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Das laute Klingeln seines Weckers riss Noah aus seinem unruhigen Schlaf. Vollkommen gerädert stand er mühsam auf und schleppte sich ins Bad. Er hasste es, denn jede Nacht quälte ihn der ein und selbe Albtraum und das nunmehr seit knapp elf Jahren.
Antriebslos stieg er in der Dusche und versuchte unter dem kalten Wasser erst einmal zu sich zu kommen, bevor er es wärmer drehte. Nur langsam erwachten seine Lebensgeister. Nicht nur, dass ihm seine Träume zu schaffen machten, nein, heute war auch noch sein erster Schultag an einem neuen College!
Diesen Umzug mussten sie wegen seiner Ziehmutter unternehmen, die eine neue Stelle als Ärztin in einem anderen Krankenhaus angenommen hatte. Um näher bei ihrer Arbeitsstelle zu sein, hatte sie ein kleines Haus gekauft, fernab seiner gewohnten Umgebung, seiner Schule und seiner Freunde!
Frustriert stieg Noah aus der Dusche und betrachtete sich im verschwommenen Bild des Spiegels. Mit einem Handtuch wischte er den Dampfbeschlag darauf ab und starrte sich selbst in die Augen. Aus seinem nassen, hellbraunen Haar rannen kleine Rinnsale über sein Gesicht und den Hals, hinunter über seine glatte Brust und verschwanden im Handtuch, das um seine schmalen Hüften lag. Bei einer Größe von 1,69 m war er nicht wirklich groß und wirkte eher zierlich. Er war schlank und hatte dennoch schön definierte Muskeln, die nicht allzu übertrieben wirkten. Sein Gesicht war schmal und lief zum Kinn hin spitz zu. Seine Mum behauptete immer, sein Gesicht wäre herzförmig. Außerdem besaß er eine kleine Stupsnase mit Sommersprossen und große moosgrüne Augen, mit vereinzelt hellbraunen Flecken darin. Seine Haut schimmerte in einem sanften Goldbraun und seine vollen Lippen glänzten in einem zarten Rosa.
Seufzend beendete Noah seine Betrachtung und trocknete sich ab. Danach schlurfte er antriebslos in sein Zimmer zu seinem Schrank. Er zog eine dunkelblaue Boxershorts an und nahm eine schwarze Jeans heraus, in die er gleich danach schlüpfte. Dann griff er ein schwarzes Shirt mit einem kotzenden, grünen Smiley, passend zu seiner Laune, und zog es sich über. Noah nahm sich noch ein paar schwarze Socken aus seiner Kommode, dann ging er nach unten ins Erdgeschoss. Mit seinen Haaren gab er sich keine sonderliche Mühe, sondern fuhr nur ein paarmal mit den Händen hindurch. Er hatte es aufgegeben, seine braune Mähne zu bändigen, denn die machte ohnehin, was sie wollte.
In der Küche nahm er sich einen Apfel und aß ihn gelangweilt auf. Er packte sich ein Wasser in seinen grauen Rucksack, dann zog er im Flur seine Socken und schwarze Sneaker an. Danach schnappte er sich seine Tasche, sowie seinen Haustürschlüssel und verließ das Haus. Er schloss die Tür ab und machte sich lustlos auf den Weg zur Schule. Den Weg kannte er bereits, denn diesen hatte er ein paar Tage zuvor schon erkundet.
Tief in Gedanken versunken, lief Noah zur Schule, als er schon von Weitem den jämmerlichen Schrei einer Katze hörte. Er war ungefähr eine halbe Stunde von seinem Haus entfernt und hatte es nicht mehr weit, da sah er an der Kreuzung zu einer Seitenstraße eine kleine, trächtige Tigerkatze auf einem Baum sitzen. Ihr runder Bauch hinderte sie daran, sich sicher zu bewegen, weshalb sie von dort oben herunterzufallen drohte.
Weil Noah noch ausreichend Zeit hatte, lief er zum Baum und sah von unten zur miauenden Katze hinauf. Das Kätzchen wirkte zerrupft und ausgehungert, außerdem machte es einen einsamen Eindruck. Mit traurigen Augen blickte sie auf ihn hinab und maunzte kläglich. Noah seufzte ergeben und legte seinen Rucksack ab. Danach zog er, leise vor sich hin schimpfend, seine Schuhe und Strümpfe aus. Wieder ertönte das Maunzen, als wollte es ihm sagen, dass er sich beeilen sollte.
„Jaja, ich mache doch schon. Warte kurz, ich bin gleich bei dir. Ich hole dich da schon runter“, meckerte Noah leise vor sich hin. Er wusste, dass die Katze ihn nicht verstehen würde, trotzdem sprach er beruhigend auf sie ein, während er sich erhob. Von unten sah er den Stamm hoch und schätzte ab, wie er nach oben kommen sollte. Der unterste Ast hing ungefähr 2 1⁄2 bis 3 Meter über ihm. Vorsichtig sah er sich um, ob jemand in der Nähe war, der ihn beobachten könnte.
Da die Luft rein war, beugte er die Knie und stieß sich ab, wobei er ohne größere Probleme den untersten Ast erreichte. Schnell hielt er sich daran fest und zog sich hoch. In der Hocke blieb er erst einmal sitzen und legte den Kopf schief. Erst danach stand er auf und griff nach der kleinen Katzendame. Das Tier fing sofort an zu schnurren, sah ihm kurz in die Augen, miaute leise und schnurrte anschließend weiter. Noah betrachtete das Kätzchen neugierig. Er stand, ohne sich festzuhalten, auf dem Ast und war ganz vertieft in den Anblick der kleinen Katze, die sich vertrauensvoll an ihn presste, wobei er alles andere um sich herum ausblendete.
„Hey, du! Was machst du da oben?“, erklang plötzlich eine tiefe Stimme, die einen Schauer über seinen Rücken jagte. Erschrocken machte er einen Satz und verlor den Halt. Mit einem unterdrückten ‚Fuck!‘ fiel er in die Tiefe, dabei die kleine Katze fest an sich gepresst. Normalerweise hätte er sich in der Luft gedreht und abgefangen, doch mit der Katze in den Armen war ihm das nicht möglich. Darum krümmte er, um die schwangere Katze zu schützen, seinen Körper zusammen und wartete auf den Aufprall, der überraschenderweise ausblieb.
„Uffz“, entfuhr ihm, als er in den Armen eines Riesen landete. Noah hob den Kopf und blickte in die schönsten grauen Augen, die er je gesehen hatte. „Wie ein Sturmhimmel“, flüsterte er fasziniert und schüttelte verwirrt den Kopf.
„Mate ...“, kam von dem jungen Mann, der ihn immer noch in den Armen hielt.
„Huh? Ich kenne keinen Mate. Oder meintest du Nate? Aber auch den kenne ich nicht! Mein Name ist Noah. Danke, dass du mich aufgefangen hast. Das hätte echt schiefgehen können.“ Noahs Blick ging wieder nach oben und seine Augen wurden groß. Wie sollte er erklären, wie er da hinaufgekommen war? Er hoffte inständig, dass der junge Mann deswegen nicht nachfragte.
Auch der Schwarzhaarige richtete seinen Blick nach oben. „Was hast du da oben eigentlich gemacht?“
„Ach so ja. Hier!“ Er nahm die Arme auseinander und auf seinem Bauch lag die kleine Tigerkatze, die ein empörtes Maunzen von sich gab.
