Mach's alleine!
Hier ein wie auch immer gearteter Auszug aus meinem Leben:
"Mir ist so langweilig. Ich will was anstellen. Haste Zeit?"
"Heute nicht. Muss [hier generische, aber leider wahre Ausrede einfügen]. Frag doch deinen Typen, ob der Zeit hat!"
"Nee, der will nicht... aber ich will unbedingt was anstellen!"
"Dann mach es doch alleine, was soll schon passieren? Das wird gut!"
"...nee, das ist langweilig!"
~
Langweilig am ARSCH.
Ich kann nicht allein ins Kino gehen, das ist einsam. Ich kann nicht alleine aufs Konzert, dessen Musik all meine Freunde scheiße finden, das ist gefährlich. Ich kann nicht alleine...
Klappe halten. Listen here, you little shit.
Du kannst. Mach es einfach.
Aber die Leute könnten denken...
Ausreden, Ausreden, Ausreden. Jeder kennt es, und ich wette, jeder hasst es. Da gibt es irgendwas Tolles in der Stadt: ein Konzert, ein neuer Kinofilm, eine Party, einfach der Wille, aus der eigenen Hobbithöhle zu entfliehen, man schreibt all seine Freunde an - und keiner von ihnen kann. Den einen interessiert es nicht, der andere mag die Musik nicht, der letzte hat noch keinen einzigen der Vorgängerfilme gesehen, obwohl die ja wirklich zur Grundbildung gehören. Man fühlt sich allein, ein bisschen dämlich, vielleicht sogar etwas freakig, dafür, dass man so abwegiges Zeugs mag, das niemand außer einem selbst gut findet - und lässt es bleiben. Sitzt in der Hobbithöhle, glotzt aus dem Fenster, starrt in den Bildschirm und ist traurig, dass man nichts machen kann. Schließlich kann niemand. Dann kann man ja auch selbst nicht.
So war es dereinst im Sommer vor ein, zwei Jahren: ein großartiges Mittelalterfest in der Stadt, dabei eine Band, von der ich genau ein Lied kannte. Ich wollte dorthin, komme, was da wolle. Und niemand wollte mit. Kein Interesse, keine Zeit. Ein bombastischer Sommertag, eine geniale Veranstaltung, und ich kam mir so freundelos vor wie noch nie. Außerdem kostete es für einen Studenten ein Schweinegeld. Ich lungerte also unglücklich in meinem Zimmer herum, überlegte, ob ich noch dorthin fahren sollte, fürchtete die Langeweile, die mich dort zweifellos überkommen würde, bis meine Omma mir 30€ in die Hand drückte und sagte: Mach einfach. Omma, an dieser Stelle vielen Dank für diesen Arschtritt. Denn es war einer der bombastisch geilsten Tage meines Lebens. Den ganzen Tag mitsingen, tanzen, jubeln. Ich war heiser und kaputt am Ende, halb verdurstet, so hungrig, dass ich am liebsten mein Handy gefressen hätte, und gleichzeitig überglücklich und verdammt stolz auf mich.
Das war der Startschuss. Ich ging auf weitere Konzerte, allein ins Kino, allein ins Schwimmbad, fuhr allein in die Stadt und setzte mich, bewaffnet mit Buch, Sonnencreme, Essen und Sonnenbrille auf die Rheinterrassen, beobachtete Menschen und Boote und freute mich über mein absurd geiles Leben. Ich befand Tage für zu schön, um allein zuhause zu gammeln, und streifte etwas orientierungslos durch die Gegend, mit Musik im Ohr und einem entspannten Lächeln im Gesicht.
Natürlich braucht es Überwindung. Niemand, mit dem du dich verabreden kannst, kein Ort, an dem du zu einer bestimmten Zeit sein musst. Niemand, der dir sagt, raus aus der Jogginghose, rein in die Jacke und hinaus in die Pampa. Du musst es einfach tun. Keine Ausreden. Denn wenn man einmal allein draußen war, weiß man: irgendwie ist man nie allein. Denn man hat immer einen Begleiter: sich selbst (und, einige wenige vielleicht, die Stimmen im Kopf). Den besten aller Begleiter. Den besten Freund, den ihr habt. Macht einfach, was ihr wollt. Schaut euch diesen Film allein an. Geht auf dieses großartige Konzert, auf das ihr euch die ganze Zeit schon freut. Nur weil niemand sonst etwas gut findet, heißt es nicht, dass du darauf verzichten musst. Denn: allein sein hat unendliche Vorteile.
