22: Gruppentherapie #2
Ich zögere...
Sekundenlang stehe ich regungslos vor der geschlossenen Zimmertüre, kaue nervös auf meiner Unterlippe herum und spiele mit dem unteren Saum meines Pullovers.
Sekunden, die sich bis ins Unerträgliche strecken, mir vorkommen wie eine Ewigkeit. Tief atme ich durch, bewege meine Hand nach vorn zur Türklinke, nur, um sie sofort wieder zurück zu ziehen, als meine Finger das kühle Metall berühren.
Ich kann das nicht...
Unsicher gehe ich einen Schritt zurück, seufze tief.
Ich vermisse ihn, das tu ich wirklich, doch meine Zweifel halten mich davon ab, sein Zimmer zu betreten. Ich habe Angst davor, dass er mich wegschicken könnte, denn das würde mich nur noch mehr verletzen. Viel lieber verzehre ich mich nach dem Gefühl seiner Nähe und bewahre mir das Bild im Kopf, das Nagato mir geschenkt hat.
Erneut trete ich einen Schritt zurück bevor ich mich von der Tür abwenden und dem Gang bis zu meinem Zimmer folge. Dort angekommen setze ich mich auf die Matraze meines Bettes, ziehe die Beine näher an meinen Körper heran und umschlinge sie mit beiden Armen bevor ich meine Stirn auf meine Knie lege.
"Bist du ein Engel?"
Seine Stimme hallt in meinem Kopf wieder, lässt mein Herz vor Freude springen und gleichzeitig schmerzhaft stechen. Das waren Pain's erste Worte an mich.
Und momentan wünsche ich mir so sehr, dass ich tatsächlich einer wäre. Dann wäre ich jetzt nicht hier in dieser Klinik sondern könnte über all dem schweben. Über all meinen Problemen, all meinen Zweifeln und über all dem Schmerz, den ich in meinem Leben ertragen musste.
Dann hätte ich nicht das Gefühl zusammen zu brechen wie ein maroder Brückenpfeiler, der zu lang das Gewicht von viel zu viel Last halten musste.
Dann wäre ich bereits tot.
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Das ist doch lächerlich...
Auch am nächsten Tag noch kann ich an nichts anderes denken als an den Jungen, der mich fort geschickt hat. Wieso bin ich nicht zu ihm gegangen? Wieso konnte ich mich nicht überwinden?
Seufzend nehme ich meinen Platz auf einem der bunten Sitzkissen in dem Raum der Gruppentherapie ein. Hidan unterhält sich lautstark mit einem Jungen neben sich, der sich lachend durch die kurzen, schwarzen Haare fährt und auch dann nicht aufhört zu lachen, als der andere offensichtlich Andeutungen macht, ihm eine zu verpassen.
"Hidan, Obito. Bitte setzt euch, wir wollen anfangen.", erklingt Inoichi's Stimme unbeeindruckt und ich sehe zu dem Psychologen, der es sich auch auf einem Kissen bequem macht. In seiner Hand hält er das Klemmbrett mit den Teilnehmern seines kleinen Psychospieles und wie auch die letzten Male beginnt er die Namen darauf vor zu lesen und so die Anwesenheit zu überprüfen.
"Itachi?"
"Ja."
"
Sasori?"
"Hier."
Einige Namen folgen und bei meinem gebe ich ebenfalls ein leises "Hier" von mir.
"Nagato?"
Stille erfüllt den Raum, so wie jedes Mal. Er kommt nie zu den Sitzungen, verlässt nie sein Zimmer. Deshalb ist er für die meisten in dieser Klinik nur "Die Gottheit" und es wird viel über ihn spekuliert. Während meiner Zeit hier habe ich schon einige Gerüchte gehört. Zum Beispiel darüber, ob er wohl überhaupt existiert oder ob das Einfügen irgendeines Namens hier einfach ein Scherz war.
Inoichi Yamanaka beginnt mit der Sitzung, gibt irgendeinen Blödsinn von sich, bei dem ich nur mit einem Ohr zuhöre. Alles ist genau wie die letzten Male und ich verstehe nicht, wie das irgendeinem von uns helfen soll. Dieses ewige Hin und Her, die immer gleichen Fragen und Versuche einem jeden ins Gewissen zu reden.
Doch dann wird die Türe zu dem Therapiesaal plötzlich geöffnet. Sofort verstummt der Psychologe und sein Blick, genau wie die der anderen, liegt nun auf dem Jungen dort in der offenen Tür.
Mein Herz setzt für einen Moment aus, als ich den Rotschopf sehe.
Er ist hier...
Ohne ein Wort bewegt Pain langsam seinen Rollstuhl auf die Gruppe zu und bleibt etwas hinter dem Kreis stehen. Sein Blick ist stur auf den Boden gerichtet auch, als Inoichi das Wort an ihn richtet.
"Nagato. Es ist schön, dass du hier bist."
Keine Reaktion ist von seinem Gesicht abzulesen, doch bei der Erwähnung seines Namens gehen vereinzeltes Gemurmel und beinahe lautlose Kommentare durch die Reihen der anderen Leute. Erstaunen, Unglaube und fast schon Entsetzen ist bei einigen ganz deutlich zu erkennen, doch ich kann mich nicht lang auf sie konzentrieren. Meine ganze Aufmerksamkeit gehört Pain.
Er kommt nie zu den Sitzungen. Nie.
Wieso er jetzt hier auftaucht ist mir ein Rätsel aber ich kann nicht abstreiten, dass es mich glücklich macht, ihn zu sehen. Ich bemerke erst, dass ich den Jungen auf der anderen Seite des Raumes die ganze Zeit über angestarrt habe, als dieser den Blick hebt und meinem begegnet. Sofort sehe ich ertappt zur Seite, atme tief durch.
Reiß dich zusammen!
Ich versuche mich auf die Worte des Psychologen zu konzentrieren - erfolglos. Ich werde das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden und als ich erneut einen kurzen Blick zu Pain riskiere, wird dieses Gefühl bestätigt. Er sieht mich an, unentwegt. Sein Gesicht noch immer regungslos, der Ausdruck seiner Augen auf die Entfernung nicht zu erkennen.
"Also gut. Teilt euch auf.", erklingt Inoichi's Stimme und die Leute um mich herum beginnen plötzlich aufzustehen.
Verwirrt sehe ich mich um, versuche zu verstehen was ich verpasst habe, als ich dem Superdoktor nicht zugehört habe.
Erst als ich bemerke, dass die anderen sich in Zweiergruppen zusammenfinden erhebe ich mich auch von dem grünen Sitzkissen unter mir. Mein Blick wandert von Sasori, der neben Itachi steht, zu Hidan, welcher grinsend mit irgendeinem Mädchen redet.
Mist.
Auch bei näherem Umschauen finde ich niemanden, der noch allein ist.
Niemanden bis auf einen einzelnen Jungen in seinem Rollstuhl.
Langsam gehe ich auf ihn zu, halte dem Blick seiner braungrauen Augen stand als ich vor ihm zum Stehen komme. Er sieht blass aus, dunkle Schatten liegen unter seinen Augen und irgendwie wirkt er viel zu zerbrechlich. Es tut weh ihn so zu sehen. So kaputt und irgendwie völlig fehl am Platz.
Keiner von uns sagt auch nur ein Wort während um uns herum überall leise Gespräche starten. Ich weiß nicht einmal wieso wir uns aufteilen sollten und es ist mir auch ziemlich egal. Diese Übungen sind ohnehin nichts als Zeitverschwendung. Sie sind lächerlich.
"Hallo, Engel."
Pain's Stimme ist rau und leise, sein Gesicht regungslos während er mich mit seinem festen Blick gefangen hält.
"Ich bin kein Engel, das weißt du doch.", entgegnet ich bemüht ruhig, versuche mir nicht anmerken zu lassen, wie glücklich mich seine wenigen Worte doch machen.
Er nickt langsam, zieht die Augenbrauen nachdenklich zusammen.
"Wieso bist du hier?", will ich von ihm wissen.
Kurz zögert der Junge vor mir bevor er leise seufzt.
"Nagato... Er gibt keine Ruhe."
"Was?"
"Er wollte dich wieder sehen."
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