Kapitel 62: Sie
Ich schaute in das Gesicht des Mädchens vor mir.
Nein.
Es war nicht Cassandra.
Bei Weitem nicht.
Anders als Cassandra hatte sie einen ganz weißen, bleichen Hautton. Sie wirkte etwas jünger als Cassandra, trotzdem älter als ich. Zusätzlich war ihr Gesicht viel rundlicher als das meiner Schwester, doch am auffälligsten waren ihre frechen, roten Locken, welche wild um ihr ganzes Gesicht lagen.
Ich wusste nicht, wer sie war, doch ihr vertrautes Lächeln drückte eine Art von Mitgefühl aus, durch welches ich sie sofort als sicher einstufte.
Wieder sprach sie: „Hey, geht es euch gut, eure Hoheit?"
Sie wusste, wer ich war?
Erschrocken blickte ich zu Hendrík. Auch er wirkte geschockt.
Da meine Gedanken sich wieder im hier und jetzt befanden und ich nur noch mein laut pochendes Herz als Nachwirkung spüren konnte, antwortete ich ihr mit einem schwachen nicken.
Sie schenkte mir darauf ein besorgtes Lächeln.
„Na kommt schon! Wir müssen uns beeilen!", erklärte sie, während sie mir die Hand ausstreckte.
Ich ergriff sie sofort und mit ihrer Hilfe kam ich schließlich unter dem Tisch hervor. Grade, als sie mir auf die Beine geholfen hatte, stand auch Hendrík plötzlich neben uns.
„Wohin genau..."
Er beendete den Satz nicht.
Das Mädchen unterdrückte ein Kichern.
„In die Tunnel. Wir werden leider Friedos wichtige Regel Nummer drei brechen müssen, da ich mich aber bestens dort unten auskenne, sollte das keine große Sache sein."
Darauf zwinkerte sie leicht und lief sofort los.
Sie hielt noch immer meine Hand und zog mich dabei sofort mit sich. Während sie so zügig lief, fielen ihre rote Locken verspielt hin und her. Ich konnte nicht anders, als sie zu bestaunen. Trotzdem fiel es mir noch immer schwer zu verarbeiten, was genau grade passierte. Tausende Fragen bildeten sich, welche ich auch sofort beantwortet bekommen wollte.
„Woher kennt ihr Friedo?", fragte ich, während wir den Gang betraten, welcher zu den Tunneln führen sollte.
Sie antwortete sofort. Dabei klang ihre Stimme so sanft und beruhigend. Es musste an ihrer tiefen Tonlage liegen.
„Er ist ein alter Bekannter. Ein treuer Freund. Er mag häufig etwas... unnütz sein. Aber seine Loyalität ist stark! Und fast jeder fünfte seiner Tränke funktioniert sogar manchmal! Also fast..."
Unter normalen Umständen hätte ich darauf vielleicht gelacht, allerdings hatte ich das Gefühl, dass die Decke immer noch am Beben war, was mich leicht beunruhigte.
„Und wo genau gehen wir jetzt hin?", fragte Hendrík wieder.
Das Mädchen drehte sich nicht einmal um, als sie ihm antwortete. Sie lief mit mir an der Hand immer weiter und erklärte: „An einen sicheren Ort. Noch sicherer, als diese Tunnel es sind. Es ist ein Wunder, dass die Soldaten euch erst jetzt gefunden haben! Sie haben fast so lange gebraucht, wie ich."
In meinem Kopf fing alles an sich zu drehen. Immer mehr Fragen stellten sich mir, durch jegliche Antworten, die sie uns auf Vorherige gab.
„Friedo. Wir müssen zu Friedo. Er braucht Hilfe!", rief ich.
Wir standen grade ein einer Gabelung von drei Gängen. Das Mädchen schaute sich die linke Wand an, tastete das grüne Moos darauf ab, bis sie beschloss, welchen Gang wir als nächstes benutzen würden.
„Da habt ihr recht. Und er wird sie auch bekommen! Die Soldaten haben den kompletten Platz gesprengt, nur um an euch beide heranzukommen. Sein Haus existiert zwar nicht mehr, allerdings heißt das auch, dass die Stadt ihm nun Schadensersatz zahlen wird! Er ist immer noch ein Professor, Einnahmequellen hat er, medizinische Versorgung sowieso und überhaupt... dieser Mann hat bereits hunderte Jahre überlebt, da wird er die nächsten paar Stunden auch noch schaffen!"
„Hunderte Jahre?!", rief Hendrík. Das Mädchen nickte nur.
An der nächsten Gabelung nahmen wir den linken Tunnel. Langsam fragte ich mich auch, ob ich mir nicht besser hätte merken sollen, wo genau wir langliefen. Allerdings war ich außerdem immer noch dabei, einer völlig Fremden zu folgen...
„Moment!", rief ich und riss mich dabei von ihr los, „Was passiert hier grade?! Wo bringt ihr uns hin?! Und wer seid ihr?"
Sie sah mich schmunzelnd an.
„Nun... ich bin die, nach der ihr eigentlich, seit ihr hier seid, gesucht habt!"
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