„Oh, entschuldige, meine Kleine. Dir ist doch nichts passiert?“ Noah streichelte dem Fellknäuel über den Kopf und hörte wieder das wohlige Brummen. „Na siehst du? Es ist alles gut.“
*****
Callen, der vor der Schule noch ein wenig laufen war, hörte in der Baumkrone über sich etwas und sah nach oben. Dort stand ein Junge im Baum, den er wegen seiner dunklen Kleidung fast übersehen hätte. Nachdem er ihn angesprochen hatte, erschrak der Kleine dermaßen, dass er von dem Ast fiel, auf dem er stand. Einem Reflex folgend fing er den zierlichen Kerl auf, dessen wunderbarer Geruch ihm sofort in die Nase stieg. Als sie sich in die Augen blickten, war ihm sofort klar, dass er seinen Gefährten in den Armen hielt. Allerdings wusste der Junge anscheinend nicht, was dies zu bedeuten hatte, denn dieser sah ihn nur neugierig an. Er musste unbedingt herausfinden, wie alt der Kleine, der sich ihm als Noah vorgestellt hatte, war. Callen machte keine Anstalten, den Kleinen abzusetzen und hielt ihn immer noch fest.
„Sagst du mir, wie alt du bist, Noah?“ Callen hatte sich beherrschen müssen, diese Frage nicht zu knurren. Sein Wolf Seki war neugierig an die Oberfläche gekommen, um ihren Mate ebenfalls zu betrachten.
„Wuhuuu ... der ist ja mal zum Fressen niedlich! Und er wirkt so klein, ach nein, der ist so klein! Das ist bestimmt ein Omega! Nur damit kann ich mir seine Größe erklären. Aber trotzdem ... er gehört ganz alleine uns! Und wie er duftet. Nach Eis und Schnee. Steck mal deine Nase in ihn! Jetzt mach schon! Oder nein, beiß ihn! Na los doch, beiß ihn endlich, damit jeder weiß, dass er einen Gefährten hat!“ Seki schien ganz begeistert von Noah und bekam sich gar nicht mehr ein.
Der Kleine sah Callen mit großen Augen unsicher an, antwortete ihm aber. „Ähm, ich werde Anfang nächster Woche achtzehn. Warum?“
„Hmm, nur so.“ Callen zuckte die Schultern, da wurde ihm bewusst, dass er den Jungen noch immer in seinen Armen hielt. Langsam setzte er ihn ab, hielt ihn aber weiter an der Hüfte fest.
„Na los doch, Cal. Jetzt beiß ihn endlich! Es ist doch egal, ob er erst nächste Woche erfahren wird, dass er zu uns gehört!“ Sein Wolf drängte ihn dazu, Noah zu kennzeichnen und er spürte, wie sein Zahnfleisch anfing zu schmerzen und sich seine Zähne verlängerten.
„Nein, Seki. Er scheint keine Ahnung davon zu haben, dass ich sein Gefährte bin. Ich möchte sehen, wie er auf uns reagiert, wenn es ihm bewusst wird.“ Callen spürte erleichtert, wie sein Wolf nachgab und sich seine Zähne wieder zurückzogen.
*****
Noah hingegen war verwirrt. Wer war dieser Kerl und warum fragte er ihn nach seinem Alter? Das Einzige, was er wusste, war, dass er den Geruch dieses jungen Mannes sehr anziehend fand. Dieser roch wie ein Wald nach einem Sommerregen. Am liebsten würde er seine Nase an dessen Hals drücken und an ihm schnuppern. Sein inneres Tier Cian kam vorsichtig an die Oberfläche und beäugte neugierig den großen Kerl, der nun neben ihm stand und auf ihn hinuntersah. Mit offenem Mund blickte Noah zu dem Riesen hoch.
„Wow, bist du groß! Was hast du denn geschluckt und wo gibt es das zu kaufen?“ Er hatte sich das leider nicht verkneifen können und errötete beschämt. Der Schwarzhaarige lachte leise und Noah spürte, wie sich seine Nackenhaare erwartungsvoll aufrichteten. Kurz schloss er die Augen. Sein Tier begann in seinem Inneren, ein sanftes Brummen von sich zu geben und Noah horchte verwundert in sich hinein.
‚Cian ist von dem Kerl ja genauso fasziniert wie ich‘, dachte Noah und starrte den Schwarzhaarigen weiterhin sprachlos an. „Frag ihn nach seinem Namen!“ Sein Tier strich unruhig in ihm umher.
„Ähm ... wie ist eigentlich dein Name? Jetzt, wo du weißt, wie ich heiße, darf ich dann auch deinen Namen wissen?“ Noah löste seinen Blick von dem attraktiven Kerl und setzte die Katze endlich auf den Boden ab. „So, meine Kleine. Es tut mir leid, aber nun bist du wieder auf dich alleine gestellt. Ich kann dich leider nicht mitnehmen, denn Diane sagt, eine Katze reiche ihr vollkommen.“ Mit einem letzten Kraulen hinter den Ohren der trächtigen Katze verabschiedete er sich von ihr.
Während er sich wieder aufrichtete, hörte er, wie der Kerl seinen Namen nannte. „Ich heiße Callen.“ Noah nickte verstehend und sah ihm in die sturmgrauen Augen.
„Also Callen. So leid es mir tut, aber ich muss los. Ich sollte am ersten Tag an meiner neuen Schule nicht unbedingt zu spät kommen. Danke für deine Hilfe. Wir sehen uns.“ Damit nahm er seine Schuhe, in denen auch seine Socken steckten, sowie seinen Rucksack und rannte barfuß und winkend davon.
Zurück blieb ein zufrieden wirkender Alpha, der seinem Mate hinterherblickte. Er hätte es schlechter treffen können. Zwar dachte er, er würde eine Wölfin als Gefährtin bekommen, aber dieser kleine Omega war mindestens genauso niedlich. Außerdem war er ein neuer Schüler an seiner Schule! Nun musste er sich nur noch darüber informieren, was man zu beachten hatte, wenn man mit einem Jungen schlief!
Tief in Gedanken versunken, spürte Callen plötzlich etwas um seine Beine streichen. Als er nach unten sah, saß die kleine Tigerkatze zu seinen Füßen und starrte ihn erwartungsvoll an. Er bückte sich und nahm das zierliche Kätzchen hoch, welches sich sogleich mit einem leisen Maunzen in seine Arme kuschelte.
„Na, meine Süße. Wie sieht es aus? Willst du vielleicht mit zu mir?“ Er kraulte die Katze hinter den Ohren und sie hob vertrauensvoll den Kopf, den sie schnurrend gegen seine Hand drückte. „In Ordnung, dann wollen wir dich mal nach Hause bringen“, sprach er weiter und machte sich auf den Weg zu seinem Zuhause.
Zum Glück hatte er heute die erste Stunde schulfrei. Er wollte vor Schulbeginn nur etwas joggen gehen, als ihm der Junge im Baum aufgefallen war. Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck betrat er sein Haus und machte sich direkt auf den Weg in sein Zimmer. Unterwegs nahm er den Karton, der zufällig im Flur stand, mit nach oben. Dort setzte er die Katze auf dem Boden ab und öffnete seinen Schrank, wo er nach einer alten Decke griff und damit den Karton auskleidete. Danach räumte er eine Ecke am Boden seines Schrankes frei, stellte den Karton hinein und hob die Katze wieder hoch. Sanft setzte er sie in das Nest, welches er für sie gebastelt hatte, ab und sah erleichtert dabei zu, wie das Kätzchen sich zufrieden zusammenrollte und einschlief.
Jetzt musste er nur noch seine Eltern davon überzeugen, dass er das Kätzchen behalten durfte, denn schließlich waren sie Wolfs-Wandler und Wölfe mochten eigentlich keine Katzen! Nur er war da die absolute Ausnahme, denn er liebte diese selbstbewussten Tierchen mit ihrer Neugier und ihrem zufriedenen Schnurren.
„Schlaf dich erst einmal aus, Süße. Wenn ich wieder zurück bin, bringe ich dir auch was zu fressen mit. Ich glaube, ich werde dich Tigress nennen.“ Mit diesen Worten machte sich nun auch Callen für die Schule fertig.
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Huhu. Ich versuche mich an etwas neuem, denn dieses mal ist es keine Fanfiction. 🤔
Updates kommen allerdings eher unregelmäßig.
Über Rückmeldung würde ich mich trotzdem freuen. 🤗
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