29
Am Samstagmorgen erwachte Reed und spürte bereits seinen Wolf, der ungeduldig darauf wartete, endlich zu Caleb zu kommen.
„Endlich bist du wach! Ich warte schon die ganze Zeit darauf, dass du aufwachst. Ich habe dich sogar mehrmals gerufen“, nörgelte sein Wolf beleidigt und Reed verdrehte die Augen. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es erst kurz nach sechs war. Mit einem unwilligen Schnauben drehte er sich auf die andere Seite und schloss wieder die Augen.
„Reed, jetzt steh endlich auf! Du hast gesagt, dass wir ihnen heute unser Geheimnis verraten.“ Lark gab einfach keine Ruhe.
„Es ist noch zu früh, um dort hinzugehen. Caleb schläft sicher noch“, brummte Reed.
„Na und? Dann machen wir ihn halt wach! Er hätte sicher nichts dagegen, wenn du ihn mit Küsschen aufwecken würdest. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass er absolut begeistert wäre“, widersprach Lark.
Reed grinste. Damit hatte Lark gar nicht einmal so unrecht. Ihr Verhältnis zueinander entwickelte sich erstaunlich gut. „Wir gehen ja zu ihm, aber erst später. Ich glaube nicht, dass Calebs Eltern begeistert wären, wenn wir jetzt schon dort auftauchen würden“, versuchte Reed seinen Wolf zu vertrösten.
Lark gab ein beleidigtes Knurren von sich, fügte sich aber. „Na gut. Aber wehe, du sagst es ihm heute nicht!“, drohte der Wolf in ihm. Zufrieden schloss Reed noch einmal die Augen und schlief kurze Zeit später erneut ein.
*****
Gegen zehn Uhr schwang sich Reed auf sein Motorrad und machte sich auf den Weg zu seinem Gefährten. Ihm war ziemlich mulmig zumute, denn wenn er ehrlich war, hatte er Angst vor Calebs Reaktion, sobald dieser von seinem Geheimnis erfuhr.
„Das wird sicher nicht ganz so schlimm, wie du es dir vorstellst“, versuchte Lark ihn zu beruhigen. „Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass die beiden mich lieben werden.“
„Dein Wort in der Mondgöttins Ohr“, gab Reed nicht ganz so überzeugt zurück. „Aber wir werden es ja bald wissen.“ Damit fuhr er weiter und kam kurz darauf auf dessen Grundstück an. Er stellte seine Maschine ab und betrat das Haus.
*****
Während Reed auf dem Weg zu ihm war und auf dem Grundstück einfuhr, unterhielten sich Caleb und sein Vater in dessen Büro.
„Und Caleb, wie läuft es zwischen dir und Reed? Nähert ihr euch endlich an?“, fragte der Vater seinen Sohn.
Caleb nickte strahlend. „Ja, Vater. Zurzeit läuft es richtig gut. Allerdings haben wir, seit es mir so schlecht ging, nicht mehr miteinander geschlafen“, gab der junge Alpha zu.
„Hmmm, liegt es immer noch an deinem Gefährten?“ Drake sah seinen Sohn fragend an.
Caleb blickte nachdenklich zurück. „Ja, leider. Er scheint zu denken, ich vertraue ihm nicht. Etwas verbirgt er noch vor mir und ich weiß nicht, was es sein könnte.“
„Nun gut. Das kommt vielleicht noch. Und hast du noch den Wunsch nach Kindern? Hast du darüber nachgedacht?“
Caleb seufzte leise. Natürlich hatte er darüber nachgedacht, schließlich konnten er und Reed niemals eigene Kinder bekommen. „Ja, habe ich“, sagte er. „Vielleicht ist die Idee mit einer Adoption oder der Leihmutter gar nicht mal so schlecht. Wir bräuchten nur eine Frau, die sich von Reed und von mir durch eine Samenspende schwängern lässt und meine und seine Babys dann austrägt und zur Welt bringt!“
Drake betrachtete seinen Sohn voller Stolz. Dieser schien sich endlich Gedanken gemacht zu haben. „Sag mir eins. Liebst du ihn?“
Caleb lächelte. „Oh ja, Dad. Wie könnte ich auch nicht? Er ist zwar ein Mann, dennoch möchte ich nicht von ihm lassen und würde ihn am liebsten immer wieder küssen und berühren.“
Während Caleb und sein Vater sich miteinander unterhielten, bemerkten sie nicht, dass jemand ihr Gespräch mit angehört hatte und mit jedem gefallenen Wort wütender wurde.
*****
Als Reed das Haus betrat, begrüßte er zuerst Holly, die in der Küche damit beschäftigt war, einen Kuchen zu backen. Immer wieder benutzte sie elektrische Geräte, die ziemlich laut waren. „Hi, Holly. Ist Caleb da? Weißt du, wo ich ihn finden kann?“, fragte er in einer ruhigen Minute.
„Oh, hallo Reed. Mein Sohn ist mit seinem Vater im Büro. Geh ruhig zu ihnen. Du weißt ja, wo du es findest.“ Holly strich sich eine Strähne ihrer braunen Haare aus dem Gesicht und hinterließ dabei einen Mehlstreifen auf ihrer Stirn.
Reed lächelte und verabschiedete sich. Vor der Tür zu besagtem Büro blieb er stehen und hob die Hand, um anzuklopfen. Da hörte er ein paar Worte, die seine Neugier weckten.
„Ja ... ich vertraue ihm nicht ...“, Calebs Stimme.
„... und hast du noch den Wunsch nach Kindern? Hast du ... überdacht?“ Das war Calebs Vater.
„Ja, habe ich ... eine Frau ..., die sich ... von mir ... schwängern lässt und meine ... Babys ... zur Welt bringt!“ Wieder Caleb.
„Sag mir eins. Liebst du ihn?“ Erneut Drake.
„Oh ... Dad. Wie könnte ich ...? Er ist ... ein Mann ... möchte ich nicht ... küssen und berühren.“
Reed hörte wie erstarrt zu. Seine Hand war noch immer zum Klopfen erhoben. Langsam ließ er sie sinken und ballte sie zur Faust. Er hatte in seiner zunehmenden Wut gar nicht bemerkt, dass er nur einen Teil des Gespräches mitbekommen hatte. Immer wieder war das Geräusch eines Küchengerätes dazwischengekommen. Reed sah Rot und stürmte ohne anzuklopfen das Büro.
„Ich wusste es. Ich wusste, ich kann dir nicht vertrauen. Du bist solch ein Arsch, Caleb. Ich möchte dich nie wieder sehen!“, schrie er, drehte sich um und rannte mit Tränen in den Augen aus dem Haus. Er musste hier schnellstens weg. Sein Wolf jaulte verzweifelt in ihm, doch er ignorierte es. Zu groß war seine Wut und seine Enttäuschung. Zornig schwang er sich auf sein Motorrad. Ohne seinen Helm anzuziehen, der achtlos davonrollte, startete er den Motor. Hinter sich hörte er Caleb nach ihm rufen, aber auch ihn ignorierte er.
*****
Caleb war gerade in das Gespräch mit seinem Vater vertieft, da wurde die Bürotür aufgerissen und ein wutentbrannter Reed stand in der Tür.
„Ich wusste es. Ich wusste, ich kann dir nicht vertrauen. Du bist solch ein Arsch, Caleb. Ich möchte dich nie wieder sehen!“ schrie Reed und Caleb hatte überhaupt keine Ahnung, was sein Gefährte damit meinte und warum dieser so wütend war. Nachdem sein Mate sich schnaubend abgewandt hatte, blieb er erst einmal ungläubig stehen. Er wusste im ersten Augenblick nicht, was er tun sollte, da rief ihm sein Vater zu, er solle seinem Gefährten schnellstens folgen.
Endlich kam Bewegung in ihn und er rannte Reed betroffen hinterher. Als er zur Tür hinaus war, sah er gerade noch, wie der Wolf auf sein Motorrad stieg und die Maschine startete. „Reed, warte, was ist mit dir? Jetzt warte doch mal und lass uns miteinander reden. Das muss ein Missverständnis sein“, versuchte er sich zu erklären.
Reed jedoch ignorierte ihn und stieg auf sein Motorrad, startete es, ließ die Reifen durchdrehen und brauste in rasantem Tempo davon.
„Scheiße“, fluchte Caleb und rannte zu seinem Auto. Auf dem Weg dorthin kramte er den Schlüssel hervor, stieg ein, startete den Motor und folgte so schnell wie möglich dem wütenden Alpha.
*****
Reed konnte kaum etwas sehen, vor lauter Tränen der Wut. Er konnte sich selbst gegenüber nicht zugeben, dass auch Tränen der Enttäuschung und der Trauer mit dabei waren. Ohne auf seine Geschwindigkeit zu achten, gab er noch einmal Gas. Im Rückspiegel erkannte er, trotz seines verschwommenen Blickes, dass Caleb ihm folgte. Also beschleunigte er noch einmal.
In einer Biegung überschätzte er sein fahrerisches Können und wurde aus der Kurve getragen. „Oh, verdammt“, fluchte er und spürte, wie das Motorrad unter ihm wegrutschte.
„Reed, pass auf!“, schrie sein Wolf, dann ging alles ganz schnell. Der Aufprall war hart und schmerzhaft. Reed rutschte über den Asphalt und spürte einen brennenden Schmerz in der Schulter und der Hüfte, die schmerzhaft Bekanntschaft mit dem Boden machten.
Da er sich in einer Kurve befand, rutschte er geradeaus auf eine Böschung zu. Er versuchte irgendwo Halt zu finden, da traf ihn sein Motorrad im Rücken. Der Schlag presste ihm die Luft aus den Lungen und er spürte, wie etwas in ihm zerriss. Nun schlitterte er über feuchtes Gras auf einen Hang zu. Er wusste, dass es dort abwärtsging und kämpfte verbissen darum, endlich irgendwo Halt zu finden, doch seine Hände rutschten aufgrund der blutigen Abschürfungen immer wieder ab.
Im nächsten Augenblick flog er durch die Luft und fiel in die Tiefe. Bestürzt gab er einen Schrei von sich, der durch einen harten Aufprall seines Körpers auf dem Boden unterbrochen wurde. ‚Oh Gott!‘, dachte er, als er sich mehrmals überschlug. Dabei spürte er, wie er gegen Bäume, Äste und Felsen krachte. Seine rechte Schulter knackte und er wusste sofort, dass sie gebrochen war. Danach spürte er einen heftigen Schmerz in seinem rechten Unterschenkel, als dieser gegen einen Baum schlug. Wieder hörte er ein Knacken. Kurz darauf einen brennenden Schmerz in seiner linken Seite, wo sich ein Teil seines Motorrads in ihn gebohrt hatte.
Reed konnte nichts anderes tun, als zu beten, dass er diesen Sturz überleben würde. Noch immer überschlug er sich und hatte nicht mehr die Kraft, etwas dagegen zu tun. Er wusste nicht, wie lange er schon am Fallen war. Es konnte nicht allzu lang sein, aber es kam ihm vor, wie eine Ewigkeit. Immer öfter hörte er, wie Knochen brachen. Den Schmerz spürte er kaum noch, denn er war bereits im Schock.
Das Letzte, was er noch bewusst wahrnahm, war ein großer Baum, der mit einer unglaublichen Geschwindigkeit auf ihn zuraste, dann wurde es schwarz um ihn, als er mit dem Kopf heftig dagegen schlug und es erneut knackte.
*****
Caleb raste Reed hinterher und kam ihm langsam näher, da beschleunigte dieser verrückte Wolf noch einmal sein Tempo. In einer Biegung kam Reed ins Straucheln und er sah, wie sein Gefährte stürzte. Caleb musste mit ansehen, wie Reed versuchte, sich abzufangen und irgendwo Halt zu finden, doch es gelang ihm nicht. In dem Augenblick, bei dem Reed über die Böschung in den Abgrund rutschte, hielt er an und sprang aus dem Auto.
„Verdammt, Reed“, schrie er und rannte zu der Stelle, wo Reed verschwunden war. Trümmer des Motorrads lagen überall verstreut und er konnte Blut riechen. „Reed!“, rief er erneut, bekam aber keine Antwort.
Er stand oben am Hang und blickte in die Tiefe. Weiter unten sah er das völlig zerstörte Motorrad und schluckte. „Hölle, verdammt“, fluchte er. Seine Augen suchten einen Weg nach unten, doch der Hang war einfach zu steil.
„Verwandeln“, schrie sein Wolf und er überließ dem Wolf die Führung. Seine Kleidung zerfetzte, aber das interessierte ihn nicht. Als Wolf sprang er in großen Sätzen die Böschung hinab und folgte dem Geruch nach Blut. Endlich war er unten und suchte panisch nach seinem Gefährten. Da sah er ihn und stieß ein lautes, betroffenes Heulen aus. Noch im Lauf, zu dem Verletzten, wandelte er sich zurück in seine menschliche Gestalt.
„Reed“, schluchzte er, als er seinen Gefährten sah. Reed war übersät mit Blut und sein rechter Unterschenkel stand in einem unnatürlichen Winkel ab. Auch sein Arm war gebrochen. Aus seiner linken Seite ragte ein Metallstück des Motorrads. Er hatte überall Hämatome und Schürfwunden, sowie Schnitte. Aber das Schlimmste war, dass aus seinem Mund und den Ohren ebenfalls Blut lief. Caleb wusste, dass dies nicht gut war.
„Dad?“, rief er in Gedanken den Alpha. „Reed hatte einen schweren Unfall in der Kurve, Nähe der alten Scheune. Er ist in den Abgrund gestürzt und schwer verletzt. Ich brauche einen Notarzt und einen Krankenwagen. Oh Gott, Dad. Ich glaube, er stirbt“, Caleb konnte sich kaum beherrschen.
Sein Vater hatte ihm sofort geantwortet und ihm gesagt, dass Hilfe unterwegs sei. Er käme mit Holly ebenfalls und er solle zusehen, dass Reed nicht bewegt wurde. Caleb ließ sich weinend neben seinem Gefährten nieder und streichelte besorgt dessen eiskalte Hand. Reed war ganz blass und atmete nur noch flach. Seine Lippen waren blau und immer mehr Blut sickerte aus seinem Mund.
In seiner Verzweiflung stieß der junge Alpha ein schauriges Heulen aus, welches sofort von wilden Wölfen beantwortet wurde. Kurz darauf hörte er erleichtert die Sirenen der Rettungsfahrzeuge, die endlich näher kamen.
***********
Bämm, Drama!
Ich weiß... Ich bin ein gemeines Biest!
Ob Reed überlebt?
Eins vorweg ... Drama ist noch nicht fertig, denn es kommt noch schlimmer ...
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro