2. Eine Reise steht bevor
Greifswald, Mecklenburg-Vorpommern
zwei Wochen später
Tobias stieg die letzten Stufen hoch und ging nach rechts zu der ihm vertrauten Wohnungstür. Er stellte die Einkaufstüte ab und fummelte seinen Schlüssel heraus. Zwar war Anne zu Hause, doch musste sie ihm nicht extra die Tür aufmachen. Fand zumindest Tobias.
Er ließ den Schlüssel einrasten und schloss auf. Dabei stach ihm das selbstgebastelte Türschild ins Auge, das er und Anne an der Tür angebracht hatten. Mit verschnörkelten Buchstaben standen dort die Namen "Simmrow" und "Mollner" auf einem grünlich-weißen Untergrund nebeneinander - lediglich getrennt durch einen Querstrich.
Tobias schmunzelte, öffnete die Tür einen Spalt, nahm die Tüte wieder auf und trat in den kleinen Flur.
Vom Nebenzimmer hörte er ein Geräusch. Gleich darauf stand auch schon Anne im Flur. "Na, hast alles bekommen?", fragte sie ihn anlächelnd.
"Türlich", meinte Tobias selbstsicher, während er mit dem linken Fuß seinen rechten Schuh abstreifte. "Was denkst du denn."
Anne grinste nur und einen Moment später brachte sie mit Tobias zusammen die voll bepackte Einkaufstüte in die Küche.
Gleich darauf standen sie auch schon nebeneinander an der Arbeitsplatte. Tobias packte die Sachen aus der Papiertüte aus und stellte sie auf die Anrichte, Anne ergriff die Sachen und räumte sie weg.
Tobias holte gerade zwei in Plastikschalen eingeschweißte Salate aus der Tüte. "Guck mal, die gabs auch endlich mal wieder", meinte er und zeigte Anne die Salatpackungen.
"Uui - klasse!", freute sich Anne, grapschte Tobias sogleich die Packungen aus der Hand und betrachtete freudig ihre Beute. "Dass sie die solange nicht hatten...", wunderte sich Anne.
"Vielleicht mussten sie für die Zutaten bis nach Silent Hill...", schmunzelte Tobias.
Anne erstarrte und knallte plötzlich die Salate auf die Anrichte. Erregt drehte sie sich zu ihm um. "Was soll das, Tobi", ereiferte sie sich. "Findest du das etwa witzig?!"
Tobias schluckte und bemerkte selbst, wie unpassend der Kommentar war. Sofort schloss er die Distanz zu Anne und fasste sie an der Schulter. "Hey - entschuldige. Das war nicht so gemeint." Er streichelte seine Freundin an der Seite und sah sie reumütig an.
Anne zog einen Mund schief und guckte leicht böse. Doch Tobias sah ihr an, dass sie in Wirklichkeit eher nervös war. "Ausgerechnet heute kommst du mit so einem Kommentar um die Ecke" grummelte sie, "wo ich diesen Traum hatte."
Tobias blinzelte unwissend. "Was - wieso - was für einen Traum denn?!"
Anne senkte den Blick und überlegte, ob sie es überhaupt erwähnen sollte. "Ach nichts, ich hatte heute Nacht nur schlecht geträumt", sagte sie leise mit gesenktem Kopf. "Von diesem Pyramidenkopf..."
Tobias seufzte wissend und umarmte Anne sofort. "Ach nee - das ist ja schrecklich", tröstete er sie. "Warum hast du mir das nicht gleich erzählt?"
Anne löste sich von ihm, suchte den Blickkontakt und zuckte dann mit den Achseln. "Wollte dich nicht volljammern", erklärte sie. "Ist wahrscheinlich alles nur wegen der Reise."
Tobias nickte. "Ja - ich weiß, was du meinst", sagte er und schaute ernst. "Ich musste in letzter Zeit auch öfter dran denken." Er zog sie wieder an sich und umarmte sie fest. "Vermutlich ist mir das deshalb rausgerutscht", hauchte er ihr durch die Haare ins Ohr. "Tut mir leid."
Anne schaute immer noch missmutig und nickte ein wenig an seiner Schulter. Auch wenn es keiner ausgesprochen hatte, waren bei Beiden die Gedanken sofort nach Silent Hill gegangen, als sie vor einigen Monaten die Reise nach Amerika gebucht hatten. Und je näher die Abreise kam, umso mehr schlichen sich hin und wieder Gedanken an den unheimlichen Ort in ihre Köpfe...
Als sie sich wieder voneinander lösten, suchte Tobias Annes Blick und hielt sie an beiden Schultern fest. "Aber ich glaube, wenn wir erst da sind, wird es uns viel besser gehen", meinte er und sah sie selbstsicher an. "Bei dem Kontrastprogramm...", fügte er schmunzelnd hinzu.
Das ließ auch Anne ein Lächeln entlocken. "Da hast du Recht", meinte sie etwas fröhlicher, "zwei Wochen Big Apple... und wir beide mittendrin." Ihre grünen Augen strahlten wieder ein wenig.
Tobias hielt sie immer noch fest und nickte. "Das wird was", grinste er und schaute vielsagend.
Die Freude an die Reise kehrte zurück. Beide hatten sich im Vorfeld sehr mit New York beschäftigt und dann gemeinsam besprochen, was sie alles anschauen wollten. Sie würden viel unterwegs sein - vor allem auch mit der U-Bahn. Vom Großstadttrubel um sie herum ganz zu schweigen.
