kapitel 1
Man kann es ganz einfach erklären: Sie ist perfekt und ich bin es nicht.
Müde drücke ich die schwere Eingangstür der Sporthalle auf. Heute war ein langer Tag. Ich schaue auf die leuchtenden Ziffern meiner Armbanduhr. 22:04 Uhr. Nachdem ich kurz gegähnt habe, schiebe ich die Hallenschlüssen zurück in meine Hosentasche. Vor fünf Monaten hat mir mein Sportlehrer eine Kopie davon machen lassen, damit ich trainieren kann, wann ich will. Ich streife den Rucksack von meinen Schultern und lasse ihn auf den Boden fallen. Mitten auf den Gang. Es wird niemanden interessieren, schließlich kommt um diese Uhrzeit niemand mehr hierher. Matt raufe ich mir die hellblonden recht kurzen Haare.
Ich habe es mal wieder verkackt. Meine Knie knicken ein, ich sinke auf den Boden, lehne mich erschöpft an die kühle Betonwand und schließe die Augen. Jetzt habe ich schon wieder versagt. Seit Wochen habe ich mir vorgenommen, Luisa heute beim Englischwettbewerb anzusprechen. Aber wie immer habe ich mich im entscheidenen Moment doch nicht getraut.
Schon als ich vor ziemlich genau einem halben Jahr hierher gezogen bin und zum ersten Mal in der Schule war, ist sie mir aufgefallen. Das tollste Mädchen, das ich je gesehen habe. Luisa. Sie ist atemberaubend schön mit ihren sanften blonden Locken und großen braunen Augen. Immer umringt sie eine Gruppe anderer Mädchen, die über ihre Witze lacht und ihre Outfits bewundert. Nur, dass es nicht wie in diesen Filmen ist. Luisa ist zwar der Boss, falls man das so sagen kann, aber sie macht es nicht absichtlich. Es ist einfach ihre Art, Menschen anzuziehen. Ich habe auch noch nie mitbekommen, dass sie jemanden schlecht behandelt. Vielleicht ist sie deshalb so beliebt, weil sie eben immer nett ist. Momentan wünsche ich mir nichts sehnlicher, als sie kennenzulernen, mal wirklich mit ihr zu reden. Normalerweise bin ich gar nicht schüchtern -besser gesagt, war ich das auf meiner alten Schule nicht-, aber seit ich sie jeden Morgen sehe, hat sich das grundlegend geändert. Zumindest was sie betrifft. Über andere Fälle kann ich nichts erzählen, weil ich mich nie wieder nach einem anderen Mädchen gesehnt habe. Für mich gibt es nur noch Luisa.
Ich öffne die Augen wieder und stehe auf. Wozu bin ich denn hergekommen, wenn ich gar nicht trainiere?! Um wie immer nur an sie zu denken? Mein Kopf muss auch mal frei von diesem einen Gedanken werden. Motiviert schnappe ich mir meine Tasche, hole meine Schuhe und den Ball heraus. Ein entspanntes Dreier-Training. Genau das Richtige, wenn ich mich ablenken will. Ich binde meine Schnürsenkel und gehe die Treppen zum Spielfeld hinunter. Enthusiastisch dribble ich auf den Korb zu und werfe. Vorbei.
Konzentrier dich doch mal!
Ich beiße mir so fest auf die Lippe, dass es bestimmt fast blutet, als ich den Ball hole.
Komm runter, es war nur ein einziger Wurf, die nächsten werden sicher besser.
Aber wenn sie diesen einen Wurf gesehen hätte? Wenn das hier ein richtiges Spiel wäre? Sie würde denken, dass ich ein scheiß Loser bin. Wobei ihr das alles vielleicht auch egal ist. Falls ich jemals den Mut aufbringe, mit ihr zu sprechen, kann ich es ihr einfach verheimlichen, dass ich Basketball spiele? Meine große Leidenschaft verschweigen? Weil ich nicht gut genug bin? In meiner alten Heimat habe ich in der JBBL (Jugend Basketball Bundesliga) gespielt. Das ist echt nicht schlecht, aber ich war nie der Beste. Und der müsste ich sicherlich sein, um auf ihrem Niveau zu sein. Verdammt, sie sieht so unglaublich schön aus. Sie ist der Traum aller Jungen und sie kann jeden haben. Sie ist beliebt und hat gute Noten. Ich habe keine Ahnung, ob es etwas gibt, das sie nicht kann. Aber ich will es nicht mal wissen. Für mich wird sie immer perfekt sein.
Jetzt denke ich, obwohl ich es nicht wollte, trotzdem über sie nach. Wird das denn nie aufhören?! Ich umfasse den Ball immer fester, als würde ich mich daran festhalten wollen. Dann hebe ich ihn höher und werfe. Die Sekunden, bis er durch das Netz wieder herunterfällt, kommen mir mal wieder ewig vor. Mit einigen schnellen Bewegungen hole ich ihn zurück und ziele. Drin.
Seit unserem Umzug spiele ich in keinem Team mehr. Davor habe ich fast jeden Tag Training gehabt und man kann mit Sicherheit sagen, dass Basketball mein Leben nicht nur bestimmt hat, sondern alles für mich war. Von meinen Freunden hat jeder in der Mannschaft gespielt, unser Trainer war wie ein zweiter Vater für mich. Wir haben alle zusammengehalten und vielleicht waren wir deshalb so erfolgreich. JBBL. Das ist schon eine Hausnummer. Aber hier, an meiner neuen Schule, circa zwei Stunden von allem, das mir wichtig war, entfernt, stehe ich alleine da. Gut, ich habe mir anfangs auch nicht die größte Mühe gegeben, Anschluss zu finden, nachdem ich erfahren habe, dass kein einziges Team in der Gegend mich als neuen Spieler aufnehmen will. Dabei bin ich wirklich nicht allzu schlecht.. Sie haben mich nicht einmal zeigen lassen, was ich drauf habe. Seitdem mein Sportlehrer gesehen hat, dass ich trotz Regen und eisiger Kälte alleine draußen trainiert habe, hat er mir einen Hallenschlüssel machen lassen. Zumindest kann ich also etwas besser werden. Hoffe ich mal..
Wieder beiße ich mir auf die Lippe. Ich wollte meinen Kopf doch frei bekommen und nicht noch über tausend andere Sachen nachdenken. In die Knie gehen, abwerfen. Drin. Hundert Würfe, nur 63 Treffer, wenn ich mich nicht verzählt habe. Ein weiteres Mal war ich total abwesend und konnte mich gar nicht richtig konzentrieren. Wütend schüttle ich den Kopf, schmeiße den Ball so fest ich kann gegen eine Wand und starre ihm hinterher. Was ist denn bitte aus mir geworden?!
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