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a c h t u n d v i e r z i g

»Wie lange war ich eigentlich weg? Und was passiert jetzt – hier und auf der ganzen Welt?«, stellte ich die Fragen, die mir schon seit einer gefühlten Ewigkeit auf den Nägeln brannten, als der Arzt zurückkehrte.

»Sie waren etwa vier Stunden bewusstlos«, erklärte dieser, während er meine Wunden versorgte. Zu meiner zweiten Frage schwieg er.

Dafür übernahm Sam das Reden. »Vor dem Regierungsgebäude ist die Hölle los. Nachdem die anderen aus der OMF zusammen mit einigen Gefangenen versucht haben, Druck auf die Regierung auszuüben, haben auch die übrigen von Tims Männer, die nicht wussten, welcher Organisation wir einmal angehörten, sich uns angeschlossen. Ihre Methoden bestanden zwar daraus, wild auf die Angestellten der Regierung zu schießen, aber es hat uns etwas gebracht. Und ehe sie herausgefunden haben, dass die Leute aus der OMF nicht ihre Interessen vertreten, sind einige von uns ins Nachrichtenstudio im oberen Stockwerk gestürmt und haben die Bürger dazu aufgerufen, sie zu unterstützen. Natürlich waren viele misstrauisch, doch zu unserer Überraschung wussten mehr Menschen als gedacht von der Fantasie und hatten es sich nur nie anmerken lassen. Jetzt wo wir dabei waren, einen Aufstand zu machen, kamen sie, um uns zu unterstützen. Wir haben alles gefilmt und im Fernsehen ausgestrahlt, innerhalb von Minuten wurden es immer mehr. Die Regierung ist mit immer mehr Verstärkung angerückt, doch sie konnten uns nichts tun; es hätte sonst die ganze Welt mitgekriegt. Irgendwann musste sich die Regierung geschlagen geben. Sie herrscht zwar noch immer über uns, aber sie alle wissen jetzt, dass wir uns wehren werden.« Ein Funkeln trat in seine Augen. »Ich hätte niemals gedacht, dass so wenige eine solche Bewegung in Gang setzen können. Aber wir haben es geschafft!«

Meine Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln. »Wow«, flüsterte ich ehrfurchtsvoll. Bei seinen Erzählungen war mir eine Gänsehaut gekommen.

»Ja, wow. Und an all dem bist du nicht ganz unbeteiligt gewesen«, sagte Sam; der Stolz in seiner Stimme war unüberhörbar und ich spürte, wie meine Wangen erröteten. »Als ich einen Arzt für dich ausfindig gemacht habe, habe ich ihn auch gebeten, einige Spritzen mitzubringen, in die wir die Fantasie füllen konnten. Die Bürger standen dem zwar erst recht kritisch gegenüber, aber als wir anderen begonnen haben, uns die Fantasie zu spritzen, waren auch sie dazu bereit.« Nun leuchteten seine Augen beinahe. »Luna, du hast es geschafft! Du hast den Leuten ihre Fantasie zurückgebracht und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die ganze Menschheit sie endlich wieder besitzt.«

Mein Herz machte einen freudigen Hüpfer und mein Lächeln wurde noch eine Spur breiter. »Wir haben es geschafft«, flüsterte ich. Die Worte klangen seltsam. Unrealistisch. Niemals hatte ich geglaubt, meinen größten Traum wirklich einmal in die Tat umsetzen zu können. Und jetzt war es tatsächlich passiert. »Danke. Danke, Sam, ohne dich hätte ich das niemals geschafft. Du bist mein Held.«

Er grinste nur schief, doch er widersprach mir nicht und das war meiner Meinung nach ein deutlicher Fortschritt. »Das klingt ja wie in einem schlechten Superheldenfilm«, sagte er amüsiert.

Ich schmunzelte. Langsam wurde Sam wieder ganz der Alte, auch wenn ich wusste, dass ihn die letzten Tage so sehr mitgenommen haben mussten, dass es Ewigkeiten dauern würde, bis er wieder gänzlich der war, der er einmal gewesen war. Ich wurde wieder ernst. »Wie geht es dir?«, fragte ich leise.

Sam nickte. »Alles okay. Ein paar blaue Flecken und Schürfwunden, aber sonst...«

Ich schluckte. »Das ... das meine ich nicht.« Ich griff nach seiner Hand.

Sam senkte den Blick. Obwohl er sichtlich versuchte, seine Miene neutral zu halten, sah ich den Schmerz auf seinem Gesicht. »Besser, seit du wach bist und ich weiß, dass du wieder gesund wirst«, wich er meiner Frage aus und zwang sich ein Lächeln auf die Lippen.

»Das ist keine Antwort«, sagte ich ernst und musterte ihn sorgenvoll, während der Arzt Betäubungsspritzen auf meinem rechten Arm verteilte und begann, mir eine Art Schiene anzulegen. »Die Tage bei der Regierung müssen schrecklich gewesen sein.«

Er nickte. »Das waren sie«, räumte er ein. »Lass uns irgendwann in Ruhe reden.«

Als Antwort drückte ich seine Hand und verschränkte meine Finger mit seinen. »Ich werde immer für dich da sein und du kannst mir alles erzählen. Ich hoffe, das weißt du.«

Wieder nickte er. Diesmal dankbar. »Dito.«

Ich lächelte, eine Weile lang herrschte Stille zwischen uns.

Irgendwann räusperte sich Sam. »Luna, ich muss dir etwas sagen.«

»Hm?«

»Es ... es geht um deine Großmutter.«

Erschrocken riss ich die Augen auf. »Ist etwas passiert?«

Sam biss sich auf die Unterlippe. »Sie wurde verletzt«, sagte er schließlich. »Von der Regierung. Sie kamen vorgestern zu ihr und haben versucht, Informationen zu bekommen.« Er schluckte. »Aber ... sie hat nichts gesagt.«

Ich schluckte. »Das heißt, sie haben ...« Gequält schloss ich die Augen. »Sie wussten, dass ich da war, oder? Bei Großmutter.«

Sams Schweigen war mir Antwort genug.

Mir traten Tränen in die Augen. »Ich hätte nicht zu ihr gehen dürfen«, flüsterte ich mit gepresster Stimme. »Ich hätte sie da nicht mit hineinziehen dürfen. Verdammt, ich war so dumm. So egoistisch.«

Sam schüttelte den Kopf. »Luna, du hast gehandelt wie es jeder andere auch getan hätte. Du warst völlig auf dich allein gestellt, du hast deine Großmutter Ewigkeiten nicht gesehen. Es ist doch verständlich, dass du sie noch einmal besuchen wolltest, bevor du zur Regierung aufbrichst.«

»Aber genau ist ja das Problem. Es war so vorhersehbar. Wenn man mich nur einigermaßen gut einschätzen kann, ist es klar, dass ich zu ihr gehen würde. Auch Tim hat das gesagt.«

Sam umschloss meine linke Hand mit seinen. »Mach dir keine Vorwürfe. Manchmal glaube ich, dass all das sowieso passiert wäre. Verstehst du?«

Ich nickte unsicher. »Du meinst, ... dass alles Schicksal ist? Dass ich nichts davon hätte ändern können? Dass es von Anfang an darauf hinaus lief? Glaubst du das wirklich?«

»Ja. Das glaube ich.« Sein Blick war so aufrichtig, als er mir fest in die Augen sah, dass ich nicht anders konnte, als seinen Vermutungen Glauben zu schenken.

»Aber warum denkst du dann, dass es deine Schuld war; dass du mich hättest retten sollen, wenn es doch ohnehin so gekommen wäre?«

Darauf wusste Sam keine Antwort.

»Was ist jetzt mit meiner Großmutter?«, fragte ich deshalb mit einem unguten Gefühl in der Magengegend.

»Im Krankenhaus kümmern sie sich um sie«, schaltete sich der Arzt in unser Gespräch ein. »Sie hat schwere Verletzungen davongetragen, aber wir kriegen sie sicherlich wieder hin.«

»Kann ich sie sehen?«

Er nickte. »Im Krankenhaus. Da werden wir Sie ohnehin so schnell wie möglich hinbringen, um uns professionell um Ihren Arm zu kümmern.«

»Okay«, sagte ich, obwohl mich all das nicht im Geringsten beruhigte. Wie lange war Großmutter wohl schon im Krankenhaus? Was hatte die Regierung der alten Frau angetan? Die Sorge schnürte mir den Hals zu.

Erstmals blickte ich aus dem Autofenster und beobachtete das rege Treiben auf der Straße. Glückliche Gesichter schoben sich vor mein Blickfeld. Nach und nach verließen die Bürger durch diese Straße den Vorplatz des Regierungsgebäudes.

Die Stimme des Arztes, der noch immer mit mir sprach, nahm ich nur nebenbei wahr. »Vorher erhalten Sie allerdings noch Ihre Fantasie zurück. Ich habe soeben jemanden dazu beauftragt, nach Ihrem Beutel zu suchen.«

Das Wort Fantasie ließ mich aufhorchen und erinnerte mich daran, wieso ich überhaupt in die Regierungszentrale eingebrochen war. Unwillkürlich musste ich lächeln.

Besagter »Jemand« kam eine Viertel Stunde später wieder. Es war ein junger Mann mit dunkler Haut und Haaren und einem verwirrtem Ausdruck auf dem Gesicht. »Wir konnten sie nicht finden.« Sein Blick heftete sich auf mich. »Ihre Fantasie ist nicht da.«

Ich runzelte die Stirn. »Aber das kann nicht sein. Wir haben sie doch alle -. Was ist, Sam?«

Er biss sich auf die Unterlippe und starrte betreten auf seine Hände, als wüsste er etwas, von dem er nicht wusste, ob und wenn ja, wie er es mir beibringen sollte. Nervös räusperte er sich. »Luna ... du -« Er stockte. »Du hast sie nicht mitgenommen.«

»Was?«, fragte ich verständnislos. »Natürlich, wir haben doch extra geschaut, dass auch alle da sind!«

Sam schüttelte den Kopf. »Das schon. Aber da war das Höchstgewicht bei der Türschwelle, als du die letzte Ladung nach draußen bringen wolltest. Weißt du nicht mehr? Du musstest einen Beutel da lassen. Erst hast du zwei in den Händen gehalten und dann den einen wieder eingesteckt, während du den anderen auf den Boden in der Lagerhalle gelegt hast.« Er schluckte. »Das muss deiner gewesen sein. Die Fantasie, die du zurückgelassen hast, war deine. Eine andere Erklärung fällt mir nicht ein.«

Ich starrte ihn fassungslos an. »Nein. Nein, das kann nicht sein. Bestimmt ist sie nur irgendwo verschwunden, unter ein Auto gerutscht. Vielleicht hat der Anzug ein Loch gehabt, durch das meine Fantasie beim Transport...« Meine Stimme erstarb.

Der junge Mann schüttelte bedauernd den Kopf. »Es tut mir leid. Wir haben bereits die gesamte Fantasie mitsamt Namen registriert. Die einzige, die noch fehlt, ist Ihre. Es muss sich dabei um den zurückgelassenen Beutel halten.«

Ich schloss die Augen. Das war zu viel für mich auf einmal. Erst Großmutter, dann das. Ich fühlte mich egoistisch, als mir der Gedanke kam, dass ich dafür, dass ich so sehr gekämpft hatte, im Gegenzug nichts erhalten hatte. Doch ich konnte nichts daran ändern, dass es mir unfair erschien, dass die gesamte Weltbevölkerung ohne eigenes Zutun ihre Fantasie zurück bekam, während ich leer ausging.

»Okay«, sagte ich erneut. Ich wusste nichts anderes zu erwidern.

Dass der junge Mann sich bei mir für meine Tat bedankte, hörte ich kaum, doch ich nickte ihm freundlich zu und setzte ein gequältes Lächeln auf, ehe er wieder verschwand.

Durch Sams Worte war ein weiterer Teil meiner Erinnerung wiedergekehrt. Ein Bild schob sich vor mein inneres Auge. Die beiden Beutel in den Händen. Die beiden Namen darauf. Den einen Namen, den ich noch nie zuvor gehört hatte. Vielleicht hätte ich ihn dalassen sollen, anstatt meine Fantasie zu opfern. Ich schüttelte den Kopf. Ich wusste, dass ich diese Entscheidung noch mehr bereut hätte.

»Luna.« Erst jetzt bemerkte ich, dass Sam schon seit geraumer Zeit versuchte, mir etwas zu sagen.

Ich blinzelte irritiert und blickte auf. »Hm?«

»Ich gebe dir meine Fantasie«, bestimmte Sam.

»Was? Nein!«, rief ich erschrocken. »Warum das denn?«

Er sah mir in die Augen. Sein Blick war so ernst und liebevoll zugleich, dass ich schlucken musste. »Luna, du hast unglaublich viel durchgemacht. Du hast den Weg zur Regierung und dazu eine riesige Verantwortung auf dich genommen, ohne etwas davon wirklich für dich zu tun. Niemand hat von dir erwartet, dass du dort einbrichst. Jeder andere hätte sich irgendwo versteckt, wo niemand bemerkt, dass er noch seine Fantasie in sich trägt. Du hättest dich bei deiner Großmutter verstecken und den ganzen Tag lang schreiben können. Aber das hast du nicht getan.« Er beugte sich zu mir vor und strich mir eine schmutzige Haarsträhne hinter die Ohren. »Du bist so mutig und so selbstlos, kleiner Mond. Du hast die Fantasie mehr verdient, als ich.«

Ich presste die Augen zusammen, um die Tränen zurückzuhalten und schüttelte den Kopf. »Das stimmt nicht. Du hast es mindestens genauso sehr verdient. Du hast mir geholfen, die Fantasie nach draußen zu bringen; hast mich vor Tims Leuten beschützt, immer zu mir gehalten. Du warst der Antrieb für mich, weiterzumachen.« Ich nahm seine Hand in meine. Ein Husten schüttelte mich und schmerzte in meinem wunden Hals, doch ich ließ mich davon nicht unterkriegen. »Wenn du mich glücklich machen willst, dann male. Benutze deine Fantasie dazu, zu malen, und sei glücklich, dass du wieder malen kannst. Dann bin auch ich glücklich.«

Sam, der sichtlich gerührt aussah, öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch ich schüttelte den Kopf. »Lass es. Bitte.« Als ich die Worte soeben ausgesprochen hatte, war mir eines klar geworden: Vielleicht, nein, sogar mit großer Wahrscheinlichkeit war die Welt ungerecht und grausam, aber so schlimm war sie nun auch wieder nicht. Ich hatte Menschen, die mich liebten; ich hatte Sam. Ich hatte ihre glücklichen Gesichter und die der anderen Leute seit Kurzem noch dazu. Das war fürs Erste mehr als genug.

Er nickte frustriert. »Ich werde dich wohl sowieso nicht umstimmen können, was?«

Ein zaghaftes Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. »Nope.«

»Sonst noch irgendwelche Wünsche, die ich dir nicht erfüllen darf?«, fragte er seufzend.

Ich überlegte und schüttelte dann den Kopf. »Aber einen Wunsch, den du mir erfüllen darfst.«

»Und der wäre?«

»Ich will sie sehen.«

»Wen? Deine Großmutter? Aber der Arzt hat doch...«

»Nein«, sagte ich kopfschüttelnd, obwohl mein Herz »ja« schrie. Doch jetzt meinte ich nicht Großmutter. »Ich meine sie alle. Die Menschen dort draußen. Ich will sie sehen, wie sie glücklich sind. Ich will wissen, wie es sich anfühlt, von Massen umgeben zu sein, die allesamt ihre Fantasie besitzen. Ich will wissen, wie es früher war.«

Sam zögerte. »Und wie? Ich glaube kaum, dass du in dem Zustand schon laufen kannst. Und noch weniger glaube ich, dass der Arzt mich am Leben lässt, wenn ich dir helfe, aus diesem Auto rauszukommen.« Er grinste gequält.

»Ach was«, entgegnete ich zuversichtlich.

Sam verschränkte gespielt empört die Arme vor der Brust. »Verstehe ich das richtig? Du riskierst also lieber meinen Tod, anstatt dir den Anblick all der Leute dort draußen entgehen zu lassen?«

Ich schob die Unterlippe vor und blickte ihn mit großen Kulleraugen an. »Das würdest du also nicht für mich tun? Du würdest nicht für mich sterben?«

Sam lachte, versetzte mir einen leichten Stupser ans Knie und öffnete die Autotür, um auszusteigen. »Aber wehe, du stehst jeden Sonntag heulend auf dem Friedhof vor meinem Grab, wie ein makaberer Stalker.«


Die Atmosphäre war magisch, als wir auf dem Vorplatz des Regierungsgebäudes eintrafen. In eine schier endlosen Schlange hatten sich Hunderte von Bürgern eingereiht und warteten auf die eine Spritze, die ein neues Leben für sie bedeutete; die das Leben für sie wirklich beginnen lassen würde. Kein Existieren mehr, sondern Leben. Freude und Leidenschaft verspüren und Neues erschaffen. Immer mehr Passanten stürmten heran, sie schienen aus allen Ecken der Stadt und mittlerweile auch von Außerhalb kommen. Die Nachricht schien sich verbreitet zu haben wie ein Lauffeuer und war selbst bis in die abgelegensten und sozial schwächsten Wohnorte gedrungen.

Menschenmassen mit glücklichen und erstaunten Mienen sowie Gesichtern voller Unglauben über die neuen Eindrücke und Erfahrungen strömten an mir vorbei. Aus den Robotern waren Menschen geworden. Individuen, die nun gar in der Öffentlichkeit wagten, ein scheues Lächeln aufzusetzen. Eine Gänsehaut kroch meinen Rücken hinauf. Das war es, was ich mir immer erhofft hatte. Das war der Moment, den ich mir in meiner Kindheit nur allzu gut versucht hatte auszumalen. Doch das hier übertraf all meine Vorstellungen. Obwohl die Leute hier Fremde waren und sich kaum Personen untereinander kannten, verband sie doch etwas. Sie waren eine Gemeinschaft. Ein Wort, um dessen Bedeutung wohl kaum einer von ihnen jemals wirklich gewusst hatte.

Sam trug mich auf seinen Armen über den Platz und blieb hin und wieder stehen, damit ich mich in Ruhe umsehen konnte. Mit meinem linken, gesunden Arm umschlang ich seinen Hals und hielt mich an ihm fest.

Einige Menschen schienen uns zu erkennen. Mittlerweile musste der Nachrichtenkanal voll von unseren Bildern sein. Die Leute lächelten uns verhalten zu, bedankten sich oder starrten uns einfach mit einer Mischung aus Bewunderung und Neugierde hinterher. Mir war all diese Aufmerksamkeit unangenehm, auch wenn es mich freute, dass die Menschen unsere Tat ganz offensichtlich zu schätzen wussten.

»Sie schauen vor allem dich an. Es muss sein, weil du so wunderschön bist«, flüsterte Sam mir ins Ohr und berührte dabei mit seinen Lippen wie zufällig meinen Hals, womit er mir einen wohligen Schauer über den Rücken jagte, der sich zu der ohnehin vorherrschenden Gänsehaut gesellte. Ein wunderschönes Gefühl, das ich jedoch nicht so recht benennen konnte, stellte sich in mir ein.

