kapitel 3
Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann sie mir so wichtig geworden ist. Natürlich bin ich seit dem ersten Tag von ihr fasziniert, aber der Gedanke an sie hat nicht von Anfang an alles in den Schatten gestellt. Vielleicht war es, als sich herausgestellt hat, dass ich hier nicht Teil von irgendeinem Team werden kann. Bis jetzt begreife ich allerdings nicht, was das mit ihr zu tun hat. Will ich mich mit ihr nur von meiner Leidenschaft, dem Basketball, ablenken? Nein. Ganz sicher nicht. Meine Gefühle für dieses Mädchen sind stärker als jemals zuvor. Der Fakt, dass sie nicht einmal den blassesten Schimmer davon hat, bringt mich einerseits um, aber irgendwie beruhigt er mich auch. Manchmal kommt dieses Mädchen mir wie meine Schwäche vor. Mein verletzbarster Punkt. Zum Glück weiß ausschließlich Minho von meinen Schwärmereien ihr gegenüber.
Mit meiner Trainingstasche über der Schulter steige ich auf das Rad und fahre zur Schule. Besser gesagt zur daran angrenzenden Sporthalle. Wie jeden Tag will ich trainieren. Alleine, für mich selber. Nicht mehr um damit eine Mannschaft zu unterstützen. Bei meinem ewigen Rumgejammere, dass ich kein Basketball spielen kann, ich dem Mädchen meiner Träume wahrscheinlich noch nie aufgefallen und deswegen am Verzweifeln bin, könnte man fast meinen, dass ich maßlos übertreibe. Ehrlich gesagt ist das sogar möglich.
Wer weiß, vielleicht denkt Luisa ja dasselbe über mich wie ich über sie.
Ich kette mein Rad an die Laterne vor der Halle und stecke den Schlüssel in die Eingangstür. Wie jeden Abend lässt sie sich daraufhin öffnen und ich trete ein. Heute wechsle ich hastig meine Schuhe, hole meinen Ball aus der Tasche und springe die Treppen herunter. Für diesen Enthusiasmus weiß ich keine wirkliche Erklärung, aber ich habe auch keine große Lust, jede Reaktion meines Körpers oder Hormonsystems zu hinterfragen. Den Ball lege ich auf dem Boden ab und laufe mich ein paar Minuten lang warm. Das mache ich nicht sonderlich oft, was sich leider bei meiner generellen Fitness beziehungsweise Ausdauer bemerkbar macht. So richtig schlecht ist sie nicht, aber besser könnte sie definitiv sein. Im Basketball bin ich ein fanatischer Perfektionist. Jeden Ballwurf würde ich am liebsten Millionenmal üben, bis ich ihn mit einer fast schon gespenstischen Sicherheit verwandeln kann, bis alle meine Muskeln von selbst wissen, was zu tun ist. Das mag unrealistisch klingen, aber für mich ist es vielleicht ein Grund, warum ich spiele: weil ich alles unter Kontrolle haben kann. Wenn ich werfe, kann ich gewiss sein, dass ein Punkt erzieht wird. Also zumindest, falls ich genug trainiert habe und alles im Schlaf beherrsche. Dann kommt es nämlich nicht auf meine Teammitglieder, sondern nur auf mich an.
Früher ist es mir während manchen meiner Würfe so vorgekommen, als würde die Zeit langsamer vergehen. Der Ball hat in Slowmotion meine Hand verlassen, ist durch die Luft geflogen und hat irgendwann das Brett getroffen. Diese Sekunden waren unendlich quälend für mich, weil wusste, dass der Ball nicht im Netz landen würde. Nicht ein einziges Mal habe ich einen Korb erzielt, wenn sich alles vor meinen Augen so derartig langsam abgespielt hat. Oft hat es sich wie eine Art Strafe angefühlt, ein kleiner Fluch. Diese Momente haben mich verfolgt und dazu geführt, dass ich jetzt hier stehe und bis ins kleinste Detail meine Technik verbessere.
Wie an den meisten anderen Tagen gehe ich immer wieder in die Knie, hebe den Ball über meinen Kopf und werfe in einer fließenden Bewegung auf den Korb. Dann laufe ich ihm nach und positioniere mich erneut. Gerade als ihn ein weiteres Mal hole, fällt eine Tür zu. Verwirrt schaue ich mich um und entdecke eine schmale Gestalt an der Eingangstür. Ich halte inne und beobachte die Person. Sie macht einige Schritte nach vorne und nimmt auf einer der Stufen, von denen man in die Sporthalle blicken kann, Platz. Natürlich will ich wissen, wer es ist. Minho? Herr König, mein Sportlehrer? Mein Dad? Wenn mich derjenige nicht anspricht, hat das bestimmt einen Grund. Ich sollte einfach weiterhin trainieren und mich nicht von irgendjemandem durcheinanderbringen lassen. Ruhig atme ich durch und marschiere mit dem Ball wieder zur Freiwurflinie. Nach einer gefühlten Ewigkeit wundert es mich, dass mein Beobachter nicht schon lange die Halle wieder verlassen hat, schließlich zeige ich ihm keine besonderen Würfe, im Gegenteil, ich übe sticknormale Standardsituationen.
Als mir bewusst wird, dass ich mir entgegen meinem Vorsatz, mir keine Gedanken zu machen, die Motive der Person durchgehe, beiße ich mir auf die Lippe. In einem Punktspiel kann ich mich ja auch nicht von jedem einzelnen Zuschauer ablenken lassen. Vielleicht ist es ganz gut, dass ich mal Publikum habe. Obwohl ich offen gestanden nicht gerne unter so intensiver Beobachtung stehe. Ich schlendere zu meiner Trinkflasche, die ich am Hallenrand abgestellt habe und nehme einige große Schlucke. Ein weiteres Mal ermahne ich mich, nicht mehr nachzudenken und wische mir mit dem unteren Ende meines Trikots den Schweiß vom Gesicht. Dann fahre ich mir durch die Haare und betrete wieder das Feld. Ab jetzt gibt es nur noch den Korb, den Ball und mich. Niemanden, der sich zwischen diese drei Dinge drängen kann.
Ohne eine Unterbrechung ziehe ich die nächste halbe Stunde durch und entscheide mich daraufhin, Schluss für heute zu machen. Mein Blick schweift zu dem Menschen, der sich mein Training angesehen hat. Verwundert stelle ich fest, dass der Platz noch immer besetzt ist. Stirnrunzelnd schnappe ich mir meine Sachen und eile die Treppen hinauf. In dem Augenblick, in dem ich oben ankomme, ist dieser Jemand gerade dabei, durch die Tür nach draußen zu huschen. Ich könnte schwören, dass es ein Mädchen ist. Ganz sicher bin ich mir aber nicht, da ich die Lichter auf dem Gang nie anschalte und es dort somit recht dunkel ist. „Warte!", bitte ich laut. Der Schatten verharrt in seiner Bewegung und dreht sich zu mir um.
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