Kapitel 63 ~ Karaokebar
- Hinata -
Zu dritt sind wir auf dem Weg zu dem kleinen Uhrengeschäft, in welchem mein Kompass repariert wurde. Als ich Vater erklärte, was es mit dem ja nahezu schon Relikt auf sich hat, schien er eine Eingebung zu haben. Er schickte uns beinahe augenblicklich los, um den alten Uhrenmacher nach mehr Informationen zu Anyu zu befragen.
Josi, Yuki und ich stehen vor dem versteckten Eingang des Geschäfts. Erstaunt sehen die beiden sich um, während ich lächelnd eintrete. Die goldenen Glöckchen erklingen. Yoo-gun steht mit seiner eigenartigen Brille hinter dem antik wirkenden Tresen und sieht mich an, als hätte er uns schon erwartet - etwas, was ich nicht ausschließe. Der Mann ist unberechenbar.
Ich halte ihm vorsichtig den Kompass entgegen. Er hat eine geheimnisvolle Ausstrahlung, die mich dazu bringt ihm mit äußerster Vorsicht entgegen zu treten. Yoo-gun sieht mich wissend und gleichzeitig fragend an. Bis eben wusste ich nicht mal, dass das geht.
"Was wissen Sie über den Kompass und Anyu? Können Sie mir helfen?"
Ein verschmitztes Lächeln huscht über sein von Falten zerfurchtest, aber keineswegs veruntstaltetes Gesicht.
"Sicher kann ich Ihnen helfen. Ich weiß nicht viel über Anyu, außer dass er Seefahrer war, mitunter auch Freibeuter. Und natürlich, dass er seine Tochter zu ihrem eigenen Schutz zusammen mit diesem kostbaren Kompass zu Freunden gegeben hat. So konnte sie ohne Furcht aufwachsen."
Die Erkenntnis scheint auf meinem Gesicht aufzuleuchten, denn der alte Mann nickt und stützt sich ächzend auf seinem Tresen ab, als er um diesen herum kommt.
Wenn ich etwas über Anyus Familie herausfinden wollte, musste ich bei seiner Tochter weiterforschen.
"Ich kann Ihnen nicht viel mehr über sie sagen als das, was Sie schon wissen. Aber ich habe hier etwas für Sie, das Ihnen weiterhelfen könnte."
Lächelnd geht er auf eines seiner Bücherregale zu und zieht gezielt ein sehr altes, kleines Buch hervor, das in Leinen gebunden ist. Er übergibt es mir mit ruhigen Händen und klopft mir einmal auf die Schulter, wobei er nach oben schauen muss, um mich ansehen zu können. Dann verschwindet er wieder hinter dem Tresen aus Eichenholz.
Erstaunt sehe ich das Büchlein in meinen Händen an. Es fällt beinahe auseinander und hat diesen typischen Geruch, den alte Bücher so an sich haben.
"Es ist das Tagebuch von Anyus Tochter, das ihre Nachfahren nach ihr weitergeführt haben. Wenn Sie wissen wollen, was mit ihnen und dem Kompass passiert ist, kann Ihnen das sicher weiter helfen."
"Vielen Dank."
Ich verbeuge mich tief und nicke ihm zum Abschied zu. Dann drehe ich mich um und trete zurück auf die Straße, gefolgt von Yuki und Josi, die ich beide bis hierhin vollkommen ausgeblendet hatte.
"Und jetzt?"
"Jetzt müssen wir lesen."
"Oh, oh, oh. Gehen wir in das Kifferviertel und machen das dort?"
Yuki sieht mich mit großen Augen flehend an. Ich schüttle lachend den Kopf.
"Dafür sind mir der Kompass und dieses Buch zu wertvoll. Was dort für Gestalten rumlaufen. Das ist eindeutig nicht der richtige Ort dafür."
Etwas enttäuscht sieht mich Yuki an. Josi lächelt nur und stupst meine Schwester aufmunternd in die Seite. Wir sprachen Deutsch, sodass sie alles verstand. Wenigstens war sie etwas vernünftiger als meine Kopie.
"Aber wir werden auf jeden Fall nochmal zusammen da hingehen. Wir müssen den Leuten dort doch noch Bescheid sagen wegen unserem Geburtstag. Übrigens müssen wir uns da noch überlegen, was wir machen. Mit so einem Haufen Leute ist das nämlich nicht so einfach."
"Warum kennst du auch so viele?"
"Das wüsste ich selber gern", erwidere ich lachend.
"Sagt mal, was haltet ihr eigentlich von einer Karaokebar?"
Erstaunt sehen wir unsere gemeinsame Freundin an.
"Ja!"
Etwas schockiert aber lachend weicht Josi einen Schritt zurück bei unserem gleichzeitigen Aufschrei.
"Das ist voll die gute Idee. Wenn wir so viele sind, macht das sicher auch einen riesen Spaß!"
Den gesamten Rückweg ist Yuki in ihre teils nicht realisierbaren Vorstellungen vertieft und redet wie ein Wasserfall. Ich will gar nicht wissen, wie das für andere Passanten aussehen muss. Drei Mädchen, bei denen eine in einer Sprache, die klingt als würde man unentwegt Morddrohungen aussprechen, auf die anderen ohne Punkt und Komma einredet.
Wir müssen ein eigenartiges Bild abgeben, denn nicht wenige drehen sich etwas verstört zu uns um. Doch das macht uns nicht viel aus. Unser Leben ist vielleicht etwas durcheinander und verrückt, aber dafür ist es lebenswert.
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-Joiy
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