Kapitel 72 ~ Blutige Abrechnung
- Hinata -
"Ich glaube, ich halluziniere!"
"So ein Quatsch. Wenn hier jemand halluziniert, dann ja wohl ich", redet Yuki auf mich ein.
Darauf sage ich nichts mehr, denn sie hat Recht. Es gibt kaum jemanden, der so eigenartig gestört ist wie meine Zwillingsschwester.
"Komm, lass uns jetzt wirklich nach den anderen sehen. Sonst haben wir Josi ganz umsonst bei den Spaten gelassen."
Ich grinse. Spaten. Genau das sind sie. So viele sehen die Bangtan Boys als ihre Idole. Sie sollen Vorbilder sein und setzen Trends. Aber die Jungs sind gerade mal so alt wie wir. Sie sind nicht anders, davon abgesehen, dass sie jeder kennt. Sie sind berühmt, ja. Aber macht das sie denn zu anderen Menschen?
Früher oder später wahrscheinlich schon. Sie sind noch viel zu jung, um zu erkennen, was richtig und was falsch ist. Sie wachsen mit der Gewissheit auf, dass jeder sie liebt und dass sie etwas besseres sind. Das wird sie irgendwann zerstören. Bis sie nicht mehr die Menschen sind, die ich kennen und lieben gelernt habe.
"Du hast Recht. Mal sehen, was die drei so getrieben haben."
"Wahrscheinlich nicht viel. Immerhin ist der einzige Junge aus der Truppe schwul wie ein Pinguin." Verstört sehe ich Yuki an.
"Wusstest du nicht, dass Pinguine schwul sein können? Banause."
Kopfschüttelnd gehe ich weiter die Straße entlang. Ich ignoriere das Rätsel um Yoo-gun ebenso wie die schrägen Blicke, die uns wegen unserer blauen Haare zugeworfen werden.
Um zu Sewons Haus zu kommen, müssen wir bei Nam-gi vorbei. Zähneknirschend biege ich um die Ecke. Ich wollte den alten Mistkerl eigentlich nie wieder sehen. Aber es hilft ja nichts.
Schon bevor ich einen Fuß auf die Straße setzen kann, in der Nam-gis Haus steht, höre ich die Geräusche: Gedämpftes Rufen und Kreischen. Zögernd blickt Yuki mich an. Sie hat es auch gehört. Es kommt vom Ende der Straße.
Zeitgleich rennen mein Zwilling und ich auf das letzte heruntergekommene Haus der Straße zu - Nam-gis Laden.
Davor haben sich schon ein paar Gaffer versammelt, welche grinsend auf die Personen am Boden herabsehen, die in eine brutale Schlägerei verwickelt sind.
Wir schieben uns durch die Menschen, unter denen auch Yunai und Ye-seo sind. Im Gegensatz zu den Schaulustigen sehen sie aber eher verzweifelt aus.
"Was ist hier los?", frage ich verwirrt. Erst jetzt bemerken die Mädels uns.
"Sewon! Er bringt ihn um!" Panik schwingt in Ye-seos Stimme mit.
Wen bringt Sewon um? Ich verstehe gar nichts mehr.
Nun erkenne ich den Jungen, welcher scheinbar in blinder Wut auf einen anderen Jungen einschlägt, der blutend am Boden liegt.
"Sewon, du kranker Bastard, hör auf!", schreit Yunai den Tränen nah und versucht vergeblich ihn von dem Schmächtigeren zu ziehen. Als ich näher hinsehe, erkenne ich mit Schrecken, dass es Kibum ist, welcher sich im Dreck windet. Was macht der Idiot denn hier?
Doch damit ist der ungemütlichen Bekanntschaften nicht genug. Auf einmal tritt ein Mann aus der immer größer werdenden Menschenmenge, schubst erst Yunai unachtsam zur Seite, zieht Sewon von Kibum und schiebt den am Boden liegenden mit dem Fuß ein Stück beiseite. Nam-gi.
