Amar Ama - Unsterbliches Wasser - Froy
Froys Blick heftete sich einige Momente lang an den zerkratzten, Salz verkrusteten Rumpf des Handelsschiffes, das sich langsam von ihm wegbewegte.
Vom Deck her drangen die Stimmen der Besatzung, sie redeten auf gehobenem Englisch miteinander. Der Meerjungmann verstand jedes Wort.
Er erkannte sogar die Stimmen, wusste dass der tiefe Bass zu dem Koch gehörte und dass die weiche Stimme die das Kapitäns war.
Nolans Stimme war auch dabei, sie zitterte, die Worte stolperten nur so aus ihm hervor. Immer wieder unterbrach Schluchzen seine Erklärungsversuche, es brach Froy das Herz.
Die weiche Stimme des Kapitäns tröstete den jungen Piraten und Froy, der schon die ganze Zeit mit den Tränen kämpfte, konnte jetzt wirklich nicht mehr an sich halten.
Es war ihm zu viel. Es war purer Zufall gewesen, dass er das Schiff seines Vaters gefunden hatte, und ihn jetzt mit seinem weinenden Freund reden zu hören, wissend dass er sie beide nie wieder sehen würde, gab ihm den Rest.
Große, salzige Tränen vermischten sich mit den ebenso salzigen Wassermassen. Oben am Himmel spotteten die hellen Sterne und der große Mond, doch als Froy untertauchte, verschwand ihr Licht.
Mit heftigen Schlägen der kräftigen Flosse beförderte der Meerjungmann sich tiefer in die unendlichen Weiten, seine Arme schlangen sich um den mageren Körper.
Hör auf zu heulen, scholt er sich selbst in Gedanken, du hast, was du wolltest, jetzt sei zufrieden damit!
Doch die Tränen wollten nicht aufhören, aus seinen Augen zu fließen.
Der Druck des Wassers um ihn herum nahm langsam zu, doch Froy schwamm weiter, immer tiefer und tiefer, bis es so dunkel um ihn herum wurde, dass selbst seine Augen kaum mehr etwas sahen.
Der Meerjungmann schwamm weiter. Er zwang seinen Körper tiefer zu tauchen, so tief, dass die Welt um ihn verstummte.
Obwohl er jetzt schon seit mehreren Jahren kein Mensch mehr war, drückte das Wasser auf sein Trommelfell, bis er sich die Nase zu hielt und den Druck ausglich.
Wenige Momente später fühlte Froy den felsigen Grund unter seinen Fingern, er ließ seinen Körper zwischen die scharfen Steine sinken und klammerte sich an sie, damit er nicht sofort wieder an die Oberfläche trieb.
Sein Körper krümmte sich in einem stummen Schrei der Verzweiflung, dann in einem lautlosen Schluchzen.
Der Meerjungmann wollte Schreien, aber er konnte nicht. Er war auf ewig zum Stummsein verdammt.
~
Zwei lilane Punkte drängten sich in sein Sichtfeld, sie kamen hartnäckig näher.
Froy blieb liegen wo er war, hielt sich weiterhin an den Steinen fest und ließ sie auch nicht los, als die Meerjungfrau mit den schwarzen Haaren so nahe war, dass sie ihn an der Schulter berühren konnte.
„Froy." Sprach sie ihn an, er blieb stumm und sah sie aus den großen Augen an. Sein Blick war von Tränen getrübt. „Komm nach Hause. Esther sucht dich."
Der Meerjungmann regte sich nicht. Er wusste, dass sein Verhalten unter aller Sau war, er wusste, dass er sich unfair verhielt, aber er konnte nicht anders.
„Komm schon." Nadja packte ihn unter den Achseln, als er sich nicht regte, und zog ihn zwischen den Felsen hervor. Ihre scharfen Kanten zerkratzten seinen Rücken, Froy ignorierte es und ließ sich an ihre Brust ziehen.
Die Meerjungfrau umschlang ihn sanft, wie er es bei Nolan gemacht hatte und er legte den Kopf an ihre Schulter, wie der Mensch es bei ihm gemacht hatte.
Nadja strich ihm sanft durch die Haare, bevor sie sich kräftig vom Grund abstieß und sich schnell durch die Wassermassen schlängelte.
Froy schloss die Augen.
„Lass den Kopf nicht hängen." Tröstete seine Freundin leise, sie hielt ihn sicher und fest an sich gedrückt. Er ließ den Kopf hängen und antwortete nicht.
~
„Froy." Esther zerrte ihn fast schon grob aus Nadjas Armen, ihre roten Haare wallten um ihren Körper herum. Ihre roten Augen funkelten wütend, aber Froy wusste, dass sie nur besorgt war.
„Wo warst du?" Fauchte sie ihn an und drückte ihn fest an sich. Froy antwortete ihr nicht. Er konnte nicht und er wollte nicht.
Vorsichtig löste er sich von ihr und entfernte sich mit einem leichten Flossenschlag.
Esther folgte ihm durch das Wasser, das sich im Licht der aufgehenden Sonne langsam hell färbte.
Erst als sie mehrere dutzend Meter von den anderen Meerjungfrauen ihres Clans entfernt waren, packte sie ihn erneut am Handgelenk und hielt ihn fest.
„Du hast zu viel Zeit mit diesem Menschen verbracht." Froy sah sie fest an und wusste nicht, ob er nicken oder den Kopf schütteln sollte.
Auf der einen Seite hatte er wirklich zu viel Zeit mit Nolan verbracht, auf der anderen war es auch viel zu wenig gewesen.
„Ich hätte dir gar nicht erst erlauben sollen, ihn zu retten!" Esther wirkte wütend und Froy konnte es verstehen.
Die Anführerin ihres Clans hatte sich als Mann ausgegeben, um auf einem Schiff anheuern zu können. Als ihre Deckung aufgeflogen war, hatte man sie mit gefesselten Armen und Beinen von Board ins Meer geworfen.
Ihr Hass auf Menschen, vor allem Männer und erst recht solche, die Piraten waren, war durchaus begründet.
„Froy!" Esther packte ihn fest und er stieß nun endlich ein hilfloses Grunzen aus. Sie schüttelte den Kopf und ließ sein Handgelenk los. „Jetzt sag endlich was!"
Auffordernd streckte sie ihm das eigene Handgelenk entgegen. Unter ihrer fast durchsichtigen Haut sah er alle Adern. Es machte ihm etwas Angst, wenn er daran dachte, dass er in einigen Jahren auch so aussehen würde.
„Mach!" Esther fauchte ihn erneut an und Froy griff vorsichtig nach ihrem Arm, um ein paar Buchstaben darauf zu malen. Zum Glück konnte sie lesen, sonst wäre es mit der Verständigung schwierig geworden.
Du hast es erlaubt.
Die Anführerin des Clans sah ihn einige Momente lang aus lodernden Augen an, dann zog sie die Augenbrauen zusammen.
„Ja, ich habe es erlaubt. Ich habe erlaubt, dass du dem Jungen das Leben rettest. Ich konnte ja nicht wissen, dass du dich in ihn verlieben würdest!"
Froy sah sie etwas genauer an und stellte fest, dass sie vielleicht nicht nur besorgt, sondern auch wütend war. Nur logisch. Er hatte gegen ihre Regeln verstoßen.
Er schüttelte hilflos den Kopf und zuckte mit den Schultern. Selbst wenn er etwas hätte sagen können, dann hätte er nicht gewusst was. Immerhin hatte er auch nicht geplant, dass er sich in Nolan verliebte und noch weniger, dass dieser die Gefühle erwiderte.
Trotzdem sah er seiner Anführerin fest in die roten Augen und versuchte, die Tränen zurück zu blinzeln.
Er hatte endlich, nach über drei Jahren, den einen, ganz besonderen Gefallen eingelöst, den sie ihm geschuldet hatte und er bereute es nicht das geringste Bisschen. Nolan lebte und das war das, was zählte.
Esther seufzte leise und nahm Froy sanft in die Arme. „Schon in Ordnung." Sagte sie und strich ihm über die Haare. „Du kannst ja nichts dafür." Der Meerjungmann nickte langsam, bevor er sich von ihr löste und Richtung Himmel schwamm.
Die Wasseroberfläche brach über seinem Kopf auf, seine Haare klebten nass an den Schultern des Meerjungmannes.
Froy richtete den Blick gen Himmel, wo die gleißend helle Sonne stand. Er blickte sich um, sah nach links und rechts, von Norden nach Süden und von Westen nach Osten, doch es war kein Schiff in Sicht. Natürlich nicht.
Das stattliche Schiff seines Vaters musste längst einen Hafen erreicht haben, es war sinnlos, in der Stille nach Nolans Stimme zu lauschen. Er tat es trotzdem.
„Froy?" Nadja kam zu ihm an die Wasseroberfläche. Er richtete den Blick zu ihr und zog fragend die Augenbrauen zusammen. Sie lächelte ihn an.
„Komm wieder mit runter. Du bist bestimmt müde, du musst schlafen." Froy nickte brav und richtete den Blick trotzdem noch einmal zum Horizont. Wo Nolan jetzt gerade wohl war? Ob er es schon zu einem Arzt geschafft hatte?
„Komm schon." Nadja griff sanft seine Hand und zog ihn mit sich unter Wasser. Froy ließ es brav geschehen.
~
Als Froy wieder aufwachte, fühlte er sich nicht gut. Er war allein in der Höhle, die anderen Meerjungfrauen waren vermutlich gemeinsam auf die Jagd gegangen.
Ihn hatten sie hier gelassen, wie jedes Mal. Froy fühlte sich noch nicht bereit dazu Seemänner zu fressen und sie ließen ihm Zeit.
Geschickt befreite der Meerjungmann sich aus den Pflanzen und schwamm zwischen den, vom Wasser glatt geschliffenen Steinen hindurch, in die Freiheit.
Wie erwartet war der Ozean, bis auf die üblichen Meeresbewohner leer. Kurz überlegte Froy, ob er es wagen konnte, sich in die Richtung aufzumachen, in der er Nolan abgesetzt hatte, doch er verbot es sich.
Trotzdem sah er in Gedanken, wie er von dem kurzen Ausflug zurück kam und bereits von Esther erwartet wurde, die ihn natürlich vor versammelter Truppe zur Rede stellte.
Froy musste unwillkürlich lächeln, obwohl er sich nicht danach fühlte. So etwas ähnliches war ihm vor einigen Jahren bereits schon einmal passiert, das war gewesen, noch bevor er Esther und ihren Clan kennen gelernt hatte.
Damals war er eines schönen Morgens unter Deck aufgewacht und hatte festgestellt, dass alle anderen Matrosen verschwunden waren.
Verwirrt hatte er sich angezogen und auf den Weg aufs Deck gemacht. Da hatte die versammelte Crew auf ihn gewartet. Sie hatten ganz beschäftigt getan, hatten bereits verknotete Taue gelockert und erneut verknotet und bereits blank polierte Stellen erneut geschrubbt.
Froy hatte sofort gemerkt, dass etwas nicht gestimmt hatte und sein Verdacht hatte sich bestätigt, als sein Vater, der Kapitän, auf ihn zu gekommen war. Sein Vater hatte ernst ausgesehen.
„Froy." Hatte er mit schwerer Stimme gesagt und Froy hatte mit einem Kloß im Hals genickt, ohne ein Wort hervor zu bringen. „Froy, sein ehrlich zu mir." Froy hatte es mit einem stummen Nicken versprochen und angespannt darauf gewartet, dass sein Vater endlich mit der Sprache heraus rückte.
„Stimmt es, dass du andere Männer küsst?" Aus Froy war in diesem Moment ein ungläubiges Lachen hervor gebrochen. Prustend hatte er sich gekrümmt und vor Erleichterung Tränen gelacht, bevor er genickt hatte.
„Ja, das stimmt." Hatte er selbstbewusst geantwortet, als er sich endlich beruhigt hatte und die Hände in die Seite gestemmt. „Und ich werde auch nicht damit aufhören. Hast du ein Problem damit?"
Nach einem kurzen Zögern hatte sein Vater den Kopf geschüttelt und Froy hatte sich der restlichen Crew zu gewendet.
„Hat einer von euch ein Problem damit?" Hatte er die Runde gefragt, worauf hin alle mehr oder weniger schnell den Kopf geschüttelt und wieder weg gesehen hatten. Froy hatte spöttisch gegrinst und einen Kuss in die Runde geworfen. „Ist auch besser so." Hatte er gerufen und dann war das Thema erledigt gewesen.
Froy senkte den Blick und biss sich kurz auf die Unterlippe, bevor er hart schluckte.
Mit einem Kopfschütteln versuchte er die Erinnerungen abzuschütteln und verschränkte kurz die Arme vor der Brust, um dann doch hoch zur Oberfläche zu schwimmen.
Er atmete die salzige Luft tief in seine Lunge und richtete den Blick hoch zur Sonne. Sie versank bereits wieder im Meer, färbte die Wassermassen rot.
Froy biss sich auf die Unterlippe und strich sich die langen Haare hinters Ohr. Es wurde Zeit, dass er Nolan aus seinem Kopf bekam.
Sein Blick wanderte kurz herum, er lauschte den Kreischen der Möwen in der Stille.
Hier in der Nähe gab es ein Riff, mit einer dazugehörigen Insel. Auf dieser befand sich irgendein Schatz, auf den viele Piraten scharf waren. Esther hatte es ihm erklärt, doch er hatte die Geschichte wieder vergessen. Sie war für ihn irrelevant.
Er wusste, dass Legenden besagten, dass man eine Meerjungfrau brauchte, um an diesen heran zu kommen, deswegen versuchten viele sie zu jagen.
Am Anfang war Froy verwundert gewesen, dass sie sich so nahe an einer potentiellen Gefahrenquelle niedergelassen hatten. Dann hatte er begriffen, dass es viel leichter war, Seemänner zu jagen, die auf der Jagd nach Meerjungfrauen waren.
Wenn sie das große Schiff erst einmal verlassen hatten, im seichten Wasser herumwateten oder in Ruderbooten herum paddelten, dann waren sie leichte Beute. Erst recht, wenn sie Blut und Fleisch ins Wasser warfen und damit auch die Haie anlockten, aber auch, wenn sie nur sangen.
Froy verharrte einige Momente lang wo er war und richtete den Blick in die Richtung, wo die Insel, das Riff und vermutlich auch ein Schiff war. Er atmete tief ein und aus, biss sich mit den spitzen Zähnen auf die Unterlippe und ballte die Hände zu Fäusten.
Dann tauchte er lautlos wieder unter und machte sich auf den Weg.
~
Das Lied, das die Seemänner sangen, war ihm unbekannt. Zumindest war es nicht das, das Nolan gesungen hatte, das war das einzig Positive.
Froy näherte sich mit geschlossenen Augen, damit sie ihn nicht sahen, bevor er wieder tiefer herab tauchte.
Dahin, wo er den Rest seines Clans in der Dunkelheit lauern wusste.
„Froy." Esther begrüßte ihn leise, obwohl die Piraten sie ohnehin nicht hören konnten. „Was machst du hier?" Froy blieb stumm und zuckte mit den Schultern. Er wusste es selbst nicht so genau.
Er war eigentlich nicht hier, um zu töten und er war auch nicht hier, um seinen Hunger zu stillen. Seit er seine Zunge verloren hatte, war das Essen eine Last, erst recht wenn es Fleisch war. Das Kauen war anstrengend, das Schlucken nahezu unmöglich. Nur wenn er auf die unwürdigste Art mit seinen Fingern nachhalf, was er im Beisein der hübschen Frauen vermied, dann war es möglich. Aber schön war es nicht.
Esther strich ihm sanft über die Wange. „In Ordnung." Erklärte sie leise. „Mach das, womit du dich gut fühlst und pass auf dich auf. Bleib in meiner Nähe und begib dich nicht unnötig in Gefahr."
Der Meerjungmann nickte brav und richtete den Blick hoch zur Wasseroberfläche, wo er das kleine Boot schaukeln sah. In ihm saßen, den Stimmen zu folge, mindestens sechs Seeräuber.
Froy sah zu den Frauen um ihn herum, sie waren in der Überzahl.
„Dann gehen wir jetzt hoch." Esther bleckte kurz die spitzen Zähne, bevor sie den Blick nach oben richtete und mit langsamen Bewegungen zu dem Gesang schwamm.
Froy folgte ihr angespannt, um nicht verloren zu gehen. Die Stimmung war angespannt, kein Wunder. Die Meerjungfrauen waren hungrig und die Jagd war für alle Beteiligten mit einem gewissen Risiko verbunden.
Esther war die erste, die ihren Kopf aus dem Wasser erhob. Froy folgte ihr, blieb wie versprochen dicht bei ihr.
Seine rothaarige Anführerin schwamm langsam zu dem kleinen Boot, der erste Pirat wurde auf sie aufmerksam.
Sein Mund öffnete sich zu einem stummen Schrei, doch Esther lächelte freundlich, als ihre Arme sich auf der hölzernen Reling verschränkten.
Froy folgte ihrem Beispiel und stützte sich ebenfalls auf das Holz und lächelte, ohne die spitzen Zähne zu zeigen.
Erst als der Gesang vollständig verstummte, realisierte er, dass der Rest des Clans sich im Wasser um das Boot verteilt hatte. Offensichtlich hatte er etwas falsch gemacht und jetzt war es auch zu spät, um das noch zu korrigieren.
Er blieb wo er war, dicht bei Esther und stützte das Kinn auf seine Unterarme. Seine Flosse schlug sanft hin und her, während sich einer der Seemänner räusperte. Er suchte offenbar seine Stimme, bevor er wieder zu singen begann.
Die anderen Seemänner stiegen wieder in den Gesang mit ein, wenn auch mit zitternden Stimmen. Ihrem Beispiel folgten nach und nach auch die Meerjungfrauen, neben Froy begann Esther mit rauer Stimme zu singen. Nur Froy blieb stumm.
Zum einen konnte er gar nicht singen, zum anderen war er auch nicht lange genug da gewesen, um den Text zu lernen. Und vor allem spukte ihm auch immer noch das Lied über die Flying Dutchman im Kopf herum. Ob sie das Schiff seines Vaters wohl schon auf dem Schirm hatte?
Es tat Froy durchaus leid, dass er seinen Vater und die durchaus gemochte Crew in Gefahr gebracht hatte, doch er wusste, dass auch das nötig gewesen war. Wenn es einen Seemann gab, der der Flying Dutchman entgehen konnte und Nolans Geschichte Glauben schenken würde, dann war es sein Vater.
Eine warme Hand legte sich auf seine Schulter, Froy wurde aus seinen Gedanken gerissen und zuckte zusammen.
Erst nach einigen Momenten verstand er, dass es einer der Piraten war, der ihn da gerade so sanft berührt hatte.
Der Meerjungmann blickte ihm einige Momente lang in die warmen, braunen Augen, dann sagte der Fremde etwas. Froy sah, dass seine Lippen sich bewegten, doch er verstand die Worte nicht.
Vorsichtig legte er seine Hand an die Wange des Mannes, dieser hielt ganz still. Froys Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, er zog den anderen ein Stück zu sich.
Ohne auf Esthers Erlaubnis zu warten, reckte er sich hoch und packte den Piraten am Kragen, um ihn verlangend zu küssen.
Erst als er spürte, dass der andere den Kuss erwiderte, als er spürte, dass der andere die Hand in seine Haare legte, schob er sich langsam so weit aus dem Wasser, dass seine flache Brust ins Sichtfeld der übrigen Seemänner kam und offenbarte, dass einer ihrer Kameraden hier gerade Dinge mit einem Mann tat, für die er auf manchen Schiffen über die Planke gegangen wäre.
Der Gesang verstummte schlagartig und Froy wusste, dass er sich in Gefahr begeben hatte.
Das Messer verfehlte ihn um Haaresbreite, als er sich von dem rauen Holz abstieß und mit einem frechen Grinsen auf den Lippen zurück ins Wasser glitt. Er hatte eine spitze Bemerkung auf dem kümmerlichen Rest seiner Zunge, doch die konnte er natürlich nicht von sich geben.
Esther warf sich mit einer geübten Bewegung an Deck des kleinen Boots, packte den Mann mit dem Messer am Kragen und riss ihn mit sich unter Wasser.
Während Froy sich hastig zurück zog, gingen auch die anderen Meerjungfrauen zum Angriff über.
Sie warfen sich auf das Ruderboot, zerlegten es in seine Einzelteile und rissen auch die übrigen fünf Männer ins Meer.
Um Froy herum färbte sich der Ozean langsam rot, die Schreie der Männer, die noch an der Oberfläche um ihr Leben kämpften und nicht auf den Grund gezogen waren, mischten sich mit dem Kreischen der Möwen, die ebenfalls etwas von dem Festmahl erhaschen wollten.
Dem Meerjungmann wurde schlecht. Mit hastigen Bewegungen entfernte er sich von den Überresten des Boots, tauchte hastig unter und wich einigen Haien aus, bevor er wieder aus dem Wasser hervorbrach und aus sicherer Entfernung beobachtete, wie auch der letzte Mann verendete.
Er hatte gerade dabei geholfen, all diese Menschen umzubringen. Und er wusste, dass das auch Nolan hätte sein können. Vor ihm hätten die anderen Meerjungfrauen auch keinen Halt gemacht.
Eine stumme Träne rollte über Froys Wange, obwohl er wusste, dass die Männer auch ohne sein Zutun gestorben wären. Während er versuchte, das Gefühl der fremden Lippen auf seinen eigenen wegzuwischen, kam ihm der Refrain von Nolans dummen Lied in den Sinn.
Vielleicht hätte er den Piraten doch nicht retten sollen.
~
„Froy?" Lynn sprach ihn leise an, ihre schmalen Augen funkelten dabei. „Wo willst du hin?" Sie folgte ihm leise aus der Höhle heraus, in der die anderen Meerjungfrauen noch schliefen, raus in den dunklen Ozean.
Er schwamm einfach weiter, bis sie ihn packte und festhielt.
„Du willst wieder zu deinem Menschen." Sagte sie. Froy nickte verhalten und zuckte mit den Schultern. Er wollte nicht direkt zu Nolan, das war nicht möglich. Er wollte nur gucken, ob das Schiff seines Vaters da war. Wollte gucken, ob die Dutchman ihn erwischt hatte.
„Froy, du solltest hier bleiben." Sie sah ihn freundlich an. Er gurgelte hilflos und zuckte erneut mit den Schultern. Wusste nicht, wie er erklären sollte, dass er gar nicht zu Nolan, sondern zu seinen Vater wollte. Und das wollte er erst recht nicht mit der klären, die besagten Piraten fast gefressen hätte.
„Ich meine das Ernst, Froy." Sie strich ihm über die Schulter und zog ihn behutsam an sich. Er schloss kurz die Augen und verfluchte sich innerlich dafür, dass er nicht geprüfte hatte, ob alle schliefen, bevor er sich auf den Weg gemacht hatte.
„Weißt du, ich kannte mal eine Meerjungfrau, die sich in einen Seemann verliebt hat." Die Tatsache, dass Lynn die Meerjungfrau offenbar nicht mehr kannte, ließ ihn darauf schließen, dass die Geschichte nicht gut ausging.
Trotzdem fasste er den Arm seines Clan-Mitglieds und schrieb ihr drei Buchstaben auf den Arm.
Und?
Sie seufzte leise und drückte ihn an sich. „Sie hat sich umgebracht. Ist an einem gebrochen Herz gestorben."
Froy zog die Augenbrauen zusammen. Nolan würde ihm nicht das Herz brechen. So war der Pirat nicht. Und er wollte ja gar nicht zu ihm.
Er seufzte leise und entschied sich dazu, ihr jetzt doch zu sagen, was er vor hatte. Immerhin musste er bald los, um einen Vorsprung vor Esther zu bekommen.
Ich will meinen Vater besuchen. Ich will gucken, dass es ihm gut geht.
Lynn zog die Augenbrauen zusammen und ließ ihn wieder los. „Ich sag Esther Bescheid, wenn sie aufwacht." Sagte sie zu und nun musste Froy doch lächeln.
Er drückte ihr kurz einen Kuss auf die Wange, um seine Dankbarkeit zu zeigen, dann drehte er sich schnell um und verschwand mit schnellen Flossenschlägen im offenen Meer.
Ohne zu zögern folgte er seinem inneren Kompass in die Richtung, in der er seinen Vater zurückgelassen hatte.
~
Das große Handelsschiff mit dem vertrauten Schriftzug am Bug, war unbeschadet.
Froy schob vorsichtig den Kopf aus dem Wasser, mit langsamen Bewegungen, um die Besatzung nicht auf sich aufmerksam zu machen, näherte er sich dem alten Holz.
An Deck konnte er wieder die Stimmen hören, die des Koch, seines Vaters und des ersten Offiziers. Sie unterhielten sich über etwas, das Froy schnell als Nichtigkeit abtun konnte.
Trotzdem grub er die Finger in das feuchte Holz und klammerte sich an die Schiffsseite, so dass sie ihn von oben nicht sehen konnten.
Müde und erschöpft schloss der Meerjungmann die Augen und lehnte sich an das vertraute Holz. Es tat gut, den vertrauten Stimmen zu lauschen, es hatte etwas beruhigendes und schmerzlich vertrautes.
Froy wollte am liebsten schreien, auch wenn er das nicht konnte, wollte die Männer auf sich aufmerksam machen und wieder an Board kommen, doch er wusste, dass das nicht ging.
Er war jetzt kein Mensch mehr. Es war besser, wenn sein Vater immer noch in dem Glauben war, dass er auf einem anderen Schiff angeheuert hatte und mit diesem die Welt bereiste. Zu erfahren, was die Realität war, würde es für sie beide nur schlimmer machen.
Trotzdem vermisste er seinen Vater. Offensichtlich so sehr, dass er jetzt müde die Augen schloss, um für einige Momente, den alt bekannten Stimmen lauschend zu dösen.
~
Als Froy wieder aufwachte, war es draußen schon wieder dunkel. Doch in gar nicht allzu weiter Ferne sah er das Licht eines Leuchtturms. Er wusste, dass der Hafen, an dem sein Vater Nolan abgesetzt haben musste, nicht weit weg war.
Er war zum Greifen nahe.
Froy biss sich auf die Unterlippe, er glitt langsam zurück ins Wasser, neben das Schiff und ballte die Hände zu Fäusten. Innerlich wusste er, dass er die Entscheidung bereits vor Stunden getroffen hatte.
Leise seufzend tauchte er wieder ab und schwamm mit schnellen Flossenschlägen in Richtung des Hafens, in Richtung Nolan. Es würde nicht schaden, einmal zu gucken. Mehr wollte er nicht, nur einmal gucken, wie Nolans neues Zuhause aussah.
Geschickt schlängelte er sich durch die Wassermassen, wich dabei kleineren und größeren Meeresbewohnern aus, immer auf die Wasseroberfläche achtend.
Froy konnte es jetzt gerade wirklich nicht gebrauchen, dass Menschen auf ihn aufmerksam wurden. Deswegen hielt er sich von allen Booten und Schiffen fern und blieb tief im Wasser.
Erst als er in das Hafenbecken schwamm und der Grund unter ihm langsam anstieg, fiel ihm eine der Schwachstellen in seinem Plan auf.
Tagsüber herrschte im Hafen ein reges Treiben. Schiffe liefen ein und aus, wurden beladen und entladen, kurz gesagt: Überall waren Menschen.
Menschen, die ihn potentiell sehen und ihm gefährlich werden konnten.
Angespannt, nun noch aufmerksamer als zuvor, schwamm er langsam zu den hölzernen Stützen eines Stegs, verborg sich darunter.
Es beruhigte ihn, sich daran festzuhalten, er fühlte sich sogar sicher genug, etwas höher zu schwimmen. So hoch, dass er unter dem Steg den Kopf aus dem Wasser recken konnte.
Froy lauschte den Gesprächen der Seemänner, in der Hoffnung, dass einer von ihnen etwas über Nolan sagen würde.
Der blonde Pirat hatte immerhin eine wilde Geschichte im Gepäck, selbst wenn er bei dem blieb, was er seinem, Froys, Vater erzählt hatte und auch wenn das nicht zog, dann hatte er immer noch eine furchtbare Wunde, das würde sich auch herum gesprochen haben.
Froy stellte schnell fest, dass er hier fehl am Platz war. Die Seemänner waren keine Piraten, die sich in Bars und Spelunken herumtrieben, so wie er das gemacht hatte, sondern hier um zu arbeiten.
Sie Beluden und Entluden ihr Schiff, ohne dabei den neusten Klatsch mitzubekommen.
So sehr Froy sich dagegen sträubte, er musste näher ran. Wenn er etwas über Nolan erfahren wollte, dann musste er bis zur Kaimauer. Mehr noch. Er musste zu den Menschen, die miteinander tuschelten.
Der junge Meerjungmann atmete tief ein und aus, bevor er lautlos wieder unterging. Seine Muskeln waren zum Zerreißen gespannt, als er sich mit langsamen Bewegungen unter den Schiffen durchtastete, bis hin zu der niedrigen Kaimauer.
Es war gleichzeitig ein Fluch und ein Segen, dass die Mauer in diesem Hafen so niedrig war. So konnte er zum einen gut den Gesprächen lauschen, zum anderen war er aber auch ein leichtes und vor allem gut sichtbares Ziel.
Mit angehaltenem Atem legte Froy die Hände an die Mauer und presste den Körper an den nassen, kalten Stein. Vorsichtig schob er sich gerade so weit aus dem Wasser, dass er gut hörte, hielt aber die verräterisch leuchtenden Augen geschlossen.
Er war bereit Stunden auszuharren, falls es nötig war.
Froy konnte nicht sagen, wie lange er da so gekauert hatte, als er endlich einige Wortfetzen aufschnappte, die für ihn interessant waren.
„Hast du das mit dem Seemann mitbekommen?" Fragte eine weibliche Stimme. „Er im Schlaf halluziniert." Es brauchte einige Momente, bis Froy verstand, dass er in Deutschland war.
Gott sei Dank, zumindest sprach Nolan die Sprache. Es erleichterte Froy, dass er seinen Freund zumindest nicht dazu verdammt hatte, in einem Land zu leben, dessen Sprache er nicht sprach.
„Nein, das habe ich nicht mitbekommen." Entgegnete eine andere weibliche Stimme. Die erste Frau begann zu kichern, bevor sie die Geschichte weiter erzählte.
„Er hat von einem Meerjungmann geredet." Die beiden gackerten weiter, doch Froy biss sich stumm auf die Unterlippe. Kein Zweifel, sie sprachen von Nolan.
„Ich habe zwei Tage lang bei ihm am Bett gesessen, während er die schönsten Fieberalpträume hatte und habe ihm die Stirn gekühlt."
Erzählte die, die seinen Piraten offensichtlich kannte, weiter. Froy musste schockiert feststellen, dass die beiden Frauen sich offensichtlich von ihm weg bewegten.
In der Ermangelung einer anderen Möglichkeit, ließ Froy nun doch die Mauer los und folgte den Stimmen so unauffällig wie möglich, in der Bemühung, zumindest die Schwanzflosse zu verbergen.
„Und?" Die, die Nolan kannte, lachte erneut auf, bevor sie antwortete. „Er weigert sich, mit der Wahrheit raus zu rücken. Sagt nur, dass er und seine Crew von Piraten angegriffen worden und er Tagelang mit seinem Holzbrett durch den Ozean getrieben ist, bevor er auf ein Schiff getroffen ist."
Froy musste unwillkürlich lächeln, als er hörte, dass Nolan ihn nicht verraten hatte.
„Warum glaubst du nicht, dass er die Wahrheit sagt?" Langsam kam Froy dahinter, dass die eine der beiden offensichtlich irgendwie Ärztin oder Krankenschwester oder sonst jemand, der sich um seinen Freund kümmerte, war.
„Seiner Wunde nach muss er etwa eine Woche lang unterwegs gewesen sein. Er war aber nicht dehydriert, gut genährt und hatte kaum Sonnenbrand. Entweder hat er es geschafft, anstatt seiner Kameraden die Vorräte zu retten oder er lügt uns an."
Froy hielt die Luft an und überlegte, was das wohl bedeuten sollte.
Ein Schrei riss ihn aus seinen Gedanken.
„Meerjungfrau!"
Der Meerjungmann riss, in der Erwartung Esther zu sehen, den Kopf hoch und sah sich um. Erst als ein neuer Schrei, direkt neben ihm ertönte, realisierte er, dass er die besagte Meerjungfrau war.
Hastig wandte er sich um, wollte abtauchen und fliehen, doch die erste Klinge schlug neben ihm im Wasser ein, noch bevor er es geschafft hatte, sich von der Wand zu lösen.
Panisch duckte er sich, die rauen Steine rissen die Haut an seinem Rücken auf, als er an der Mauer entlang rutschte.
Ein zweites Mal spritzte das Wasser auf, als ein Säbel nach ihm schlug. Froy warf sich hastig zur Seite, er schlug sich den Kopf an den nassen Steinen an.
Kurz drehte sich alles, halb ohnmächtig, halb panisch versuchte er sich vor den Menschen zu retten, indem er abtauchte, aber in dem flachen Becken, war er immer noch ein leichtes Ziel.
„Kreist sie ein!" Rief eine Stimme, „Schneidet ihr den Weg ab!" Eine andere.
Lautes Platschen, das Wasser warf um ihn herum Wellen und der aufwirbelnde Dreck trübte seine Sicht, als die Seemänner von den Schiffen, Stegen und dem Kai ins Wasser sprangen.
Der Meerjungmann wusste nicht, was sie mit ihm vor hatten, aber er wusste, dass es nichts Gutes war.
Immer noch kaum bei Sinnen, versuchte er zuerst ganz still zu halten, damit ihn niemand sah, bis sich sein Verstand soweit klärte, dass er begriff, dass er hier nicht unsichtbar werden konnte, weil das Wasser zu flach war.
Binnen Sekunden wechselte er die Taktik. Hastig begann er mit der Flosse zu schlagen, begann um sich herum das Wasser auf zu wirbeln und Wellen zu werfen.
Ein Aufschrei, neben ihm ging ein Mann unter. Froy wusste, dass er ihn packen und umbringen sollte, aber er war kein Mörder! Er wollte den Mann nicht umbringen, so stieß er ihn nur heftig von sich und versuchte zur Seite auszubrechen.
Wenn er einen von ihnen umbrachte, dann würden die anderen ihn auf keinen Fall gehen lassen.
Froy wollte am liebsten sagen, dass das alles nur ein Missverständnis war. Er wollte sagen, dass er ein Mensch wie sie war und er wollte sagen, dass er nur einem menschlichen Bedürfnis folgte und seinen Freund besuchte. Aber er konnte nicht reden und sie würden ihm auch nicht helfen.
Eine weitere Klinge schlug auf das Wasser, Froy warf ihren Besitzer mit einem gezielten Flossenschlag von den Beinen und versuchte durch die Lücke zu fliehen.
Vergebens.
Es gab keine Möglichkeit, zwischen den Männern durch in den offenen Ozean zu fliehen und sie so abzuschütteln.
Froy wusste, dass dann nur eine alternative Fluchtmöglichkeit bestand.
Hastig drehte er sich wieder um, schwamm die paar Meter zurück zu der Mauer und tauchte erneut ab.
Dieses Mal versuchte er gar nicht erst unter den Männern durch zu tauchen, sondern blieb dicht an der Mauer und tastete sich zügig und zugleich so unauffällig wie möglich an ihr entlang, um einen Bogen um seine Angreifer zu machen.
Froy kam nicht weit, dann versperrte eine andere Mauer seinen Weg. Hektisch sah er sich um und musste sich eingestehen, dass er die Orientierung verloren hatte.
Dem Meerjungmann blieb nichts anderes übrig, als wieder hoch zur Oberfläche zu schwimmen und kurz die Augen über ihr zu öffnen. Einige Momente lang konnte er dich umgucken, dann ein neuer Schrei.
„Da ist sie!"
Froy wollte wieder untertauchen, wollte zu den Schiffen schwimmen und dort seinen Weg in die Freiheit suchen, doch von der Mauer warf sich jemand auf ihn.
Gemeinsam gingen sie unter, Froy versuchte sich aus dem festen Griff zu befreien. Vergeblich, der andere ließ ihn nicht los.
Er schlug mit der Flosse, schüttelte sich wild hin und her, bis ein stechender Schmerz in seine Schulter fuhr.
Froy stieß eine Mischung aus Luft und allem, was seine Stimmbänder hergaben aus und vergrub im nächsten Moment doch seine Zähne in dem tapferen Seemann.
Die Schmerzen so gut wie möglich ignorierend kämpfte er sich mit dem anderen tiefer ins Wasser, versuchte zugleich, dem Messer auszuweichen, mit dem der andere ihn weiter attackierte.
Er musste nur ein paar Minuten überleben, vielleicht zwei, höchstens drei. Dann musste der Mensch atmen, dann musste er ihn loslassen und auftauchen und Froy konnte fliehen. Doch diese paar Minuten zogen sich wie eine Ewigkeit.
Als der Seemann ihn endlich los ließ, machte der Meerjungmann keine Anstalt, ihn fest zu halten oder zu ertränken.
Stattdessen stieß er ihn sogar Richtung Oberfläche, während er selbst ungeschickt Richtung der Schiffe paddelte.
Nach wenigen Metern musste er es aufgeben, stellte selbst fest, dass er das in seinem aktuellen Zustand niemals schaffen würde. Kurz hielt er inne, sofort begann sein Blut sich in dem Salzwasser zu verteilen.
Froy biss sich auf die Unterlippe, biss die Zähne fest zusammen und setzte sich wieder in Bewegung. Dieses Mal versuchte er nicht mehr, zu den Schiffen zu gelangen, sondern schwamm wieder zu dem Steg, an dem er sich zuvor schon verborgen hatte.
Ungeschickt zwängte er sich zwischen die Holzbalken, hangelte sich daran entlang, zurück zu der Mauer.
Dort versteckte er sich zwischen Holz, Steinen und Wasser, verkeilte sich so, dass er keine Energie darauf verwenden musste, an Ort und Stelle zu bleiben, und presste die Handflächen auf die Wunde an seiner Schulter, um die Blutung zu stoppen.
„Wo ist sie?" Rief eine Stimme, ganz in seiner Nähe. Froy hielt die Luft an und biss die Zähne zusammen. Keinen Laut durfte er machen, das wusste er.
Seine Tränen, die ihm vor Schmerz in die Augen traten, vermischten sich mit dem Salzwasser, das in seinen Wunden brannte.
Der Meerjungmann presste den zerkratzten und aufgerissenen Rücken an die Steine und erinnerte sich daran, dass ihm schon schlimmeres passiert war.
Er hatte schon schlimmeres überlebt, er hatte schon schlimmere Schmerzen ertragen. Trotzdem hatte er das Gefühl, wahnsinnig zu werden.
Froy wünschte, Nolan wäre hier. Nolan war ein guter Redner und er hätte die wütende Masse mit Sicherheit beruhigen.
Der Meerjungmann verdrängte bewusst, dass sein Freund ganz sicher kein guter und überzeugender Redner war. Nicht einmal die eigene Crew hatte ihm geglaubt, wie sollten das dann fremde Seemänner?
Esther könnte ihn auch retten, Froy wusste das. Wenn sie kommen würde, dann würden die Männer sterben, dessen war er sich auch bewusst. Trotzdem wollte er, dass seine Anführerin kam. Für seine Rettung nahm er jetzt gerade den Tod der Fremden in Kauf.
Aber es kam niemand, weder Esther, noch Nolan. Wie auch? Der eine lag vermutlich immer noch verletzt irgendwo, die andere war sauer auf ihn und einen halben Ozean entfernt. Sie beide wussten weder, dass er hier war, noch dass er in Gefahr war.
Froy atmete erneut zittrig ein und presste verzweifelt seine Handflächen auf die stark blutende Wunde, um sich in seine Gedanken zu fliehen.
Es musste mittlerweile fast fünf Jahre her sein, dass sich sein Leben für immer verändert hatte.
Eines schönen Abends hatte das Schiff seines Vaters an einem Hafen angelegt und wie die anderen Matrosen war Froy von Board gegangen.
Er hatte sich erst mit den Matrosen in den normalen Kneipen herum getrieben, weil er nicht allein unterwegs sein sollte, als sie alle ordentlich gezecht hatten, hatte er sich klammheimlich aus dem Staub gemacht und war in die Bars gegangen, die ihn interessierte hatten.
In diesen hatte er sich in kurzer Zeit mit den verschiedensten Männern eingelassen, die lange Zeit der Abstinenz war in seinen Augen für ihn noch schlimmer, als für die anderen Matrosen an Board.
Dabei war reichlich Alkohol geflossen, wie jedes Mal, wenn Froy der strengen Aufsicht entfliehen konnte.
Die Spelunken hatten für seinen Geschmack viel zu früh geschlossen und obwohl er so lange und ausdauernd wie nur möglich mit dem Wirt geflirtet hatte, hatte auch er in die dunkle Nacht stolpern müssen.
Es war eine gute Konversation gewesen, der Wirt war ebenfalls ein junger Mann mit einer sehr spitzen Zunge gewesen, er war mit Freude auf Froys Wortspiele, sanfte Neckerein und Scherze eingegangen.
Der junge Seemann hatte sich wie beflügelt gefühlt, zumindest bis er festgestellt hatte, dass eine Gruppe von Männern gesehen hatte, aus welcher Spelunke er gekommen war.
Sie waren zu dritt gewesen und sie waren zu ihm gekommen.
Aus einem ihm heute unerklärlichen Grund hatte Froy es für eine ganz besonders gute Idee gehalten, nicht seine Beine in die Hand zu nehmen und zu rennen, sondern stehen zu bleiben und auf sie zu warten.
Noch heute erinnerte er sich daran, wie überlegen er sich gefühlt hatte, als er ihnen zuerst einen Kuss zugeworfen und ihnen dann frech zu gegrinst hatte.
Sie hatten ihn Schwuchtel genannt und als Tunte beschimpft, aber Froy hatte nur gelacht. Es war nicht so, dass er das nicht schon alles gehört hatte.
Sie hatten ihn geschubst und immer noch lachend war er ein paar Schritte zur Seite getaumelt. Froy erinnerte sich dunkel daran, dass er irgendeine Bemerkung gemacht haben musste, die einen der Männer zu einem neuen Spruch animiert hatte.
„Wenn ich solche Schwuchteln wie dich sehe, muss ich immer kotzen." Hatte er gesagt. Das hatte sich in Froys Hirn eingebrannt, weil er mit dem Wirt genau darüber gesprochen hatte.
Der hatte ihm erzählt, dass dieser Spruch hier häufig verwendet wurde und er hatte Froy auch die passende Antwort darauf verraten.
„Dann nimmst du ihn zu tief in den Mund." Hatte er frech geantwortet und weil das nicht sein eigener Konter gewesen war, hatte er noch etwas nach geschoben.
„Für ne Unze Gold zeig ich dir, wie es geht." Das lange Schweigen der anderen hatte ihm verraten, dass sie den Spruch nicht direkt verstanden hatte, deswegen hatte er ihnen etwas auf die Sprünge geholfen. „Alternativ können wir aber auch für ne kleine Gegenleistung miteinander üben."
Dem, der den Spruch gedrückt hatte, war der Kiefer runter gefallen. Die Stille hatte etwas bedrohliches bekommen, als Froy verstanden hatte, dass er zu weit gegangen war.
Jetzt waren die Männer richtig wütend auf ihn gewesen und in Anbetracht der Tatsache, dass er betrunken und allein gegen die drei ihm deutlich überlegenen Männer stand, hatte er dann doch seine Beine in die Hand genommen und war gerannt.
Kurz hatte es wirklich gut für ihn ausgesehen, er hatte immerhin schon Erfahrung mit dem Weglaufen gehabt.
Doch Froy hatte nicht bedacht, dass er sich hier nicht auskannte und auch nicht, dass er betrunken war und auch nicht, dass er übermüdet war und auch nicht, dass er seinen Körper in dieser Nacht eigentlich bereits mehr als beansprucht hatte.
Es war eigentlich gar kein Wunder gewesen, dass sie ihn kaum zwei Straßen weiter überwältigt hatten.
Zu zweit hatten sie ihn auf den Boden gepresst, der Dritte hatte ihm eine Ohrfeige verpasst. Es musste der Alkohol gewesen sein, der dafür gesorgt hatte, dass Froy statt Schmerzen zu spüren gelacht hatte.
Eine weitere Ohrfeige war die Reaktion darauf gewesen.
„Ist das alles, was ihr drauf habt?" Froy hatte weiter gespottet und sie hatten ihn daraufhin angespuckt. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, sie weiter zu provozieren.
Mit spitzer Zunge hatte er sie geschickt getriezt, mit anzüglichen Bemerkungen gefoppt und zum Narren gehalten, bis der eine ihn an der Kehle gepackt hatte.
Er war ihm so nahe gekommen, dass Froy seinen Atem auf den Lippen gespürt hatte und ohne darüber nachzudenken hatte er ihm einen schnellen Kuss aufgedrückt.
„Musst du jetzt kotzen?" hatte er genuschelt, dann hatte ein Schlag gegen seine Schläfe ihn bewusstlos gemacht.
Als Froy wieder zu sich gekommen war, hatten die drei ihn immer noch in ihren Fängen gehabt.
„Ist das alles, was ihr drauf habt?" Wieder hatte sich eine Hand an seine Kehle gelegt, doch dieses Mal war ihm der Fremde nicht so nahe gekommen, dass er ihn noch einmal hätte küssen können.
Seine groben Finger hatten sich fest in das Kiefergelenk des jungen Seemanns gegraben, der hatte daraufhin brav den Mund geöffnet, um die Schmerzen zu lindern, und hatte die Zunge herausgehängt und die Augen in gespielter Ekstase verdreht, um zu provozieren.
„Dir wird dein Lächeln noch vergehen." Hatte einer der Männer prophezeit, Froy hatte ihm nicht geglaubt. Nicht, bis sich etwas um seine Zunge schloss.
Der metallische Geschmack nach Rost und die Kühle hatten ihn vermuten lassen, dass es sich um ein Werkzeug handelte, der Blick nach unten hatte bestätigt, dass es sich um eine alte Zange gehandelt hatte.
Da hatte Froy zum ersten Mal den Ernst der Lage begriffen. Hektisch hatte er den Kopf hin und her geschüttelt und hatte versucht, seine Zunge aus der Zange zu ziehen. Keine Chance.
„Jetzt lachst du nicht mehr." Hatte einer der drei gespottet. Froy war stumm geblieben. „Was? Keine Antwort mehr?" Er hatte erneut nicht geantwortet.
„Gut. Dann hast du dich ja schon an dein neues Leben gewöhnt." Froy hatte fragen wollen, was damit gemeint war, doch er hatte kein Wort hervor gebracht.
„Du wirst uns nie wieder zum Narren halten." Noch bevor Froy verstanden hatte, was damit gemeint war, hatte er das Messer gesehen.
Froy riss sich selbst wieder aus den Gedanken, bevor diese zu dem schlimmsten Teil gekommen waren. Unwillkürlich schob er sich zwei Finger in den Mund und betastete das, was von seiner Zunge übrig geblieben war.
Er hatte damals Glück gehabt, dass er nicht gestorben war. Stundenlang hatte er da gelegen, bis Matrosen seines Schiffs ihn dann gefunden hatten, weil sein Vater sich Sorgen gemacht hatte.
Sie hatten ihn auf das Schiff gebracht und er hatte Tage lang in wilden Fieberträumen verbracht.
Erneut musste Froy sich aus seinen Gedanken reißen und sich daran erinnern, dass er jetzt ein anderes Leben hatte.
Es trieb ihm erneut die Tränen in die Augen, als er wieder die Handflächen auf die Wunde an seiner Schulter presste.
~
„Hier war heute ganz schön etwas los." Erklärte eine Stimme, die der Meerjungmann bereits kannte. Es war die Frau, die Nolan kannte.
„Achtung." Ihren Worten folgte ein leises Ächzen, aber keine Antwort.
Froy biss sich auf die Unterlippe und rutschte zurück zwischen die Balken, aus denen er sich gerade hervor gekämpft hatte.
Mit dem Einbruch der Dunkelheit hatten die Matrosen die Suche nach ihm aufgegeben und nach einer sehr langen Wartezeit hatte er sich jetzt endlich aus dem Staub machen wollen, doch jetzt kam ihm wieder die Frau in die Quere.
„Es war eine Meerjungfrau im Hafenbecken. Wir haben versucht, sie einzufangen, aber sie ist entkommen." Wieder bekam die Frau keine Antwort, offenbar war sie nicht mit ihrer Geschwätzigen Freundin unterwegs.
„Naja, ist ja auch egal. Wie geht es dir? Wie fühlst du dich?" Die Frau redete munter weiter, ihre Stimme kam in Froys Richtung.
„Es geht mir gut." Nolans Stimme war mürrisch und trotzdem ließ sie Froys Herz schneller schlagen. „Bist du dir sicher? Was macht dein Bauch?"
„Es geht mir gut." Wiederholte der Pirat noch gereizter als zuvor. Jetzt schien auch die Frau zu verstehen, dass Nolan von ihr genervt war. Zumindest war sie einige Momente lang still, bevor sie mit leiser Stimme antwortete. „Soll ich dich ein paar Minuten allein lassen?"
Obwohl Nolan schwieg, war Froy sich sicher, dass er genickt hatte. Seine Annahme schien sich auch zu bestätigen, als sich zugleich Schritte hastig entfernten und auf das Holz über seinem Kopf traten.
Froy hielt die Luft an und schloss die Augen, während sein Freund langsam über die Planken ging und sich vermutlich leise ächzend an das Ende des Stegs setzte.
Der Meerjungmann wusste, dass das seine Gelegenheit war, zu dem Menschen zu schwimmen.
Jetzt könnte er endlich unter dem Steg hervor kommen, er könnte zu Nolan schwimmen, sich davon überzeugen, dass es ihm gut ging und sich noch einmal für das, was er hatte tun müssen entschuldigen.
Aber er traute sich nicht. Froy traute sich nicht, zu dem Menschen zu schwimmen.
Nolan war bestimmt sauer und er war zu Recht sauer. Der Meerjungmann wusste, dass er das richtige getan hatte, aber er wusste auch, dass es gemein von ihm gewesen war, den Piraten zu etwas zu zwingen, was dieser gar nicht gewollt hatte.
Froy wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Er wusste nicht, wie er Nolan wieder milde stimmen sollte.
Ein Geschenk, das wäre eine Möglichkeit. Etwas, das Nolan annehmen musste und das ihn gleichzeitig davon überzeugte, dass Froy es nicht böse gemeint hatte.
Aber der Meerjungmann hatte nichts, was den Anforderungen entsprach. Streng genommen hatte er gar nichts, was er Nolan schenken könnte.
Klar, er könnte aus dem Hafen schwimmen und auf dem Grund des Meeres alles suchen, was das Herz des Menschen begehren könnte, aber dazu war keine Zeit.
Die Frau hatte von ein paar Minuten gesprochen, die der Pirat allein hatte. Wenn er jetzt ging, dann war diese einmalige Gelegenheit vertan.
Froy biss sich auf die Unterlippe und presste den Rücken erneut fest an die raue Mauer. Die Wunden brannten immer noch.
Er musste jetzt zu Nolan, keine Frage. Deswegen löste er sich langsam von dem Steg und schlängelte sich langsam zwischen den Balken hindurch.
Wenn er noch singen könnte, dann hätte er das Lied über die Flying Dutchman singen können, um den anderen auf sich aufmerksam zu machen, doch er war dazu verdammt, auf ewig stumm zu sein.
Früher hätte er Nolan all das sagen können, was ihm spontan in den Sinn kam, früher hätte er ihn wortwörtlich sein Herz zu Füßen legen können.
Jetzt musste er über jedes Wort, das er äußerte, lange nachdenken. Er konnte sich noch mitteilen, aber jede schlagfertige Antwort, jede freche Bemerkung, blieb allein in seinem Kopf. Wenn er etwas schrieb, dann teilte er Informationen mit und versuchte gar nicht erst, Dinge so nieder zu schreiben, wie er sie sagen würde.
Es war sinnlos, es zu probieren.
Deswegen schwamm Froy mit langsamen, zaghaften Bewegungen unter dem Steg hervor, bevor er den Kopf lautlos aus dem Wasser erhob.
Sein Blick fiel auf Nolan, der auf den Planken saß und mit den Beinen baumelte. Seine blonden Haare waren zerwuschelt, so wie als sie sich kennen gelernt hatten. Er trug eine weite Stoffhose und ein helles Leinenhemd.
Nolan sah unfassbar gut aus. Froy hätte ihn ewig dabei angucken können, wie er einfach nur da saß, das Gesicht in die Hände gestützt und die Augen geschlossen.
Doch er musste sich daran erinnern, dass sie nicht ewig Zeit hatten.
Der Meerjungmann schloss kurz die Augen und atmete tief ein, bevor er versuchte, tief hinten in seiner Kehle ein Summen zu erzeugen.
Es gelang ihm erst nach einigen Versuchen, doch als er den Dreh endlich raus hatte, war es fast schon leicht, die Melodie von Nolans Lied zu summen.
Froy schwamm langsam näher zu Nolan und summte weiter, bis er merkte, dass das nichts wurde. Deswegen stieß er wieder ein hilflose Gurgel aus und das brachte den Piraten auch endlich dazu, die, Augen zu öffnen und zu ihm zu sehen.
„Froy." Sagte er und der Meerjungmann nickte. In Momenten wie diesem war er fast schon froh, dass von ihm keine Antwort erwartete wurde, er wusste nämlich nicht, was er sagen sollte.
Er konnte nicht einschätzen, was der Pirat gerade dachte oder empfand, deswegen blieb er ganz still wo er war und überließ es Nolan, den nächsten Schritt zu tun oder auch nicht zu tun.
Der Seemann blieb einige Momente lang sitzen wo er war, dann rutschte er mit einem lauten Platschen scheinbar furchtlos ins Wasser.
„Froy." Sagte er noch einmal. Überfordert mit der Situation hielt der Angesprochene auch dann noch ganz still, als Nolan ungeschickt zu ihn geschwommen kam.
Der Pirat packte ihn an den Schultern, bevor er sich ihm an den Hals warf. Automatisch schlang Froy die Arme um den nassen Körper, er drückte Nolan mindestens so fest an sich, wie dieser sich an ihn schmiegte.
Nolans Finger fuhren durch seine langen Haare, während Froy das Gesicht des Piraten in seine Hände nahm. Kurz spielte er mit dem Gedanken, ob es in Ordnung war, den anderen jetzt zu küssen, doch der nahm ihm die Entscheidung ab.
Hastig, ungestüm presste er die Lippen fest auf die des Meerjungmannes, der erstarrt inne hielt, bevor er den Menschen fester an sich zog und den Kuss genauso wild erwiderte.
Gemeinsam gingen sie unter, krachend schlug das Wasser über ihnen zusammen, doch Froy dachte nicht einmal daran, sich von seinem Freund zu lösen.
Ihre Lippen trennten sich kurz, Nolan kämpfte sich zur Wasseroberfläche und schnappte gierig nach Luft, dann packte Froy ihn wieder und zog ihn in den nächsten gierigen Kuss.
„Froy!" Keuchte Nolan etwas außer Atem, als sie ein weiteres Mal auftauchen mussten. Er gab keine Antwort, sondern presste den Piraten mit dem Rücken an einen der Holzpfosten, damit sie nicht sofort wieder untergingen und stahl sich gleich noch einen Kuss von den weichen Lippen. Er fühlte, dass Nolan lächelte und musste unwillkürlich auch grinsen.
„Du bist wieder gekommen." Murmelte Nolan zwischen zwei Küssen und legte kurz den Kopf an Froys Schulter. Der stieß ein undefiniertes Geräusch aus, bevor er zur Sicherheit auch noch einmal nickte.
„Bitte nimm mich mit." Wisperte Nolan weiter. „Hier ist es wirklich furchtbar." Seine Hand griff Froys, er drückte sie sanft.
Der Meerjungmann musste hart schlucken und wendete den Blick ab. Jetzt war er wieder in dieser Zwickmühle. Natürlich war er nicht hier, um Nolan abzuholen und weit weg zu bringen, aber das konnte er ihn nicht sagen, ohne dass sie stritten.
Während er so nachdachte, küsste Nolan ihn auf die Wange. „Bitte Froy." Murmelte er noch einmal, dieses Mal noch dringlicher.
Froy drückte Nolans Hand fester und begann mit der andere, auf seinen Rücken zu schreiben.
Er schrieb aus seiner Sicht von rechts nach links, malte alle Buchstaben mit Absicht falsch herum, damit Nolan sie ohne die Anstrengungen des Umdenkens viel leichter erkennen konnte.
Wie geht es deinem Bauch?
Schrieb er mit langsamen Bewegungen, eine Frage, die zugleich vermitteln konnte, dass er darüber nachdachte ihn abzuholen und es an Bedingungen knüpfte, und die zugleich vom Thema ablenken konnte.
„Es geht mir gut." Sagte Nolan und küsste ihn gleich noch einmal. Einige Momente lang erwiderte Froy den Kuss sanft, dann löste er sich.
Beweis es.
Schrieb er, dieses Mal auf Nolans Brust. Kurz schien der Pirat verwirrt, dann wendete er sich ab und zog sich zappelnd und keuchend wieder hoch auf den Steg. Froy unterstützte ihn dabei so gut er konnte.
„Schau her." Ohne zu zögern knöpfte der Mensch sein Hemd auf und zog es sich aus. Froy schluckte erneut hart und biss sich auf die Unterlippe, während er überlegte, ob er weg gucken oder Nolan begaffen sollte.
Sein Freund nahm ihm die Entscheidung ab, indem er schnell den Verband öffnete und den breiten Schnitt zwischen seinen Rippen offenlegte.
Die Verletzung sah gut aus, zumindest soweit Froy das beurteilen konnte. Er schwamm näher an ihn heran und stützte sich auf seine Schenkel, um den Schnitt genauer zu begutachten.
So wie es aussah, war er genäht worden und dabei, zu verheilen. Aber Froy sah, dass die Fäden noch nicht gezogen worden waren.
Er hatte sich in seiner menschlichen Vergangenheit häufig mit den falschen Menschen angelegt und er hatte dabei auch häufig eingesteckt. Dementsprechend gut kannte er sich auch mit dem Nähen von Wunden aus und er wusste, dass der Faden gezogen werden musste. Das kam ihm sehr gelegen.
Mit einem vorsichtigen Lächeln zog er den Verband wieder über den Schnitt, bevor er zurück ins Wasser sank.
Es brauchte seine Aufforderung nicht, Nolan folgte ihm automatisch, er sank mit einem lauten Platschen erneut ins Wasser.
Der Meerjungmann war sofort da, um ihn wieder sanft in seine Arme zu schließen und einige Meter von dem Steg weg zu holen.
„Du blutest." Stellte der Pirat fest. Froy nickte knapp, während er seine blutende Schulter berührte. „Ida hat mir erzählt, dass man versucht hat, dich einzufangen." Ida war wohl die Frau mit der nervigen Freundin.
„Kann ich dir irgendwie helfen?" Dieses Mal schüttelte der Meerjungmann den Kopf. Seine Schulter würde, genau wie sein Rücken, von allein heilen.
Bevor Nolan weiter plappern konnte, legte Froy ihm sanft einen Finger auf die Lippen. Einige Momente lang war es still, er legte den Kopf an die Schulter seines Freundes und schloss die leuchtenden Augen, während er überlegte, wie er ihm jetzt am besten erklärte, dass er ihn nicht mitnehmen konnte.
Als er glaubte, eine Möglichkeit gefunden zu haben, legte er die Hand sanft an Nolans jetzt nackte Brust. Der Pirat bekam eine Gänsehaut und Froy hatte sofort eine neckische Bemerkung auf den Lippen, doch das was er auf die warme Haut schrieb, waren sachlich und Thema bezogen.
Ich kann dich nicht mitnehmen, der Faden ist noch nicht gezogen.
Nolan seufzte leise, aber zumindest war er nicht direkt sauer. Er legte eine Hand in Froys lange Haare und streichelte sie sanft.
„Was soll das heißen?" Wollte der Pirat wissen, aber Froy wusste es selbst nicht. Trotzdem schrieb er neue Worte auf Nolans Brust.
Ich muss jetzt gehen.
Er wollte sich lösen, doch der Mensch packte ihn an der Hüfte und am Handgelenk und hielt ihn eisern fest. „Vergiss es." Zischte er. Jetzt wirkte er doch etwas wütend.
„Du hast mich einfach ausgesetzt." Prangerte er an. „Gegen meinen Willen hast Du mich auf ein Schiff gezwungen und dazu gebracht, auf diesem verdammten Stück Land zu bleiben. Ich dachte, ich würde dich nie wieder sehen. Glaubst du wirklich, ich würde dich jetzt einfach wieder weg gehen lassen?"
Nolan war zu laut und Froy wusste sich nicht anders zu helfen, als ihm die Hand auf den Mund zu pressen und unter zu tauchen.
Er zog seinen Freund mit sich unter den Steg, unter dem er so lange ausgeharrt hatte und tauchte gerade soweit wieder auf, dass der Mensch atmen konnte, während er ihm schnelle Worte auf den Unterarm schrieb.
Es tut mir Leid.
Nolan seufzte leise und schüttelte den Kopf. „Das macht es nicht besser." Brummte er und löste sich doch wieder von Froy. Dieser floh nicht, obwohl er jetzt die Gelegenheit dazu gehabt hätte, sondern griff wieder Nolans Arm, um darauf zu schreiben.
Es tut mir wirklich leid. Es war unfair von mir, dich in so eine Situation zu bringen.
Offensichtlich ließ seine Reue die Wut des Piraten wieder verschwinden, zumindest senkte Nolan den Kopf. „Schon okay." Sagte er. „Ich weiß, dass du nur das richtige tun wolltest. Das ändert aber nichts daran, dass ich verwirrt bin. Du hast gesagt, dass du nicht herkommen würdest, weil es zu gefährlich ist. Jetzt bist du hier." Froy antwortete mit einem Gurgeln, bevor er etwas schrieb.
Ich wollte auch nicht herkommen. Ich dachte, es wäre besser für uns beide, wenn wir uns nie wieder sehen. Dann kannst du hier dein Leben leben, ein ganz gewöhnliches Leben, und ich lebe mein Leben, so wie es sich eben lebt.
„Warum sollte es besser sein, wenn wir uns nicht mehr sehen?" Fragte Nolan und unterbrach Froys Ausführungen damit. Der Meerjungmann verkniff sich ein Seufzen und schrieb hastig weiter.
Du bist ein Mensch und ich nicht. Wie dir vielleicht aufgefallen ist, haben wir dezent unterschiedliche Lebensräume.
Dieses Mal hatte er es sich nicht verkneifen können, einen bissigen, spöttischen Unterton einzubauen. Der schien bei Nolan nicht angekommen zu sein.
„Das macht doch nichts." Sagte der Mensch. Jetzt schien er endgültig nicht mehr wütend zu sein, er legte seine Hand an Froys Wange und zog ihn zu sich. „Das spielt doch keine Rolle. Es hat mit uns doch gut geklappt, als ich auf dem Sandhaufen war."
Der Meerjungmann hielt ganz still, als er Nolans Atem auf den Lippen spürte und er hielt auch still, als er ihn sanft küsste.
„Was ist los?" Hauchte Nolan und Froy zuckte hilflos mit den Schultern, kaum in der Lage, sich irgendwie mitzuteilen. Trotzdem schrieb er neue Worte auf den sehnigen Unterarm.
Wir kennen uns kaum mehr als ein paar Wochen und du willst dein Leben trotzdem einfach aufgeben? Du kennst mich gar nicht.
„Aber ich will dich kennen lernen. Froy, ich habe mein Leben bereits aufgegeben. Ich darf nicht mehr segeln, das war mein Leben. Es macht für mich keinen großen Unterschied, ob ich jetzt hier an Land oder irgendwo auf einer Insel sitze. Aber auf der Insel, wärst du da. Hier bin ich ganz allein."
Du bist hier nicht allein. Du bist hier unter Menschen.
Froy hielt eisern dagegen, obwohl er sich fragte, warum er das tat. Er wollte doch auch, dass Nolan bei ihm war. Er wollte, dass der Pirat mit ihm mit kam. Und trotzdem versuchte er irgendwie so zu argumentieren, dass am Ende für den Piraten das Beste heraus sprang. Aber konnte es wirklich das Beste sein, wenn keiner von ihnen mit der Situation zufrieden war?
„Das ist etwas anderes. Das hier sind zwar Menschen, aber den kann ich nichts erzählen. Ich kann nicht von dir reden und ich kann nicht von der Dutchman reden. Ich kann mir nur irgendwelche Geschichten über meine Vergangenheit ausdenken, weil ich die Wahrheit nicht sagen kann. Es wird Jagd auf Piraten gemacht. Wenn ich sage, dass ich einer bin, dann knüpfen die mich auf. Ich lebe eine Lüge."
Dieses Mal war es Froy, der seinen Körper an Nolans presste. Er drückte sich an den Menschen und gab ihm einen sanften Kuss auf den Mund. Um die eigene Antwort etwas heraus zu zögern.
„Bitte." Murmelte Nolan in den Kuss. „Nimm mich mit." Der Meerjungmann seufzte leise und löste sich gerade soweit von ihm, dass er ihm auf die Brust schreiben konnte.
Ich muss jetzt gehen. Aber ich komme wieder, versprochen. Ich suche nach einer geeigneten Insel für dich und denke mir etwas aus, okay? Du bleibst so lange hier und schonst deinen Bauch.
Der Blonde nickte langsam und schloss kurz die Augen. „Woher weiß ich, wann du wieder kommst? Wo und wann treffen wir uns?" Froy überlegte einige Momente, bevor er eine schnelle Antwort schrieb.
In sieben Tagen komme ich wieder. Komm an den Steg, sobald es dunkel ist. Dann erkläre ich dir, wie es weiter geht. Du musst noch nichts packen, ich nehme dich erst wann anders mit.
„In Ordnung." Nolans Hand fand Froys, er griff und drückte sie. „Ich glaube dir. Kann ich sonst noch irgendwas machen?" Froy schüttelte sanft den Kopf und malte weitere Buchstaben auf die nasse Haut seines Freundes.
Halte durch.
Er gab dem Menschen einen kurzen Kuss auf die Wange. Dann löste er sich so weit, dass er Nolan unter dem Steg hervor helfen und danach in den dunklen Fluten verschwinden konnte.
~
„Wo warst du?" Esther passte ihn ab, noch bevor er sich heimlich zurück in die Höhle schummeln konnte. Froy gab keine Antwort, weil er wusste, dass sie es ohnehin wusste. Vermutlich wussten es alle aus ihrem Clan. Wo sollte er sonst sein, wenn nicht bei seinem Menschen?
„Froy, antwortete mir!" befahl sie und fasste sein Handgelenk. Er gurgelte unbeholfen und zuckte mit den Schultern. Was wollte sie von ihm hören? Er wusste es nicht. Schlussendlich schrieb er nur fünf Buchstaben auf ihren Unterarm.
Sorry
Esther schnaubte und schüttelte energisch den Kopf. Ihre roten Haare wallten um ihre schmalen Schultern herum.
„Froy, das geht so nicht weiter. Du weißt, dass ich dir dankbar bin, weil du mir damals das Leben gerettet hast, aber dein Verhalten ist inakzeptabel. Du bist einer von uns, aber wenn du den Clan weiter so aufmischst, dann kannst du nicht bleiben."
Dem Meerjungmann rutschte das Herz in die sprichwörtliche Hose. Er wusste, dass sein Aufenthalt hier immer schwierig gewesen war, er wusste dass er nur bleiben durfte, weil er allein nicht lebensfähig war und keinerlei Interesse an den Frauen hatte.
Doch zu hören, dass seine Anführerin ernsthaft in Erwägung zog, ihn zu verbannen, das machte ihm nun doch Angst. Schnell griff Froy wieder nach ihrem Arm und begann viele kleine Buchstaben darauf zu schreiben.
Ich habe meinen Vater besucht, um zu gucken, ob es ihm und der Crew gut geht. Dann bin ich noch an die Küste, um zu gucken, wie es Nolan geht. Die Menschen da haben mich gesehen und gejagt, aber ich bin entkommen. Nolan geht es gut. Die Verletzungen ist am Heilen.
Esther sah ihn einige Momente lang ruhig an, dann schüttelte sie den Kopf. „Und? Was noch?" Froy wusste nicht, ob sie nur bluffte oder ob sie aus einem unerklärlichen Grund wusste, was er mit seinem Freund besprochen hatte, aber er entschied sich dazu, besser die Wahrheit zu schreiben.
Ich treffe mich in sieben Tagen noch einmal mit ihm. Ich suche nach einer Insel, auf die ich ihn bringen kann, weil er in Deutschland nicht glücklich ist. Nach dem Treffen hole ich ihn zu einem passenden Zeitpunkt ab und bringe ihn dahin.
Esther seufzte leise. „Das zwischen euch beiden wird jetzt also was ernstes oder wie darf ich das interpretieren?" Froy zuckte mit den Schultern. Er wollte nicht zugeben, dass sie darüber nie gesprochen hatten.
Ich mag ihn.
Schrieb er ihr schlussendlich auf den Arm. „Und wie ist das bei ihm?" Wollte seine Freundin sofort wissen. Er zuckte erneut mit den Schultern und schrieb nichts auf ihren Arm, egal wie dringlich sie ihm den hinstreckte.
Bestenfalls erwiderte Nolan die Gefühle. Anderenfalls war sein Verhalten sehr seltsam. Aber der Meerjungmann wusste, dass man sich da nie so ganz sicher sein konnte.
„Vielleicht solltest du das vorher klären." Esthers Stimme war plötzlich erstaunlich sanft geworden. „Wenn er die Gefühle nicht erwidert, dann hat sich der ganze Kram ja erledigt."
Und wenn er sie erwidert?
Sie sah ihn irritiert an, bevor sie langsam antwortete. „Das ändert nichts an den Tatsachen. Selbst wenn er die Gefühle erwidert, bist du immer noch ein Meerjungmann und er ist ein Mensch. Das wird nicht funktionieren. Du solltest ihn vergessen."
Das erklärte zumindest ihren plötzlichen Stimmungswechsel. Froy schob wütend die Unterlippe vor und kniff die Augen zusammen.
Ich habe probiert ihn zu vergessen. Wie du gesehen hast, hat es nicht wirklich funktioniert.
Er drückte beim Schreiben fester auf als nötig, seine Art ihr zu zeigen, dass ihr Verhalten ihn nervte.
„Dann musst du es noch einmal versuchen, Froy. Ein Mensch und ein Meerjungmann... Das wird nichts. Vertrau mir." Der Angesprochene biss wütend die Zähne zusammen und malte ein großes Fragezeichen in das Wasser.
„Wusstest du, dass Delfine sich manchmal in Menschen verlieben?" Fragte Esther, anstatt eine richtige Antwort zu geben. Er schüttelte wahrheitsgemäß den Kopf.
„Das geht auch nie gut aus. Früher oder später begehen die Delfine Suizid, indem sie nicht mehr zum Luftholen auftauchen."
Froy unterbrach sie mit einem Handzeichen und schrieb ihr ein paar durchaus sehr zynische Worte auf den Arm.
Wie gut, dass ich unter Wasser atmen kann.
Sie ging nicht auf die Bemerkung ein und redete einfach weiter. „Die Delfine machen das, weil sie nicht mit der Trennung von dem Menschen umgehen können. Verstehst du, was ich damit sagen will?"
Ich bin kein Delfin.
Schrieb der Meerjungmann ihr auf den Unterarm. Jetzt war es an ihr, die Zähne zusammen zu beißen. „Du kannst aber auch an einem gebrochenen Herz sterben!" Fuhr sie ihn wütend an. Er schüttelte nur den Kopf und wusste selbst nicht, was er damit ausdrücken wollte.
„Okay." Sagte Esther, als von ihm keine Antwort kam. „Dann formuliere ich es anders. Er ist ein Mensch, ein Mann und vor allem ein Pirat. Ich verstehe zwar nicht, warum du meinen Hass nicht teilst, aber ich werde deinen Menschen nicht als etwas anderes betrachten, als er ist. Mit anderen Worten, wenn er in meine Reichweite kommt, dann war er die längste Zeit am Leben. Und ich bin mir sicher, dass es genug andere Clan-Mitglieder gibt, die diese Ansicht teilen."
Vor fassungsloser Ungläubigkeit fiel Froy nicht einmal eine schlagfertige Bemerkung ein. Er starrte sie nur einige Momente stumm an, bevor er dann doch etwas auf ihren Unterarm schrieb.
Nolan ist ein guter Mann. Er hat versucht, seine ganze Besatzung vor der Dutchman zu retten. Er hat mir nichts getan, obwohl er dachte, dass ich ihn ertränken würde. Zweimal. Er hat mir nichts getan, obwohl er dachte, dass ich ihn fressen wollen würde und das, war bevor er gemerkt hat, dass er auf mich angewiesen ist. Und weißt du, was das wichtigste ist? Er hat mich aus den Steinen befreit.
Esther schwieg und er schrieb weiter.
Nolan hat keinem von uns etwas getan. Er ist ein guter Mann. Er ist mein Freund.
„Er ist ein Mann!" Hielt Esther hitzköpfig dagegen.
Du willst ihn umbringen, weil er das Pech hatte, als Mann geboren zu werden? Ich bin auch ein Mann!
„Aber das ist etwas anderes!" Froy fühlte, dass er langsam die Oberhand gewann und ihr die Argumente ausgingen.
Weil ich schwul bin?
Esther blieb lange still, nachdem er die Worte auf ihren Arm geschrieben hatte, bevor sie nickte und gleichzeitig mit den Schultern zuckte.
Nolan hat mich geküsst. Mehrfach. Ich würde behaupten, dass das Kriterium sehr wohl auf ihn zutreffend ist.
Froy merkte, dass er mit seinen stummen Worten wieder einmal zu weit gegangen war, als Esther unwillig die Zähnen zeigte. „Wenn er in meine Nähe kommt, dann bringe ich ihn um. Ende der Diskussion. Wenn du mit ihm zusammen sein willst, dann verlässt du meinen Clan. Entweder er oder wir."
Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und schwamm davon. Froy schrie ihr lautlos nach, zugleich zur Untätigkeit verdammt. Er wollte so viel sagen, aber er konnte nicht.
~
Als Froy im Schutz der Dunkelheit langsam in den Hafen tauchte, fühlte sein Herz sich in seiner Brust schwer an. Er wusste, dass er im Laufe dieser Nacht eine Entscheidung treffen musste, die entweder Esther oder Nolan, aber in beiden Fällen ihn sehr unglücklich machen würde.
Trotzdem schwamm er mit langsamen Zügen zu dem Steg, auf dem Nolan bestimmt schon auf ihn wartete.
Der Meerjungmann hatte sich lange Zeit gelassen, hatte zuerst mit dem Gedanken gespielt, einfach gar nicht zu kommen, doch das hatte er nicht über sich gebracht.
Vor dem Hafen hatte er eine kleine Ewigkeit verweilt und hatte nachgedacht, doch jetzt war er hier, im seichten Wasser.
Sicherheitshalber tauchte er zuerst unter den Steg und verweilte dort mit geschlossenen Augen einige Momente lauschend, bevor er langsam auftauchte und sich im Schutz des Holz umsah. Bis auf Nolans baumelnde Beine war weit und breit kein Mensch zu sehen.
Trotzdem atmete Froy tief ein und aus, bevor er wieder untertauchte, einige Meter schwerelos durch das Wasser glitt und direkt vor Nolan auftauchte.
Dieses Mal schrie der Pirat nicht, sondern begann nur leise zu lachen. „Du hast dir Zeit gelassen." Sagte er. „Ich sitze hier schon fast zwei Stunden. Schau, ich habe dir etwas mitgebracht."
Nolan griff in eine kleine Kiste und warf Froy etwas zu, was dieser nach kurzer Zeit als Banane identifizieren konnte.
Er dankte mit einem Lächeln, bevor er sich der Frucht zuwendete und mit geschickten Fingern die Schale öffnete. Kurz zögerte der Meerjungmann, bevor er Nolan dann doch tief in die Augen sah und sich die Banane zwischen den Lippen durch bis in den Rachen schob.
Von Nolan kam keine signifikante Reaktion, vermutlich hatte er einfach nicht verstanden, was Froy da angedeutet hatte.
Er zog die Banane wieder zurück und biss nur ein handliches Stück ab, auf dem er angestrengt herumkaute, bis es klein genug war.
Vor Nolan war es ihm nicht peinlich, den Kopf in den Nacken zu legen und mit zwei Fingern nachzuhelfen, um die süße Frucht schlucken zu können.
Der Pirat wartete ab, bis Froy auch das letzte Bisschen verdrückt hatte, bevor er platschend zu ihm ins Wasser rutschte.
Froy kam sofort zu ihm und packte Nolan an den Schultern, um ihn zu sich zu ziehen. Als der Mensch die Umarmung erwiderte, tauchten sie gemeinsam unter und er brachte sie unter den Steg in Sicherheit.
„Mir wurden heute die Fäden gezogen." Erzählte der Pirat stolz, sobald er wieder atmen konnte. „Ich bin jederzeit Abreise bereit."
Froy wusste, dass Nolan jetzt auf eine Antwort wartete, doch er hielt ihn einfach nur sanft in den Armen und strich ihm sanft die nassen Haare aus der Stirn. Der Blonde lächelte sanft und drückte ihm einen sanften Kuss auf die Lippen. Pflichtschuldig ließ der Meerjungmann das einige Momente lang zu, dann zog er den Kopf wieder zurück und beschloss, dass er doch etwas äußern musste.
Können wir später reden?
Nolan sah ihn kurz irritiert an, dann nickte er. „In Ordnung." Sagte er und lächelte. Dieses Mal erwiderte Froy das Lächeln tatsächlich.
Ich möchte einfach nur ein bisschen Zeit mit dir verbringen.
Schrieb er ihm noch kurz erklärend auf die Brust. Der Pirat nickte und sankt gegen Froys flache Brust, so dass der ihn noch fester umarmen konnte. Er gab seinem Freund einen kleinen Kuss auf den Hals und lehnte sich gegen die Steinmauer.
„Wir könnten ein bisschen schwimmen gehen." Murmelte Nolan. Seine Brust hob und senkte sich langsam und Froy schüttelte den Kopf. Er wollte einfach hier im Wasser treiben, den Menschen in seinen Armen.
Irgendwie musste er ihm mitteilen, dass es ein Problem gab. Doch das tat er nicht. Stattdessen begann er neue Buchstaben auf Nolans Brust zu schreiben.
Ich habe eine Insel gefunden. Sie ist weit weg von hier, und nicht besonders groß. Ich brauche keine Minute, um sie zu umrunden.
Der Pirat lachte leise auf. „Das ist keine Maßeinheit. Du könntest mir auch sagen, dass du ganz Großbritannien in zwei Minuten um schwimmen kannst und ich würde es dir glauben. Was kannst du mir noch erzählen?"
Spinner. Die Insel ist in Ordnung, sonst hätte ich sie nicht vorgeschlagen. Soweit ich weiß, gibt es keine Menschen darauf, aber einen kleinen Urwald und einen schönen Sandstrand. Da hast du viel zu erkunden.
„Vegetation ist gut, dann muss es da Süßwasser geben. Vermutlich gibt es dann auch Tiere." Nolan klang begeistert. Kein Wunder, er kannte das Problem ja noch nicht.
Froy seufzte leise und drückte Nolan noch einen Kuss auf die Schulter, bevor er dann doch mit der Wahrheit herausrückte.
Es gibt ein Problem.
In seinen Armen spannte der sehnige Körper des Menschen sich kurz an, dann drehte er sich so, dass sie einander angucken konnten.
„Was soll das heißen?" Nolan wirkte beunruhigt. Froy tastete im Wasser nach seiner Hand und drückte sie sanft. Nolan sollte sich keine Sorgen machen.
Ich weiß nicht, wie ich dich auf die Insel bekommen soll.
Die Beunruhigung wurde zur Verwirrung, der Meerjungmann schrieb hastig weiter.
Es gibt da draußen ein paar Meerjungfrauen, die nicht damit einverstanden sind, dass ich dich mag. Ich fürchte, dass sie dich umbringen werden, wenn wir in ihre Nähe kommen.
Der Pirat war kurz ganz still, dann nickte er tapfer. „Das ist für mich in Ordnung. Wir machen einen großen Bogen um alle, die uns etwas antun könnten. War das das einzige Problem?"
Froy wusste nicht, ob er die Wahrheit sagen oder lügen sollte. Er biss sich kurz auf die Unterlippe und dachte daran, wie er versucht hatte, das Beste für Nolan zu tun. Es war nur fair, wenn der Pirat jetzt auch die Chance dazu bekam.
Entweder du, oder die anderen Meerjungfrauen. Sie haben mir deutlich gemacht, dass beides nicht geht.
Der Mensch blieb viel zu lange still, bis er leise seufzte. „Das ist blöd." Froy stimmte mit einem leichten Nicken zu. „Wie entscheidest Du Dich?"
Jetzt war es an dem Meerjungmann, kurz ruhig zu bleiben. Er schwieg, bevor er mit den Schultern zuckte. Er hatte sich immer noch nicht entschieden.
„Verstehe schon." Sagte Nolan schlussendlich leise und strich sanft über Froys Wange. Der sah auf, blickte direkt in die blauen Augen. Der Mensch lächelte ihm sanft zu, auch wenn er bedrückt wirkte. „Kann ich dir irgendwie helfen, eine Entscheidung zu treffen?"
Froy zuckte erneut mit den Schultern und ließ den Blick kurz über das Wasser wandern. Dann sah er wieder zu seinem Freund und nickte. Es wäre gut, etwas Hilfe zu bekommen.
„Kannst du mir erzählen woran es liegt, dass sie mich nicht mögen? Vielleicht kann ich ja etwas dagegen machen, nicht?"
Nolans Naivität und Gutgläubigkeit beeindruckte den Meerjungmann ein weiteres Mal, aber er wusste, dass sie bald in trübe Resignation umschlagen würde.
Du bist ein Matrose, ein Pirat und ein Mann.
Die Buchstaben brachten den Piraten zum Lachen. „Und ich dachte schon, es wäre etwas ernstes." Erst als Froy nicht zu grinsen begann, verstarb das Lachen wieder und Nolan sah ihn kritisch an.
„Das ist kein Scherz?" Fragte er und der Meerjungmann nickte langsam. Nolan atmete tief ein und aus, bevor er kurz nickte, wie um sich selbst zu ermutigen.
„Faktisch gesehen bin ich kein Pirat mehr und dementsprechend auch kein Matrose. Reicht das nicht?" Froy schüttelte sanft den Kopf.
Ich fürchte nicht. Du bist ein Mann, das ist das größte Problem.
Der Pirat wirkte frustriert, als er sich auf der Unterlippe herum biss. „Nun, du bist auch ein Mann und du bist ziemlich lebendig. Was hast du gemacht, dass du nicht ertränkt und gefressen wurdest?"
Froy schüttelte den Kopf und legte ihn kurz an die Schulter seines Freundes. Ein weiteres, nicht besonders schönes Kapitel in seinem Leben.
Ich habe einer Meerjungfrau das Leben gerettet.
Schrieb er schlussendlich, obwohl er wusste, dass es das nicht einmal ansatzweise beschrieb.
Er hatte damals noch fast ein Jahr auf dem Schiff seines Vaters verbracht. Zunächst hatte man sich wirklich gut um ihn gekümmert, doch schon nach wenigen Wochen waren ihm die mitleidigen Blicke und das Getuschel auf die Nerven gegangen.
Was ihn schlussendlich zum Gehen bewegt hatte, konnte Froy gar nicht mehr sagen. Er wusste nur, dass er es bereute, ein sicheres und gutes Leben gegen einen sehr schwierigen Neuanfang auszutauschen, nur um wieder allein herumstromern zu können.
Eines Nachts hatte er sich vom Deck seines Schiffes geschlichen, hatte nur eine kurze Notiz hinterlassen, und hatte auf dem nächsten Schiff, auf dem jemand lesen konnte, angeheuert.
Es war purer Zufall gewesen, dass das ein Piratenschiff gewesen war. Zusätzlich zu seinen Englisch, Deutsch und Französisch Kenntnissen hatte er von einem Mönch auch Lateinisch gelernt, später hatte er auch Grundkenntnisse in Spanisch und Italienisch sammeln können.
All das hatte ihm ohne Zunge nicht viel genutzt. Wann immer der Mönch nicht in seiner direkten Nähe gewesen war, war Froy hilflos gewesen.
So auch an dem Morgen, als sie sich einem Riff genähert hatten. Froy hatte sehr lange nicht begriffen, was um ihn herum passierte, doch aus den Brocken, die er aufgeschnappt hatte, hatte sich irgendwann ein Bild ergeben.
Die Besatzung hatte manchmal vergessen, dass er nicht taub war.
So hatte er ziemlich schnell realisiert, dass man eine Meerjungfrau fangen wollte. Er war damit nicht einverstanden gewesen, hatte stumm vor sich hin gezetert. Verdammt dazu, sich nicht äußern zu können, hatte er wahllos alle Piraten nacheinander angetippt, hatte irgendwie versucht sich mit Handzeichen und Bildern zu verständigen, aber das hatte nicht funktioniert.
Zur Untätigkeit verdammt hatte er zu sehen müssen, wie man Netze ausgeworfen hatte und er hatte auch zusehen müssen, wie die Säbel geschärft worden waren.
Erst als man sich dazu bereit gemacht hatte, das kleine Ruderboot ins Wasser zu lassen, hatte er sich aus dieser Starre lösen können.
Froy war zu dem Boot gehastet und hatte sich mit gezogenem Säbel hinein gestellt. Da hatte die restliche Besatzung endlich verstanden, dass er ein ernsthaftes Problem hatte und hatte den Mönch hinzu gezogen.
Der hatte Wort für Wort vorgelesen, was Froy in den letzten Stunden auf seinem letzten Blatt nieder geschrieben hatte und am Ende war die restliche Besatzung mit offenem Mund da gestanden.
Der Kapitän hatte als erstes seine Sprache wiedergefunden. Er hatte Froy am Schlafittchen gepackt und zu sich gezogen.
„Gut." Hatte er geknurrt. „Du findest es also nicht recht, Meerjungfrauen zu jagen." Froy hatte tapfer genickt und hatte seinen Blick tapfer erwidert.
„Und du sagst, dass sie nicht gefährlich sind." Wieder hatte Froy genickt, heute wusste er es besser. Aber damals hatte sein Kapitän fies gegrinst und gesagt, dass Froy sich vom Gegenteil überzeugen lassen könne.
Man hatte ihn gezwungen, mit einigen anderen in das kleine Boot zu klettern, und dieses war ins Wasser gelassen worden.
Die Männer um ihn herum hatten ein Seemannslied angestimmt und er hatte verwirrt zugesehen, wie sie sich von dem Schiff entfernt hatten.
Es hatte einige Zeit gebraucht, in der die singend und wartend nur da gesessen hatten, dann war tatsächlich eine Meerjungfrau mit leuchtend roten Augen und ebenso roten Haaren aus dem Wasser aufgetaucht.
Sie war naiv lächelnd näher gekommen und Froy hatte sofort Mitleid mit ihr gehabt. Er hatte versucht ihr zu signalisieren, dass es alles eine Falle war, bis die anderen auf seine Versuche aufmerksam geworden waren.
Es hatte ordentlich Ärger gegeben, doch die Meerjungfrau war zutraulich näher gekommen und hatte sich an der hölzernen Reling abgestürzt. Schnell war sie in den Gesang mit eingestiegen, dann hatte Froy gesehen, dass einer der Matrosen einen Dolch gezückt hatte.
In Ermangelung einer Alternative hatte er seinen Säbel gezogen und den Griff seinem Crewmitglied gegen die Schläfe gestoßen.
Die Meerjungfrau war hastig untergetaucht und verschwunden, während die anderen Männer ihn gepackt hatten. Sie hatten ihm eine Ohrfeige gegeben und Froy hatte sich nicht gewehrt.
Für einige Momente war er so zufrieden mit seiner Leistung gewesen, dass ihn die Schmerzen kalt gelassen hatten.
Erst als sie das kleine Boot zu ihrem Schiff gerudert hatten und an Board gegangen waren, war langsam in sein Bewusstsein gekommen, dass das nicht besonders clever gewesen war.
Sein Kapitän hatte getobt. Er hatte so sehr getobt, dass Froy um sein Leben gebangt hatte. Zurecht.
Die wütende Ansprache seines Kapitäns hatte damit geendet, dass er ihn gepackte hatte.
„Weißt du was?" Hatte er gefaucht und Froy hatte den Kopf geschüttelt. „Wenn du dir so sicher bist, dass Meerjungfrauen nicht gefährlich und ganz besonders schützenswert sind, dann kannst du dich ja selbst davon überzeugen!"
Froy hatte sich natürlich gewehrt, doch gegen die wütenden Piraten hatte er keine Chance gehabt.
Sie hatten ein Tau genommen und hatten ihm die Beine und Arme zusammen gefesselt. Froy hatte protestieren wollen, doch er hatte nicht gekonnt.
Er hatte stumm geschrien, als sie ihn über Board geworfen hatten, hatte hin und her gezappelt, unfähig sich zu befreien.
Wie ein Stein war er dem Meeresgrund entgegen gesunken, bis er zwei leuchtende, rote Punkte gesehen hatte.
Er hatte das Gefühl gehabt, dass seine Lungen platzen würden, unfassbare Schmerzen hatten sich in seinem Kopf breit gemacht, als die Meerjungfrau mit den spitzen Zähnen die Seile um seinen Körper gepackt hatte.
Kurz hatte er an seine Rettung geglaubt, dann hatte er gemerkt, dass sie ihn Richtung des Meeresgrunds gezogen hatte.
Zu Ertrinken war schmerzhafter gewesen, als alles was er vorher erlebt hatte.
„Froy?" Nolan riss ihn sanft aus seinen Gedanken. „Ist alles in Ordnung? Du siehst so abwesend aus." Er strich ihm sanft über die Wange, Froy lehnte sich kurz in die Berührung, bevor er leicht nickte.
„Gut." Der Pirat lächelte, wenn auch etwas geknickt. „Du hast also einer Meerjungfrau das Leben gerettet. Aber ich habe dir ja auch irgendwie das Leben gerettet, oder? Zählt das nicht?" Froy nickte und fügte ein paar Worte hinzu.
Genau das habe ich auch gesagt.
Nolan seufzte leise. Jetzt gingen ihm wohl auch die Argumente aus. Froy zog ihn sanft an sich, drückte ihn vorsichtig und vergrub das Gesicht an seiner Schulter.
„Ich würde dir gerne helfen." Murmelte sein Freund ihm zu und drückte seine Hand. „Aber ich habe um ehrlich zu sein keine Ahnung, was wir jetzt noch machen könnten. Letztendlich weißt du, dass ich jederzeit bereit bin, mit dir auf diese Insel zu kommen."
Froy nickte, einfach dankbar dafür, dass der Pirat bei ihm war und ihm gut zu redete.
„Weißt du, wenn es nur darum gehen würde, dass es Probleme damit gibt, mich auf die Insel zu kommen, dann wäre ich bereit, das Risiko einzugehen. Aber wenn es darum geht, dass du dich entweder für mich oder für deine Freundinnen entscheidest..."
Nolan führte den Satz nicht zu Ende, aber Froy stieß trotzdem ein zustimmendes Gurgeln aus.
Er fand beide Optionen blöd. Sein bisheriges Leben für eine unklare und undefinierte Beziehung mit einem Menschen anzufangen, die vielleicht nur ein paar Wochen hielt, war blöd.
Aber bei einer Gruppe von Frauen zu leben, deren Ansichten er zu großen Teilen nicht teilte und in der er nur geduldet, aber nicht wirklich ein Teil davon war, und dafür vielleicht die einzig mögliche Beziehung in seinem restlichen Leben aufzugeben, war mindestens genauso beschissen.
„Letztendlich musst du dich da entscheiden. Ich bin bereit, mein Leben für dich aufzugeben. Aber ich habe aktuell auch kein wirkliches Leben, ich gebe nicht wirklich viel auf. Bei dir ist es etwas anderes, dein Leben für mich aufzugeben."
Froy nickte, jetzt noch dankbarer als zuvor. Es tat gut zu hören, dass Nolan nicht erwartete, dass er sein Leben einfach so aufgab, nur weil der Pirat dazu bereit war.
„Weißt du was?" Nolan drückte Froy einen Kuss auf die Wange, bevor er sich sanft etwas löste. Wahrheitsgemäß schüttelte der Meerjungmann den Kopf.
„Du musst dich nicht jetzt entscheiden. Ich mache mich jetzt wieder auf den Heimweg, ich muss wieder ins Krankenhaus. Ich habe mich heimlich raus geschlichen, die sollten mich nicht erwischen. Außerdem gab es beim letzten Mal schon so viele Fragen, warum ich nass bin, ich muss mich noch abtrocknen und die Klamotten tauschen. In sieben Tagen bin ich wieder hier und warte auf dich, so lange hast du Zeit, dich zu entscheiden. Wenn du kommst, dann nimmst du mich auch mit und wir starten in ein neues Leben. Wenn du nicht kommst, dann habe ich eine Nacht an der frischen Luft verbracht und wir beide sehen uns nie wieder."
Froy biss sich auf die Unterlippe und zog Nolan wieder an sich. Was der Pirat sagte klang gut. Es war nur logisch. Aber es machte ihm Angst. Es bedeute nämlich, dass das hier vielleicht das letzte Treffen mit Nolan war, was den Abschied zu einem Abschied für immer machte.
„Stimmt etwas nicht?" Der Meerjungmann schüttelte sanft den Kopf und zog Nolan ganz dicht an sich. Seine Flosse schlang sich um Nolans Beine, er seufzte leise und malte wieder einmal ein paar Buchstaben auf Nolans Unterarm.
Ich will noch nicht gehen. Haben wir nicht noch ein paar Minuten Zeit?
Der Mensch zögerte ein paar Momente, bevor er nickte. „Sicher."
Früher wären Froy schlagartig über ein Dutzend Dinge eingefallen, wie man die letzten Minuten vor einem Abschied miteinander verbringen konnte, doch heute hatte er auf nichts davon Lust.
Stattdessen wollte er Nolan lieber fest in seine Arme schließen und am liebsten nie wieder los lassen.
Ich habe dich lieb.
Schrieb Froy Nolan auf die Brust, weil er es nicht sagen konnte. Obwohl diese Worte ihn bereits viel Überwindung gekostet hatten, entsprachen sie nicht der Wahrheit. Er hatte Nolan nicht nur lieb, er war in ihn verliebt.
„Ich habe dich auch lieb." Nolan murmelte ihm die Worte in die Haare und der Meerjungmann errötete sofort. Mit einem verlegenen Lächeln drückte er sich an seinen Freund und schloss die Augen.
Viel zu schnell löste sich Nolan dann doch von ihm. „Ich muss jetzt wirklich los, sonst schöpft noch jemand Verdacht. Du wurdest beim letzten Mal schon verletzt, das muss nicht schon wieder sein."
Froy folgte ihm unter dem Steg hervor in das dunkle Wasser und packte ihn noch einmal am Handgelenk.
„Was ist?" Fragte der Pirat mit sanfter Stimme und schenkte ihm ein Lächeln, das Froys Knie zum Zittern gebracht hätte, wenn es da noch Knie geben würde. Er überlegte kurz, ob er sich die Mühe machen sollte, ihm etwas auf den Unterarm zu schreiben, doch er entschied sich dagegen.
Stattdessen packte er Nolan am Kragen und zog ihn zu sich, um ihn noch einmal zu küssen. Ihre Lippen prallten so fest aufeinander, dass es fast schmerzhaft war, doch der Pirat erwiderte den Kuss, ohne sich zu beschweren.
Kurz mussten sie sich lösen, Froy schnappte mindestens so gierig nach Luft wie der Mensch, dann trafen sich ihre Lippen zu einem weiteren, gierigen Kuss.
Normalerweise wäre das der Punkt, an dem der Kuss hätte vertieft werden können und früher hätte Froy das auch ohne Bedenken getan, doch heute konnte er das nicht. Ihm war sein Makel durchaus bewusst, er wusste, das ein Kuss mit ihm nicht wie der mit einem normalen Menschen oder zumindest einer normalen Meerjungfrau war.
Kurz trennten sich ihre Lippen erneut, Froy wollte sich sofort in den nächsten Kuss stürzen, doch Nolan schob ihn leise lachend von sich.
„Froy, von mir aus könnten wir das noch die ganze Nacht machen, aber ich fürchte, dass wir dann nie von hier weg kommen. Es wird bald wieder hell, du musst jetzt wirklich gehen."
Der Angesprochene stieß ein Gurgeln aus und nickte langsam. Trotzdem verschwand er nicht, sondern verweilte noch einige Momente.
Er wollte noch einen Kuss, einen allerletzten, für den Fall, dass das tatsächlich der Letzte für immer war. Aber er hatte vorher schon einen letzten Kuss gewollt und bekommen und auch noch ein Kuss, würde ihn nicht zum Verschwinden bewegen.
„Wir müssen jetzt gehen." Sagte Nolan noch einmal, doch auch er bewegte sich nicht. Froy nahm es ihm nicht übel. „Wir sehen uns dann in einer Woche." redete Nolan tapfer weiter. „Oder auch nicht. Ich packe auf jeden Fall meine Sachen. Und ich bringe dir wieder was zu Essen mit."
Froy biss sich fest auf die Unterlippe und schloss für einige Momente die Augen. Jetzt war definitiv der Zeitpunkt gekommen, an dem er untertauchen und vielleicht für immer verschwinden sollte, aber er konnte nicht.
Stattdessen drehte er sich Richtung des Stegs, wollte, dass, Nolan den Anfang machte. Wenn der Pirat erst einmal weg war, würde es leichter für ihn sein, zumindest hoffte er das.
Für einen kurzen Moment sah er eine dunkle Silhouette, doch noch während er zurückweichen wollte, warf die Silhouette bereits das Netz aus.
Er verfluchte sich für seine eigene Unachtsamkeit, wer auch immer da lauerte, musste da immerhin schon ziemlich lange lauern und hatte vermutlich all das mitbekommen, was zwischen ihm und Nolan passiert war.
„Froy!" Jetzt hatte Nolan scheinbar ebenfalls mitbekommen, dass sie nicht allein waren. Der Meerjungmann konnte ihm trotzdem keine Beachtung schenken, er versuchte sich hektisch aus dem Netz zu befreien, das sich fest um ihn gewickelt hatte.
Keine Chance. Die festen Stränge rieben über seine empfindliche Haut, die Maschen wickelten sich fester um ihn, je stärker er mit der Flosse schlug.
„Halt still!" Nolan kam näher geschwommen, doch ein kräftiger Flossenschlag von Froy ließ ihn wieder zurückweichen.
