Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

Szene 19

Mir ist schon heute Morgen klar gewesen, dass dieser Augenblick irgendwann kommen würde und nun ist er da. Felix und ich haben uns sowieso schon zu lange in unserem kleinen Paradies versteckt, jetzt ist es an der Zeit, an die Arbeit zu gehen. Wie einfach es doch sein kann, Dinge zu verdrängen, aber uns ist beiden bewusst, dass wir die Sache hinter uns bringen müssen. Außerdem sind wir nicht die letzten Tage quer durch halb Europa gehetzt, nur um im letzten Moment kalte Füße zu bekommen.

Wir sitzen im Auto – mal wieder. Wenn ich wieder zu Hause bin, werde ich nur noch mit dem Fahrrad fahren, das habe ich gerade eben beschlossen. Die Straße führt direkt am See entlang in Richtung der Landzunge, auf der Bellagio liegt. Im Grunde habe ich schon damit gerechnet, dass dieses kleine Örtchen am Comer See die Stadt der Reichen und der Touristen ist. Doch je weiter wir hineinfahren, desto deutlicher wird, wie recht ich habe. Die Häuser haben alle einen herrschaftlichen, mediterranen Stil. Vermutlich handelt es sich bei den meisten um Hotels. Im Vorbeifahren kann ich einen Blick in die kleinen Gässchen erhaschen, die so typisch für Italien sind. An der Uferstraße stapeln sich die Souvenirläden und Restaurants, während im See kleine Motorboote dümpeln. In der Ferne kann ich größere Segelschiffe und sogar ein paar Yachten ausmachen.

Doch unser Weg führt uns wieder hinaus aus der Stadt. Die Straße schlängelt sich serpentinenartig den kleinen Berg hinauf, der hinter den Häusern aufragt. Hinter riesigen Einfahrtstoren und Mauern kann ich einen Blick auf die riesigen Gebäude erhaschen. Wer sich hier ein Grundstück leisten kann, wird auch mit dem Bau der pompösesten Villen keine Probleme haben. Je weiter es hinaufgeht, desto beeindruckender sind die Bauten, die rechts und links die Straße säumen.

Wenn ich ehrlich bin, wundert mich die Tatsache kein bisschen, dass unsere Sammler auch das Geld für eine Villa am Comer See haben. Das Ehepaar Kapenstein scheint aus Deutschland zu kommen, zumindest ihre Vornamen Gabriele und Joachim klingen sehr deutsch. Das gibt mir die Hoffnung, nicht auf Englisch zurückgreifen zu müssen.

„Da vorne müsste es sein.", sagt Felix auf einmal.

Er deutet mit einem Finger auf ein beige gestrichenes Haus, das zwischen den riesigen Zedern hervorragt. Ein beeindruckendes Tor aus verschlungenen Eisenstäben versperrt jedoch die Sicht auf weitere Details.

Felix fährt das Auto an den Straßenrand und stellt den Motor ab. Der kleine Golf sieht vollkommen fehl am Platz aus in dieser Gegend. Genau genommen sehe ich kein anderes Auto auf der Straße parken, vermutlich besitzt jeder Haushalt hier sein eigenes kleines Parkhaus.

Die Stille, die sich im Auto ausbreitet ist auf einmal sehr präsent. Keiner traut sich, den Anfang zu machen.

„Wollen wir los?", frage ich schließlich. Felix nickt stumm.

Es ist wirklich unglaublich, dass wir immer noch keinen besseren Plan haben, als einfach bei dem Ehepaar zu klingeln und ihnen unser Problem zu erklären. Ich habe keine Vorstellung, wie sie reagieren werden. Vermutlich nicht gerade begeistert.

Als wir vor dem riesigen Tor stehen, kann ich erst einmal gar nicht die Klingel finden. Doch schließlich entdecke ich eine sehr modern aussehende Schaltfläche mit einem Knopf, der entfernt die Ähnlichkeiten einer Klingel aufweist. Ich betätige den Knopf, in der Hoffnung, dass er tatsächlich die gewünschte Reaktion herbeiführt.

Felix steht dicht hinter mir. Er ist wesentlich nervöser, das kann ich spüren. Noch immer frage ich mich, warum er sich so schuldig gegenüber Jakob fühlt. Oder verpflichtet, ich kann es nicht sagen. Auf jeden Fall war er derjenige, der Himmel und Erde in Bewegung gesetzt hat, Jakobs Geige wieder zurück zu bekommen.

Wir warten keine zwanzig Sekunden, als es in der Sprechanlage knackt und eine Stimme ertönt, die eine kurze, aber genervte Frage auf Italienisch stellt. Kurz begegne ich Felix Blick, der wahrscheinlich ebenso erstaunt ist wie meiner. Irgendwie sind wir fest davon ausgegangen, dass es sich bei dem Ehepaar um Deutsche handeln würde.

Kurzerhand ergreife ich die Initiative und versuche der Italienerin auf Englisch unser Anliegen nahezubringen. Zumindest die leicht abgeänderte Variante. Da ich nicht weiß, wer gerade mit uns gesprochen hat, behaupte ich einfach, einen wichtigen Termin mit Herr und Frau Kapenstein zu haben. Kurz darauf antwortet die Frau – ich bin mir fast sicher, dass es eine Frau ist – dass wir eintreten dürfen, Frau Kapenstein stünde gleich zur Verfügung.

Ich bin verblüfft, dass es so einfach war. Gleich darauf öffnet sich das Tor mit einem leisen Quietschen. Das Gebäude, auf das wir nun blicken, ist äußerst imposant. Es hat zwei Stockwerke und ein flaches Dach. Die Zedern scheinen perfekten Schatten zu spenden, während man auf der Rückseite des Hauses vermutlich einen atemberaubenden Blick auf den See hat.

Wir laufen über den Kies der Einfahrt in Richtung der großen hölzernen Eingangstür. Vor lauter Staunen scheint es auch Felix die Sprache verschlagen zu haben, denn er kann seinen Blick weder von der prächtigen Grünanlage zu unserer Linken, noch von dem schwarz glänzenden Bugatti auf der rechten Seite losreißen.

Noch bevor wir am Haupteingang ankommen, wird die Tür bereits geöffnet und eine kräftige Dame lugt durch den Spalt. Irgendwie ist mir sofort klar, dass es sich hierbei lediglich um die Haushälterin handelt und nicht um Frau Kapenstein. Mit einem Wink bedeutet sie uns, vor den Treppenstufen, die zum Eingang führen, stehen zu bleiben.

Ob sie uns jetzt nach Läusen absucht?, schießt es mir augenblicklich durch den Kopf. Dieser Gedanke ist zwar absolut albern, aber die Dame schaut so herablassend auf uns herunter, dass es mich tatsächlich nicht wundern würde.

Bevor ich den Mund aufmachen kann, um uns vorzustellen, wird die Haustür ganz aufgerissen und neben der Haushälterin erscheint eine Frau, vielleicht Anfang sechzig. Sie trägt einen eleganten Hosenanzug und schicke Stilettos. Ob es wohl ab einem bestimmten Kontostand nötig ist, selbst im eigenen Haus mit Absatzschuhen herumzulaufen?

Die Frau verzieht leicht die Lippen, als ihr Blick auf Felix und mich fällt.

„Sie sind dann wohl die Journalisten vom Fortissimo."

Ihre Stimme ist leicht rau, als würde sie entweder zu viel rauchen, oder nur sehr selten ihre Stimmbänder benutzen.

„Ich wurde gestern darüber informiert, dass mich zwei junge Leute interviewen wollten. Aber dass man heutzutage solche weiten Strecken auf sich nimmt, nur für ein gutes Foto, das überrascht mich ja doch. Ist es nicht normalerweise üblich, das Telefon zu benutzen?"

Also doch eine Deutsche, schießt es mir durch den Kopf. Was mich eher stutzig macht ist die Tatsache, dass wir nach wie vor für Journalisten gehalten werden. Ob uns das einen Vorteil oder einen Nachteil verschafft, darüber bin ich mir noch nicht sicher. Es wäre nur bestimmt nicht klug, die Frau über die Wahrheit aufzuklären, sonst sind wir mit ziemlicher Sicherheit hier schneller wieder draußen, als ich nur "Violine" sagen kann.

Ich habe mir noch nicht mal ein Bild über die Situation verschafft, da ist Felix schon einen Schritt nach vorne getreten und hält der Dame seine ausgestreckte Hand entgegen, die sie zögernd ergreift.

"Guten Tag, ich bin Felix. Es tut uns unendlich leid, dass wir einfach so ohne Ankündigung hier auftauchen, aber Ihr, ähh, Haus, lag sowieso auf dem Weg, wir wollen heute noch weiter nach Verona fahren. Vielleicht hätten Sie ja trotzdem ein paar Minuten für uns Zeit." Er setzt sein charmantestes Lächeln auf, das selbst ich noch nicht an ihm gesehen habe.