Yuki neben mir hält sich verängstigt die Hände vor die Augen. "Hinata, mach doch was!", fleht sie mich an. Doch ich kann nur daneben stehen und zusehen, wie Nam-gi unseren Freund an eine Hauswand drückt und ihm anknurrt: "Auf diesen Tag habe ich lange gewartet. Die Polizei ist schon informiert. Jetzt wirst du dafür bezahlen, dass du erst mich wegen Ye-seo", er spuckt den Namen seiner Adoptivtochter aus wie Dreck, "und dann ihn zusammengeschlagen hast. Du scheiß Schwuchtel."
"Ich habe nur meinen Cousin verteidigt", zischt Sewon mit zusammengebissenen Zähnen.
"Tja, das wird dir nur leider niemand von der Polizei glauben", lacht Nam-gi heiser, und ruft über seine Schulter den Gaffern zu: "Verzieht euch!"
Murrend ziehen sie alle ab. Dass wir Mädchen noch wie versteinert dastehen, scheinen sie beide nicht zu bemerken.
"Siehst du", grinst er. "Keine Zeugen, wie bedauerlich."
Mit vor Zorn blitzenden Augen spuckt Sewon ihm ins Gesicht. Mein Herz setzt einen Moment lang aus, als Nam-gi blitzschnell mit geballter Faust ausholt und ihm einen Schlag in die Magengrube verpasst. Stöhnend sackt Sewon ein Stück in sich zusammen, erwidert aber noch immer Nam-gis bohrenden Blick mit vor Schmerzen verzogenem Gesicht.
Auf einmal ertönen Sirenen hinter uns. Zwei Polizeiautos biegen mit quietschenden Reifen um die Ecke. Nam-gis Grinsen vertieft sich. "Abrechnung", zischt er und lacht wieder heiser.
Den sich wehrenden Sewon am Kragen gepackt dreht er sich um und wankt den drei Polizisten entgegen, welche aus ihren Wagen auf uns zu springen. Erst jetzt entdeckt er Yuki, Yunai, Ye-seo und mich.
Sein Ausdruck verdüstert sich.
"Verschwindet, Gören!"
"Wir denken nicht einmal daran!", bringt Ye-seo wütend heraus und hilft Yunai beim Aufstehen, welche immer noch am Boden liegt. "Wir sind Zeugen und können gegen Kibum und dich aussagen!"
Nam-gi will etwas erwidern, doch da sind die Polizisten schon da. Einer legt Sewon Handschellen an, welcher sich mittlerweile nicht mehr wehrt, der zweite übernimmt Kibum. Die beiden werden in eins der Autos gezerrt.
Der dritte Polizist geht auf Nam-gi zu und fragt sachlich: "Sie waren dabei? Dann sollten Sie mit aufs Revier kommen um aussagen zu können."
"Ich habe auch alles gesehen!", mischt sich Ye-seo ein. "Ich auch", pflichtet Yunai ihr bei. Der Officer mustert die beiden und nickt. Derweil liefern Nam-gi und Ye-seo sich ein gefährliches Blickduell.
"Steigen Sie bitte in das Auto, wir fahren zurück ins Revier", weist der Polizist unsere beiden Freundinnen und Nam-gi an. Sie nicken und während Ye-seo und ihr Adoptivvater in Richtung des Wagens davongehen, dreht sich Yunai zu uns.
"Sewon ist nicht alleinschuldig", erklärt sie schnell. "Er wollte seinen kleinen Cousin beschützen, welcher von Kibum einige Schläge kassiert hat und ist komplett ausgerastet. Dieser Cousin, Shinji, ist um die nächste Ecke geflüchtet, als Sewon Kibum übernommen hat. Sucht ihn bitte."
Mit diesen Worten dreht sie sich um und rennt zu den Polizeiautos, welche schon im Begriff sind, davonzufahren.
~~~
-Joiy/ Mie
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro