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6 | Ein Hauch von Himmelblau

~ Die Zeit heilt nicht alle Wunden. Sie lehrt uns nur, mit dem Unbegreiflichen zu leben. ~

»Hallo, meine Engel.«

Heute stehe ich zum ersten Mal seit der Beerdigung an ihrem Grab. In mir brodelt eine Vielzahl von Emotionen, allen voran Scham.

Scham darüber, dass ich so lange zu schwach war, um ihnen die Ehre eines Besuchs zu erweisen. Scham darüber, dass ich die letzten sechs Jahre damit verbracht habe, mein Leben in kleinen Schritten wieder zu genießen, ohne mir Vorwürfe zu machen. Und darüber, dass ich mir erlaubt habe, gleichzeitig Trauer und Freude zu empfinden.

»Meinst du, sie können uns wirklich hören?«

Ich schaue zu ihr hinüber, während sie meine Hand hält und den Grabstein betrachtet. Langsam dreht sie ihren Kopf zu mir und wartet auf meine Antwort. Als ich nicke, breitet sich ein kleines Lächeln auf ihrem Gesicht aus.

Inzwischen habe ich ihr und ihrem Bruder schon oft von Eva und Milan erzählt und sie hören immer gespannt zu. Besonders fasziniert sind sie von den Geschichten über Opa Leonhard – wie mutig und stark er gewesen ist, wie selbstlos. Er konnte alles schaffen und reparieren. Gerade Leo hängt an unseren Lippen und ist stolz darauf, nach ihm benannt worden zu sein.

Lisa erzählt ihren Kindern zudem immer wieder, dass unsere geliebten Menschen nie ganz verschwinden. Sie leben in uns weiter und können uns hören.

Lange Zeit wollte ich diese Worte nicht akzeptieren, aber irgendwie hat sie recht. Eva und Milan waren mir vor allem dann fern, als ich mich geweigert habe, meine Erinnerungen mit anderen zu teilen. Jetzt jedoch fühle ich mich ihnen nah, wenn ich den Kindern meiner Schwester von den Eigenheiten ihrer Tante erzähle oder von der besonderen Art, wie Milan die Welt betrachtet hat. Es bereitet mir Freude, von ihnen zu berichten; es macht mich glücklich zu wissen, dass ich nicht mehr vor einem Tabu stehe und offen darüber sprechen kann – auch über die Trauer, die man empfindet, wenn geliebte Menschen einen verlassen.

Immer wieder bin ich erstaunt darüber, wie gut Lia und Leo mit diesen Themen umgehen. Lia stellt oft gezielte Fragen, die ich nie erwartet hätte. Sie möchte genau wissen, wie sich der Schmerz anfühlt und wo er entsteht.

Manchmal setzt sie sich auch einfach neben mich und kuschelt sich an mich, wenn es mir schlecht geht. Ihre Gesten haben mein Herz so sehr berührt, dass ich schließlich beschlossen habe, diesen Weg anzutreten.

Plötzlich lässt meine Nichte mich los und kniet sich vor das Grab. Vorsichtig schiebt sie das Laub vom Stein beiseite, faltet die Hände und flüstert leise. Der Wind trägt ihre Worte davon, sodass ich sie nicht richtig verstehen kann, aber das ist in Ordnung. Wenn sie wollte, dass ich sie höre, würde sie lauter sprechen.

Nach einer Weile steht sie auf und lächelt mich an. »Du bist dran, Onkel Lu«, sagt sie. Obwohl sie meinen Namen problemlos aussprechen kann, nennt sie mich immer noch so.

»Und was soll ich sagen?«

»Alles, was du willst.« Ihre grünen Augen strahlen mir entgegen – Mamas Augen, Milans Augen.

»Und wenn ich nichts Nettes zu sagen habe?«, versuche ich, meine Nervosität mit einem kleinen Scherz zu überspielen.

Doch sie zuckt nur mit den Schultern und schaut wieder zum Stein. »Dann auch das.« Überrascht betrachte ich ihr Profil. Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet, doch schon spricht sie weiter: »Ich bin auch sauer auf die beiden.«

»Wieso denn?«, frage ich neugierig.

»Weil sie dich traurig gemacht haben.«

Perplex blinzle ich einige Male und atme tief ein und aus. Wie reagiert man auf eine solche Aussage von einer Zwölfjährigen?

»Aber dafür können sie ja nichts«, sage ich schließlich und streichle ihr sanft über den Kopf.

Doch sie zuckt erneut mit den Schultern. »Ich auch nicht, Onkel Lu. Sauer bin ich trotzdem.«

Wieder einmal bin ich erstaunt über ihre Sichtweise auf die Welt; sie klingt weiser als viele Erwachsene. Meine Schwester hat ihre Kinder wirklich wundervoll erzogen – und das ganz ohne Ehemann.

»Aber weißt du, ich bin auch glücklich«, flüstert Lia plötzlich, während Tränen über ihre Wangen laufen und sie sich von mir abwendet. Hastig wischt sie mit dem Ärmel ihres Mantels über ihr Gesicht.

Ich hocke mich vor sie und schaue ihr ins Gesicht, doch ihr Blick bleibt eisern auf den Boden gerichtet.

»Wenn du glücklich bist, warum weinst du dann?«, frage ich besorgt.

»Weil ...«, schnieft sie und schüttelt den Kopf. »Weil ... ich auch glücklich bin, dass sie nicht mehr da sind.«

Geschockt entweicht mir ein Atemzug, während weitere dicke Tränen über ihre Wangen rollen. Ihre Worte treffen mich so heftig, dass ich eine Weile brauche, um eine Antwort zu finden. »Und warum?«

Lia reibt sich über die Wangen und sieht mich schließlich an. Ihr Blick ist wütend, vielleicht sogar trotzig, und für einen kurzen Augenblick zieht sie eine Schnute. Ich erkenne, dass sie es eigentlich nicht aussprechen möchte, besonders als sie nervös auf ihrer Lippe kaut – diesen Tick hat sie eindeutig von ihrer Mutter geerbt.

»Lia ...«, sage ich sanft und kann mir ein Lächeln nicht verkneifen, als sie mit dem Fuß aufstampft. Manchmal merkt man ihr eben doch an, dass sie noch ein Kind ist.

»Ich bin nicht dumm.« Diese lauten Worte schießen aus ihr heraus und hallen über den leeren Friedhof. »Mir ist schon klar, dass das nicht nett ist.«

»Ich verurteile dich doch gar nicht dafür.«

»Aber du siehst mich so an!«

Langsam strecke ich meine Hand aus, greife nach ihrer und drücke sie sanft. Es war sicher nicht einfach für sie, ihre Gedanken mit mir zu teilen, und ich habe völlig falsch reagiert. »Ich will es einfach nur verstehen. Bitte sag mir, warum du so fühlst.«

Es ist wichtig, mit Kindern über ihre Gefühle zu sprechen. Lisa hat mir diesen Satz immer wieder eingebläut, aber ich habe viel zu lange gebraucht, um ihn wirklich zu verinnerlichen.

Lias Blick wandert erneut zum Grab. Ein kurzer Ausdruck von Scham huscht über ihr Gesicht – ein Gefühl, das ich nur zu gut kenne. Dann schaut sie wieder zu mir. »Mama sagt, man spricht nicht schlecht über Tote.« Ich nicke und warte; mehr kann ich gerade nicht tun. »Aber sie sagt auch, dass du nicht immer glücklich warst, als Tante Eva und Milan noch lebten.«

Wieder nicke ich, überrascht darüber, dass meine Schwester ihrer Tochter so etwas erzählt. Schließlich ist es normal: Niemand ist in einer Beziehung immer nur glücklich. Man wächst an den Herausforderungen oder scheitert daran.

»Mein Papa interessiert sich nicht für uns.«

Verwirrt über den plötzlichen Themenwechsel runzele ich die Stirn. »Das weißt du doch nicht genau«, murmele ich, obwohl ich insgeheim ihre Meinung teile. Dennoch möchte ich nicht zu viel dazu sagen; über Benjamin kann ich einfach nicht gut sprechen. Er weiß nicht, was er verpasst – wie unglaublich seine Kinder sind.

»Doch! Weil ich ihm Briefe geschrieben habe.«

»Moment mal, was?«

»Ich habe in Mamas Notizbuch seine Adresse gefunden und ihm geschrieben – mehrmals! Aber er hat nie geantwortet.«

»Das ist ...« Wieder fehlen mir die Worte für das, was sie mir erzählt. Ich war oft sprachlos, aber heute ...

»Ich war sauer und wollte von Mama wissen, warum wir nicht bei ihm sind. Warum er nicht antwortet. Warum hat er mich nicht lieb?« Meine Nichte kämpft erneut mit den Tränen und wischt sie hastig mit dem Handrücken weg. Ihre Augen funkeln wütend und ich bin stumm vor Betroffenheit.

Wie erklärt man einem Kind, dass das Leben nicht immer so verläuft, wie man es sich wünscht und dass man lernen muss, damit umzugehen? Ich selbst bin wohl das schlechteste Beispiel dafür. Der Unfall liegt nun fast dreizehn Jahre zurück, und heute stehe ich zum ersten Mal seitdem am Grab.

»Ich glaube nicht, dass er dich nicht lieb hat, Mäuschen. Vermutlich weiß er einfach nicht ...«

»Das ist mir egal.« Sie bläst ihre Wangen auf und lässt die Luft geräuschvoll entweichen.

Scheinbar finde ich heute keine guten Antworten. Langsam richte ich meinen Blick auf den Grabstein. Die Gravuren sind noch gut zu erkennen, doch an einigen Stellen hat sich Moos gebildet, weil er nicht ausreichend gepflegt worden ist. Ich sollte ihnen wirklich mehr Respekt zollen.

»Weißt du ...«, sage ich nach einer Weile und streiche behutsam über den Stein. »Es gibt viele andere Menschen, die dich lieben und denen du wichtig bist.« Ich hebe den Kopf und sehe meine Nichte an, die unsicher lächelt.

»Und deshalb bin ich glücklich.« Lia zieht ihren Schal enger um den Hals, als sollte er sie beschützen. »Weil Milan nicht mehr da ist, habe ich einen Papa, der mich wirklich liebt.«

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