Frau Kapensteins strenge Miene nimmt sofort einen weicheren Ton an. Offenbar hat auch Felix Talent in solchen Dingen.

"Da haben Sie aber Glück, dass ich heute zufällig zu Hause bin. Immerhin bin ich eine beschäftigte Frau und normalerweise müssen die meisten meiner Gäste Wochen warten, bis sie einen Termin bekommen." Sie fährt sich theatralisch durch die Haare. Meine Augenbrauen wandern ein paar Zentimeter nach oben. Ich bin mir nicht sicher, was ich von diesem Auftritt halten soll. Gleichzeitig frage ich mich, womit das Ehepaar wohl ihr Geld verdient.

"Sie sind sicher eine sehr gefragte Dame.", stimmt Felix ihr mit einem ernstem Nicken zu. "Vielleicht wissen Sie ja, dass wir hauptsächlich wegen der Guadagnini Geige gekommen sind, die Sie kürzlich erworben haben."

"Oh ja, ein seltenes Prachtexemplar." Wieder streicht sie sich durch die perfekt sitzenden Haare. "Aber bitte, kommen Sie doch herein, dann dürfen Sie mich in Ruhe befragen." Sie zwinkert Felix zu und ich bin kurz davor, die Augen zu verdrehen. Mich hat sie in dieser kurzen Unterhaltung komplett ignoriert.

Ich folge Felix die Treppe hinauf zur Eingangstür. Als ich eintrete, reiche auch ich Frau Kapenstein die Hand und stelle mich kurz vor. Für mich hat sie allerdings nicht mehr als ein schwaches Lächeln übrig.

Wir folgen der Dame in einen riesigen Raum, den ich unter normalen Umständen als Wohnzimmer bezeichnet hätte. Doch "Königlicher Empfangsraum" würde es wohl besser treffen. Sofort fällt mir die riesige Glasfront ins Auge, die wie vermutet einen unbeschreiblichen Blick auf den See bietet. Abgesehen davon sieht alles sehr teuer und alt aus. An den Wänden hängen wertvoll aussehende Gemälde, die alle einen einheitlich goldenen Rahmen haben. Generell kann ich hier sehr viel Gold entdecken: Die Stuhl- und Tischbeine sind gold lackiert, die Deckchen auf dem Tisch sind mit goldenen Stickereien verziert, sogar der Sofabezug ist irgendwie golden.

"Bitte, setzen Sie sich doch.", sagt Gabriele Kapenstein und deutet auf das Sofa.

Ich lasse mich vorsichtig auf dem Rand nieder, aus Angst, den Bezug aus Versehen schmutzig zu machen. Die Reinigung wäre sicherlich ziemlich teuer. Felix scheint wesentlich weniger Hemmungen zu haben und macht es sich in voll und ganz bequem. Die Gastgeberin selbst setzt sich uns gegenüber auf einen Stuhl.

"Haben Sie denn nichts zu schreiben dabei?", wundert sie sich.

"Heutzutage nehmen wir das Gespräch einfach mit dem Handy auf, damit uns ja keine wichtigen Details entgehen.", antwortet Felix mit selbstsicherer Miene und holt im gleichen Augenblick sein Smartphone hervor.

Ich bin erstaunt, wie souverän er mit dieser Situation umgeht. Mein Herz dagegen hämmert wie wild gegen meinen Brustkorb. Trotzdem versuche ich, eine möglichst unschuldige Miene aufzusetzen. Die Angst, dass wir auffliegen könnten ist viel zu groß, als dass ich mir einen Fehler erlauben will. Das hier ist unsere einzige Chance, in Ruhe mit Frau Kapenstein zu reden und herauszufinden, ob es noch Hoffnung für uns gibt.

"Frau Kapenstein, ich hätte zunächst ein paar grundsätzliche Fragen an Sie. Wie lange sind Sie und Ihr Mann denn schon leidenschaftliche Sammler von Streichinstrumenten und wie viele besitzen Sie bereits?", beginnt Felix. Ich merke, wie er sich deutlich um eine professionelle Ausdrucksweise bemüht.

Unsere Gastgeberin scheint die Aufmerksamkeit, die sie auf einmal bekommt, voll und ganz zu genießen, denn sie schlägt erst einmal äußert elegant die Beine übereinander und streicht dann wieder mit den Händen durch die Haare, als wollte sie eine Kunstpause machen. Felix und ich warten geduldig.

