1: Ein warmer Augenblick
Schmerz...
Mein ganzer Körper spürt ihn überdeutlich und ich wage es nicht, mich zu bewegen. Ich denke, dass ich dazu auch überhaupt nicht in der Lage wäre.
Stumm und unbewegt liege ich in der endlosen Dunkelheit, die meinen Verstand benebelt und meine Sinne betäubt.
Lediglich diese einzige Empfindung pocht beinahe unerträglich durch jede Faser meines Körpers und doch ist diese Pein nichts gegen den Schmerz, den ich all die letzten Jahre über ertragen habe.
Ertragen musste...
Ist das der Tod?
Wird es so enden?
Dunkel und einsam von Schmerz erfüllt und gefangen in den Erinnerungen an ein grausames Leben?
Plötzlich durchdringt etwas die Dunkelheit um meinen Verstand und ich vernehme ein Geräusch.
Leise... Ganz leise...
Es ist ein stetes Piepsen, ruhig und gleichmäßig. Während ich ihm lausche lassen auch meine Schmerzen nach und die Finsternis weicht einem sanften Licht.
Was ist das?
Ich möchte die Hände ausstrecken, um es zu berühren, doch nichts geschieht. Keinen einzigen Muskel kann ich bewegen...
"Konan..."
Dad?
Ja ganz deutlich höre ich die Stimme meines Vaters. Er ruft nach mir.
"Konan, mein Engel. Wach auf."
Aufwachen?
Aber Dad... bist du nicht das Licht? Ich möchte zu dir!
Ich versuche zu laufen, doch wieder bewege ich mich nicht. Wieso bewege ich mich nicht!?
Ich stecke fest. Dad!
"Nein...Du musst aufwachen."
Ich will nicht...
Ich will nicht schon wieder getrennt sein von dir!
Lass mich zu dir!
"Konan...bitte...wach auf."
Die Stimme meines Vaters klingt flehend in meinem Kopf nach als das sanfte Licht erlischt und Schmerz zusammen mit Dunkelheit zurück kehrt.
Dann öffne ich die Augen.
Tief hole ich Luft während das leise, stete Piepsen schneller wird und nun auch lauter als vorhin scheint.
Was ist das?
Wo bin ich?
Über Mund und Nase liegt eine Maske, jeder Atemzug brennt in meiner Lunge und erschrocken versuche ich nach dem Ding auf meinem Gesicht zu greifen. Ein kurzes Stechen in meinem Arm lässt mich den Blick dorthin richten und ich erkenne mehrere Infusionen, die mit Nadeln in meiner Haut stecken.
Unnatürlich schnell schlägt mein Herz während das Piepsen im gleichen Takt mit rast und ich panisch versuche zu verstehen, was hier los ist.
"Sch, Sch... schon gut."
Eine warme Hand legt sich auf meine Schulter und ich wende den Blick zur anderen Seite. Dort steht eine junge Frau mit braunem Haar, welches unordentlich nach oben gesteckt ist, und lächelt freundlich. Und obwohl ich sie nicht kenne beruhigt mich der sanfte Blick ihrer grünen Augen und die Wärme ihrer Hand auf meiner Schulter.
Vorsichtig greift sie nach der Atemmaske auf meinem Gesicht, um diese zu entfernen.
"Es ist alles gut... Du bist hier in Sicherheit."
In Sicherheit...
Wieso?
Ich lebe noch. Wie soll das sicher sein?
Wie soll ich sicher sein?
"Oh Konan... Du kannst auch wirklich gar nichts, oder?"
Die Stimme meiner Adoptivmutter in meinem Kopf hat Recht. Ich kann nichts.
Ich schaffe es noch nicht einmal mir selbst das Leben zu nehmen.
Wie erbärmlich...
"Kannst du mir sagen wie du heißt? Erinnerst du dich?", will die Braunhaarige von mir wissen, deren Hand noch immer auf meiner Schulter ruht und mir Wärme und Vertrauen spendet.
Mein Name?
Ich nicke schwach und öffne den Mund um zu antworten, doch als nur ein heißeres Krächzen ertönt zucke ich erschrocken zusammen.
"Schon gut. Das ist in Ordnung, Konan."
Sie weiß, wer ich bin...
"Du hast sicher viele Fragen, doch du solltest dich ein wenig erholen. Ich werde dir alles erklären."
Und so erzählt die nette junge Frau namens Hana neben mir mit ruhiger, sanfter Stimme was passiert ist.
Die Schwester berichtet mir, dass ich einen "Unfall" hatte, durch die schweren Kopfverletzungen ungefähr zwei Monate lang im Koma lag und mir noch andere Verletzungen zugezogen habe, die jedoch weitestgehend schon wieder verheilt sind. Es ist ein wahnsinniges Glück, dass ich überlebt habe und mein Gehirn keine bleiben Schäden bekommen hat.
Oder Unglück. Wie man es nimmt...
Stumm lausche ich ihr und mir wird eines klar: Sie weiß nicht, dass ich gesprungen bin.
Sie denkt ich bin gestürzt, durch den Regen ausgerutscht oder ähnliches. Ich merke es an ihrer Fürsorge und dem Ausdruck ihrer Augen.
So warm, fast schon liebevoll...
So sieht man niemanden an, der sich selbst töten wollte.
Definitiv nicht.
"Ich werde mit den Ärzten reden und deine Eltern benachrichtigen. Soll ich noch jemand anderen anrufen?"
Jemand anderen?
Nein, es reicht schon, wenn Shun und Akina hier aufkreuzen. Schwach schüttel ich den Kopf und die Schwester streicht mir noch einmal zart über die Schulter bevor sie aufsteht und das Zimmer verlässt.
Und ich bin allein...
Allein mit dem leisen Piepsen, das meinen Herzschlag widerspiegelt, und den Nadeln in meinem Arm. Doch was noch viel schlimmer ist:
Ich bin allein mit meinen Gedanken.
Erneut höre ich die Stimmen in meinem Kopf.
Sie lachen...sie lachen über mich.
Über meinen erbärmlichen Versuch, dem ein Ende zu bereiten.
Nein.
Ich lege eine Hand auf mein Ohr während ich das andere gegen das Kopfkissen unter nur drücke.
Doch die Stimmen verstummen nicht.
Laut und schallend klingt das Gelächter durch meinen Kopf.
Nein...
Ich will das nicht hören...
Hört auf...
Bitte, seid endlich still...
"Konan."
Eine Stimme übertönt das Lachen und ich wage es die Hand von meinem Ohr zu nehmen.
Dad...
"Konan, du hast überlebt."
Blinzelnd betrachte ich den Mann, der neben meinem Bett steht. Groß und dünn mit dunkelbraunem kurz geschnittenen Haar und ebenfalls dunklen Augen.
Shun...
Dieser eine Satz trieft vor Verwunderung, Erstaunen sogar. Und doch kann ich noch etwas anderes deutlich heraus hören: Enttäuschung.
Enttäuschung darüber, dass ich noch immer existiere.
"Konan, Schätzchen, wie geht es dir?", ertönt eine schrille Stimme und eine kleine rothaarige Frau kommt zur Tür herein gestürmt.
Akina...
Wie ich es hasse, wenn sie die Fürsorgliche spielt. Denn das ist sie nicht - Ganz und gar nicht.
Und doch legt sie jeden mit dieser Nummer rein. Dafür hätte sie einen Oskar verdient, oder zwei.
Sie streckt die Hand nach mir aus, doch bevor sie die meine berühren kann ziehe ich sie weg. Kurz scheint meine Adoptivmutter irritiert zu sein, bevor sie ein falsches Lächeln auf setzt und sich an meine Bettkante setzt.
Und ich sehe auch den Grund für diesen Beweis ihrer Schauspielkünste.
Eine große blonde Frau in weißem Kittel, anscheinend eine Ärztin, und zwei Männer in Polizeiuniform betreten das Zimmer. Bevor die Tür hinter ihnen ins Schloss fällt kann ich noch Hana, die braunhaarige Schwester, auf dem Gang stehen sehen, die mir aufmunternd zu nickt.
Diese Geste...
Dieses kleine Zeichen von Unterstützung...
Es wärmt mein Herz und lässt mich für einen Moment vergessen, in welcher Situation ich mich befinde.
Lässt mich vergessen, weshalb ich überhaupt hier bin.
Für einen kurzen Augenblick...
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