Kapitel 29: Planen
Ich war nun allein. Allein in einem Wald, welchen ich mein lebenslang von dem Fenstern des Schlosses aus betrachtet, aber nie betreten hatte. Und nun hatte ich sogar darin geschlafen! Es war irgendwie aufregend. Es war das erste Mal gewesen, dass ich nicht in einem Schloss geschlafen hatte. Und zum Glück machte die neue Erfahrung das ganze so aufregend, denn sonst hätte ich mich schon längst auf die Schmerzen konzentriert, welche durch das schlafen auf dem Boden entstanden waren. Auch wenn wir uns eine mit Moos bedeckte Stelle ausgesucht hatten, war es leider kaum mit dem weichen Betten zu vergleichen, die ich sonst gewohnt war. Und es gab sehr vieles, dass ich gewohnt war, dass jetzt nicht mehr sein würde. Es war auch genau dieser Moment, als mir klar wurde, dass ich einen Plan brauchte. Was genau würde jetzt passieren? Wie genau würde dass alles enden?
Ich lehnte mich an einen Baum und begann wieder über meinen Traum über Cassandra nachzudenken.
„Wenn Amadeus auf den Thron kommt, ist dass das Ende für Amolien! Du musst in die Geheime Bibliothek! Dort stehen alle antworten.", hatte Cassandra gesagt.
Gut, also musste ich mich auf die Suche nach dieser Bibliothek machen, dass war aber schon lange beschlossene Sache. Dort würde ich wohl alle Informationen finden, welche mir helfen konnten. Herausfinden, warum Amadeus nicht König werden durfte, warum Vater... all das tun würde. Vielleicht sogar, was für eine Rolle ich dabei spielen sollte. Wahrscheinlich wollte Cassandra, dass ich Beweise sammelte. Um unserem Militär zu beweisen, dass mein Vater uns alle verraten hatte und dass wir ihn vom Thron jagen mussten! Nur war das Militär schon längst unter seiner Macht. Aramo, der General, wusste von Vaters wahren Intentionen bescheid, sonst hätte er ihn nicht im Zimmer gelassen, als er mir von seiner wirklichen Seite erzählt hatte. Und wenn schon unsere Generäle gegen uns sind, wie sollte es dann um den Rest stehen?
Na super. Sagen wir also ich würde es in diese Bibliothek irgendwie schaffen... was dann?
Ich konnte nicht weiter darüber nachdenken. Besonders weil es nur hoffnungslos schien. Und auch, weil ich langsam spürte, wie meine Kehle mir austrocknete. Das letzte Mal getrunken hatte ich... vor meiner Entführung. Dass ich meinen trockenen Hals erst jetzt spürte war klar, wo die Aufregung verweht war und ich jetzt endlich Ruhe hatte. Also blickte ich mich um. Wir hatten noch in paar Äpfel herum liegen, nur leider würden diese niemals meinen Durst stillen. Ich wurde verzweifelter, weil der Durst mit jeder Sekunde unerträglicher wurde. Etwas weiter vorne war ein See, nur die 50 Meter würde ich niemals hin schaffen. Ich musste wohl einfach nur darauf hoffen, dass Hendrík bald zurückkommen würde. Oder...
Vielleicht war es auch einfach nur Wunschdenken, doch ich war mir ziemlich sicher, dass ich einen Plätschern hörte. Ich drehte meinen Kopf herum. Ich konnte nichts erkennen, aber das Geräusch wurde immer klarer! Bis ich ihn endlich sah. Ein kleiner Bach und das auch noch unmittelbar in meiner Nähe! Er war fast genau hinter dem Baum, an welchen ich mich gelehnt hatte. Wie hatte ich diesen übersehen können?
Der Durst war inzwischen so schlimm geworden, dass ich den Schmerz nicht mehr ertragen konnte und etwas vorsichtig und langsam auf den Bach zu krabbelte. Das Wasser war so klar, so sauber. Als wäre es nur für mich frisch aus dem Boden entsprungen. Mit meiner Hand, die ich zu einer Kelle formte, begann ich daraus zu trinken, immer gieriger, bis ich schließlich meinen kompletten Kopf darin hineinstürzen wollte, doch dann... dann sah ich auf einmal mein Spiegelbild darin.
Mein Gesicht war schmutzig, meine Haare ein einziger Haufen von Knoten, mit Blättern und Dreck darin verfangen und auch konnte ich blaue Flecken überall erkennen. Es waren aber nicht diese Aspekte, die mich so erschütterten. Ich sah in dieses Spiegelbild und ich sah ein Monster. Das Kind eines Monsters. Egal wie sehr mein Vater mich verraten hatte, unserem Volk hatte er den größten Verrat angetan. Würden erst die Manoren eintreten und ganz Amolien zerstören, würde jeder, welcher mein weißes Haar sah, dieses mit Schmerz, Angst, Zerstörung und gebrochenem Vertrauen assoziieren. Ich betrachtete mein schneeweißes Haar an. Dieses Symbol meiner königlichen Status. Und ich wollte es nicht mehr. Ich wollte nicht mehr Teil dieser Familie sein. Teil von dem wohl schlimmsten Mordplan überhaupt. Als Prinzessin hatte ich versagt. Und nun wollte ich als Bürgerin helfen. Und um eine unscheinbare Bürgerin zu sein, um wieder in mein Spiegelbild sehen zu können, durfte ich nicht mehr dieses verfluchte Haar haben.
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