Der Anfang eines Märchens
Es war einmal ein junges Mädchen. Aufgewachsen mit Hasen, Ratten, Meerschweinchen träumte sie von einer Katze. Sie litt an einer Soziophobie, konnte mit Menschen nicht umgehen. Doch die Tiere waren ihr ein und alles. Eines Tages traf sie ein junger Kater, ein wenig verwahrlost und trotzdem voller Stolz und Eleganz. Sie nahm ihn auf, pflegte ihn, liebte ihn und war bei ihm. Ihr Traum war aber, in den hohen Norden zu gehen. So ging sie eines Tages, mit dem Versprechen bald wieder da zu sein. Das sie sich nie wieder sehen würde, wussten sie zu dem Zeitpunkt noch nicht. Damals war der Beginn unseres Märchens. Eben jenes Märchen, was sie nun erzählt.
Franzose, elegant, stolz, ein wenig faul. Sanjo konnte man mit so vielen Wörtern beschreiben. Er war aber vor allem eins: mein Kind. Unsere Geschichte begann vor viele Jahre. Ich hatte schon immer Tiere um mich. Hasen, Ratten, Meerschweinchen. Tiere waren meine Wegbegleiter seit ich denken konnte. Ich liebte sie. Mein größter Wunsch, eine Katze, konnte ich jedoch nie erfüllen. Irgendwie sind mir alle Katzen davon gelaufen. Bis er da stand. Man sagt, und das ist die Wahrheit, dass sich eine Katze das Zuhause selbst raus sucht. Er wollte uns als Drittfamilie haben. So wie er schon die Oma als Familie hatte und so wie er seine eigentliche Familie hatte. Wir waren nur einer von drei. Doch es war uns egal. Wir nahmen ihn bei uns auf. Wir, dass waren meine Mutter, meine Geschwister und ich. Die Familie wurde nun durch ihn komplett. Am Anfang, als er zu uns kam, wussten wir nicht, dass er eine Familie hatte. Er wirkte verwahrlost, zerzaust, dürr. Da all unsere Tiere einen mehr oder weniger traurigen Hintergrund hatten nahmen wir ihn auf. Wir pflegte ihn, fütterten ihn, gaben ihn einen Schlafplatz. Irgendwann klingelte es dann an der Türe. Davor stand ein Paar. Sie erklärten uns, dass Sanjo ihnen gehörte. Das er jedoch sich seine Familie selbst suchte, da sie noch eine Katze und ein Hund haben und er das nicht vertrug. Sie erlaubten uns, sich um ihn weiter zu kümmern. Für uns war es gut so, wie es war. Wir durften uns offiziell um ihn kümmern, wir hatten ihn in unserer Mitte. Es war das reinste Glück.
Ein warmes Sitzkissen, eine weiche Hand, die mich kraulte, Sprühsahne, hin und wieder Frischfleisch und ganz viel Liebe. Das war ein wundervolles Katzenleben. Gut, manchmal war sie auch begriffsstutzig. Sie wusste genau, dass ich Sonntagmorgen meine Stunde Kuscheln brauchte. Aber jedes Mal hatte sie so lange gebraucht, bis sie fertig mit dem Frühstück war. Und dann kam dieses komische Teil, was sie Laptop nannte mit auf den Schoß. Dabei hat ihr Schoß nur mir gehört. Ich hab es auch oft verständlich gemacht, doch sie hatte nur gelacht und ging weiter an den Laptop. Aber es gab auch Zeiten, wo wir nur zu zweit waren. Damals zum Beispiel, als ich sie getröstet hatte, als ihr Exfreund mit ihr Schluss gemacht hatte. Oder an den Weihnachtstag, als sie in meinem Lieblingssessel saß, mit mir auf dem Schoß. Sie hat ganz ruhig gelesen und hin und wieder hatte sie mich gestreichelt. Ich durfte oft auf ihr Schoß sitzen, wenn ich gefüttert wurde. Manchmal gab es zehn Finger Sprühsahne oder eine Katzenwurst. Manchmal lagen wir zu zweit draußen in der Sonne. Sie hielt mich so oft auf den Arm. Schlief mit mir in einem Bett. Sie war aber nie die einzige, die sich um mich kümmerte. Ihre Geschwister und ihre Mutter waren mit dabei. Die fünf Person gaben mir die Liebe, die sich eine Katze wünschte. Eine Liebe, die ich von meiner richtigen Familie nie bekam. Die reinste Liebe von ihnen zeigten sie aber vor allem, wenn es mir schlecht ging. Wie damals, als ich offiziell ihr Kater wurde. Ich war wie immer auf den Weg zu ihnen. Als mich ein Idiot anfuhr und Fahrerflucht begann. Humpelnd und blutend ging ich weiter. Der Schock in ihren Augen, als sie mich sahen, werde ich nie vergessen. Sie nahm mich auf den Arm, um sich selbst und mich zu trösten. Wir konnten nicht so schnell zum Tierarzt, wie sie sich das wünschte, da meine eigentliche Familie zustimmen musste. Ich werde nie vergessen, was diese Familie sprach. „Ihr könnt den haben und die Behandlung zahlen, wenn ihr wollt. Oder wir schläfern denn ein." Das war zwar nicht genau der Wortlaut, aber sie meinten das so. Für meine andere Familie war es ebenfalls ein Schock. Ich wurde in die Arme ihrer Schwester gedrückt, ehe es für mich zum Tierarzt ging. Sie konnte es nicht verkraften, mich bei einem Arzt zu sehen, weswegen das andere machen mussten.
Durch einen Autounfall hat sich am Ende alles geändert. Da die Familie die Behandlung nicht zahlen wollten, durften wir ihn aufnehmen und ihn offiziell zu unserem Familienmitglied machen. Er war jetzt ein Teil von uns. Von der Familie. 16 Jahre lebten wir so zusammen. Bis zum Sommer 2018. Als sein Körper immer schwächer wurde. Und der Tod immer näher rückte. Wir wussten nicht, was los war. Er war kränklicher als sonst, aber er hatte auch noch immense Kraft. Was man von mir nicht behaupten konnte. Sanjos Zustand war schrecklich. Meine Praktikumszeit rückte immer näher. Ich musste ihn bei meiner Familie lassen, denn für mich hieß es, ein Wunsch zu erfüllen. Oft hatte ich mir überlegt, alles abzusagen und bei ihm zu bleiben.
Doch ich wollte das nicht. Es war ihr Wunsch. Ich wusste, dass ich bald gehen würde. Ende Juli ging sie nach Norddeutschland, um ihren Wunsch zu erfüllen. Ich konnte mit Stolz Abschied nehmen. Sie würde ihren Weg gehen. Wir wussten im Herzen, dass wir uns in diesem Leben nicht mehr sehen würden. Es war gut so wie es war. Sie gab mir viel Zeit und Liebe. Doch jetzt sollte sie ihr Leben leben. Ihren Weg gehen. Aus dem kleinen Kind was mich damals aufnahm, wurde eine wunderbare, liebevoll Frau. Sie hatte viel Leid gesehen und ist trotzdem stur ihr Weg gegangen. Diese Frau konnte ich jetzt alleine lassen. Sie würde das verkraften. Doch das es für sie so schrecklich wurde, konnte ich nicht ahnen. Ich konnte nur den Countdown hören, der mein Ende einläuteten würde. Und der ihre Welt zum zerbrechen brachte.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro