät, damit bin ich näher dran als du.", korrigierte ich ihn dann. Nils runzelte die Stirn.
,,Beim Pünktlichsein gehts aber nicht ums nah dran sein, sondern ums Dasein, wenn der richtige Zeitpunkt ist." Ich zuckte mit den Schultern. Und wenn schon.
,,So oft wie du in deinem Leben zu spät gekommen bist, hab ich immer noch gewonnen."
Ich musterte Nils, während er leise lachte. Wir hatten uns einige Zeit nicht gesehen und das zeigte sich jetzt. Nils hatte dunkle Augenringe, ungepflegte Haut mitsamt Bartflaum und seine Haare sahen auch schon mal besser aus. Ich legte die Stirn in Falten. Er sah wirklich nicht gut aus. Hinter der Sache mit Emma schien mehr zu stecken, als ich gedacht hatte.
,,Wollen wir rauf gehen?", riss mein Bruder mich aus meinen Gedanken und ich nickte stumm, bevor ich ihm an die Oberfläche folgte. Wie konnte ich dieses Gespräch anfangen? Meine Sorge um Nils war grade kurzweilig größer als der Wunsch, meiner besten Freundin unter die Arme zu greifen und ich wusste nicht, ob ich jetzt ein schlechtes Gewissen haben sollte oder nicht. Hauptsache das hier endete positiv und nicht in einer Katastrophe, was?
Nils und ich hatten uns am Rande des Zentrums in der Nähe seiner Wohnung verabredet. Hier herrschte zwar nicht grade Ruhe und als ich gegen das Tageslicht anblinzelte rollte mir eine Welle neuer Geräusche und Gerüche entgegen, aber ich mochte die Ecke hier und Nils musste nur eine Station U-Bahn fahren, es traf sich also. Ich wickelte meine Jacke enger um meinen Körper und ohne ein Wort setzen mein Bruder und ich uns in Bewegung, um einen kleinen Spaziergang zu machen. Wir wussten wohl beide, dass es was zu bereden gab, bei dem wir einander nicht pausenlos in die Augen sehen wollten.
Seltsam, als uns verkündet worden war, dass Nils nach London geschickt werden würde waren wir genauso am Strand in Australien entlang gelaufen, um uns gegenseitig zu unterstützen. Obwohl wir noch nicht halb so viel übereinander gewusst hatten wie wir es jetzt taten.
,,Wie geht es dir?", lautete meine erste Frage und ich hoffte auf eine ehrliche Frage. Wie alle meine Freunde neigte auch mein Bruder bei dieser Frage zur schnellen, einfachen Lüge - andererseits, wer nicht?
,,Passt schon.", entgegnete Nils und allein die Tatsache, dass nicht mit einem Grinsen alles gut sagte, ließ mich nachhaken.
,,Erzähl."
,,Was soll ich dir erzählen, Schwesterchen?", fragte Nils und stellte sich dümmer, als er war. Dafür bekam er einen sanften Ellbogen in die Rippen. Selbst verschuldet.
,,Wie wärs damit, warum du so mies aussiehst?" Geschwisterliebe, tja.
,,Hat Emma dich nicht geschickt, weil du mit mir über uns reden sollst?", stellte Nils eine Gegenfrage, aber in seiner Stimme war keinerlei Wut erkennbar, nur Sorge. Ich schenkte ihm ein kleines Lächeln und ließ mich vorerst auf den Themenwechsel ein.
,,Ich hab mich selbst geschickt. Aber Emma ist einverstanden, keine Sorge. Bist du böse?"
,,Nein. Es ist ja nicht so, als würde ich nicht dasselbe tun, wäre ich an ihrer Stelle.", murmelte mein Bruder und ich runzelte die Stirn. Er sah unglaublich niedergeschlagen aus.
,,Was ist denn los, Nils?", fragte ich so sanft, wie ich nur konnte und hakte mich unterstützend bei ihm ein. Seine Wärme war tröstlich für mich, ich hoffte, dass ich denselben Effekt auf ihn hatte. Sein Gesicht spannte sich nur noch weiter an.
,,Emma bekommt einfach all meine schlechte Laune ab, das ist los. Momentan ist alles ein bisschen viel und ich...ich will Emma nicht da mit rein ziehen, also rede ich nicht mit ihr drüber und jetzt denkt sie, ich würde sie nicht mehr lieben und trotzdem krieg ich mich nicht ein...ich bin einfach ein bisschen überfordert, Franzi.", sagte mein Bruder leise.
,,Was ist denn alles so los? Wenn du drüber reden magst?", hakte ich nach, weil es nichts brachte, die vertrockneten Blätter wieder an die durstige Pflanze zu kleben. Ich musste bei der Wurzel anfangen.
Nils schwieg, seine Augen wanderten über die Passanten, über Londons Lichter. Ich versuchte, in seinen Gesichtszügen zu lesen, aber Nils wirkte meilenweit entfernt. Kurz bekam ich einen Einblick darauf, wie Emma sich fühlen musste. Nur war Nils nicht ihr Bruder, sondern die Liebe ihres Lebens. Ich stupste Nils sanft an, bis er zögerlich antwortete.
,,Wo soll ich denn anfangen, Franzi? Uni kennst du, die ganze Situation und all der Druck. Die Erwartungen von außen. Arbeiten für die Miete. Dieses Gefühl von Alltag, das einfach erdrückend ist. Und...Mama." Ich stutzte. Irgendwie konnte ich mich auf nichts als den letzten Satz konzentrieren, selbst wenn das falsch war.
,,Monika? Was ist mit ihr?"
Nils schielte zu mir herüber, als wäre jetzt er derjenige, der Gedanken lesen wollte.
,,Hat dein Vater dir nicht Bescheid gesagt? Oder Oma?"
Ich schüttelte den Kopf. Ein Knoten bildete sich in meinem Magen, groß und eklig, kaum zu verdauen.
,,Mama hatte eine Fehlgeburt.", sagte Nils leise und ich starrte ihn ungläubig an, weil ich dachte, er würde einen Witz machen.
,,Monika war schwanger? Von...Papa? Aber...sie sind doch schon ein bisschen alt..." Nils nickte grimmig, seine Schritte bescheinigten sich ein winziges Bisschen. Ich stolperte etwas durcheinander hinterher.
,,Eben. Vielleicht deshalb. Jedenfalls ist Mama am Boden zerstört und schreibt mir die ganze Zeit, wie sehr sie mich vermisst und bei sich haben möchte und ich habe ein wahnsinnig schlechtes Gewissen, weißt du? Aber es ist schwer, mal ebenso nach Australien zu fliegen. Allein wegen der Uni. Und Emma. Und Geld. Und allem. Ich weiß auch gar nicht, ob ich grade bei ihr sein will, sie klingt fast immer hysterisch. Das macht mir ein bisschen Angst.", beichtete mein Bruder noch etwas leiser als vorhin und ich verstärkte meinen Griff um seinen Arm, um ihn zum Stehenbleiben zu bewegen.
Was Nils erzählte, brachte mein Inneres zum Brodeln. Wahnsinn, dass mir niemand gesagt hatte, dass ich vielleicht ein weiteres Stiefgeschwisterchen bekommen hätte. Zumindest von Oma hätte ich das erwartet, oder etwas früher von Nils. Dass Dad sich nicht gemeldet hatte, tat auch ein bisschen weh, aber immerhin hatte ich den Kontakt abgebrochen.
Und Nils Worte taten noch ein bisschen mehr weh. Dass mein Bruder so litt, weil seine Mutter vermutlich wahnsinnig trauerte und ihn dabei mit hineinriss, hatte ich nicht gewusst. Weil er sich isoliert hatte, von mir, von Emma. Nur wieso? Ich wollte nicht, dass er sich Vorwürfe machte...er hätte doch sprechen können!
Mein Mitgefühl überstieg alles andere, sauer sein konnte ich grade nicht wirklich.
,,Nils, ich hab dich lieb!", war also das Erste, was aus mir herausbrach, als ich meinem Bruder gegenüber stand. Dann folgte eine lange Umarmung, bei der nicht nur einer von uns schniefte. Nils Schultern bebten, meine auch.
,,Du musst damit doch nicht alleine sein.", wisperte ich in sein Ohr und drückte mich weiter an meinen Bruder, damit er mich verstand. Und ernst nahm, was ich sagte.
,,Was soll ich denn sagen? Dass meine Mom mir Angst macht und dass ich sie nicht sehen will? Das klingt schrecklich, Franzi. Sowas kann ich doch nicht zu Emma sagen. Das klingt nicht wirklich nach einem guten Menschen." Nils klang verzweifelt, als hätte er diesen Gedankengang schon einige Male durchgedacht. Bei mir machte es endlich - viel zu spät - Klick. Nils hatte nichts gesagt, weil er sich schämte.
,,Genau das, Nils! Genau den Menschen, der so fühlt, liebt Emma doch, meine Güte! Du kannst ehrlich zu ihr sein, immer. Das weißt du doch!", versuchte ich es weniger subtil als direkt. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter, der sich dort gebildet hatte, als mir aufging, dass Nils sogar vor seiner Schwester dieses Schamgefühl besaß. Seiner Schwester, von der er wusste, dass ihre Meinung von seiner Mutter nicht mal besonders gut war.
,,Aber...Emma wäre sofort an der Seite ihrer Mutter, wie soll ich erklären, dass ich das nicht bin, obwohl Mom mich die ganze Zeit darum bittet? Ich komme mir so schon scheiße und egoistisch vor, das muss ich Emma nicht noch unter die Nase reiben, weißt du?" Jetzt wurde Nils ein bisschen lauter, ich packte seinen Jackenärmel. Er klang zu verzweifelt, um nicht selbst zu verzweifeln.
,,Genau so, wie du es mir erklärst, verdammt. Nils, Emma kennt Monika doch. Sie wird dich nicht dafür verurteilen, dass du auf dich aufpasst. Sie würde das sogar von dir wollen. Wieso glaubst du, dass sie böse sein könnte?"
,,Weil ich selbst wütend auf mich wäre...bin!", stieß Nils auf und blinzelte dann. Vielleicht war es ja genau das. Ich spürte, wie mein Gesichtsausdruck weicher wurde.
,,Das musst du nicht sein."
,,Was bin ich denn bitte für ein Sohn, Franzi? Einer, der nicht mal für seine eigene Mutter da ist, wenn sie soetwas durchstehen muss." Mein Bruder klang unglaublich niedergeschlagen und ich zog ihn in eine weitere Umarmung, bevor ich antworten konnte. So wollte ich ihn nicht sehen, dazu hatte ich ihn zu sehr lieb.
,,Monika ist erwachsen, Nils. Sie hat meinen Vater, sie ist nicht alleine. Du bist auf einem anderen Kontinent, du bist mitten im Semester und hast auch nicht das Geld, nen Trip nach Australien zu machen. Und für dich wäre es auch nicht gut, jetzt dorthin zu gehen. Fertig. Das sind alles Gründe genug, wieso ein erwachsener, reifer Menschen verstehen könnte, warum du diese Reise nicht unternimmst. Monika versteht das auch, selbst wenn sie es nicht kommunizieren kann. Sie ist auch nicht wütend auf dich. Also sei du auch nicht so hart zu dir selbst. Es ist stark, dass du auf dich aufpasst.", sagte ich leise, aber bestimmt und zog mich soweit zurück, dass ich meinem Bruder in die Augen sehen konnte. Er weinte nicht, aber er war kurz davor. Trotzdem schimmerten seine Augen ein wenig hoffnungsvoller als zuvor.
,,Also...findest du es nicht schrecklich von mir? Würdest du es auch so machen?"
Ich grinste ein halbes Grinsen.
,,Ich finde es gut von dir, stark. Und wenn es um Monika geht...klar."
Nils wusste, wie ich über seine Mutter dachte, er verdrehte die Augen. Ein Stück der Spannung in der Luft um uns herum schien zu verfliegen. Trotzdem wusste ich, dass er diese Geschichte nicht einfach so loslassen konnte. Natürlich nicht. Nils machte sich Sorgen um Monika und er hatte ein verdammt großes schlechtes Gewissen plus den Druck, den Monika ihm zweifelsfrei machte. Und dann noch die eigens entwickelte Funkstille mit Emma...Nils konnte es gar nicht gut gehen. Aber hoffentlich könnte ich zumindest ein kleines bisschen helfen.
,,Wenn du noch mehr darüber sprechen möchtest, tu es. Du kannst immer mit mir reden, ich bin deine Schwester. Du musst dich vor mir wegen überhaupt gar nichts schämen, weißt du? Und wenn du Emma die ganze Situation erklärst, wird sie denken wie ich. Wir kennen sie doch. Friss das bloß nicht alles in dich hinein, ja? Du hast uns doch alle in deinem Leben.", fuhr ich fort und jetzt glitzerten Nils Augen endlich wieder halbwegs losgelöst. Ein Rest Sorge blieb darin zurück, aber den konnte ich ihm nicht nehmen.
,,Ich soll Emma also alles erzählen?"
,,Es würde dir guttun, oder? Und ihr auch. Sie macht sich große Sorgen, Nils." Ich versuchte, nicht vorwurfsvoll zu klingen. Hier musste ich irgendwie zwischen der Schwester und der besten Freundin in mir abwägen.
,,Ich weiß...ich hab sie an mir und uns zweifeln lassen, oder?" Er klang aufrichtig traurig und ich seufzte.
,,Ein wenig, ja. Du solltest mit ihr reden. Wenn du dich nicht bereit führst, alles auszusprechen, dann schuldest du ihr zumindest noch eine kleine Erklärung und ein paar Hinweise in die richtige Richtung. Sonst macht die Arme kein Auge mehr zu." Das war vielleicht ein bisschen zu vorwurfsvoll, aber gut. Es erzielte seine Wirkung.
