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Caleb hatte in der Nacht kaum geschlafen. Erschöpft und müde saß er in der Küche und wartete auf seine Eltern. Da er nicht mehr schlafen konnte, war er schon sehr früh aufgestanden. Jetzt stocherte er lustlos in seinem Müsli. Er hatte sich entschieden.
Endlich hörte er, wie seine Eltern die Treppe herunterkamen. Lachend betraten sie die Küche, doch als Holly ihren Sohn sah, wusste sie sofort, dass etwas nicht mit ihm stimmte.
„Caleb, Schatz. Was ist denn los?“, fragte sie und streichelte ihm zart über den Kopf. Caleb sah sie traurig an und Holly erschrak.
Der junge Alpha sah mitgenommen aus, wenn nicht sogar gebrochen. Das bedeutete nichts Gutes. „Sag mir, was los ist. Vielleicht kann ich dir helfen.“ Sie würde ihren Sohn am liebsten an sich ziehen, wusste aber nicht, ob er dies zulassen würde.
Caleb nahm ihr die Entscheidung ab, indem er seine Arme um sie schlang und anfing zu weinen. Seine Verzweiflung war zu groß. Deshalb war es ihm auch vollkommen egal, dass er wie ein Baby an seiner Mutter hing.
Holly starrte besorgt auf ihren Sohn hinab. Wenn ihr willensstarker Sohn so sehr litt, dann war etwas wirklich Schlimmes vorgefallen. Sie hielt Caleb in ihren Armen, der sich verzweifelt die Seele aus dem Leib heulte.
Auch Drake starrte betroffen seinen Sohn an. Ihm war klar, dass es etwas mit Reed, Calebs Gefährten, zu tun haben musste. Er drehte sich um und lief in sein Büro. Er musste Milo anrufen. Vielleicht wusste Reeds Beta mehr darüber.
*****
Milo und Yuki erklärten Calebs Vater über eine Video-Konferenz, was vorgefallen war. Nach dem Gespräch blieb Drake nachdenklich sitzen. Er war sich gar nicht mehr so sicher, ob es gut war, dass die beiden zu Mates wurden. Sein Sohn war wegen Reed viel zu oft unglücklich und das passte ihm gar nicht.
Kurz darauf klopfte es leise an der Tür und Holly kam herein. Seine Gefährtin wirkte betrübt. „Er ist auf der Couch eingeschlafen. Weißt du, was vorgefallen ist?“ Fragend sah sie ihn an.
Drake winkte seiner Luna zu, sie solle herkommen und zog sie auf seinen Schoß. Dann erzählte er ihr, was er erfahren hatte.
„So langsam bezweifle ich, dass die Mondgöttin hier wusste, was sie tat. Ich habe unseren Sohn noch nie so verzweifelt gesehen. Er hat sogar davon gesprochen, das Ritual der Trennung durchzuführen.“
Drake hatte seiner Gefährtin schweigend zugehört. Wenn Caleb darüber nachdachte, ging es ihm wirklich nicht gut. Betrübt hielt er Holly im Arm und versuchte einen Ausweg aus diesem Dilemma zu finden.
Drake kam zu dem Entschluss, dass er Hilfe brauchte und wer wäre da nicht besser geeignet als der Vater von Reed? Also schickte er Holly zu ihrem Sohn, um nach ihm zu schauen, und nahm das Telefon zur Hand.
*****
Auch Reed hatte schlecht geschlafen. Milo und Yuki antworteten nicht auf sein Rufen. Nicht über Handy, ebenso wenig über ihren Link. Sie waren wohl wirklich sehr sauer auf ihn.
Betrübt saß er in der Küche und wartete auf seinen Vater. Er musste mit jemandem sprechen, der neutral bei dieser Geschichte war.
Etwas später kam der Alpha endlich in die Küche. Schweigend schüttete dieser sich einen Kaffee in seine Lieblingstasse und setzte sich, mit einem wütenden Blick auf seinen Sohn, ebenfalls an den Tisch.
Reed spürte den Zorn, der in seinem Vater brodelte, wusste aber nicht, weswegen der Alpha so wütend war, doch das sollte er gleich erfahren.
„Weißt du Reed? Ich bin von dir maßlos enttäuscht“, begann der Alpha und Reed schluckte. „Du trittst das, was du mit Caleb haben könntest, mit Füßen.“ Burke sah ihn voller Enttäuschung an.
