2
Rumm.
Mit pochendem Herzen schreckte Linda hoch. Unsicher starrte sie in die Dunkelheit, mit bebendem Körper. Was hatte sie bloß geweckt?
Rumm.
Dieses Geräusch, woher kam es?
Eine Weile lag sie still da, traute sich kaum zu atmen und horchte. War jemand im Haus, der nicht hergehörte? Hatte ihre Mutter es auch mitbekommen? Sie beschloss, nachzusehen. Vielleicht ist bloß etwas umgefallen. Gegenstände vom Tisch. Der war immer voll geräumt, es könnte also sein.
Sich selbst in Gedanken gut zuredend versuchte Linda, so geräuschlos wie möglich aufzustehen.
Zur Sicherheit nahm sie ihren alten Tennisschläger aus dem Regal mit, nur für alle Fälle.
Nach nur wenigen Schritten erreichte sie die Zimmertür, tastete nach der Klinke und öffnete. Am liebsten hätte sie sich laut über das Knarzen beschwert, blieb aber ruhig stehen und spürte ihr Herz bis zum Hals klopfen. 'Bei uns gibt es doch nichts zu holen', schoss es ihr durch den Kopf, ziemlich sicher, dass jemand im Haus sein musste.
Gerade wollte sie in den Flur treten, als ein schriller Schrei sie zum zusammenzucken brachte.
Die Stimme gehörte...
>>Luc! Was hast du?!<<
Sofort stürzte Linda in sein Zimmer, schmiss den Tennisschläger in die Ecke und warf sich zu ihm auf den Boden.
>>Luc! Luc!<<
Er hörte einfach nicht mehr auf, zu schreien und auch ihre Mutter kam hereingestürmt.
Als sie ihn sah, blieb sie wie angewurzelt stehen.
Seine kleinen Hände waren verkrampft, sein Gesicht verzerrt, um ihn herum lagen seine Stofftiere, die er, als er vom Bett gefallen war, wohl mitgerissen hatte.
Wie könnte eine Mutter diesen Anblick ertragen, in dem ihr Kind sich vor Schmerzen krümmt und um sein Leben schreit?
Er hatte einen Rückschlag.
In Lindas Kopf schwirrten nur noch Gedankenfetzen.
'Wieso? Warum gerade jetzt?'
>>Jetzt tu doch was!<<, blaffte Linda ihre Mutter an, die mit angstvoller Miene einfach nur dastand und zusah.
Den Bruchteil einer Sekunde sah diese ihre Tochter mit geweiteten Augen an, schüttelte sich und rannte aus dem Zimmer. Kurz darauf konnte man ihre zitternde Stimme ins Telefon sprechen hören.
Währenddessen versuchte Linda, ihren Bruder zu beruhigen. Ohne Erfolg, er nahm sie kaum wahr.
Nach gefühlten Stunden dröhnte von draußen das Geräusch einer Sirene.
Laute Schritte im Treppenhaus.
Festes Klopfen.
Das Knarzen der Tür.
Fremde Personen, die ins Zimmer stürmten. Nur zwei an der Zahl. Mindestens fünfzig Jahre alt.
Sie ließen sich rechts und links von Luc nieder, fühlten nach seinem Puls und hoben ihn vorsichtig hoch.
Durch einen leichten Tränenschleier sah Linda ihnen hinterher, als sie ihn aus der Wohnung trugen.
Sollte sie hinterherlaufen?
Sie konnte ihn nicht allein lassen.
Gerade wollte sie den Ärzten folgen, als einer von ihnen schon zurückkehrte.
>>Bitte kommen Sie hinunter. Wir brauchen Ihre Hilfe.<<
Linda sah sich nach ihrer Mutter um, welche nervös die Hände knetete. Ihr Blick war starr, aber sie nickte und so gingen sie mit dem Mann mit.
Die Fahrt mit dem Krankenwagen dauerte ungefähr fünfundzwanzig Minuten.
Das Krankenhaus war ein ehemals weißer Block, dessen äußere Wände nun verschmutzt und von Graffiti besprüht waren.
Schweigend betraten sie das Gebäude. Als erstes legten die Männer Luc in ein bereitgestelltes Bett mit Rädern, wie man sie in solchen Einrichtungen verwendete. Er hatte sich zwar beruhigt, war aber gedanklich abwesend und reagierte nur wenig auf seine Umgebung.
>>Folgen Sie mir<<, meldete sich der eine Arzt zu Wort und führte Linda und ihre Mutter durch einen menschenleeren Gang, hinein in ein Zimmer mit einem Schreibtisch und mehreren Stühlen. Er forderte sie auf, sich zu setzen und kramte einen Notizblock und einen Stift hervor.
>>So. Wir werden uns um Ihren Jungen kümmern. Zwar sind wir nur noch wenige und größtenteils Freiwillige, aber wir kennen uns gut aus und geben uns alle Mühe. Ich werde Ihnen nun ein paar Fragen stellen, es wird vielleicht etwas anders ablaufen, als Sie es von früher kennen, aber wen wundert das?<<
Er erwartete keine Antwort.
Mit seiner tiefen, rauen Stimme fuhr er fort:
>>Sind Sie registriert oder war ihr Sohn vorher in einem anderen Krankenhaus?<<
>>Im St. Elena. Da ist aber niemand ans Telefon gegangen, also habe ich hier angerufen.<<
>>Hm. Wie heißen Sie?<<
>>Mein Name ist Emma Veniers, das ist meine Tochter Linda und der Kleine heißt Luc<<, antwortete Lindas Mutter mit immer leiser werdendem Ton.
Der Arzt schrieb mit in Falten gelegter Stirn alles auf.
>>Wie alt ist er?<<
>>Sieben<<
>>Kommt so etwas wie heute Nacht öfter vor?<<
>>Immer nach ein paar Jahren. Das erste Mal, als er zwei war. Dann mit fünf. Und jetzt. Er hat einen unbekannten Herzfehler<<, erklärte Linda, als ihre Mutter nicht antwortete.
>>Läuft es immer gleich ab?<<
>>Nein. Es wird schlimmer.<<
Die Tatsache, dass nur noch wenige erfahrene Ärzte im Krankenhaus arbeiteten, bereitete Linda Sorgen. Schon damals konnten sie ihm kaum helfen, den Schmerz nur abschwächen. Was sollte jetzt aus ihm werden? Es würde ihn irgendwann umbringen.
Der Mann legte seinen Block beiseite, ging an einen Computer und tippte etwas ein.
>>Hoffentlich arbeitet im St. Elena noch jemand, der mir die genauen Infos zusenden kann...<<, murmelte er.
Nachdem er alles Wichtige eingetragen hatte, drehte er sich wieder zu seinen Gästen um.
>>Möchten Sie nach Hause gefahren werden oder hier übernachten?<<
>>Hier bleiben.<<
Nach zwei Stunden durften sie endlich in das Zimmer. Die Untersuchung war für den Tag erledigt und musste ausgewertet werden.
>>Hallo, Liebling. Hast du schlafen können?<<
>>E-ein bisschen<<, antwortete Luc seiner Schwester. Er streckte leicht die Hand nach ihr aus, welche sie gleich ergriff.
>>Es sticht i-immer noch.<<
Es schmerzte sie, einen solchen Satz in der klaren, hohen Stimme eines Kindes zu hören.
>>Das hört bald auf. Die Ärzte helfen dir.<<
Sie versuchte, optimistisch zu klingeln.
Er lächelte und sie lächelte auch.
Ihre Mutter war unschlüssig, was sie tun sollte und stand immer noch in zwei Meter Entfernung. Alles überforderte sie einmal mehr. Lucs Krankheit, die gesamte Situation.
Er sah zwar ein paar Mal zu ihr, rief sie aber nicht herbei. Er war es gewohnt, hauptsächlich von Linda umsorgt zu werden.
Einige Zeit unterhielten sie sich und saßen nur da, bis es hieß, Luc bräuchte Ruhe und er solle allein gelassen werden.
Insgesamt verbrachten sie vier Tage im Krankenhaus. Ab und zu machte Linda Spaziergänge, holte etwas zu Essen oder ging in die Wohnung, um zu lüften und Staub zu saugen.
Sie fürchtete sich etwas vor der Diagnose, war aber optimistisch.
Bisher durfte er jedes Mal wieder nach spätestens einer Woche nach Hause zurück.
Aber sollte es auch jetzt so sein? Oder war es das endgültig für ihn?
Sie saß gerade auf einem Stuhl im ehemaligen Wartezimmer und las, als der Arzt kam.