"Eigentlich bin ich diejenige, die die wahre passionierte Sammlerin ist. Mein Mann hat damit wenig zu schaffen, abgesehen von den finanziellen Mitteln natürlich.", sie lacht künstlich auf. "Mein Mann sieht in den Instrumenten eigentlich nur eine Wertanlage und erkennt überhaupt nicht ihre Schönheit..." Wieder fährt sie mit der Hand durch ihre Frisur, während ihr Blick verträumt aus dem Fenster wandert. Vielleicht wartet sie darauf, dass wir ein Foto von ihr machen, aber keiner reagiert. Schließlich fährt sie fort.
"Genaugenommen sammele ich nicht nur Streichinstrumente. Ich habe auch zwei sehr wertvolle Heckel-Fagotte in meiner Sammlung."

Ohne dass ich es möchte, entfährt mir ein anerkennender Laut. Diese Fagotte gehören zu den teuersten Holzblasinstrumenten. Ich kenne mich in diesem Gebiet zwar nicht so gut aus, weiß aber, dass man heute bis zu 10 Jahre auf ein Instrument warten muss. Eigentlich ist es ein Jammer, dass sie so oft einfach nur als Sammlerstücke missbraucht werden. Doch natürlich äußere ich meine Gedanken nicht, schließlich geht es heute nicht darum, eine Grundsatzdebatte über die Verwendung von Instrumenten zu führen.

"Wie viele Instrumente umfasst denn Ihre Sammlung?", bohrt Felix nach.

"Mit der neuen Violine sind es 12.", erklärt die Besitzerin stolz. "Wollen Sie sie mal sehen?"

"Sehr gerne.", nickt Felix.

Ich wundere mich mittlerweile einfach nur noch über die Naivität der Frau. Sie hat kein einziges Mal nach unserem Ausweis gefragt, wir könnten auch einen ausgeklügelten Raubzug planen und ihr Haus ausspionieren, um in der Nacht bei ihr einzusteigen. Aber offensichtlich macht sie sich diesbezüglich keine Sorgen.

Wir folgen Gabriele Kapenstein zurück in den Flur. Die Tür auf der rechten Seit sticht mir sofort ins Auge, denn sie passt eindeutig nicht in den Stil der restlichen Einrichtung. Sie besteht aus einem metallenen Material, ist aber weiß gestrichen. Daneben befindet sich ein Eingabefeld, das ich in dieser Art bis jetzt nur in Action- und Kriminalfilmen gesehen habe. Frau Kapenstein tippt schnell hinter hervorgehaltener Hand einen Code ein. Sofort leuchtet ein Lämpchen grün auf und sie öffnet die Tür. Der Raum ist fensterlos und stockdunkel. Doch sobald sie einen Schritt über die Türschwelle macht, springt das Deckenlicht an. Ich staune nicht schlecht, als ich die im Raum verteilten Glasvitrinen sehe. In den meisten kann ich verschiedene Instrumente erkennen, manche stehen leer. Vermutlich ist die Besitzerin immer noch im großen Sammelfieber.

"Nicht schlecht.", sagt Felix beeindruckt und ich bin mir sicher, dass er es diesmal ernst meint. "Das ist eine beachtliche Sammlung. Was machen Sie damit?"

Frau Kapenstein schaut ihn dümmlich an. Mit dieser Frage hat sie anscheinend nicht gerechnet. "Was meinen Sie, was ich damit mache? Ich sammel diese Instrumente, was glauben Sie, was ich damit mache?"

Während Felix für mich besagte Grundsatzdiskussion über die Verwendung von Instrumenten führt, schweift mein Blick suchend durch den Raum. Und dann entdecke ich sie.

Die Geige ist genauso, wie ich sie in Erinnerung hatte: dunkel mit einer ausgeprägten Holzmaserung. Wunderschön. Mein Herz schlägt automatisch schneller. Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, als ich dieses Instrument zuletzt gesehen habe. Von dem Tag weiß ich nicht mehr viel, ich habe das meiste aus meinen Erinnerungen verdrängt. Aber an diesen Augenblick erinnere ich mich noch ganz genau. Ich habe den Koffer geöffnet, Jakobs Geruch ist mir sofort entgegengeschlagen. Ich dachte, er würde jeden Moment hinter mir auftauchen und mich fragen, was ich mit seiner Geige machen wollte. Doch da war niemand, natürlich nicht. Mit einem erleichterten Seufzer habe ich festgestellt, dass die Geige unversehrt geblieben ist. Wie gerne hätte ich sie gegen meinen Bruder oder meine Mutter eingetauscht.

