《52》
Als Avan die Augen aufschlug, hatte er keinerlei Orientierung mehr.
Alles um ihn herum war dunkel und roch muffig. Ein Abgestandener Geruch nach Schweiß und Urin umgab ihn. Unter ihn befand sich der kalte Steinboden, der mit ein paar Strohhalmen bedeckt worden war. Als sich seine Augen an das dämmrige Licht gewöhnt hatten, konnte er seine Umgebung genauer beobachten. Er befand sich in einer Zelle.
In der Ecke befand sich ein kleiner Holzeimer, um die Notdurft zu bewältigen. Er wollte seine Arme heben, doch er musste feststellen, dass zwei schwere Eisenketten ihn daran hinderten. Er gab einen murrenden Laut von sich, doch es nütze nicht. Egal, was er auch anstellte es ließ sich nicht bewegen. Er ließ seinen Blick an sich hinunter gleiten. Seine Lederhose trug er noch und auch sein dreckiges Hemd, hatten sie ihm gelassen. Allerdings fehlen seine wenigen Waffen, die er noch gehabt hatte.
Langsam kamen ihn die Erinnerungen an den letzten Moment wieder hoch und er stöhnte auf. Was war mit Lina? Was hatte sie getan? Er hatte keinerlei Erinnerungen mehr, was danach passiert war. Das letzte woran er sich erinnerte war, dass er sich auf die Soldaten gestürzt hatte. Danach herrschte gähnende Leere in seinem Kopf. Er konnte sich schon denken was passiert war, aber Lina...
Er konnte es nicht glauben. Egal, wie sehr er die Wahrheiten verdrehte. Lina hatte ihn verraten. Erst jetzt, wo er dazu Zeit hatte, darüber nachzudenken, fiel ihm auf, wie offensichtlich es die ganze Zeit gewesen war. Wie hatte er es den bloß nicht erkennen können? Warum sollte der Kaiser auch irgendwelche Leute festnehmen, nur, weil sie einen Assassinen beherbergt hatten? Was kümmerte es den Kaiser? Es gab dutzend Assassinen hier.
Klar, auch, wenn man ihn noch nie gesehen hatte, galt der Schatten, als einer der berüchtigtsten Mörder der Stadt. Avan war nicht gerade stolz auf seinen Titel. Aber das alles, nur um ihn gefangen zu nehmen? Der König würde doch nicht das alles extra, nur für einen Assassinen auf die Beine stellen? Oder doch?
Avan wusste es nicht. Egal, wie sehr er es verdrehte, oder darüber nachdachte. Irgendwann gab er es auf. Was sollten ihn schon die Pläne des Königs kümmern?
Er rutschte so gut es ging ein Stück nach hinten, soweit, dass sein Rücken die Wand hinter ihm berührte. Genervt lehnte er sich an die kühle Wand, so, dass seine Hände, die ihm hinter seinem Rücken lagen, nicht behinderten.
Er hatte keine Ahnung, wie lange er hier schon lag? Wie viel Zeit war vergangen? Wie spät war es? Was war aus den anderen geworden? Hatte sie es noch rechtzeitig geschafft zu fliehen?
Tausend Fragen schossen ihn durch den Kopf, doch es nütze nichts.
Die Unwissenheit machte ihn wahnsinnig. Er wusste nicht, was sie nun mit ihm vor hatten? Wollten sie ihn hie unten einfach verschmoren lassen oder würde er vor der Stadt hingerichtet werden? Avan fand letzteres von beiden attraktiver. Lieber würde er hingerichtete werden als sein restliches Leben hier zu versauern.
Er seufzte und lehnte seinen Kopf an die Wand. Besser gesagt, hämmerte.
Wie hatte er nur so dumm sein können? Warum war er überhaupt in die Stadt zu Menschen gegangen? Er brachte allen Menschen nur Unglück. Nie hatte sich jemand bei ihm bedankt oder ihm ein Kompliment gemacht. Sein ganzes Leben war er alleine gewesen. Hatte sich alleine durchgeschlagen. Eine Zeit lang war er zusammen mit Ragnar unterwegs gewesen. Seinem Freund. Seinem ersten, richtigen Freund. Doch zum Ende hin, waren beide eh immer weiter auseinander gegangen. Und dann das.
Tot. Ragnar, sein Kollege und sein Freund war tot. Und durch wessen Schuld? Avan wusste, dass es nicht seine Schuld gewesen war, doch sicherlich war er auch daran beteiligt.
Er hatte nie nachgeforscht. Sein Freund war gestorben und was hatte er gemacht?
Er hatte einfach weitergemacht, wie sonst auch immer. Nichts, absolut gar nichts hatte er gemacht.
Das Geräusch von Schritten auf den steinernem Boden, ließ Avan aus seinen Gedanken hochfahren.
Er drehte seinen Kopf zu den Gestalten, die sich seiner Zelle näherten. Vier bewaffnete Männer marschierten, erhobenes Hauptes durch die trostlosen Gänge. In der Mitte von ihnen lief eine weibliche Gestalt, gekleidet in so feine Gewänder, wie sie Avan noch nie bei ihr gesehen hatte.
Einer der Soldaten schloss die Tür zu seiner Zelle auf und die Tür schwang mit einem verrosteten, quietschen auf. Avan spannte sich automatisch an, als er sah, wie sie mit ihren feinen Gewändern vorsichtig in die Zelle eintrat.
Avan wusste nicht, wie er es geschafft hatte sich aufzurichten, doch ehe sich einer versah, war er aufgesprungen und auf sie zu gestürmt. Einzig allein die Ketten, trennten ihn einen Meter von ihr. „Lina", knurrte er wütend. Linas hübsches Gesicht verzog sich zu einem Lächeln, doch Avan konnte die Angst in ihren Augen lesen. Sie hatte Angst vor ihm?
„Erklär mir das", knurrte er und versuchte näher an sie heran zu kommen. Die Ketten verrenkten ihm die Arme, doch das war ihm egal.
Lina machte sicherheitshalber einen kleinen Schritt zurück, um den Abstand zwischen ihnen wieder zu vergrößern.
„Was soll ich dir erklären? Kannst du es dir nicht denken?" Avan verrenkte die Augen zu schlitzen: „ Du wusstest es, oder? Du wusstest die ganze Zeit wer ich wirklich bin."
Sie legte den Kopf schief. „Und wenn schon. Was sollte das ändern?"
Avan knurrte. „Warum das ganze? Nur, etwa, damit ich jetzt hier bin?"
„Mein Vater hat schon länger ein Auge auf „den Schatten" geworfen. Damals, als er deinen Freund hat hängen lassen, dachten wir uns, du würdest dich endlich zeigen, doch leider war dies nicht der Fall. Wir wussten, dass du in die Stadt müsstest, um unterzutauchen, also habe ich mich als Bauernmädchen abgegeben", erklärt sie.
Avan stockte" Dein Vater?" Lina schien den Moment der Überraschung sichtlich zu genießen. „Mein Vater ist der Kaiser des Feuerreichs. Und ich bin die Prinzessin."
Er verdrehte verächtlich die Augen, was Lina wohl sichtlich aus ihrer Fassung brachte.
Schnell raffte sie ihren Kopf und streckte den Rücken durch.
„Und was wollt ihr jetzt mit mir machen? Ich habe keine Informationen, die euch weiterhelfen könnten..." Lina unterbrach ihn, indem sie einfach ihre makellose Hand hochhielt und zu Avans Erschrecken grinste sie und drehte sich einfach um.
„Keine Sorge, du hast hier unten ja Gesellschaft.".
Sie raffte ihre Röcke und verließ seine Zelle. Avan zerrte und zog an seinen Ketten, doch sie machten ihren Job gut und Avan schaffte es nicht sich einen Zentimeter nach vorne zu bewegen. Wütend musste er mit ansehen, wie Lina sich in den Gängen entfernte und schließlich um die Ecke bog.
Die Schritte der Soldaten verklangen in den dunklen Gewölben und Avan ließ sich kraftlos auf den Boden zurück sinken. Seine Arme schmerzten, doch er hatte schon viel schlimmeres aushalten müssen.
Er ballte seine Hände zu Fäusten und wünschte sich, er könne diese elenden Ketten abstreifen und Lina folgen.
Die Zeit verstrich, doch hier unten, in dem Dämmerlicht hatte Avan keine Ahnung wie spät es war. Seine Arme schmerzten und er hatte schrecklichen Durst. Er erinnerte sich noch zu gut an die Zeit, als er gerade erst Assassinene geworden war. Es war schwer sich in das System der Assassinen zu bekommen. Bei ihnen galt die Regelung: Je stärker, desto höher steht man. Doch, als Avan seinen ersten Auftrag angenommen hatte war dies eher ein Scherz gewesen, als ein richtiger Auftrag.
Da er nie richtige Freunde, geschweige Eltern gehabt hatte war es ihm nicht sonderlich schwer gefallen die Kehle eines schutzlosen Menschen aufzuschlitzen. Erst später als er ins Waisenhaus zurückgekehrt war, war ihm bewusst geworden was er getan hatte.
Immer öfter fing er an sich hinaus zu schleichen und fortzubleiben. Die Erzieher hatten ihn nie richtig gemocht und ihn so gut es ging gemieden. Wahrscheinlich hatte es daran gelegen, dass Avan eines Tages nicht mehr zurückkehrte. Ihm gefiel das Leben draußen besser. Es war zwar schwieriger und härter, als im Waisenhaus, doch Avan, der nie etwas anderes gekannt hatte, hatte es nicht, als besonders schlimm erfunden. Endlich war er frei, er konnte seine eigenen Entscheidungen treffen, niemand konnte ihm noch etwas sagen. Mit 17 besorgte er sich sein erstes richtiges Schwert und bereits mit 19 wurde er bekannt unter den Kreisen der Assassinen.
Er hielte es für besser, wenn er nicht besonders fiel Aufmerksamkeit auf sich brachte, deshalb bevorzugte er es im dunkeln der Nacht zu kämpfen.
