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e p i l o g

Als Elizabeth Wilk in der Nacht erwachte, wusste sie, dass sie sterben würde. Die Schmerzen blieben zwar nach wie vor aus, doch das lag an dem Schmerzmittel. Die alte Frau wusste, dass ihre Tage oder gar Stunden gezählt waren; sie hatte es im Gefühl. In dem Moment, in dem sie die Augen aufgeschlagen hatte, war ihr die Erkenntnis gekommen und mit ihr die Gewissheit, dass es wahr war.

Obgleich es ihr die Ärzte verboten hatten, setzte sie sich auf und rutschte bis zur Bettkante. Als sie den kühlen, glatten Boden unter ihren nackten Füßen spürte, lächelte sie leise. Elizabeth Wilk hatte es vermisst zu laufen. Immerzu musste sie das Bett hüten, um wieder gesund zu werden, dabei wollte sie doch nur leben; ihre letzte Zeit auf dieser Welt genießen. Schon seit zwei Wochen lag sie hier und wurde von einer Krankenschwester gepflegt. Sie hasste es, umsorgt zu werden. Dann fühlte sie sich hilflos und noch älter als sie es ohnehin schon war. Zumindest hatte sie die Ärzte dazu überreden können, dass sie die letzte Woche hier verbringen durfte. Denn sie hatte sich partout geweigert, ihr Dasein länger als ein paar Tage im Krankenhaus zu fristen. Stattdessen hatte man sie nun gemeinsam mit ihrer Enkelin und deren Freund in ein freies Apartment in einem Wolkenkratzer südlich von London direkt an der Küste untergebracht. Jeden Tag kam die Pflegerin vorbei, um nach Elizabeth Wilk zu sehen.

Die alte Frau stemmte ihre geballten Fäuste in die Matratze. Sie unternahm einige Versuche, sich aufzurichten, sank jedoch ein jedes Mal wieder zurück. Schließlich gelang es ihr doch, sich schwer atmend vom Bett nach oben abzustoßen, und sie kam wackelig auf die Beine. In der Dunkelheit der Nacht tastete sie nach dem Rollator, den sie nur benutzen durfte, um den Weg zur Toilette und wieder zurück hinter sich zu legen.

Eigentlich.

Sie bekam den Griff des Rollators zu fassen und stütze sich darauf ab. Quälend langsam setzte sie sich in Bewegung und steuerte aufs Fenster zu. Die Jalousien waren heruntergelassen worden, doch durch einen winzigen Spalt am Rand sickerte das Mondlicht und malte einen schmalen weißen Lichtkegel auf den Fußboden. Elizabeth trat näher ans Fenster heran und kniff ein Auge zu, um besser durch den Ritz hindurch blicken zu können. Sie konnte nur Schemen ausmachen. Einige Häuser, gleich dahinter das Meer unterhalb einer Klippe. Die alte Frau öffnete das Fenster einen Spalt breit und atmete die frische Nachtluft in ihre Lungen ein. Es roch nach Salzwasser und Algen und irgendwie auch nach Frieden. Lächelnd schloss sie die Augen und lauschte auf das Rauschen der Wellen, die heranrollten und sich mit einem Klatschen an der Brandung brachen. Fast meinte sie, das Wasser auf ihrer Haut zu spüren und das Salz auf ihren Lippen zu schmecken. Doch als sie sich mit der Zunge über die Oberlippe fuhr, musste sie enttäuscht feststellen, dass sie es sich nur eingebildet hatte. Aber vielleicht war es auch einfach die Fantasie. Die Fantasie, die bewirkte, dass sie sich wieder Dinge vorstellen konnte. Obwohl sie nur wenige Wochen von ihr getrennt gewesen war, musste sie sich wieder daran gewöhnen, wie es war, seine Kreativität zu besitzen.

Ihre Gedanken brachten die alte Frau wieder zu ihrem eigentlichen Vorhaben. Rasch wandte sie sich vom Fenster ab. Ihre Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit und Elizabeth machte die Silhouette des Wandschranks hinten in der Ecke aus. Dort lagerte die Krankenschwester ihre Utensilien, darunter auch die Betäubungsmittel. Doch sie war nicht auf die Medikamente aus.

Langsam schob sie sich auf den Schrank zu und öffnete das oberste Fach. Die alte Frau betätigte den Schalter an der Innenseite der Schranktür, woraufhin eine Lampe an einem der Regalbretter ansprang und ihre unmittelbare Umgebung in ihr kühles, weißes Licht tauchte. Die Spritze, mit der ihr täglich das Betäubungsmittel verabreicht wurde, sprang ihr beinahe entgegen. Daneben stand ein kleines Medikamentenfläschchen. Mittlerweile hegte sie den Verdacht, dass hin und wieder auch Psychopharmaka darin enthalten waren, um sie die Erlebnisse der letzten Wochen vergessen zu lassen. Seit sie die Krankenschwester einmal darauf angesprochen hatte, waren immer mehr Spritzen gekommen und deshalb hatte Elizabeth geschwiegen.