Auf einmal spüre ich Felix Hand, die sich um meine schließt. Diese kleine Berührung weckt mich sofort aus meinem Erinnerungsstrudel. Sein Blick sieht mich sorgenvoll an. Ich nicke kaum merklich, um ihm zu signalisieren, dass alles in Ordnung ist.

Frau Kapenstein hält immer noch einen Vortrag über die Bedeutsamkeit dieser Instrumente und darüber, wie wertvoll sie doch seien, doch ich höre nicht zu. Ich sehe nur Jakobs Geige, wie sie, eingesperrt in diesen Glaskasten, vor sich hinvegetiert. Mein Hände ballen sich zu Fäusten. Jahrelang war sie in Familienbesitz und nun steht sie hier, bei dieser dummen Frau.

"... nach ein paar Jahren gewinnen die Instrumente wieder an Wert und ich kann sie teurer verkaufen. Dann kaufen wir neue Instrumente und so geht das weiter. Mein Traum ist es, irgendwann mal eine Stradivari zu besitzen. Aber Sie interessieren sich eigentlich für die Guadagnini-Geige, richtig? Was ist denn für Sie daran so besonders? Eigentlich müssten Sie sich viel mehr für die Rogeri-Geige interessieren." Sie deutet auf einen Glaskasten in der rechten Ecke des Raumes. "Das war ein harter Kampf, aber nun habe ich meinen Schatz."
Sie klatscht übertrieben die Hände zusammen.

Ich möchte mich gleich übergeben, so absurd ist die ganze Situation. Doch Felix scheint gefasster zu sein.

"Frau Kapenstein, was wissen Sie über die Geschichte der Guadagnini-Geige und warum haben Sie gerade dieses Instrument ersteigert? Unsere Leser interessieren sich oft auch für die Beziehung, die zwischen Käufer und Instrument steckt. Können Sie selbst Geige spielen?"

"So viele Fragen auf einmal, junger Mann..." Frau Kapenstein stößt einen gekünstelten Seufzer aus. "Über die Geschichte weiß ich nicht viel, nur dass sie jahrelang im Besitz der Familie der berühmten Julia Bergmann war. Aber mehr weiß ich auch nicht. Der Name der Vorbesitzerin macht das Instrument natürlich umso wertvoller. Ich habe als Kind mal Geige gelernt, aber war nie wirklich talentiert.", sie lacht und Felix fällt mit ein, wenn auch wesentlich gezwungener. Ich bringe nur ein leichtes Lächeln zustande, denn ich muss mich zu sehr darauf konzentrieren, der Frau nicht an die Gurgel zu springen und sie aufzufordern, sofort die Geige herzugeben.

"Die Beziehung zwischen mir und dem Instrument? Das ist schwierig, ich habe die Geige ja erst gekauft. Spielen werde ich sie selbstverständlich nicht, da hätte ich Angst, etwas kaputt zu machen." Wieder lacht sie über ihren eigenen Witz, diesmal fällt es auch Felix schwer, eine angemessene Reaktion zu zeigen.

"Wären Sie denn bereit, die Geige zu verkaufen, wenn Ihnen ein guter Preis gezahlt werden würde?", stellt er schließlich die entscheidende Frage.

"Selbstverständlich nicht. So viel Sammlerehre besitze ich schon, die erstandenen Instrumente nicht gleich wieder zu verkaufen." Sie winkt ab, als wäre die Frage vollkommen absurd. "Junger Mann, da müssen Sie noch einiges lernen. Im Moment kann ich unmöglich Profit damit machen, vielleicht in ein paar Jahren, aber auch das ist unwahrscheinlich. Außerdem wäre der Aufwand viel zu groß, denken Sie nur an die Steuern und meine Angestellten, die das alles regeln müssten..."

In einem Augenblick wird meine ganze Hoffnung zerschlagen. Die Hoffnung, die Geige jemals wieder im Familienbesitz zu haben. Diese Frau würde nie verkaufen. Und wenn doch, dann würde der Preis mit Sicherheit weit über unsere finanziellen Möglichkeiten gehen. Sie ist für immer weg.

Wie in Trance bekomme ich mit, dass Felix ein paar Fotos macht, um den Schein aufrecht zu erhalten, sich höflich verabschiedet und mich mit einer Hand zwischen den Schulterblättern nach draußen geleitet. Als wir wieder beim Auto ankommen, fange ich an, hemmungslos zu schluchzen. Wären wir doch im Hotel geblieben.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro