Kapitel 29
Als ich meinen Blick zu Jack wende, der den davongehenden Tom hinterher blickt und ein letztes Knurren von sich gibt, vergesse ich komplett meine eigenen Schmerzen.
Sein Anblick macht mich innerlich völlig kaputt. Wie er sich voller Schmerzen auf den Boden niederlässt und ein gequältes Jaulen von sich gibt.
Mein Herz zieht sich zusammen.
Ihn so zu sehen und das meinetwegen, zerstört mich von Innen.
***
Alle anderen Wahrnehmungen werden von dem schwarzen Loch in meinem Kopf verschlungen. Eiserne Leere herrscht in mir.
"Jack!",wimmere ich kläglich.
Alle meine Muskeln sind angespannt. Immer noch kann ich kaum realisieren, was geschehen ist. Unfähig zu handeln stehe ich nur da und blicke auf den, am Boden verharrenden und gekrümmten tierischen, Körper hinab.
Voller Sorge lasse ich mich auf den Boden sinken, bedacht darauf ihn nicht zu berühren.
Langsam nähere ich mich geschockt an und schlinge meine Finger fast krampfhaft um seinen großen Kopf.
Behutsam streiche ich über das volle Fell, da ich Angst habe ihm weh zu tun. Sein Röcheln dringt an mein Ohr. Ich kann seinen schnellen Herzschlag unter meiner Hand klopfen spüren.
Meines hält für einen kurzen Moment an und schlägt dann doppelt so schnell weiter.
Wut steigt in mir auf, als ich das fast schon eingetrocknete Blut sehe, dass in seinem Fell klebt und es matt erscheinen lässt.
Immer noch hat kein anderer Laut ihn verlassen, als die qualvollen Laute, die mir das Herz zerreißen.
Nur einen Moment später merke die Wärme, die sich unter meinen Händen bündelt. Schnell ziehe ich sie bei Seite und erkenne, wie sich Jack zurück verwandelt. Ich weiche etwas zurück, als ich die Verwandlung erneut miterleben, doch diesmal von ganz nah.
Keine Sekunde später hört man das altbekannte Knacken, als anschließend Jacks menschliche Gestalt anstelle des riesigen Werwolfes auf der Stelle des Bodens liegt.
Auf die Seite gedreht liegt er dort, mit dem geschundenen Rücken in meine Richtung.
Mitleidendig und gleichzeitig faszinierend beobachte ich diese Veränderungen, bevor ich sofort an Jacks Seite bin und mich ihm langsam nähere.
Die immernoch klaffende Wunde an seinem Rücken, ist durch sein zerrissenes Oberteil, dass mit Blut geträngt ist, nur teilweise zu entdecken.
Er ist stark verletzt.
Lebensgefährlich.
Ich lege meine beiden Finger auf seinen Hals, um seinen Puls zu spüren.
Nichts. Nichts ist zu spüren.
Von der Panik gepackt, greife ich seine Hand. Ich kann seinen leblosen Arm kaum festhalten, so stark zittere ich. Schnell lege ich meine eiskalten Finger abermals auf die Innenseite seines Handgelenkes und warte, ob ich etwas spüre.
Ein Schrei will meine Kehle verlassen, doch kein Ton ist zu hören.
Ich spüre Todesangst, obwohl es nicht mal um mein eigenes Leben geht.
Poch.
Poch.
Poch.
Er lebt. Ich habe ihn nicht verloren.
Erleichterung lässt mich aufatmen, doch gleichzeitig fühle ich mich hilflos.
Immer noch wird alles in meinem Inneren durch seinen Anblick blockiert.
Mühsam hebe ich seinen schweren Körper etwas weiter zu mir. Ich strecke meine Hand nach seinem Gesicht aus und lasse meine Finger seine Konturen nachziehen.
Seine Augen sind geschlossen und ich wünsche mir nichts anderes, als wieder in seine atemberaubenden Augen sehen zu dürfen. In die Augen meines Retters.
Ich muss Hilfe holen. Doch das Risiko ihn einfach so hier liegen zu lassen, ist mir zu groß. Es muss einen anderen Weg geben.
Plötzlich erfasse ich etwas ungewöhnliches. Seine zuvor noch riesige Einstichstelle hat sich mindestens um das Doppelte verkleinern. Überrascht schaue ich es mir genauer an.
Das ist doch unmöglich.
Doch dann trifft mich die Erkenntnis mit einem Schlag.
Werwölfe heilen schneller, als Menschen es tun.
Das hatte ich völlig vergessen. Doch beruhigen tut es mich trotzdem nicht, immerhin ist er noch nicht einmal wach. Besorgt schaue ich auf hin herab.
Soll ich in die Schule gehen und jemanden um Hilfe bitten? Das wäre unglaublich riskant. Wie solle ich denn jemandem erklären, warum Jack hier liegt und vor allem, warum er verletzt ist.
Meine Atmung will sich nicht beruhigen. Doch dann realisiere ich etwas bewundernswertes: Jacks Wunde ist vollständig geheilt. Nur noch eine längliche Narbe ist zu sehen, die seinen Rücken ziert.
Entrüstet bemerke ich die Kraft und das Leben, die nach und nach wieder seinen Körper erfüllen.
"Jack?"
Unsicher rüttle ich leicht an seinem Arm, als ich ein Keuchen seinerseits wahrnehme. Langsam richtet er sich leicht auf, als er seine Augen kurz öffnet.
Augenblicklich haftet sein Blick auf mir.
"Bist du verletzt?", ist das erste, was er mit rauer angeschlagener Stimme von sich gibt.
"Oh Gott!", flüstere ich von der Freude überwältigt und lasse mich auf seinen Schoß und in seine Arme fallen.
Ihm geht es gut.
"Du hast mich zu Tode erschreckt. Ich dachte, du seist tot. Ich hatte solche Angst um dich.", sage ich vorwurfsvoll.
Doch schon im nächsten Moment kommen mir die Tränen, als ich wieder das Bild vor Augen haben, als er leblos vor mir lag, wie als hätte man ihm das Lebenselixier entzogen.
Er umfasst mein Gesicht schwerfällig mit beiden Händen und haucht mir einen kleinen Kuss auf meine Lippen.
Einen Kuss, der so viel Zuneigung ausdrückt, wie ich noch nie zuvor in meinem Leben gespürt habe. Ein Kuss mit einer großen Bedeutung.
"Du weißt doch, Werwölfe wie ich lassen sich nicht so schnell unter kriegen."
Ein Grinsen schleicht sich auf sein Gesicht, dass aber bald von einem schmerzverzerrten Gesichtsausdruck abgewechselt wird. Obwohl er stark wirken will, sehe ich deutlich die Schmerzen, denen er ausgesetzt ist.
Als sein Blick auf meinen Hals fällt, wird er ernst. Seine Augen verändern sich. Der in Flammen aufgehende Hass breitet sich in ihnen aus, wie Feuer, dass entzündet wird. Sanft gleiten seine weichen Finger meinen Hals entlang.
Ohne es zu wollen, zucke ich zusammen. Ich kann mir schon genau vorstellen, wie mein Hals aussieht. Doch eine ganz andere Frage ist, wie ich das meinen Eltern erklären soll.
Blau. Das ist die Farbe, die mein Hals wahrscheinlich angenommen hat.
"Du hast mich mal wieder gerettet. Danke!",haucht ich, um ihn abzulenken, da ich genau weiß, was er gerade denkt.
Wütend schnaubt er und schüttelt seinen Kopf.
"Nein. Ich war einfach zu spät. Er hat dir weh getan, verdammt nochmal!"
Entschuldigend blickt er mir in die Augen.
"Jack, wenn du nicht gekommen wärst, hätte er mich womöglich noch schlimmer verletzt."
"Doch warum hast du mir überhaupt verheimlicht, dass Tom-"
Ich muss ihn das einfach fragen. Viel geändert, hätte es wahrscheinlich auch nicht, doch ich wollte den Grund einfach wissen. Plötzlich unterbricht er mich, als hat er es schon geahnt.
"Auch ein Werwolf ist? Ich wollte dich nicht noch weiter belasten. Du warst so glücklich und ausgelassen. Ich habe niemals in Erwägung gezogen, dass er zu so etwas im Stande ist. Das ging nun entgültig zu weit."
Ich konnte ihn verstehen. Er macht mich so glücklich, wie ich es noch nie in meinem Leben war.
"Tu das nicht."
"Was?", entgegnete er, obwohl er schon ganz genau wusste, auf was ich hinaus will.
"Gib dir nicht die Schuld dafür. Du hast vollkommen richtig gehandelt.",will ich ihn überzeugen.
Er hat keinen Grund sich Vorwürfe zu machen. Einzig und allein Tom trägt die Schuld.
"Aber es stimmt doch. Wäre ich schneller bei dir gewesen und hätte besser auf dich aufgepasst, hätte er dir sowas nie antun können. ",redet er sich ein.
Als ich ihn weiter vom Gegenteil überzeugen will, schneidet er mir das Wort ab.
"Wir gehen jetzt zu einem Arzt!",bestimmt er.
Zustimmend nicke ich ihm zu und deute mit einer Kopfbewegung auf seinen Rücken. Erst jetzt bemerke ich auch das getrocknete Blut an meinen Händen, das durch Jacks Wunde gekommen war.
"Dein Rücken sollte dringend nochmal behandelt werden.",stimme ich ihm zu. Denn obwohl die Wunde zu gewachsen ist, sieht sie nicht gerade wirkich gut aus. Er sollte zur Sicherheit zum Arzt gehen, nicht das es sich noch entzündet.
"Doch nicht wegen mir.",ruft er ungläubig und wirkt leicht entsetzt.
"Schau dir doch mal deinen Hals an. Wenn ich ihn erwische, wird er dafür büßen, dass verspreche ich dir."
Da ich wusste ihn nicht umstimmen zu können, richtete ich mich langsam auf.
"Schau mich bloß nicht so an.",entgegne ich und schaue ihn vielsagend an.
"Was meinst du?" Mit einem fragenden Blick betrachtet er mich.
"Du sollst mich nicht die ganze Zeit so besorgt ansehen. Mir gehts doch gut."
"Das hat man ja gesehen.",erwidert er ironisch. Er glaubt mir kein Wort.
Ja, er hat ja recht. Mein Hals schmerzt ganz schön, aber hat er sich bitte mal seinen Rücken angeschaut. Das ist mindestens vierfach so schlimm.
Ich gebe ihm meine Hand, um ihm auf zu helfen.
Sein Kiefer ist angespannt, als ich ihm helfen aufzustehen, da er gegen seine Schmerzen und somit seinen eigenen Körper ankämpfen muss. Schmerzvoll und erschöpft verzieht sich sein Gesicht, doch als er mich erneut anschaut, zwingt er sich für mich ein Lächeln auf.
Doch ich sehe wie schwer es ihm fällt, diese unglaublichen Schmerzen, die wie schwere Lasten auf ihm liegen, für mich verstecken zu wollen.
"Also wenn ich zum Arzt muss, dann gehst du schön mit und lässt dich auch behandeln.", kommt es ernst von mir.
Mein drohender Blick hält ihn auf Widerworte zu geben.
Der eisige Wind ist zurückgekehrt und lässt uns beide frösteln. Meine Zähne beginnen zu klappern, als uns erneut eine Windböhe erfasst.
Jack schnappt sich meine Hand und zieht mich so schnell wie es für ihn möglich ist auf den Parkplatz vor der Schule, auf dem ich auch schon sein Auto entdecken kann.
Meine starren Fingerspitzen werden von der Taubheit erfasst, während ich die Zähne zusammen beiße. Jacks Hand spendet mir Wärme und lässt sie wieder von dem tauben Gefühl erwachen.
◾◾◾
"Was ist eigentlich genau passiert?"
Als wir im Auto angekommen sind, bombardiert er mich mit Fragen, wobei er sich ein erbostes Knurren verkneifen muss.
Langsam fahren wir los, doch Jack ist bedacht darauf, nicht mit dem Rücken an den Sitz hinter sich zu stoßen.
Soll ich es ihm wirklich anvertrauen? Bin ich bereit ihm von meinem Bruder und dem Konflikt mit Tom zu berichten?
Ich habe es nicht mal richtig selbst verarbeitet.
Doch er sollte es wissen.
"Es ging um meinen Bruder.", berichtete ich mit brüchiger Stimme und blickte verträumt aus dem Fenster.
Die grauen monotonen Wände der Hochhäuser rasen an meinem Fenster in Sekundenschnelle vorbei. Durch die riesigen Wolken ist der ganze blaue Himmel verdeckt, der dem Lebens sonst immer die Farben und Freude schenkt.
Doch jetzt mit den dunklen Wolken wirkt die ganze Welt in schwarz -weiß.
Ein Räuspern ist zu hören, dass mich aus meiner Trance weckt.
"Du hast einen Bruder? Das wusste ich gar nicht. Du kannst ihn mir ja bei Gelegenheit mal vorstellen.",sage Jack überrascht.
"Das geht nicht.",flüstere ich heiser aus meiner Kehle. Mein Hals ist immer noch rau und angeschlagen. Mein Versuch normal zu sprechen gelingt nicht, denn die tiefe Trauer überwältigt mich.
"Wieso?"
Jack ist nur noch gedämpft zu hören, als wenn er weit entfernt wäre, so gefangen bin ich in meiner Welt.
Seine verzerrte Stimme, die einzig und allein durch meine Sinne dringt wiederholt sich immer wieder in meinem Kopf.
Es ist wie Nebel. Ein Nebel, der sich über mich und meine ganzen Sinne legt.
Alles erscheint so fern, obwohl ich immer noch im Auto nehmen Jack sitze.
"Er ist tot."
◾◾◾
Hey ihr Lieben.💓
Sorry, dass so lange nichts mehr kam. Ich bin im Moment mit so vielen Sachen gleichzeitig beschäftigt, dass ich es bis jetzt nicht geschafft habe ein Kapitel zu schreiben. :/
Doch jetzt bin ich froh, da ich seit Wochen mal wieder etwas mehr Zeit hatte.
Und bitte seid mir nicht zu böse. Doch die Schule ist mir nun mal wirklich wichtig und geht vor.
Doch ich hoffe, dass ihr alle trotz dieser kurzen Unterbrechung noch weiter lest und euch das Kapitel gefällt.❤❤❤
Ich würde mich freuen, wenn ihr Feedback hinterlasst.
Ich wünsche euch noch einen schönen Tag.💞
XoXo Lena♡
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