Ich kicherte. »Oder weil ich so hässlich bin.« Ich sah an uns beiden herunter. »Oder weil ich ein komischeres Bild abgebe, wie ich hier mit gebrochenem Arm auf deinen Armen liege. Vielleicht schauen sie dich aber auch nicht an, weil sie sonst so deprimiert sind, weil sie nicht so verdammt gut aussehen wie du.« Oh Gott, war das kitschig. Das hätte ich mir überhaupt nicht zugetraut.

Sam schüttelte leise lachend den Kopf und drückte mir einen Kuss auf die Stirn, wobei ich lächelnd die Augen schloss. »Ich nehme noch immer meine Theorie an.«

Von Weitem machte ich einige uniformierte Männer in der Menge aus. »Sind die von der Regierung?«

Sam nickte. »Ich denke schon. Aber sie haben keine Macht mehr gegen uns. Wenn sie sich gegen uns oder irgendjemand anderen stellen, werden sie das ganze Volk auf sich hetzen.« Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Wie sehr sich die Welt in nur wenigen Stunden verändern kann...«, murmelte er gedankenverloren.

Da konnte ich ihm nur zustimmen. Es kam mir seltsam surreal vor, dass all das wirklich geschehen war. Mir erschien es ziemlich unrealistisch, dass auf einmal tausende von Menschen unseren Behauptungen rund um die Fantasie Glauben schenkten. Doch vielleicht hatten sie alle es schon immer gewusst. Dass sie nichts als Marionetten waren, denen vorgegaukelt wurde, dass sie frei waren. Es war wie einem Vogel weiszumachen, dass er in Freiheit war, sobald man seinen Käfig öffnete. Doch irgendwann würde auch er verstehen, dass da noch immer das Fenster war, dessen Scheibe er durchbrechen musste. Ja, vielleicht hatte früher oder später ein jeder herausgefunden, dass alles nur Theater war, doch niemand war auch nur auf die Idee gekommen, dass andere ebenfalls davon wissen könnten – wie auch ohne Fantasie? - und so hatten sie geschwiegen. Tag für Tag, Nacht für Nacht.

»Luna!« Marilyns Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Nur Sekunden später erschien ihr strahlendes Gesicht in meinem Blickfeld. »Hey, Luna! Ist alles okay bei euch?« Ihr Blick fiel auf meinen provisorisch eingegipsten Arm und ein betroffener Ausdruck machte sich auf ihrem Gesicht breit. »Oh nein, anscheinend nicht. Was ist passiert? Ich hab von der Explosion gehört. Ist es sehr schlimm?« Sie machte Anstalten, mich zu umarmen, schien jedoch Angst zu haben, mich zu verletzen. Deshalb beließ sie es dabei, meine Hand zu nehmen und sie zu drücken.

Ich drückte zurück und lächelte. »Alles gut. Das wird schon wieder.«

Marilyn nickte nicht sehr überzeugt.

»Wie geht es dir?«, fragte ich, ehe sie weitersprechen konnte.

Sie zuckte die Schultern. »Gut«, sagte sie, doch wir wussten beide, dass es gelogen war. Ich hatte Sams Gesichtsausdruck gesehen, der seinen inneren Gefühlsaufruhr widerspiegelte. In Marilyn sah es mit Sicherheit kaum anders aus, wenngleich sie es vor fast niemandem zugeben würde.

Ich nickte verständnisvoll.

»Mir geht es übrigens auch gut«, meldete Sam sich beleidigt zu Wort.

Ich kicherte und drückte gespielt mitleidig meinen Kopf an seine Schulter. Ich wusste nicht, woher dieses ständige Lachen kam. Doch Marilyn schien dafür längst die richtige Antwort gefunden zu haben.

»Seid ihr eigentlich zusammen?« Meine Freundin grinste neugierig übers ganze Gesicht und verbarg damit den Schatten, der sich zuvor noch über ihre Miene gelegt hatte. In ihren Augen funkelte es, während sie uns erwartungsvoll ansah.

Die Hitze schoss mir ins Gesicht und ich konnte förmlich spüren, wie ich rot wurde. Auch Sam sah verlegen zur Seite, als wüsste er nicht, was er antworten sollte. Wir hatten darüber noch nie gesprochen, was schlicht und ergreifend daran lag, dass wir keine Gelegenheit dazu gehabt hatten.

Doch ehe ich zu einem dümmlichen »Ähm« ansetzen konnte, rettete der Arzt mich aus meiner misslichen Lage. Er kam panisch herangeeilt und bedachte uns mit einem Blick, aus dem sowohl Empörung als auch Belustigung sprach. Er hatte wohl nicht oft Patienten, die sich selbst aus einer provisorischen Krankenstation entließen.

»Was haben Sie sich dabei nur gedacht?«, schimpfte er, nachdem wir uns von Marilyn verabschiedet hatten und er uns zurück zum Auto geleitete. »Das war höchst unverantwortlich. Vor allem von Ihnen, junger Mann!« Er musterte Sam vorwurfsvoll durch zusammengekniffene, buschige Augenbrauen. »Die Frau ist noch immer labil und der Arm muss unbedingt ruhiggestellt und anschließend behandelt werden.«

Sam nickte brav und versuchte, einigermaßen schuldbewusst dreinzuschauen, doch ich sah das belustigte Funkeln in seinen Augen. Vielleicht war er aber auch einfach nur erleichtert, dass der Arzt nur schimpfte und sich seine Befürchtungen nicht bewahrheiteten.

»Ich konnte inzwischen einen Krankenwagen für Sie organisieren«, verkündete der Arzt an mich gewandt.

Und tatsächlich wartete in der Seitenstraße bereits ein weißer Krankenwagen mit abgedunkelten Scheiben.

»Muss das sein?«, fragte ich und seufzte gequält.

Doch der Arzt kannte kein Erbarmen. »Natürlich muss das sein«, entgegnete er und befahl Sam, mich auf der bereit stehenden Krankenliege zu platzieren, die ein Sanitäter anschließend wieder ins Innere des Wagens schob. Sam folgte mir bis nach drinnen, bevor er gebeten wurde, auszusteigen. Er sollte sich ein wenig um die Leute dort draußen kümmern. Ihnen Fragen beantworten. Aber vielleicht war das auch nur eine Ausrede, um mir Sam vom Leib zu halten, der mir vermutlich noch bis in den OP-Saal folgen würde.

»Warten Sie noch kurz!«, bat er den Sanitäter, der ungeduldig nickte. Sam wandte sich an mich. »Hast du es dir überlegt?«

Ich runzelte die Stirn. »Was meinst du?« Wollte er mir etwa schon wieder seine Fantasie andrehen? Das konnte er vergessen!

Sam holte tief Luft und sah auf einmal aus wie ein kleiner Schuljunge. »Du weißt schon: was Marilyn dich eben gefragt hat.« Auf einmal wirkte er beinahe schüchtern. Als ich noch immer nicht verstand, sah er mir tief in die Augen und nahm meine Hand. »Luna, willst du mit mir zusammen sein?«

Obwohl von unserem ersten Kuss an klar gewesen war, dass es darauf hinaus laufen würde, freute ich mich riesig über seine Frage. Sie hatte etwas Feierliches an sich. »Ja.«

»Okay.« Sam strahlte übers ganze Gesicht. »Ich liebe dich, kleiner Mond.« Damit drückte er mir einen Kuss auf die Stirn und verschwand aus dem Rettungswagen. Ehe sich die Türen schlossen, erhaschte ich einen Blick auf die Leute dort draußen auf der Straße, die sich von diversen Ärzten ihre Kreativität spritzen ließen. Glücklich schloss ich die Augen. Denn auf einmal wusste ich, dass ich nicht mehr länger allein war. All die Menschen dort draußen würden für ein lebenswerteres Leben kämpfen, mit der Leidenschaft, die die Fantasie in ihren Herzen entfachte.


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