,,Ich werd's ihr erzählen. Das ist nicht fair von mir gewesen. Und wenn sie sauer ist, ist sie sauer...zumindest war ich ehrlich."
,,Sie wird nicht sauer sein."
,,Ich sagte ja auch wenn. Pff." Nils lächelte schief und ich lächelte zurück. Ich betete, dass Nils das wirklich durchziehen würde. Es täte ihm unglaublich gut, mit Emma über alles zu sprechen, denn dass sie wie ich reagieren würde, war eigentlich klar. So gut kannte man sich dann doch.
Wir sahen uns noch einen Moment an, dann nickte Nils kaum merklich und setzte sich in Bewegung, um unseren kleinen Spaziergang fortzusetzen. Ich schloss mich ihm an und versuchte nicht darüber nachzudenken, dass ich nur wegen eigenem Nachforschen herausgekommen hatte, was in unserer Familie los war.
Nils war ich nicht böse. Er hatte aus Scham nicht mal mit Emma geredet, wieso hätte er dann mit mir reden sollen? Vielleicht war er unterbewusst davon ausgegangen, dass ich Bescheid wusste. Er war eben so verzweifelt gewesen, ich war nicht wütend.
Was Monika anging, verstand ich, wieso sie mir nichts gesagt hatte. Wir hatten so gut wie gar keinen Kontakt, die Beziehung, die wir hatten, war von beiden Seiten her steinig.
Mein Dad hätte sich melden können. Ich hatte ihm zwar zu verstehen gegeben, dass ich ihm nicht vergeben konnte, dass er mich fortgeschickt und die Jahre nach Moms Tod nicht grade liebevoll behandelt hatte, aber eine solche Neuigkeit war doch eine schnelle Nachricht wert, oder? Vielleicht hatte er mich auch vergessen. Meine Wut und all die Enttäuschung, die sich in mir mit der Sehnsucht nach dem Vater, den ich einmal gehabt hatte, mischten, brachten meine Adern zu glühen.
Und dann war da Oma. Wieso zum Teufel hatte nicht mal sie etwas gesagt? Erst vorgestern hatten wir telefoniert, lange und ausführlich. Ich hatte zwar viel geschwatzt, aber sie hätte jede Möglichkeit gehabt, um mich über alles aufzuklären. Mal davon abgesehen, dass die Fehlgeburt schon einige Tage, vielleicht Wochen, älter sein konnte. Und die Schwangerschaft an sich sowieso. Wieso hatte Oma mich nicht eingeweiht?
Es verletzte mich doch ganz schön, so außen vor gelassen zu werden. Nicht dass ich das beste familiäre Verhältnis zu ihnen allen hatte, aber eine Nachricht oder Omas Worte waren nicht Zuviel verlangt, oder?
,,Was ist es, Schwesterherz?", fragte Nils und dieses Mal griff er nach meinem Arm. Ich schluckte den Zorn hinunter. Eigentlich war ich schließlich für Emma und Nils hier, nicht für mich.
,,Schon in Ordnung."
,,Klar. Also, spucks aus." Nils blinzelte nicht einmal und jetzt war ich die, die die Augen verdrehte.
,,Es wurmt mich ein bisschen, dass ich mich erst in deine Beziehung einmische, bevor ich erfahre, dass ich vielleicht große Schwester geworden wäre. Oder dass meine Stiefmutter so schlecht drauf ist, weil sie eine Fehlgeburt hatte. Weißt du?" Das klang wieder zu vorwurfsvoll, Nils Augenbrauen zogen sich schuldbewusst zusammen.
,,Scheiße, Franzi, ich...", setzte er an, aber ich unterbrach ihn sofort.
,,Vergessen wir das, okay? Es war nicht so böse gemeint, nicht an dich. Ich ärgere mich ein bisschen über Dad und Oma, aber das kläre ich später. Lass uns jetzt einfach ein Stück gehen, ja?", schlug ich vor und drängte alles andere in den Hintergrund. Ich war nicht wegen meiner Gefühle hier.
,,Aber Franzi..."
,,Nichts aber Franzi. Jetzt reichts mal damit, lass uns weitergehen. Und danach gehst du zu Emma, fertig." Ich klang endgültig und Nils gehorchte tatsächlich fast ohne leises Murren. Ich lächelte schief. Ein Arm schlängelte sich um meine Schultern.
,,Ich hab dich lieb, Schwesterchen."
,,Ich dich auch."
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So viel zum internen Familiendrama und Emma und Nils.
Die zwei versöhnen sich doch wieder, oder?
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