Sie griff nach dem spitzen Ding und zog die lange Plastikkappe von der grauen Nadel. Sie hoffte inständig, dass es klappte. Dass ihr die Fantasie genommen worden war, war zwar schon einige Wochen her, doch die Ärzte hatten ihr erklärt, dass es eine Weile dauern konnte, bis das Mittel, das in den Spritzen der Regierung enthalten war, um das Entziehen der Fantasie möglich zu machen, völlig ihren Körper verlassen hatte. Man musste deswegen selbst mit normalen Spritzen sehr vorsichtig sein, um zu verhindern, dass die Fantasie dabei unbeabsichtigt den Körper verließ. Wenn Elizabeth Glück hatte, rauschte also noch etwas von der Chemikalie im Rhythmus ihres Herzschlags durch ihre Venen.

Sie löschte das Licht und setzte sich wieder auf ihr Bett, wo sie die Lampe auf dem Nachttisch anschaltete, indem sie leise »an« flüsterte, um ihre Mitbewohner in den anderen Zimmern nicht zu wecken. Sie hob vorsichtig ihr Bein und suchte nach einer recht weit oben liegenden Ader, die selbst sie als Laie treffen konnte. Lieber hätte sie sie sich einfach in den Arm gestochen, doch sie brauchte ihre beiden Hände, um die Spritze aufziehen zu können. Schließlich entschied sie sich für eine besonders dicke Ader, die blau-grün unter ihrer blassen, von Falten übersäten Haut leuchtete und sich über den Unterschenkel zog. Zögerlich nahm sie die Spritze in die rechte Hand und richtete die lange Nadel auf die anvisierte Ader. Erfolgreich unterdrückte sie den Reflex, die Augen fest zuzukneifen, wie sie es für gewöhnlich zu tun pflegte. Sie biss die Zähne zusammen und stach die Spritze vorsichtig in ihr Bein. Es pikste unangenehm und der alten Frau wurde schlecht, als sie die lange Spitze des Geräts in ihrem Körper sah. Schnell wandte sie den Blick ab und nahm stattdessen das Ende der Spritze in die andere Hand. Vorsichtig begann sie, sie aufzuziehen und starrte auf den immer größer werdenden Raum im Inneren der durchsichtigen Spritze. Erst geschah gar nichts, doch dann bemerkte sie den kleinen, bunten Zipfel eines Fadens, der hineinglitt. Nach und nach zog er den Rest mit sich, bis er schließlich vollständig aus Elizabeths Körper verschwunden war.

Es fühlte sich seltsam an zu lächeln, während das zweite Mal in ihrem Leben die Leere Besitz von ihr ergriff. Es fühlte sich falsch an, doch tief in ihrem Inneren wusste die alte Frau, dass sie das richtige tat.

Als sie ihr Schlafzimmer verließ, hatte sie die Spritze in der Hand. Langsam tapste sie durch den dunklen Flur, bis sie in der Finsternis den Umriss der Tür zu Lunas Zimmer entdeckte. Leise trat sie ein und sah sich in dem Raum vor ihr um.

Ihre Enkelin lag friedlich schlafend in ihrem Bett; ihr Brustkorb hob sich in regelmäßigen Abständen, aber langsam genug, um sicher zu sein, dass sie tatsächlich tief schlief. Sam lag neben ihr, ebenfalls mit geschlossenen Augen, und hatte schützend einen Arm um die Taille des Mädchens gelegt.

Luna wurde seit ihrem Einbruch in der Regierung und dem Tod einer Freundin häufig von Alpträumen geplagt. Es war mittlerweile schon zur Gewohnheit worden, dass Sam sich ein jedes Mal zu ihr legte, wenn Luna wieder schreiend mitten in der Nacht aufwachte. Danach verschwanden die Träume auf wundersame Weise.

Sie lächelte. Sam war ein zuverlässiger, junger Mann. Luna war definitiv in den richtigen Händen und die alte Frau konnte ihre Enkelin mit gutem Gewissen in seine Verantwortung abgeben. Er würde sie mit seinem Leben beschützen, da war Elizabeth sich mittlerweile sicher. Außerdem war Tiffany noch da. Sie selbst hatte seit dem Tod ihres Mannes und ihrer Tochter niemanden mehr und sie war froh, den Rest ihrer Familie gefunden zu haben. Auch sie würde für Luna da sein, nicht zuletzt, da sie Elizabeth erzählt hatte, wie sehr ihre Nichte sie an ihre Tochter erinnerte.

Sie betrachtete erst Luna und dann die Spritze in ihren Händen. Sie hatte es verdient. Sie hatte ein Leben mit Fantasie verdient. Zwar war es nicht Lunas Kreativität, die sie erhalten sollte, doch auch Elizabeth hatte schon immer Gefallen am Erzählen von Geschichten gefunden. Dem Schreiben würde nichts mehr im Wege stehen.

Als ihre Großmutter nur wenig später das Zimmer verließ, war die Spritze in ihren Händen leer und auf Lunas Nachttisch lag ein Zettel.

Kurze Zeit später schloss Elizabeth die Haustür hinter sich und betrat den Aufzug des vierzigstöckigen Wolkenkratzers. Die Aufzugtüren glitten vor ihr zu und der Kasten setzte sich langsam in Bewegung. Das Licht hier war kalt und flimmerte, wodurch das Abbild der alten Frau im Spiegel an der Wand seltsam gespenstisch wirkte. Vielleicht wusste auch das Licht insgeheim von ihrem Vorhaben.

Der Weg zum Meer war beschwerlich und immer wieder musste Lunas Großmutter Pausen einlegen, um einen Moment zu verschnaufen. Auch ihr Rollator stellte nach geraumer Zeit keine große Hilfe mehr für sie dar.

Die Straße, die zum Strand führte, wurde von hohen, dunklen Gebäuden gesäumt und erschien der alten Frau endlos. Allein der Mond, der über dem Horizont stand, wies ihr mit seinem Licht den Weg.

Endlich hatte sie die Häuser hinter sich gelassen und fand sich nun auf einer weiten Wiese wieder. Etwas weiter hinten konnte Elizabeth die Steilklippen entdecken, unter denen das Meer rauschte. Einen Moment lang verharrte sie an Ort und Stelle und ließ ihren Rollator stehen. Sie versetzte ihm einen leichten Stupser, bis dieser den Abhang hinunterrollte und mit der Dunkelheit verschmolz.

Mit letzter Kraft schleppte sie sich weiter nach vorne, hin zum Abgrund. Angekommen trat sie bis an den Rand heran. Unter ihren Füßen bröckelten kleine Steine und fielen hinunter ins Wasser fielen, wo die Gischt sie verschluckte. Spitze Felsen ragten dort unten aus dem Boden heraus. Die Wellen leckten gierig daran, als wollten sie das große Gestein verschlingen. Was würden sie erst mit Elizabeth tun? Das Wasser lag gut fünfzig Meter unter der alten Frau. Ein Sturz wäre mit Sicherheit tödlich. Sie sah wieder auf, hoch zum Mond, der heute Nacht fast voll war. Ihre Gedanken schweiften zu Luna. Würde sie es verstehen? Würde sie ihrer Großmutter verzeihen? Würde sie darüber hinwegkommen? Elizabeth fielen keine Antworten auf all ihre Fragen ein. Dafür wusste sie, dass das hier der richtige Weg war. Sie war nicht lebensmüde, doch wenn sie sich vorstellte, noch die nächsten Wochen zwischen Schmerzen und Betäubung zu liegen, nur damit die Ärzte feststellten, dass es längst zu spät war, wollte Elizabeth ihrem Leben lieber frühzeitig ein Ende setzen. Ohne Schmerzen, ohne Qualen, ohne Leid.

»Verzeih mir«, flüsterte sie in die Dunkelheit. Ihre Worte wurden vom Wind davon getragen.

Ein Gefühl, das sie nicht so recht zu definieren wusste, machte sich in ihrer Brust breit. Es war weder gut, noch schlecht. Unbeschreiblich. Ein Strudel aus Glück, Sehnsucht, Trauer und Wehmut, der aus ihr herausbrach und leise Tränen über ihr Gesicht sandte.

Wieder sah sie nach unten, dann glitt ihr Blick erneut zum Mond und von da aus über die gesamte Umgebung. Sie versuchte, sich ein jedes Detail genau einzuprägen. Das schwarze Wasser; die Gischt, die bis zu ihr nach oben spritzte; das sternklare Himmelszelt, das sich über die Welt spannte, wie ein dunkelblaues, mit gelb leuchtenden Punkten besticktes Tuch; die vom Tau feuchte, weiche Wiese unter ihren nackten Füßen; der Wind, der ihr durchs Haar strich und an ihrem weißen Nachthemd zerrte. Wie von selbst erschien ein glückseliges Lächeln auf ihren Lippen. Sie erinnerte sich an ein altes Sprichwort, das sie einige Male aus dem Mund ihres verstorbenen Mannes gehört hatte. Geh, wenn es am schönsten ist. Fast meinte sie, seine Stimme in ihren Ohren zu hören, und wie sein Atem zu Lebzeiten strich der Wind über ihre Wange.

Er hatte Recht. Das Leben war wunderbar und so wollte sie es in Erinnerung behalten. So und nicht anders.

Und mit diesem Gedanken schloss sie die Augen und sprang.


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