Prolog
Der Atem der Mittzwanzigerin beschlug die Glasflächen vor ihr und verwischte die Sicht auf den Raum. Laute Musik drang selbst durch die dicken Wände an sie heran und ließ ihren Körper beben.
Am liebsten wollte sie tanzen, sich im Takt der Melodie bewegen und ihre Hüften verführerisch schwingen. Dennoch hatte sie heute einen anderen Auftrag.
Bleischwer lag der Bogen auf ihrem Rücken und auch der Köcher mit dem einem Pfeil machte die Last nicht gerade leichter.
Noch einmal schaute sie durch das Fenster in den Raum. Niemand bemerkte sie, denn alle waren versunken in der Musik und dem dazugehörigen Gefühl.
Sie kannte dieses Gefühl, es war einfach berauschend und man verdrängte jegliche schlechte Gedanken aus dem Kopf.
Lou drehte sich um, die ersten Regentropfen fielen und zerplatzen am Boden. Sie hob ihr Gesicht, genoss die warmen Tropfen auf ihrer Haut. Nach Minuten riss sie sich aus dieser Starre und ging zum Rand des Daches. Die Frau griff nach der ersten Sprosse der Leiter und ließ sich nach unten gleiten. In der Mitte rutschte ihre rechte Hand ab, fast verlor sie den Halt. Gerade noch so fing sie sich ab, stieß dabei aber mit ihrem Ellenbogen gegen die Wand. Vor Schmerzen zischte sie auf und lehnte ihre Stirn gegen das kalte Metall der Leiter.
"Gib nicht auf Lou",
flüsterte sie leise, "Nicht jetzt." Ihre Stimme brach. Wütend wischte sie eine Träne weg, sie durfte nicht weinen. Die letzten Leitersprossen ignorierte sie und sprang einfach zu Boden. "Fuck", knurrte sie, als sie den Boden berührte, da sie genau in einer Pfütze landete, ihre Hose war komplett durchnässt und langsam kroch die Kälte ihr ins Knochenmark. Fluchend trat sie mit einem Fuß gegen die Mauer vor ihr, was sie sofort bereute. "Auaaa", murmelte sie jammernd, langsam aber sicher schien dieser Abend ganz gewaltig in die Hose zu gehen.
"Raff dich z'am", flüster-schrie sie sich selber an.
Mit schnellen Schritten lief sie los, umging das Haus und stieß die Tür auf. Niemand stellte sich ihr in den Weg, niemand bemerkte die Blondine. Mit einem Haargummi band sie ihre Haare in einen Zopf, strich sie sich aus dem Gesicht. "Reya, er hat mich betrogen!", ein unglaublich hohes Quängeln übertönt die Musik. Eine hochgewachsene Blondine ließ sich in die Arme von ihrer Freundin fallen. "Jenny nein." Reya legte eine Hand auf den Kopf ihrer Freundin und streichelte beruhigend durch ihre Haarpracht. Lou zwängte sich an den beiden vorbei, hoffte insgeheim einfach unerkannt zu bleiben.
Ja sie kannte die zwei. Es war die Queen von Fornester Town und ihre Princess. Beide so bekannt wie Schneewitchen oder Rapunzel. Und dann gab es natürlich noch den King und Prince Charming, aber einer hatte sich nun anscheinend von seiner Freundin getrennt.
Lou schob sich weiter durch die Menschenmenge, achtsam glitt ihr Blick durch die Masse. Sie suchte ihr Opfer, obwohl eigentlich sie das Opfer war. Die Rollen wurden getauscht, die Täterin wurde zum Opferlamm. Dann bemerkte sie die Person. Sie stand mit vier weiteren Menschen in der Mitte des Saals, langsam stolperte Lou zurück. Der Moment war gekommen. Sie spürte wie ihre Hand zitterte als sie mit dem Rücken an die Wand stieß. Neben ihr lag eine Tür, vor ihr lag ein freier Blick direkt auf Mei.
"Jetzt oder nie." Immer wieder wiederholte sie diese Wörter leise. "Jetzt oder nie."
Noch immer zitterten ihre beiden Hände, sie verschüttelte ein Getränk, welches man ihr vorher in die Hand gedrückt hatte. Wütend schleuderte sie den roten Plastikbecher von sich. Der Rest des Getränks verteilte sich auf den Köpfen der anderen. Manche drehten sich entzörnt um, schrien laut auf und sahen den Schuldigen. Kurz darauf legte sich der Trubel und man hörte nicht mehr als die Musik. Der Beat entführte alle in eine andere Welt und trieb sie in den süßen Wahnsinn.
Endlich holte sie ihren Bogen hervor, doch mit dem kleinen Zitterproblem würde sie keinen vernünftigen Schuss machen.
Sie schluckte schwer, schloss ihre Augen und atmete tief ein. Dann hob sie die Mordwaffe. Sie spürte wie die Bogensehne sich so sehr an spannte, dass sie jeden Moment reißen könnte. Lou atmete aus, bereit loszulassen.
Sie öffnete ihre Augen und versuchte ihr Ziel mit ihrem Blick zu fixieren. Endlich beruhigte sich ihr Atem, ihre Hand wurde ruhig und glitt sanft über das glatte Holz. Ihr Ziel, das Mädchen mit den asiatischen Zügen, bewegte sich nicht mehr. Sie drehte Lou den Rücken zu und plauderte mit ihren Freundinnen, niemand trennte den Weg zwischen ihnen.
Dann war sie bereit, bereit den Pfeil loszulassen...
Mei drehte sich um. Ihre kastanienbraunen Augen musterten Lou. Sie legte ihren Kopf schief und lächelte herzlich, dann zwinkerte die Frau.
Lous Herz begann zu rasen und sie geriet ins Schwitzen. Die Bogenschützin verlor sich in den Augen und schmolz dahin.
Schon bewegte sich die kleine und zierliche Asiatin auf sie zu.
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