>>Bitte kommen Sie<<, sagte er. Seine Stimme klang beunruhigend.
Sie folgte ihm in den Raum, in welchem sie am ersten Tag gesessen hatten. Ihre Mutter war bereits da.
Der Mann blätterte kurz in seinem Hefter, ehe er zu seinen Gästen hinuntersah und sie eine Weile nur schweigend betrachtete. Seine schwarze Hornbrille rutschte dabei fast von seiner fettigen Nase.
>>Wir haben ein paar Tests gemacht und Rückmeldung vom Labor erhalten. Hat nicht so lange gedauert wie erwartet. Also...<<
Wieder blätterte er.
>>Der Junge, Luc, kann hier nicht weiter behandelt werden. Wir können nichts für ihn tun.<<
Linda erwiderte nichts. Sie sah ihn nur abwartend an.
>>Das heißt im Genauen...er muss in eine Spezialklinik. Die Beste befindet sich in Österreich.<<
Sie blickte ungläubig zu ihrer Mutter. Das konnte doch nicht sein? Nach Österreich? Wie sollte er dahin kommen? So etwas war teuer. Sie hatten schlichtweg nichts.
>>Gibt es keine andere Möglichkeit?<<, fragte sie.
>>Unsere Medizin kommt bei ihm nicht weiter. Wenn wir ihn einfach gehen lassen besteht das Risiko, dass er bei dem nächsten Anfall stirbt.<<
>>Warum erst jetzt und nicht schon früher?<<, wollte sie wissen.
>>Das fragen Sie bitte die Ärzte aus dem St. Elena. Vermutlich haben die nicht geahnt, dass es so schlimm werden würde.<<
>>Sie müssen es kostenlos machen. Den Transport, die Behandlung, alles...<<, warf ihre Mutter ein, leichte Panik deutlich herauszuhören.
>>Kostenlos geht gar nichts. Die verbliebenen Ärzte dort brauchen das Geld für ihre Klinik, ohne können sie auch nichts für Ihren Sohn tun<<
Mittlerweile wurde der Mann ungeduldig.
>>Wenn Sie sich gegen eine Behandlung entscheiden, müssen Sie mit den möglichen Konsequenzen leben. Denken Sie darüber nach, es geht um ein Kinderleben.<<
Er ging.
Für Linda war es keine Frage: Luc bekäme seine Behandlung. Irgendwie würden sie das Geld schon auftreiben.
>>Ein Kredit?<<, fragte ihre Mutter in die Stille hinein.
>>Hast du es vergessen, Mama? Die geben keine Kredite mehr, weil sie denken, die Schuldner würden vor dem Zurückzahlen verhungern<<
Was in letzter Zeit nicht selten vorkam.
Linda beobachtete ihren Bruder, der fest schlief und sich tief in seiner Decke vergraben hatte. Seit einer Stunde dachte sie nun über das Geldproblem nach.
Und sie musste zugeben, dass sich eine Idee in ihren Kopf geschlichen hatte.
Wenn auch eine Idee, der sie nur ungern nachgehen würde.
Könnte es denn möglich sein, auf diese Weise an Geld zu kommen?
>>Eine andere Möglichkeit sehe ich im Moment nicht<<, sagte sie im Stillen zu sich selbst.
Diese Möglichkeit war Anaia.
Das Spiel, das die Welt zu dem gemacht hatte, was sie war.
Sie musste sich bloß ins Zeug legen, schnell ein hohes Level erreichen und dieses Ding gewinnen.
So absurd es klang, so musste sie es wenigstens versuchen.
Ob ihre Mutter dies gutheißen würde?
Bestimmt, da es der einzige Weg zu sein schien, um ihr Kind zu retten.
>>Hey<<
Augenblicklich zuckte Linda zusammen. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie ihre Mutter hinter sie getreten war.
>>Ich weiß, was ich tun muss<<, flüsterte Linda, drehte sich zu ihrer Mutter und blickte sie flehend an.
>>Hältst du es über einen langen Zeitraum ohne mich aus?<<, fragte sie unverwandt.
>>Was?<<
>>Bitte kümmere dich darum, dass es Luc während meiner Abwesenheit gut geht, bitte.<<
>>Ich verstehe nicht...nein, du willst doch nicht etwa...<< Ihre Mutter starrte sie ungläubig an.
>>Doch, anders geht es nicht. Ich weiß auch, dass ich schnell machen muss. Allzu lang hält er das so nicht weiter aus.<<
Das daraufhin Stille eintrat, sah sie als Zustimmung.
Nun brauchte sie nur noch das 'Virtual Headband', um loslegen zu können. Insgeheim schätzte sie ihre Siegeschancen zwar auf höchstens einen Prozent ein, doch sie wollte sich nicht eingestehen, dass es keine Möglichkeit gab, Geld für Luc zusammen zu bekommen.
>>Wage es ja nicht, so zu werden, wie alle anderen. Komm zu uns zurück, versprich es mir. Versprich es Luc<< Das erste Mal seit einer langen Zeit klang die Stimme ihrer Mutter fest und bestimmt.
>>Ich habe nicht vor, zu verhungern, auszutrocknen oder so was in der Richtung. Natürlich komm ich wieder, am liebsten mit 200.000 Euro. Übrigens bleibe ich ja nicht 24 Stunden da drin, ich teil mir das ein, ja?<< Linda lächelte. Sie strich ihrer Mutter sanft über den Arm und verließ das Zimmer.
Zuhause hatten sie einen alten PC, mit dem sie sich für Anaia anmelden konnte. Es war schon ein verrücktes Gefühl, nun genau dem entgegen zu gehen, dem sie sich immer entzogen hatte.
Die Wohnung wirkte so leer. Nun, sie war sehr voll gestellt, doch ohne ihre Bewohner war sie nichts. Ohne Luc.
Sie wollte gar nicht daran denken, wie es hier wäre, würde er sterben.
Ein rot blinkendes Licht lenkte ihre Aufmerksamkeit auf sich. Es stammte vom Telefon, jemand hatte angerufen. Linda prüfte schnell die Nummer. Es war ihr Vater gewesen. Vermutlich, um zu sagen, dass er noch länger wegbleiben würde. Verrückt, dass er trotz der vielen Arbeit so wenig verdiente.
Sie verspürte nicht den Drang, zurückzurufen und sich von ihm die Laune noch weiter verderben zu lassen.
>>Kümmer dich nicht um ihn, soll er doch seine wertvolle Zeit verschwenden<<, murmelte sie und ging ohne weitere Umschweife in das Zimmer ihrer Mutter, um den PC hochzufahren. Immer mehr fühlte sie sich lächerlich.
Piep.
>>Dann mal los.<<
Linda ließ sich auf den Bürostuhl fallen und ging ins Internet.
Sie tippte nur den Namen 'Anaia' in den Browser und der erste Treffer zeigte bereits die richtige Website.
Einmal Klicken.
Eine bunte Seite sprang auf, welche mit Regenbögen und einer Menge Spielcharakteren sowie kleinen Tierchen dekoriert war.
>>Und so was spielen auch Jugendliche? Na gut.<<
Aber bevor Linda sich einfach registrierte, wollte sie wenigstens AGB und Datenschutz durchlesen.
Darin fand sich jedoch nichts auffälliges: Das ganze war tatsächlich kostenlos, neben der Tatsache, dass man In-Game Gegenstände erwerben konnte. Ob die Produzenten mit diesen wohl genug einnahmen, um guten Profit daraus zu ziehen? Bei der Masse an Spielern könnte es zumindest funktionieren, vor allem, da ja jeder der Beste sein wollte, mit den stärksten Waffen, um am Ende als Sieger dazustehen.
Zielstrebig klickte Linda auf ein Feld, auf welchem mit schwarzer, geschwungener Schrift Registrieren geschrieben stand.
Sofort ploppte ein Feld auf.
Name, E-Mail Adresse, Wohnort, Nickname und Passwort waren gefragt.
Linda füllte die Felder aus, bis sie bei 'Nickname' ankam.
So was fand sie schon immer schwierig. Zuerst versuchte sie es mit 'Linda', was aber bereits vergeben war. Ebenso Luc, Lin und Lia. War ja klar, dass mittlerweile keine schönen Namen mehr zur Auswahl standen.
Aber auch, wenn das Spiel nur Mittel zum Zweck war, wollte sie nicht GamerMouse777 heißen oder so.
Da erinnerte sie sich, dass Janice sie im Kindesalter gerne Erina genannt hatte, wenn sie Prinzessin und Kriegerin gespielt hatten. Sie hatte gemeint, das wäre ein passender Name für eine mutige Bogenschützin, wie Linda eine gespielt hatte.
Nun war dieser Name aber auch bereits belegt, sodass Linda es mit Abwandlungen versuchte, bis endlich eine passte: Erynah.
Jetzt fehlte bloß noch das Passwort, welches schnell gewählt war. In grünen Lettern stand dort: Eine E-Mail wurde versandt. Bitte bestätigen Sie ihre Registrierung.
Also prüfte sie ihre Mails nach, und da war sie...
Wieder dachte Linda sich, dass dies eine lächerliche Idee war. Und wenn sie merkte, dass sie keine Chance hätte, könnte sie ja immer noch abbrechen und sich nie wieder einloggen. Ja. So einfach war das.
Aber so einfach wollten es die Produzenten ihr wohl nicht machen.
Bevor sie auf den Bestätigungslink klickte, bemerkte sie kleine, rote Buchstaben.
Mit Bestätigen Ihrer Registrierung bestätigen Sie ebenfalls, dass Sie zur Kenntnis genommen haben, dass dieses Spiel-das erste seiner Art-noch ein paar wenige kleine Bugs enthält. So ist es eine Tatsache, dass jegliche Verwundungen, die Sie sich im Spiel zuziehen, auch nach Verlassen des Spiels am eigenen Körper erscheinen. Zwar sind sie nicht sichtbar, aber spürbar.
Des Weiteren sollten Sie nicht länger als drei Tage offline bleiben, da wir-das Team um Anaia-uns dann gezwungen sehen, Sie ausfindig zu machen und herauszufinden, warum Sie die Lust am Spiel verloren haben.
Wir übernehmen keine Haftung.
>>Oh...mein...Gott.<<
Fassungslos starrte Linda die Zeilen an. Ihre Gedanken flogen kreuz und quer.
Wie bitte? Schmerzen empfinden? Die Pflicht, mindestens alle drei Tage zu spielen?
Sie konnte sich nicht erklären, warum sich so viele Menschen darauf einließen.
Da musste wirklich extreme Geldgier dahinterstecken.
Und ganz ehrlich: Irgendwie schreckte sie das soeben Gelesene ab. War es das wert? Verwundete man sich in solchen Spielen denn oft und stark? Gerade wollte sie die Mail schließen und in den Papierkorb schieben, als das Bild ihres Bruders vor ihrem inneren Auge aufblitzte. Die Krankheit. Die Behandlung. Der flehende Ausdruck. Seine Schmerzen. Ja, das war es wert, sie hatte keine Wahl. Sie musste es versuchen. Auf andere Weise konnte sie nicht an Geld kommen.
Klick.
Bestätigt.
Lindas Herz klopfte unnatürlich schnell, fast tat es weh. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Sie wurde wieder auf die Website weitergeleitet, wo nun stand, dass sie sich ihr 'Virtual Headband' im nächsten Game-Store abholen sollte. Vorher müsste sie diesen Text nur als Beweis ausdrucken. Super, die machten es einem besonders schwer. Linda erhob sich seufzend.
Der Text war schnell gedruckt. Immer wieder zogen die kleinen, roten Lettern Lindas Blick auf sich, doch sie weigerte sich standhaft, nur einen einzigen Zweifel zu empfinden.
Sie hatte nichts zu verlieren, nichts Bedeutendes. Nur der Sieg war ihr Ziel.
Das stechend weiße Blatt Papier ließ sie in eine dunkelbraune Hängetasche gleiten, während sie schnellen Schrittes den Flur durchquerte und ihre Augen streng nicht in Richtung von Lucs Zimmer wandern ließ.
Wo war noch gleich der nächste Game-Store? Die Straße runter? Oder war der bereits geschlossen? Sorgten die Manager bei Anaia dafür, dass in jedem Store jemand bereit stand? Auf der ganzen Welt?
Mit zusammengebissenen Zähnen packte Linda Jacke und Schuhe. Solche Gedanken könnte sie sich machen, nachdem sie sich vor Ort erkundigt hatte.
Zum gefühlt tausendsten Mal in den letzten Tagen trippelte Linda die Treppe des Wohnhauses eilig hinunter.
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