Kapitel 14 ~ Drei Probleme
- Yuki -
Ich kuschle mich in meinen Sitz und starre aus dem Fenster. Man wird verdammte zehn Stunden nichts anderes außer Wolken und den strahlend blauen Himmel sehen - und ich habe keinen Plan, was ich in der Zeit machen soll.
Ich seufze. Was tue ich hier eigentlich? Bin ich total behindert?
Nach meinem Telefonat mit Hinata habe ich noch am selben Tag einen Flug nach Seoul gebucht. Seitdem ist gerade mal eine Woche vergangen. Ich hatte natürlich schon eher den Einfall gehabt, nach Seoul zu fliegen, aber ich hätte nicht bei ihr wohnen können, da unser Dad mich achtkant rausgeschmissen und zurück nach Deutschland geschickt hätte. Aber jetzt, wo sie sich so gut mit den Members von BTS versteht, kann ich doch bestimmt bei ihnen wohnen, oder? Natürlich nur so lange, bis ich eine Wohnung gefunden habe.
Leider gibt es da zwei Probleme:
Erstens habe ich eigentlich Schule und zweitens hätte Mum mich bestimmt nicht fliegen lassen, nicht alleine und erst recht nicht nach Korea. Glücklicherweise ist ihr Bruder wesentlich cooler als sie - und er ist Arzt! Ich hab ihm die Sache erklärt, er ist ein sehr verständnisvoller Mann und für mich fast ein Ersatzvater. Er hat mich wegen eines "nervlichen Zusammenbruchs aufgrund von zu viel Stress" drei Wochen lang krank geschrieben. Somit ist das Problem mit der Schule gelöst.
Meiner Mutter habe ich gesagt, dass es wohl besser ist, wenn wir uns eine Weile aus dem Weg gehen und dass ich für diese drei Wochen gleich bei ihrem Bruder - meinem Onkel Frank, der Arzt - einziehe. Keine Ahnung warum, aber sie hat mir die ganze Sache abgekauft.
Allerdings habe ich ein ziemlich schlechtes Gewissen, weil ich Josi nicht eingeweiht habe. Wir haben eigentlich keine Geheimnisse vor einander, schon gar nicht seit Hinata weg ist, aber sie hätte mir diese Idee bestimmt ausgeredet. Und ich muss gestehen, dass es schon irgendwie stimmt. Diese ganze Aktion ist vollkommen hirnverbrannt, aber ich muss es tun. Ich muss zu Hinata.
Wie aufs Stichwort klingelt mein Handy, das ich noch nicht ausgeschaltet habe, weil wir erst in ein paar Minuten starten werden. Als ich den Namen aufblinken sehe, halte ich kurz den Atem an.
"Ja?", nehme ich zögernd ab.
Sofort bestürmt meine beste Freundin mich mit Fragen: "Hey Yuki. Wie geht es dir? Ist es sehr schlimm? Und woher kommt das? Wegen deiner Mutter? Bist du wirklich drei Wochen nicht mehr da? Soll ich dich besuchen kommen? - "
Vorsichtig und auf alles gefasst unterbreche ich sie: "Ehm, Josi, ich glaube, da gibt es etwas, was ich dir erzählen sollte..."
Als sie nichts sagt, fahre ich fort: "Also... Ich bin nicht krank - Onkel Frank hat mich krank geschrieben um mir Zeit zu verschaffen. Zeit mit Hinata."
Es folgt Stille, die Ruhe vor dem Sturm. Und dann bricht er auch schon los, jedoch kann nicht mehr von einem einfachen Sturm die Rede sein, das ist eher ein Hurrikan.
"Das ist doch jetzt nicht dein Ernst, oder? Fliegst du gerade wirklich nach Südkorea? Und dafür schwänzt du deine letzten Prüfungen? Mädchen, was geht in deinem Kopf falsch? Du hättest wenigstens warten können, bis du mit deinen Prüfungen durch bist! Du hast sie doch nicht mehr alle! Weiß deine Mum überhaupt, was du gerade tust und wo du gerade bist? Bestimmt nicht!"
Ich schweige, aber das dicke Ende kommt erst noch. Gerade eben war sie wütend, aber der Klang, den ihre Stimme jetzt annimmt, macht die ganze Sache nur noch schlimmer. Trauer und das Gefühl, hintergangen zu werden.
"Weißt du, ich hab immer gedacht, wir wären befreundet. Wir wollten uns nicht anlügen und keine Geheimnisse vor einander haben. Was soll das? Warum hast du mir das verschwiegen? Ich hätte dich nicht aufgehalten, wenn du das denkst. Ich hätte dir geholfen. Aber wie es scheint, vertraust du mir nicht mehr. Hast du mir überhaupt jemals vertraut?"