Du musst dich nur nach dir selbst richten. Du kannst tun und lassen, was du willst. Niemand wird dir die Ohren volljammern, dass er nach Hause will, während du noch bleiben willst. Du musst niemandem die Ohren volljammern, dass du nach Hause willst, während der andere noch bleiben will, und du gelangweilt nach deinem Handy tastest. Du kannst niemanden im Mosh Pit verlieren. Du kannst komplett ausrasten, laut, falsch und mit Begeisterung mitsingen, ohne, dass dein Nicht-Hardcore-Fan-Kumpel neben dir steht, demotiviert mit dem Kopf nickt und dich still und heimlich verurteilt. Stattdessen bist du umgeben von solchen, die ebenso aufgeregt über diese Musik sind wie du. Du kannst 30.000 mal hintereinander mit dieser einen abwegigen Achterbahn im Freizeitpark fahren, ohne, dass jemand nach einer Pause verlangt. Du kannst alles tun, was du willst.
Das ist nur Schönrednerei eines freundelosen Losers? Mag sein. Aber ist es nicht unendlich wichtig, auch allein was mit sich anfangen zu wissen? Zu wissen, dass man auch ohne Unterstützung Spaß haben kann? Dass man uneingeschränkt handeln kann, wenn man nicht durch andere eingegrenzt ist? Eine wahrlich schöne Erkenntnis.
Natürlich wird es bisweilen langweilig. Alle reden über das kommende Konzert, während du von einem Bein aufs andere trittst und auf die ersten Klänge wartest. Die Aufregung über die Achterbahn ist geteilt viel größer, während du anstehst und wartest, dass du endlich dran bist. Während man auf seinem Handtuch im Schwimmbad liegt, ist es natürlich besser, über den gutaussehenden Bademeister zu reden, als ihn verstohlen über den Buchrand anzuhimmeln. Aber jeder, der diesen Text liest, hat unendlich viele kostenlos verfügbare Geschichten auf seinem Handy. Jeder von euch kann die Klappe aufmachen und den aufgeregten Menschen neben sich anquatschen. Langeweile ist keine Ausrede! Macht was draus! Findet neue Freunde! Vielleicht endlich mal welche, die das gleiche mögen wie ihr!
Allerdings muss ich euch sagen: ihr habt einen Freund, der genau den gleichen Geschmack hat wie ihr? Der alles genauso feiert, wie ihr es tut? Dann geht jetzt zu diesem Freund. Haltet ihn gut, gut fest. Sagt ihm, wie glücklich ihr seid, so einen Freund zu haben, der allen Scheiß mitmacht, und lasst euch sagen, dass so etwas nicht jeder hat. Ihr seid glückselig! Privilegiert! Ihr habt ein verdammtes Glück! Denn ich habe zu 80% Luschen in meinen Freundeskreisen, die nichts von dem mögen, was ich wirklich, wirklich gut finde.
Ich muss sagen, teilweise frage ich nicht einmal mehr, ob jemand Zeit hat. Ich weiß von vornherein, dass ich allein mehr von einem Konzert haben werde.
Seitdem bin ich fünf weitere Male auf diesem Mittelalterfest gewesen. Zweimal hatte ich Freunde dabei. Bisher waren die, auf denen ich allein war, die besten (bis auf dieses eine Mal, wo einer meiner Kumpels dabei war, den ich total... aber nein, lassen wir das, das geht euch gar nichts an).
Wisst ihr, was der einzige, wirklich blöde Nachteil ist? Man kann sich den Rücken im Freibad nicht selbst eincremen. Und niemand, wirklich niemand, außer einem Freund cremt einem den Rücken anständig ein. Trust me, ich hatte Sonnenbrand.
So.
Und jetzt überleg mal, was du schon immer mal machen wolltest, aber nie konntest, weil keiner Zeit hat. Wo du nie hingegangen bist, weil du Angst hattest, es könnte allein langweilig oder doof (was auch immer das bedeuten soll) sein.
Und dann:
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