Der Meerjungmann kämpfte weiter, er zappelte hastig hin und her, unfähig sich zu befreien. Die Panik kochte in ihm hoch, er wusste, dass in der Dunkelheit jemand lauerte, jemand, der ihn fangen wollte.
Ein lautes Platschen verriet ihm, dass derjenige zu ihm ins Wasser gesprungen war, er begann gleich noch heftiger zu zappeln, um ihn von sich fern zu halten.
Ein scharfer Schmerz ließ ihn für einige Momente innehalten, als der Fremde ohne zu zögern seinen Säbel in seine Richtung stieß und auch traf.
Tränen vor Schmerz stiegen in Froys Augen, er presste beide Hände auf die neue Wunde an seiner Seite und versuchte verzweifelt vor dem Fremden zu fliehen, der ihm mühelos nachsetzte.
„Froy!" Er richtete den Blick auf Nolan, der natürlich unbewaffnet war. Der Pirat versuchte zu ihm zu kommen, doch er war zu langsam.
Froy versuchte den Fremden zu beißen, als dieser das Netz packte, doch er schaffte es nicht. Nahezu wehrlos, halb ohnmächtig vor Schmerz musste er zulassen, dass der andere das Netz mit ihm darin, in das er sich selbst verstrickt hatte, hinter sich her in Richtung des Stegs zog.
„Lass ihn in Ruhe!" Rief Nolan, seine Stimme überschlug sich, doch der Fremde lachte nur rau auf. Er wuchtete das Netz mit dem verletzten Meerjungmann auf den Steg, bevor er sich selbst wieder an Land zog.
Die kühle Luft brannte für einige Momente in Froys Augen, er kniff sie hektisch zu und versuchte zurück ins Wasser zu rollen. Keine Chance, der der ihn gefangen hatte, stellte einen Fuß auf seine Hüfte und fixierte ihn so.
Der Meerjungmann stieß ein hilfloses Gurgeln aus, er zappelte weiter, während ihm das warme Blut über die Finger lief und den Steg unter ihm glitschig machte.
Ächzend zog sich Nolan hinter ihm auf den Steg, zumindest klang es so. „Was wird das hier?" Keuchte der Pirat, Froy versuchte den Kopf zu drehen, um zu ihm zu sehen.
Das raue, feuchte Seil schnitt ihm schmerzhaft in die Wange, er versuchte es durch zu beißen und scheiterte. Trotzdem verdrehte er die Augen, wollte zu seinem Freund sehen.
„Was wird das hier schon werden?" Geräusche, die Froy nicht einordnen konnte ertönten, er zappelte wieder heftig hin und her und begann sich herum zu werfen, als Nolan hinter ihm schmerzerfüllt auf keuchte.
Diese Situation war nicht gut, für keinen von ihnen. „Das weiß ich nicht, deswegen frag ich ja!" Nolans Stimme überschlug sich, Froy biss sich auf die Unterlippe.
„Ich habe einen dicken Fang gemacht." Der Fremde hatte eine laute, dröhnende Stimme. „Dafür wird es mit Sicherheit ordentlich Geld geben."
Der Meerjungmann stöhnte gequält auf, als der Fremde ihm mit dem Fuß in den Rücken stieß. Die neue Bewegung tat der immer noch stark blutenden Wunde nicht gerade gut.
„Das ist doch ein schlechter Witz!" Nolan klang erbost, doch der Mann lachte nur. „Nein, das ist kein Witz. Das hier habe ich gefangen, es gehört mir."
„Das hier" fauchte Nolan wütend „Ist ein Meerjungmann, und er hat einen Namen!" Der Mann lachte nur weiter und stieß Froy erneut den Stiefel zwischen die Rippen.
„Ja, das habe ich gehört. Aber es spielt keine Rolle. Das hier gehört mir und wenn du es mir streitig machen willst, dann kannst du dich gleich zu ihm legen."
Kurz war es ganz still, der Meerjungmann kniff die leuchtenden Augen zusammen, dann hörte er Nolans Schritte auf dem nassen Holz.
„Gut." Knurrte der Pirat verbissen, sein Unterschenkel drückte sich kurz an Froys Schulter. „Dann eben nicht." Der Meerjungmann hatte nicht die leiseste Ahnung, was sein Freund da redete, aber plötzlich verschwand die tröstliche Berührung, es gab ein lautes Platschen.
Noch bevor Froy verarbeitet hatte, was hier gerade passierte, kniete Nolan auch schon vor ihm auf dem Steg und begann an den festen Seilen des Netzes zu zerren.
„Komm, hilf mir!" Zischte der Pirat, doch Froy konnte kaum etwas tun, er versuchte nur, ihn nicht allzu sehr zu behindern. „Na los, komm schon!" Nolan hob den Blick, sah zu etwas hinter Froy, was der natürlich nicht sehen konnte.
„Das wird nichts." Stellte der Mensch leise fest, dann wendete er sich wieder an den Meerjungmann. „Nicht erschrecken."
Froy kam nicht mehr dazu, irgendwie nachzufragen, was hier passierte, noch bevor er es schaffte, eine Hand aus dem Netz zu befreien, schob Nolan seine Arme unter ihn und hob ihn angestrengt ächzend hoch.
Froy gurgelte leise, doch Nolan drückte ihn fest an seine Brust. „Ich lass dich nicht fallen." Versprach der Pirat, während der Meerjungmann jetzt endlich einen Blick auf den Fremden erhaschte, den sein Freund offensichtlich ins Wasser gestoßen hatte.
Nolan trug ihn mit kleinen Schritten in Richtung Festland, er wollte offensichtlich in den Schutz der Häuser fliehen, doch der Fremde zog sich bereits wieder auf den Steg.
Froy biss sich fest auf die Unterlippe und presste das Gesicht gegen das raue Seil, um es an Nolans nasser Brust zu verstecken. Er wollte nicht sehen, was der Mann jetzt mit ihnen anstellen würde.
Ein lautes Fauchen ließ ihn dann doch wieder den Kopf heben und die Augen öffnen, gerade rechtzeitig um zu sehen, wie der Fremde vom Steg ins Wasser zurück gerissen wurde.
Ein rotes Leuchten und Froy wusste sofort, wer ihn retten gekommen war und er wusste auch, dass das nichts Gutes für den Fremden bedeutete.
„Du blutest." Stellte Nolan wenig geistreich fest, Froy gurgelte hilflos und presste den Kopf an Nolans Schulter. Sein Freund musste dringend von dem Steg runter, sobald Esther mit dem Feind fertig war, war Nolan in unmittelbarer Gefahr.
Der Pirat hatte keine Zeit mehr, diese Aufforderung zu interpretieren, Esther war mit dem Fremden fertig geworden.
Mit viel zu ruhigen Bewegungen kam sie an den Steg geschwommen, stützte die blutverschmierten Hände auf das Holz und stemmte sich aus dem Wasser.
Froy wollte irgendwas sagen, er wollte sagen, dass Nolan ihn beschützt hatte und er wollte sie dazu auffordern, seinem Freund nichts zu tun, wollte sie fragen, wie viel sie von ihrem Gespräch und den vielen Küssen mitbekommen hatte, aber er war stumm, so wie immer.
Esther sagte nichts und so war es an Nolan, nach einer langen Pause den ersten Schritt zu machen.
Er machte einen Schritt auf Esther zu und dann noch einen, bevor er mit zitternden Beinen in die Knie ging. Der Meerjungmann war sich sicher, dass es nicht nur der Schock und die Anstrengung waren, die seinen Freund zum Zittern brachten, sondern auch die Angst vor der Meerjungfrau.
Nolan war nicht dumm, er wusste bestimmt, dass Gefahr von Esther ausging.
Trotzdem setzte der Pirat Froy sanft auf den Planken ab und stützte seinen Rücken, damit er nicht einfach umkippte.
„Wenn du mir den Säbel bringst, dann kann ich Froy aus dem Netz holen." Die Stimme des Menschen zitterte, doch er floh nicht.
Esther sagte kein Wort. Stattdessen packte sie die nassen Seilstränge und zerrte Froy daran so heftig zu sich, dass er mit ihr in das Wasser rutschte.
Der Meerjungmann wehrte sich nicht, als seine Anführerin ihn mit sich unter Wasser zog und er wehrte sich auch nicht, als ihre Zähne das Netz zerfetzten.
„Was hast du dir dabei gedacht?" Fauchte Esther, ihre roten Augen funkelten wütend. Froy hatte ihn nichts zu sagen. Er sah sie nur ruhig an und griff ihre Hand, um sie davon abzuhalten, zu Nolan zu schwimmen.
Es brauchte ein paar Momente, bis er verstand, dass sie das nie vorgehabt hatte. Stattdessen zog sie ihn mit sich aus dem Hafenbecken raus, hinein in das offene Meer.
„Wenn ich nicht gewesen wäre, dann wärt ihr jetzt beide tot!" Fauchte Esther ihn an, als Froy zum ersten Mal versuchte, sich von ihr zu lösen.
Er wollte etwas sagen, aber er wusste nicht was. Esther hatte zweifelsohne recht, ohne sie wären sowohl Nolan als auch er Geschichte gewesen. Schlussendlich schrieb er ihr nur ein Wort auf den angebotenen Unterarm.
Danke
„Gern geschehen." Esthers Augen funkelten noch immer wütend. „Soll das jetzt jedes Mal so laufen? Muss ich jedes Mal bei dir sein, um deinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen?"
Es tut mir leid!
„Schön, dass es dir leid tut! Ich will trotzdem eine Antwort von dir. Soll das für immer so bleiben?" Offensichtlich hatte Esther zumindest nicht das ganze Gespräch belauscht.
Das ist nicht nötig. In sieben Tagen komme ich ein letztes Mal hier her, um Nolan abzuholen.
Esther sah ihn fest an. „Dann hast du dich also entschieden? Du willst dein restliches Leben mit dem Menschen verbringen?" Sie wollte wohl noch mehr sagen, aber Froy brachte sie mit einem Handzeichen zum Verstummen.
Ich weiß, dass ich euch mein Leben schulde. Ich weiß, dass ich allein kaum lebensfähig bin und ich weiß auch, dass das hier eine blöde Idee ist.
Esther zog die dünnen Augenbrauen hoch, sagte aber nichts. Froy schrieb schnell weiter.
Aber ich habe festgestellt, dass ich nicht so weiter machen kann, wie bisher. Ich bin nicht damit einverstanden, einfach alle Männer zu hassen. Ich war auch ein Pirat und ich bin trotzdem nicht durch und durch schlecht. Ich weiß nicht, ob ich den Rest meines Lebens mit Nolan verbringen werde, aber ich kann ihn auch nicht mit euch verbringen. Ich bin nicht wie ihr.
Jetzt packte Esther ihn an den Schultern und zog ihn fest an sich. „Du bist wahnsinnig, Froy." Sagte sie ihm. Der Meerjungmann nickte zaghaft. Ja, er war vielleicht verrückt. Aber vielleicht war das gerade das richtige.
„Ich meine das ernst, Froy. Das ist Wahnsinn. Du kannst allein nicht jagen. Du bist leichte Beute und dein kleiner Freund kann dich nicht beschützen. Meerjungfrauen sind nicht dazu gemacht, allein zu sein. Du machst es vielleicht eine Woche, höchstens zwei."
Dazu konnte Froy kaum etwas sagen. Esther hatte recht. Aber das konnte seine Entscheidung nicht ändern.
Bin ich bei dir noch willkommen, falls ich doch wiederkomme?
Seine Anführerin presste die Lippen zusammen. „Das sehen wir dann." Sagte sie und zog Froy weiter mit sich ins offene Gewässer. Er löste sich trotz der schmerzenden Wunde noch einmal von ihr, um weitere Worte zu schreiben.
Und das alles nur, weil er ein Mann ist? Wäre es in Ordnung, wenn ich mich in eine Frau verliebt hätte?
Esther packte ihn und hielt abrupt an. „Wenn du nicht so verdammt schwul wärst, dann wärst du heute nicht hier! Mein einziges Problem mit Nolan ist, dass er ein Mensch ist."
Froy löste sich langsam von ihr und runzelte die Stirn.
Wenn er ein Mensch wäre, dann hättest du kein Problem mit ihm?
Sie nickte auf seine Nachfrage hin und Froy biss sich auf die Unterlippe. Weitere Worte, wieder schrieb er sie schnell und unsauber.
Das ist nichts, was man nicht lösen könnte.
~
Als die sieben Tage endlich um waren, war Froy ein nervöses Nervenbündel geworden. Er hatte keinen Grund dazu, das wusste er. Die Entscheidung hatte er schon lange gefällt und der Plan stand ebenfalls. Selbst wenn Nolan nicht zustimmen würde, dann hätte er einen zweiten Plan.
Viel mehr Angst machte ihm der Gedanke an den Hafen. Zum einen war da die durchaus begründete Angst, dass ihm wieder jemand auflauerte. Zum anderen hatte er aber auch Angst, dass Nolan es sich anders überlegt hatte. Dass er nicht am Steg war.
Froy riss sich selbst aus den negativen Gedanken und verbot sich, auch nur an so etwas zu denken. Natürlich war sein Freund da. Nolan hatte gesagt, dass er bereit war, alles aufzugeben. Froy glaubte ihm das.
Mit langsamen Bewegungen tauchte er runter zum Meeresgrund und tastete sich über die sanfte Steigung in den Hafen hinein.
Erst als er das vertraute Holz des Stegs fühlte, richtete er den Blick nach oben und stieß sich kräftig vom Meeresgrund ab. Im Schutz des Stegs tauchte der Meerjungmann auf.
Für einige Momente drückte er sich an das nasse Holz, dann tastete er sich an den Balken entlang unter dem Steg hervor.
Nolan war nicht da. Obwohl es schon lange dunkel war und Nolan versprochen hatte, dass er die ganze Nacht warten würde, war er jetzt nicht da.
Froy wurde das Herz ganz schwer, als er fast fassungslos beide Hände an den Steg legte und den Oberkörper aus dem Wasser stützte.
Sein Freund war wirklich nicht da. Er war nicht irgendwo auf dem Steg und er war auch nicht am Ufer.
Verwirrt und enttäuscht biss Froy sich auf die Unterlippe, er wendete den Kopf nach links und nach rechts. Keine Spur von Nolan.
Was sollte er jetzt machen? Sollte er wieder verschwinden? Einfach akzeptieren, dass sein Freund sich anders entschieden hatte? Oder sollte er sich der Gefahr aussetzen und hier bleiben, weil der andere sich nur verspätete, vielleicht aufgehalten worden war?
Als Froy langsam zurück ins Wasser rutschte, war er den Tränen nahe. Er hatte fest damit gerechnet, dass der Pirat da war, er hatte ausgeschlossen, dass Nolan nicht kam.
Angestrengt versuchte der Meerjungmann ein Schluchzen zurück zu halten, probierte die Tränen zurück zu drängen. Vergeblich.
Froy zog sich wieder unter den Steg zurück, presste den Körper fest an das nasse Holz und klammerte sich an die Balken.
Die Tränen verschleierten seine Sicht, als er die leuchtenden Augen Richtung Horizont richtete.
Auf der dunklen Wasseroberfläche sah er etwas, was entfernt wie die Silhouette eines Ruderbootes mit einer einzelnen Person darin aussah.
Froys Herz machte einen hastigen Satz, er tauchte wieder unter. Ob das wohl Nolan war? Ob sein Freund sich ein Boot besorgt hatte, um ihm damit entgegen zu kommen, damit er kein weiteres Mal in den Hafen schwimmen und sich somit in Gefahr begeben musste?
Ohne zu zögern schwamm Froy mit schnellen Flossenschlägen wieder raus auf das offene Meer, bis er über sich die dunkle Silhouette des Boots sehen konnte.
Vorsichtig, um es nicht durch eine heftige Welle umzukippen, bewegte er sich Richtung Oberfläche.
Der Meerjungmann musste nicht einmal auftauchen, um festzustellen, dass es Nolan war, der in dem Boot saß und das Lied über die Flying Dutchman sang.
Langsam, um ihn nicht zu unterbrechen, schob Froy den Kopf aus dem Wasser und legte die Hände an das Holz. Als er sich hoch stützte, wackelte das Boot etwas, Nolan drehte sich um.
Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, doch Nolan sang die Strophe erst zu Ende, bevor er sich zu ihm neigte.
Froy wollte die, Augen schließen, aber er konnte nicht. Er sah nur tief in Nolans blaue Augen und hielt ganz still, als sein Freund die Hand an seine Wange legte und auch, als ihre Lippen sich sanft, ganz zaghaft berührten.
„Du bist gekommen." Wisperte Nolan in den Kuss. Ohne sich von ihm zu lösen, nickte Froy und lehnte sich noch etwas näher zu ihm.
Erst jetzt, als sein Freund ihre Finger miteinander verschränkte, fiel die Anspannung von dem Meerjungmann ab.
„Ich habe ein Boot geklaut und bin dir ein bisschen entgegen gekommen, damit du nicht wieder verletzt wirst. Außerdem dachte ich, dass es vielleicht besser ist, wenn ich meine Sachen so transportiere. Das Wasser tut ihnen bestimmt nicht gut."
Froy lächelte und nickte, bevor er Nolans Unterarm griff, um darauf zu schreiben.
Was hast du alles dabei?
„Ach, dies und das. Ich habe ein paar Flaschen Wasser und Alkohol dabei und was zu essen, um einen leichteren Anfang auf deiner Insel zu haben. Du weißt schon, Muscheln esse ich nicht noch einmal. Außerdem habe ich ein paar Bücher dabei, ein paar Wechselklamotten und Werkzeug. Ich dachte, ich könnte mir auf der Insel ein kleines Häuschen bauen."
Froy nickte sanft und löste sich wieder von ihm, um das kleine Boot zu packen und mit kräftigen Bewegungen in Richtung der Insel zu befördern.
„Ich weiß nicht, ob ich jetzt wirklich alles dabei habe, was ich brauche, aber ich dachte mir, dass wir im Zweifelsfall ja auch nochmal etwas holen gehen könnten. Keine Angst, ich habe nicht vor, dich in Gefahr zu schicken. Ich dachte nur, dass du mich in die Nähe eines Hafens bringen könntest, wenn es ganz dringend wird, damit ich mir was holen kann."
Froy nickte erneut. Es rührte ihn, wie viele Gedanken Nolan sich um ihn gemacht hatte und immer noch machte. Es war schön, dass der Pirat solche Rücksicht auf ihn nahm, es machte ihm Hoffnung. Hoffnung, dass er gerade dabei war, das richtige zu tun.
„Und ich habe eine Packung Streichhölzer dabei. Du weißt ja bestimmt warum." Jetzt musste Froy aus vollstem Herzen grinsen. Ja, er erinnerte sich noch sehr gut an Nolans schier endlose Bemühungen, ein Feuer auf der Insel anzufachen. Aus einem unerklärlichen Grund nahm er sich jetzt doch die Zeit, etwas zu schreiben, obwohl es nur eine dumme Bemerkung war.
Ich hätte dir ja eine Packung Streichhölzer gesucht, aber ich bezweifle, dass die noch funktioniert hätten, wenn ich sie durch den Ozean gezogen hätte.
Nolans Lachen drang schallend durch die Luft, er war ausgelassen den Kopf in den Nacken. „Na vielen Dank auch. Davon kann ich mir ja wirklich sehr viel kaufen. Wo wir gerade dabei sind, dir habe ich natürlich auch was mitgebracht. Wenn wir an deiner Insel sind, dann bekommst du eine Nektarine. Hast du so etwas schon mal gegessen?"
Froy verdrehte die Augen, bevor er sich daran erinnerte, dass Nolan ja gar nicht wusste, dass er vor gar nicht allzu langer Zeit selbst ein Pirat und noch davor ein gut gebildeter Handelsmann gewesen war und vermutlich nicht nur eine bessere Bildung als Nolan genossen hatte, sondern auch mehr Obst kannte.
Aber jetzt hatten sie ja genug Zeit, um einander kennen zu lernen und genau diese Dinge übereinander zu erfahren.
~
Als die Sonne aufging, färbte das Meer sich rot. Froy beobachtete, wie Nolan kurz das Gesicht in die aufgehende Sonne drehte und tief ein atmete. Er ließ seinem Freund ein paar Momente der andächtigen Stille, bevor er seine Hand griff.
„Was ist?" Fragte Nolan leise. Er wirkte schläfrig. Froy musste ein kleines Lächeln unterdrücken und reckte sich mit gespitzten Lippen zu dem Menschen. Es war Zeit für einen weiteren Kuss.
Der Pirat sah erst nach ein paar Momente zu ihm, doch dann beugte er sich zu ihm runter und drückte ihm einen sanften Kuss auf den Mund. Froy schloss zufrieden die Augen, musste aber für sich selbst feststellen, dass es sich besser küsste, wenn Nolan bei ihm im Wasser war.
„Na? Bist du jetzt zufrieden?" Froy nickte, als Nolan sich löste und legte kurz den Kopf an das Holz des Bootes. Dann griff er Nolans Arm und schrieb ihm etwas auf die warme Haut.
Wenn du müde bist, dann kannst du ruhig etwas schlafen.
„Wann sind wir denn da?" Wollte Nolan leise wissen. Er gähnte. Der Meerjungmann zuckte mit den Schultern, bevor er zwei Finger hob.
„Das lohnt sich ja fast nicht." Brummte seine Freund, bevor er sich dann doch zusammenrollte und den Kopf auf seine Arme bettete. Froy wollte ihn zudecken, aber er hatte keine Decke. Deswegen sank er nur zurück ins Wasser und begann wieder das Boot vor sich herzuschieben.
~
Als Froy das kleine Boot ins seichte Wasser schob, stand die helle Sonne bereits hoch am Himmel. Er hatte sich etwas verschätzt, wäre ohne das Boot deutlich schneller gewesen.
Aber das machte nichts. Nolan schlief ohnehin noch und der Tag war lang genug, um ein erstes, behelfsmäßiges Lager zu bauen.
Der Meerjungmann war auch müde, doch er schob sich zuerst in den rauen Sand, um auch das, kleine Boot aus der Gefahrenzone zu ziehen.
Es wäre zwar nicht das schlimmste, wenn Nolan in dem Boot etwas abtrieb, aber wenn es vermeidbar war, dann sollte es auch vermieden werden.
Deswegen sicherte der Meerjungmann das Boot zumindest noch notdürftig mit zwei Steinen, bevor er sich in das seichte Wasser schob, den Kopf in den Sand legte und ebenfalls kurz die Augen schloss. Nur ein paar Minuten Ruhe.
~
„Froy?" Eine sanfte Berührung an seiner Schulter. „Hey, ich bin's." Eine warme Hand strich ihm die nassen Haare aus dem Gesicht und legte sich dann auf seine Schulter.
Der Meerjungmann musste unwillkürlich lächeln und schmiegte sich der Berührung entgegen.
„Na? Bist du auch wach?" Froy nickte langsam und rollte sich auf den Bauch, bevor er gähnte und sich streckte.
„Das ist sehr gut." Nolan sah glücklich aus, als der Meerjungmann ihn in die Arme schloss und zu sich ins Wasser zog. „Hoppla."
Der Pirat lachte, als sie gemeinsam ins Wasser rollten und klammerte sich an Froy, der ihn mit sich raus in das tiefe, kühle Wasser zog. „Was wird das hier?" Brachte er japsend hervor, als sie gemeinsam wieder auftauchten. Statt einer Antwort küsste Froy ihn überschwänglich.
„Hey." Murmelte Nolan leise und grub die Finger in die langen, nassen Haare des Meerjungmannes. Froy legte den Kopf an seine Schulter und schloss kurz die Augen, bevor er seinem Freund ein paar Buchstaben auf die Brust schrieb.
Willkommen Zuhause.
„Danke." Gab Nolan leise zurück und drückte ihm gleich noch einen Kuss auf die Wange. „Wie sieht es aus? Was steht für heute noch an?"
Nicht mehr viel. Du wirst dir wohl einen ersten Unterschlupf zurecht machen und vielleicht ein wenig die Insel erkunden, mehr ist nicht mehr drin.
„Und was machst du?" Froy presste seinen Körper fest an den seines Freundes und schlang wieder die Flosse um seine Beine, um beim Schreiben genug Halt zu haben und die Nähe zu seinem Freund nicht zu verlieren.
Ich kann dir dabei keine große Hilfe sein. Und ich habe auch noch eine Kleinigkeit zu tun. Heute Abend komme ich wieder, ja? Halt mir dann schon mal eine von deinen fremdartigen Früchten bereit.
Nolan lachte auf, doch noch bevor er antworten konnte, zog Froy ihn wieder mit sich unter Wasser. Dabei achtete er darauf, dass er nicht zu lange unter Wasser blieb, damit Nolan sich weiterhin wohlfühlte.
Im seichten Wasser tauchte er wieder auf, Nolan atmete gleich zweimal tief ein, bevor er sich langsam aus dem Griff des Meerjungmannes befreite und wieder an Land robbte.
„Was hast du denn noch zu erledigen?" Froy folgte ihm zutraulich ein Stück in den Sand, zog sich bis zur Hüfte aus dem Wasser. „Na los, sag schon."
Scheinbar schamlos zog Nolan sich das nasse Hemd aus und hängte es über einen Stein zum Trocknen. Froy senkte wieder einmal den Finger in den Sand und begann zu schreiben.
Ich muss mir auch noch einen Platz zum Schlafen suchen, das macht sich ja nicht von allein.
Nolan kam wieder und strich sich die nassen Haare aus der Stirn. Als er die Worte las, sah der Meerjungmann ihm interessiert ins Gesicht, doch der Mensch schien die kleine Lüge zu schlucken. Es tat Froy etwas Leid, doch er wusste, dass es besser so war. Nolan war noch nicht bereit für die Wahrheit.
„Das ergibt Sinn. Wie sieht es aus? Dann bist du jetzt wohl weg?" Froy nickte und schob sich ein Stück zurück ins Wasser, doch Nolans Blick ließ ihn erstarren. „Hast du nicht etwas vergessen?" Fragte der Pirat.
Der Meerjungmann zermatete sich das Gehirn, was sein Freund wohl meinen konnte, doch Nolan begann zu lachen. „Guck nicht so schockiert. Ich wollte nur noch einen Kuss zum Abschied haben."
Kurz hatte Froy eine spitze Bemerkung auf der nicht vorhandenen Zunge, doch er schrieb nichts in den Sand. Stattdessen zog er sich hastig wieder in den Sand, raus aus dem Wasser, und packte den Pirat an den nackten Schultern, um ihm einen stürmischen Kuss zu geben.
Noch bevor Nolan sein Gleichgewicht wieder fand und den Kuss erwidern konnte, löste er sich wieder von ihm und verschwand im Wasser.
Mit kräftigen Bewegungen der Flosse beförderte er sich in das tiefe Wasser und runter zum Grund, wo Nadja, Lynn und Em bereits auf ihn warteten.
Em strich sich durch die kurzen Haare und zog spöttisch die Augenbrauen hoch. „Ich dachte schon, du kommst nie wieder." Begrüßte sie ihn, während Nadja ihn sanft umarmte.
Froy legte ihr kurz den Kopf an die Schulter, bevor er sich Em zuwendete, die ihn immer noch kritisch beäugte.
Wie sieht es aus?
Schrieb er ihr auf den Oberarm, sie zuckte mit den Schultern. „Es ist alles ruhig. Ich habe mich mit ein paar Mädels aus meinem alten Clan getroffen, die haben zugestimmt, uns zu helfen. Sie sagen Bescheid, wenn sie etwas finden." Froy nickte zufrieden und sah zu Lynn, die ihm jetzt erst ihre Beachtung schenkte.
„Du weißt, dass ich deinen Plan kritisch sehe." Der Meerjungmann nickte und sie verengte die Augen etwas. „Willst du nicht fragen, ob ich mich trotzdem auf die Suche gemacht habe?" Mit einer kleinen Bewegung schwamm Froy zu ihr und griff ihren Unterarm.
Nein, ich weiß ja, dass du unterwegs warst. Wie sieht es aus?
Sie seufzte und schüttelte den Kopf. „Ich habe ein paar Seemänner gelöchert, aber es war nichts zu erfahren. Offensichtlich ist man immer noch auf der Suche nach deinem Menschen."
Ihre spitze, zugleich doppeldeutige Bemerkung ließ Froy kalt, er wendete sich wieder Nadja zu. Sie begann zu reden, noch bevor er fragen konnte.
„Nichts. Ich habe rein gar nichts gefunden. So wie es aussieht, hat Lynn recht. Wir müssen zu Plan b übergehen." Froy war damit nicht wirklich einverstanden, aber das sagte er nicht. Es war auch nicht nötig.
Erstmal muss Nolan damit einverstanden sein.
Er schrieb ihr die Worte auf den Arm, Nadja sprach sie sofort für die anderen beiden aus. Es gab keine wirkliche Antwort, Lynn nickte kurz und Em wendete den Blick ab. Froy wusste, dass Nolan nicht mit dem Plan einverstanden sein würde. Zu Recht, der Plan war Wahnsinn.
„Wie sieht es aus?" Em durchbrach die Stimme. Sie wirkte ungeduldig. „Wann setzen wir deinen tollen Plan in Tat um?" Der Meerjungmann schwieg und sah betreten nach unten. Lynn verstand sofort, was Sache war.
„Du hast deinem kleinen Freund noch nicht einmal erzählt, was du mit ihm vor hast? Wir machen uns hier wahnsinnig und wissen letztlich nicht einmal, ob er den ganzen vielleicht zustimmt?"
Er nickte. Nadja fasste ihn sanft am Arm und zog ihn zu sich. „Das holst du noch nach, oder? Wann wirst du es ihm erzählen?"
Ich wollte ihn jetzt erst einmal ein paar Tage ankommen lassen.
Gestand Froy mit kleinen Buchstaben auf ihrem Arm. Nadja strich ihm sanft über die Haare. „Schon in Ordnung. Du wirst es ihm heute Abend sagen. Dann habt ihr immer noch mehrere Tage, wenn nicht Wochen Zeit, in denen er sich vorbereiten und dabei ankommen kann. Du musst es ihm trotzdem jetzt schon sagen. Wenn er nicht zustimmt, dann solltest du zusehen, dass du ihn auf eine andere Insel bekommst, bevor Esther das erfährt. Sie würde rasen."
~
„Hallo." Nolan winkte begeistert, als Froy den Kopf aus dem Wasser erhob. Er erwiderte den Gruß nicht, kam aber in das seichte Wasser geschwommen und zog sich aus dem Wasser in den Sand.
„Na du?" Der Pirat wollte ihn zur Begrüßung küssen, doch Froy wendete den Kopf ab. Er fühlte sich nicht nach Küssen. Bei dem, was er Nolan zu erzählen hatte, hätte sich wohl keiner danach gefühlt.
„Was ist los?" Nolan setzte sich in den Sand, so dass seine Füße in das salzige Wasser hingen. Froy schüttelte nur den Kopf und strich dem Menschen über den Schenkel, bevor er ein paar Worte in den Sand malte.
Erzähl mir von deinem Tag.
„Von meinem Tag?" Der Blonde lachte kurz auf. „Naja, ich habe nicht viel gemacht. Ich bin heute hier am Strand geblieben und habe mich noch nicht in deinen Urwald getraut. Aber ich habe mir zumindest einen kleinen Unterschlupf gebaut."
Nolan wies auf zwei große Steine, zwischen denen er ein Tuch gespannt hatte.
„Ich denke, morgen gucke ich mir mal den Wald an. Dann kann ich mir vielleicht auch ein richtiges Hüttchen bauen. Und? Wie war dein Tag so?"
Froy zuckte erneut mit den Schultern und strich sich eine Strähne der langen Haare hinters Ohr, bevor er sich nach vorne beugte und neue Worte in den Sand schrieb.
Ich muss dich was fragen.
Nolan legte den Kopf schief und runzelte die Stirn. „Hau raus." Aber der Meerjungmann zögerte noch einige Momente, bevor er dann doch begann zu schreiben.
Ich weiß, dass wir eigentlich nicht zusammen sein dürfen.
Kurz hielt er inne, doch von Nolan kam kein Einspruch. Dann waren sie jetzt also zusammen, das war eine beschlossene Sache und Froy würde das auch jedem so sagen, der fragte. Aber jetzt wischte er erst einmal den Sand mit dem Unterarm glatt, bevor er etwas neues schrieb.
Und ich weiß auch, dass das mit uns beiden verdammt schwierig ist und vermutlich auch in Zukunft sein wird.
Wieder kam von Nolan kein Einspruch, als Froy den Sand wieder glatt zog. Also hatte der Pirat offenbar von Anfang an gewusst, welches Risiko er hier einging, als er ihm auf die Insel gefolgt war. Das erleichterte ihn, aber es konnte das Zittern seiner Finger nicht mindern, als er weiter schrieb.
Aber ich glaube, ich habe eine Lösung für viele unserer Probleme gefunden.
Erst recht für das Problem, dass Froy sich nicht vollständig von seinem Clan lossagen wollte. Aber das sagte er nicht, sondern sah hoch in Nolans blaue Augen.
„Na los, sag schon." Drängte der Pirat mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen. Froy biss sich auf die Unterlippe und schrieb genau neun Worte und zwei Satzzeichen in den Sand.
Hast du Bock, die Ewigkeit mit mir zu verbringen?
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