Und damit legt sie auf. Mit vor Schock aufgerissenen Augen nehme ich mein Handy von meinem Ohr und blicke geistesabwesend vor mich hin. Mir hätte es nichts ausgemacht, wenn sie mich einfach nur angeschrien hätte, aber ihre letzten Worte hatten mich sehr verletzt. Ich hätte das nicht tun sollen. Oder ich hätte sie zumindest einweihen sollen. Mir laufen vereinzelte Tränen über die Wangen. Ich halte sie nicht auf, das will ich gar nicht.
Plötzlich tippt mich jemand von der Seite an. Die Frau, die neben mir sitzt, ich schätze sie auf ungefähr fünfundzwanzig, schaut mich mitleidig an und hält mir ein Taschentuch hin. Sie ist Koreanerin, so wie fast alle Leute hier.
"Gamsahabnida", bedanke ich mich leise und nehme ihr das Taschentuch ab.
Sie sieht mich erstaunt an und fragt auf Koreanisch: "Du sprichst Koreanisch?"
Ich nicke. Nachdem Hinata wegzog, haben wir am Anfang noch jeden Tag telefoniert und ich habe sie gedrängt Koreanisch zu lernen, was sie aus Sturheit nicht machen wollte. Wir haben es uns gemeinsam beigebracht, weshalb ich es jetzt fast fließend beherrsche.
"Willst du mir erzählen, was passiert ist?", fragt sie, nachdem sie mir stumm zugesehen hat, wie ich die Tränen wegwische.
Ich weiß nicht, warum ich das tue, aber schließlich fange ich an, ihr alles zu erzählen. Von dem Tag der Scheidung an bis jetzt. Nachdem ich geendet habe, schaut sie mich noch eine Weile stumm an und beginnt dann auf einmal zu lächeln.
"Weißt du, ich finde das sehr mutig von dir, wegen deiner Schwester deinen Abschluss hinzuwerfen. Ich glaube außerdem, dass diese Josi dich nicht aufgegeben hat, so wie du es formuliert hast. Sie scheint eine gute Freundin zu sein und ich glaube, sie wird es dir schneller verzeihen, als du denkst."
Ich sehe sie schockiert an. So hatte ich das noch gar nicht gesehen. Werde ich jetzt wirklich mein Abi nicht schaffen? Allerdings hoffe ich, dass sie bei der Sache mit Josi Recht behält.
Plötzlich vibriert mein Handy. Ich schaue darauf und sehe, dass Hinata mir geschrieben hat. Oder besser: Sie hat mir ein Bild geschickt, ein Bild von dem Haus der Jungs. Es ist eine wirklich schöne Villa und davor steht irgendeine Statue.
Ich kneife die Augen zusammen. Hier habe ich mein drittes Problem, bei der ganzen Sache: Ich habe keine Ahnung, wie ich sie finden soll. Direkt zu dem Haus, in dem sie und Dad leben, will ich nicht. Wahrscheinlich würde er mich sofort nach Hause schicken. Also muss ich zu BTS. Wenn Hinata dort ab und zu aufkreuzt, sehe ich sie ja und kann dann immer noch mit zu ihr.
Dann fällt mir die Frau neben mir wieder ein, die gerade ebenfalls auf ihr Smartphone schaut.
"Ehm, Entschuldigung?", frage ich vorsichtig.
Sie sieht mich fragend an.
"Wissen Sie zufällig, wo das ist? Es muss irgendwo in Yongsan-gu sein."
Ich halte ihr mein Smartphone hin und sie schaut sich das Bild an.
"Ja- ja, ich weiß wo das ist, ich kenne diese Statue."
Erleichtert lächle ich sie an. Das dritte Problem wäre hiermit auch geklärt.
* * *
Es ist in der koreanischen Zeit gerade achtzehn Uhr. Ich sitze im Taxi, auf dem Weg zur Villa der sieben Idole.
Da die Fahrt noch etwa eine halbe Stunde dauert, mache ich die Augen zu und versuche, ein bisschen zu schlafen, was sich als äußerst schwierig herausstellt. Mit geschlossenen Augen lausche ich auf die Geräusche der Straße. Hupende Autos, jede Menge Menschen, das leise Plätschern von Regen. Ich liebe Regen.
Langsam entspanne ich mich und spüre, wie ich in Richtung Traumwelt abdrifte.
~~~
-Mie
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