Bei den Worten seines Vaters stieg in Reed Wut auf. „Ach ja? Und dass er seine Ex-Freundin geküsst hat, zählt dabei wohl gar nicht?“ Er war aufgesprungen und wollte davon stürmen, doch die Alpha-Stimme seines Vaters zwang ihn zurück auf seinen Stuhl.
„Setz dich!“, donnerte Burke und Reed befolgte diesen Befehl sofort. Noch nie hatte sein Vater so mit ihm gesprochen, was ihm eindeutig bewies, wie wütend der Alpha war.
„Sag mir, Sohn. Als Yuki und dein Gefährte sich geküsst haben, was hast du da gespürt?“ Burke blickte ihn aus seinen Wolfsaugen an, was Reed nur zu deutlich zeigte, dass er in der Klemme steckte.
„Woher ...?“, begann er, wurde aber durch ein warnendes Knurren unterbrochen. „Es tat weh“, gab er leise zu.
„Und was hast du gespürt, als diese Sarah ihn geküsst hat?“ Der Alpha ließ nicht locker.
Reed schluckte schwer. Er wollte nicht antworten. „Wut?“, antwortete er leise.
„Wut“, gab Burke nachdenklich von sich. „Auch Schmerz?“
Reed nickte mit dem Kopf. „Ja, schon.“
„Ich meine nicht diesen Schmerz, sondern den Schmerz in deiner Brust, wenn er dir wirklich fremdgegangen wäre. Den Schmerz, der deinen Wolf heulen lassen würde.“ Obwohl Burke nun ruhiger wirkte, täuschte das nur.
„Lark hat geheult“, widersprach Reed. „Wir sind die ganze Nacht durch den Wald gelaufen!“, versuchte er sich zu rechtfertigen.
„Ach ja? Dann sag mir doch eins. Wo ist deine Wölfin jetzt? Denn ich kann ihre Präsenz nicht mehr spüren“, gab der Alpha zu bedenken.
Reed horchte in sich hinein und stellte überrascht fest, dass es stimmte. Lark war nicht mehr da. Er rief nach ihr, doch da war nur Stille.
„Aber wo ist sie denn nur? Sie kann doch nicht einfach so verschwinden.“ Leichte Panik erfasste den jungen Alpha.
„Doch, das kann sie. Sag mir noch eins, seit wann kannst du sie nicht mehr spüren?“ Burke wirkte erschöpft und traurig, was Reeds Panik nur noch verstärkte. Er versuchte, sich zu erinnern.
„Das war in der Pause, als Yuki und Caleb sich küssten. Lark hat versucht, mit mir zu reden, aber ich habe sie abgeblockt. Ich wollte nichts davon hören, dass ich einen Fehler machen wür...!“ Reed brach ertappt ab.
Burke war aufgesprungen und hatte mit den Fäusten auf den Tisch geschlagen, sodass dieser erzitterte. „Du weißt, dass es dein Fehler ist und verhältst dich trotzdem so?“ Seine Stimme war ein einziges Grollen. Sein Wolf saß dicht unter seiner Haut, was Reed zeigte, dass er zu weit gegangen war.
Plötzlich sackte Burke in sich zusammen und setzte sich wieder. „Na ja, das ist nun auch egal, denn du wirst ihn verlieren. Caleb denkt über das Ritual der Trennung nach“, sagte er leise.
Reed sah ihn ratlos an. „Ritual der Trennung? Was ist das?“
Der Alpha seufzte leise und massierte seine Nasenwurzel. Er spürte bereits den allzu bekannten Druck, der Kopfschmerzen ankündigte.
„Das ist ein Ritual, bei dem man das Mate-Band trennen kann. Im besten Fall behalten beide ihren Wolf und können sich, wie Nicht-Wandler, noch einmal verlieben. Im schlimmsten Fall verliert man seinen Wolf.“ Er schüttelte den Kopf. „In beiden Fällen würde man dennoch die Verbindung vermissen, auch wenn es nicht mehr so schmerzt.“
Reed starrte seinen Vater verstört an. Caleb wollte dieses Ritual wirklich durchführen? Dieser blöde Wichser! Dachte er vielleicht auch mal an ihn? Reed stockte. Er war doch selbst schuld daran, denn schließlich hatte er auf Stur geschaltet und keine Argumente zugelassen. Von niemandem.
Er war einfach erbärmlich! Nur weil er Angst hatte, wieder verletzt zu werden, verletzte er alle anderen. Da hatte er wohl einiges wiedergutzumachen. Betroffen schwieg er erst einmal.
„Nun ja. Bei dir ist das wohl egal, denn wie es scheint, hast du deine Wölfin bereits verloren. Du hättest nicht alle von dir stoßen sollen. Auch deine Betas finden dein Verhalten unmöglich. Ganz ehrlich, Reed“, begann Burke.
„Ich habe dein Verhalten in letzter Zeit beobachtet. Mir ist aufgefallen, dass du jedem anderen mehr vertraust als deinem Gefährten. Ich habe zwar versucht, dein Misstrauen ihm gegenüber zu zerstreuen, aber das ist mir wohl nicht wirklich gelungen.“ Burke stand langsam auf. Er benötigte eine Kopfschmerztablette. „Ich denke wirklich, dieses Ritual ist das Beste, was Caleb tun kann. Ich werde seinem Vater sagen, dass ich ihn darin unterstütze.“ Mit diesen leise gesprochenen Worten verließ er die Küche.
Zurück blieb Reed, dem jetzt erst wirklich bewusst wurde, was er alles verlieren würde. Denn wenn Lark nicht mehr zu ihm zurückkäme, wäre er kein Alpha mehr und bräuchte auch keine Betas, was bedeutete, dass Milo und Yuki nicht mehr bei ihm bleiben müssten.
Auch Caleb würde er verlieren, was ihn bereits jetzt schon schmerzte, obwohl seine Wölfin nicht bei ihm war, was nur bedeuten konnte, dass er sich auch als Mensch in den jungen Alpha verliebt hatte.
Reeds Augen brannten, so sehr unterdrückte er die Tränen. Langsam stand er auf. Er fühlte sich schuldig und verlassen.
„Wäre ich bei dem Unfall bloß gestorben“, flüsterte er leise in die Stille des Raumes und verließ traurig das Haus.
*****
Keiner, der beiden Alphas in der Küche bemerkte, dass sie eine Zuhörerin hatten. Sally stand im Wohnzimmer bei ihren Kindern und hörte alles mit an.
Gerade kam Burke in den Raum und sie lief zu ihm. Sally erkannte sofort, dass ihr Mann seine Kopfschmerzen bekam, weshalb sie zu einem Schrank ging und ein paar Schmerztabletten herausholte, die sie ihm wortlos reichte.
Burke schluckte die Pillen ohne Wasser und setzte sich auf die Couch. Sally setzte sich sogleich neben ihn.
„Denkst du wirklich, dass es das Beste ist, wenn dieses Ritual durchgeführt wird?“, fragte sie leise, legte ihre Finger auf die Schläfen des Alphas und begann ihn sanft zu massieren.
„Nein, eigentlich nicht. Aber das kann so zwischen den beiden nicht weitergehen. Reed vertraut Caleb einfach nicht und ich weiß nicht, warum das so ist.“ Burke schloss entspannt die Augen und lehnte seinen Kopf gegen die Rückenlehne der Couch.
„Ich habe eine Idee, was wir machen können. Allerdings benötigen wir dazu Drake und Holly, sowie die beiden Wölfe der Jungs. Denkst du, du kannst Lark zurückholen? Reed und du sagten doch, sie sei nicht mehr zu spüren.“ Sally sah Burke mit einem listigen Glitzern in den Augen an.
Der Alpha hob den Kopf. „Was hast du vor?“, fragte er. Ihm gefiel dieses Funkeln in Sallys Augen. Obwohl sie nicht seine wahre Mate war, liebte er sie.
„Das, mein Lieber, erkläre ich euch allen bei einem gemeinsamen Abendessen. Wir müssen nur zusehen, dass Reed und Caleb davon nichts mitbekommen. Außerdem brauchen wir Lark, denn ohne die Wölfin geht es nicht!“
Burke war neugierig. Was hatte Sally nur vor, was hierbei helfen könnte? Aber da er ihr vertraute, würde er nicht weiter nachfragen und abwarten.
„Das mit Lark, lass ruhig meine Sorge sein. Außerdem waren wir schon lange nicht mehr in unserem Lieblings-Restaurant. Ich werde Drake und Holly mal zu einem schönen Abendessen einladen und einen Tisch bestellen. Dort können wir dann alles besprechen. Ich hoffe nur, dass das, was du vorhast, auch wirklich funktioniert.“
Damit stand Burke auf, um zu telefonieren. Währenddessen ging Sally bereits in Gedanken ihren Plan durch. Sie war sich sicher, dass dieser funktionieren würde. Er musste einfach funktionieren!
**********
Was Sally nur vor hat? Und ob das gut gehen kann?
Warum kämpft Reed nicht um seinen Gefährten, obwohl er weiß, das er ihn liebt?
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