Tobias schmunzelte wissend. "Wir werden wahrscheinlich abends immer völlig kaputt sein, wenn wir ins Hostel zurückkommen."
Anne zog eine Augenbraue hoch. "Aber hoffentlich nicht zu kaputt...", erwiderte sie mit einem gewissen Lächeln. "Nicht, dass du dich immer rausreden willst..."
Ihr Freund schloss wieder die Distanz zwischen ihren Körpern und bewegte Anne rückwärts an den Kühlschrank heran. "Was soll denn das heißen...", fragte er amüsiert und küsste sie fordernd.
Anne ließ sich rückwärts an den Kühlschrank randrücken, genoss den Kuss, den sie sogleich leidenschaftlich erwiderte. Dabei spürte sie, wie Tobi's Hände gierig an ihrem Körper entlangfuhren.
Tobias löste sich und grinste Anne lüstern an. "Noch haben wir hier ein paar Tage", säuselte er amüsiert, "wir können uns ja vorab noch ein wenig verausgaben..."
Anne drückte ihn mit einer Hand an seinem Po wieder eng an heran und meinte grinsend: "Kannste haben..."
Dann stürzten sich beide in einen leidenschaftlichen Kuss, in dem sie sich verloren...
___
Eine ganze Weile später saßen Anne und Tobias leicht bekleidet am Esstisch in der Küche. Eigentlich wollten sie amerikanisch kochen - als Einstimmung auf ihren Ausflug - doch da es bereits Mittag war, dauerte ihnen das jetzt zu lange. So aßen sie die eingepackten Salate, die Tobias mitgebracht hatte.
Anne ließ gerade einen Happen davon im Munde zergehen und nickte dabei wohlwollend. "Hhm - die sind WIRKLICH gut", stellte sie lobend fest. Tobias nickte nur zufrieden.
"Essen gibt's dann heut Abend", meinte Anne kauend und zeigte kurz auf die Anrichte, wo die eingekauften Sachen für die amerikanischen Hackfleischburger standen.
"Klar", meinte Tobias, "dann haben wir mehr Zeit."
Anne nickte. Wie jede Woche, musste sie heute Nachmittag noch zu einem Treffen in den Mensa-Club. Deswegen blieb für gemeinsames Kochen auch keine Zeit mehr. Aber heut Abend hatten sie beide Freizeit.
Sie aßen in aller Seelenruhe auf und tranken Limonade dazu. Als die Salate alle waren, schenkten sich beide noch ein Glas Cola ein und saßen noch gemütlich am Esstisch beisammen. Tobias suchte mit seiner Hand die von Anne und streichelte sie. Er warf ihr einen verliebten Blick zu und meinte: "Nur noch 5 Tage, dann geht der Flieger."
Anne trank aus, lächelte und erwiderte: "Kaum zu glauben, oder? Endlich!" Sie hielt seine Hand ebenfalls fest, streichelte sie zurück und warf ihm einen Kussmund zu. Beide freuten sich auf die bevorstehende Zeit. Bis zum Schluss hatten sie noch irgendwelche Prüfungen gehabt, doch nun war alles wie geplant geschafft - auch wenn es nicht immer einfach war. Für Tobias würde es erst im Herbst weitergehen mit den Prüfungen zum Staatsexamen und Anne hatte das ganze kommende Semester Zeit für ihre Abschlussarbeit. Durch den ganzen Stress zuletzt hatten sie gar nicht bemerkt, wie nahe die Reise herangekommen war. Jetzt fühlte es sich einfach nur gut an.
Verträumt saßen sie noch eine Weile so da, genossen den Augenblick. Irgendwann meinte Anne, dass sie so langsam mal los müsste zum Treffen. Tobias begleitete sie noch in den Flur. Da Anne ihre Schuhe aber mal wieder vor der Tür gelassen hatte, unterhielten sie sich bei geöffneter Wohnungstür noch halb im Hausflur. Während Anne sich ihre Schuhe anzog, fragte sie Tobias, was er denn so Schönes machen wollte in den nächsten zwei, drei Stunden.
Daraufhin streckte sich Tobias und meinte: "Ich werd' mich erstmal ne Runde hinlegen. War ja gestern doch ganz schön spät geworden."
Anne nickte mitfühlend. Seit letztem Semester half Tobias in einem Restaurant aus, damit sie beide besser über die Runden kamen. An manchen Tagen musste er dabei auch bis spät abends kellnern - so auch gestern.
"Na dann ruh dich mal gut aus, mein Schlafi", sagte Anne zur Verabschiedung, trat grinsend an ihn heran und küsste ihn einmal kurz auf den Mund.
"Sehr witzig", meinte Tobias trocken daraufhin. "Und du trink nicht soviel bei eurem Treffen."
Anne, die schon halb auf der Treppe stand, blieb stehen, stemmte eine Hand in die Hüfte und hielt den Kopf schief. "Als wenn wir am Nachmittag dort was trinken", gab sie gespielt empört von sich.
Tobias grinste. "Was soll man sonst im Mensa-Club machen", witzelte er.
Anne winkte übertrieben schmollend mit der Hand ab und ging die Flurtreppe hinunter.
Schmunzelnd machte Tobias die Wohnungstür zu, drehte sich um und wanderte in das Schlafzimmer. 'Zeit für ein bisschen Bu-Bu...', dachte er.
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