Mit der Zeit wurde er immer besser und geschickter. Er wurde bekannt als der Schatten, doch es freute ihn nicht besonders. Im Grunde genommen war er wirklich nur ein lebender Schatten. Er erledigte die abtrünnigen Wünsche, der Menschen, die niemand traute auch nur auszusprechen. Doch, kein einziges Mal hatte er ein Lob für seine Arbeit bekommen. Wozu sollte man ihn auch Loben, wenn er bloß Menschen umbrachte?
Hätte er bloß damals gewusst in was für ein gefährliches Terrain er sich da begeben hatte.
Und nun saß er hier.
Im war klar, dass eine Hinrichtung für ihn keine Strafe wäre. Das war Lina anscheinend auch bewusst. Vielmehr, wenn er hier elend versauern musste.
Er schloss die Augen und versuchte die Schmerzen zu verdrängen. Er hatte in seinem Leben viele Schmerzen gehabt. Doch irgendwann war der Schmerz nicht mehr das schlimmste... Umarme den Schmerz, hatte er sich zugeflüstert. Immer und immer wieder, wenn ihm ein Sprung übers Dach nicht geglückt war oder, wenn die Soldaten ihn ausgepeitscht hatten.
Er fragte sich, ob die Erzieherinnen von damals gewusst hatten, was aus ihm geworden war. Wahrscheinlich nicht. Für sie war er doch nur immer der Problemjunge gewesen. Kaum war er verschwunden hatten sie ihn vergessen.
Er seufzte. Er wusste, dass er nicht so schnell wieder das Licht erblicken würde. Er musste sich eine Beschäftigung ausdenken, wenn er nicht die meiste Zeit im Selbstmitleid versinken wollte.
Doch was sollte er tun? Hier unten gab es nichts, was seine Aufmerksamkeit bekommen könnte. Egal, wo er seinen Blick auch hinwandte. Zwischen den Eisenstäben konnte er bloß die schemenhaften Umrisse der weiteren Zellen erblicken.
In der Luft lag eine bedrückende Stille. In den Gewölben war es nicht grade warm, doch Avan konnte schlecht seine Arme bewegen. Nicht, dass die Kälte sein größtes Problem war.
Irgendwann waren es Minuten, Stunden gewesen, schweiften seine Gedanken ab und er glitt in einen Halbschlaf über. Er stellte sich vor, was passiert wäre, wenn sie es geschafft hätten Linas Eltern zu befreien und, wenn Lina ihn nicht verraten hätte. Ihr Gesicht schwebte vor seinem Gesicht. Wieso dachte er jetzt an sie? Sie hatte ihn verraten. Schluss damit. Schnell verdrängte er sie aus seinen Gedanken.
Mitten in der Nacht, oder war es Tag, hörte er die Schweren Schritte, der Soldaten, die über den kalten, steinigen Boden trampelten. Avan war sofort wach und hob seinen Kopf. Kam Lina etwa schon wieder? Er wollte nicht, dass sie ihn so in diesem Anblick sah.
Doch zu seinem Erstaunen war es nicht Lina, die ihn einen Besuch abstatten wollte. Er lauschte angestrengt. Die Schritte näherten sich. Es mussten mehrere Männer sein. Doch da war noch ein anderes Geräusch. Es waren nicht die sanften, weichen Schritte einer Frau, doch es konnte auch kein Mann sein. Es klang eher wie... wie ein Schleifen.
Gerade, als Avan das Geräusch erkannte liefen die Männer an seiner Zelle vorbei. Mit großen Augen starrte Avan die Männer an. Er machte keinen Hehl daraus, dass er wach war. Einer der Männer drehte seinen Kopf zu ihm, doch als er Avans Blick bemerkte, wandte er sich schnell wieder ab. Avan konnte es ihm nicht verübeln, denn sein Anblick musste ziemlich erschreckend aussehen.
Wenn er doch bloß diese schrecklichen Fesseln loswerden könnte... Er bezweifelte, dass er ohne Waffen die Gitterstäbe bezwingen konnte, doch vielleicht hätte er den einem oder anderen Mann, der hier vorbei käme eine Waffe abluchsen können. Doch Lina hatte ziemlich genau gewusst auf was sie sich einließ und hatte an alles gedacht. Er knirschte mit den Zähnen und folgte mit seinem Kopf den Soldaten.
Zu seinem Erstaunen waren sie noch nicht weit gekommen, denn sie hatten direkt neben seiner Zelle angehalten. Einer der Männer machte sich an dem Schloss zu schaffen und das Klirren des Schlüssels hörte man durch das ganze Gewölbe. Es durchschnitt die unheimliche Stille wie ein Schwert und Avan schauderte.
Die Männer warfen eine Gestalt in auf den Boden und der Mann verriegelte die Tür wieder. Mit lauten Schritten marschierten sie wieder hinaus, doch noch lange hörte man ihre Schritte widerhallen.
Avans Aufmerksamkeit lag auf der bewusstlosen Gestalt in der Zelle nebenan.
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