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Durch die Dunkelheit erkannte ich nur wenig meiner Umgebung, jedoch genug, um zu wissen, dass ein Kampf bevor stand. Das erklärte auch die Schüsse, die hoffentlich niemanden tödlich verletzt hatten.
"Komm - schneller", riss Kieran mich aus meinen Gedanken und nachdem ich meinen Blick wieder nach vorn richtete, betrachtete ich seine Hand, mit der er meine fest im Griff hatte. Er führte mich schnellen Schrittes von der Lichtung weg - immer weiter in den Wald hinein.
Mein Herz pochte wie verrückt und ich hörte ständig die Kampfgeräusche der Wölfe. Dieses grausame Aufheulen - dazu das tiefe Knurren, welches sich aber immer weiter entfernt anhörte. Vollkommen im Chaos versunken blieb ich abrupt stehen und fasste mir mit meiner freien Hand an meine Brust. Ich kam kaum noch zu Atem vor lauter Aufregung und sofort drehte Kieran sich fragend zu mir herum.
"Marcelina. Wir müssen weg!", betonte er seine vorherigen Worte noch einmal mit Nachdruck, da schüttelte ich jedoch meinen Kopf verneinend.
"Ist das dein Großvater? Greift er uns gerade an?"
"Ja", gab Kieran mir nach kurzem Zögern zurück und drehte sich zu mir, um mein Gesicht behutsam in seine Hände zu nehmen. Meine Atmung überschlug sich immer mehr, doch er beruhigte mich damit, dass er sanfte Küsse auf meiner Stirn verteilte. "Genau deswegen muss ich dich in Sicherheit bringen."
Er legte seine Stirn an meine und seine Hände wanderten meine Schultern herab bis zu meiner Taille, auf welcher er sie kurz ruhen ließ.
"Dir darf nichts passieren", hauchte er an meine Haut und löste sich im nächsten Moment wieder von mir, um meine Augen genauestens mit seinen zu fixieren. "Das würde ich mir niemals verzeihen."
"Aber du kannst dein Rudel nicht alleine kämpfen lassen."
Der Regen prasselte unaufhörlich auf uns nieder, sodass meine Haut bereits eiskalt war. Ich zitterte leicht, doch ich unterdrückte es so gut es ging, um entschlossen zu Kieran aufzusehen.
"Geh ihnen helfen, denn ich würde mir niemals verzeihen, dass dein Rudel stirbt, nur weil ich für dich bestimmt bin."
Er wusste es genau so gut wie ich, dass kein Rudel ohne seinen Alpha stark genug für die Verteidigung eines Gebiets wäre. Sie brauchten ihn an ihrer Seite, ganz egal ob ich dadurch schutzlos und alleine hier im Wald stehen würde.
"Ich bleibe bei dir", gab er mir mit einem gequälten Unterton zurück und wollte mich gerade wieder enger an sich ziehen, da weiteten sich schlagartig seine Augen und er starrte für einen Moment an mir vorbei ins Leere. Da war kein Ausdruck mehr in seiner Dunkelheit zu erkennen und im selben Augenblick ertönte ein solch lautes Aufjaulen hinter uns, dass es mir einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte.
"Geh schon!", entkam es mir überfordert, als mir bewusst wurde, was er gerade empfand. Ein Wolf musste sein Leben geben und er - er spürte es mit jeder Faser seines Daseins. "Bitte, Kieran! Leite sie an! Ich verstecke mich!"
Sein Blick schweifte wie benommen zu mir herunter, während die Tropfen des Regens über sein so schönes Gesicht liefen.
"Geh...", hauchte ich erneut und legte dabei meine zitternden Hände auf seine warmen Wangen. Sie glühten, denn im Gegensatz zu mir, besaß er noch seinen inneren Wolf. "Ich warte hier auf dich."
Vollkommen von all dem Chaos um mich herum eingenommen, stellte ich mich mutig auf meine Zehenspitzen und hielt mit meinen Lippen genau vor seinen noch mal kurz inne, ehe ich sie sanft auf seine drückte. Er wirkte wie erstarrt, als könnte er nicht glauben, was ich da tat. Ich glaubte es ja selbst nicht, doch ich wollte ihm Kraft geben und auch einen Grund liefern, bis zum Ende um sein Überleben zu kämpfen.
Der Regen vermischte sich mit dem Geschmack seiner Lippen. Ich schloss meine Augen, schlang meine Arme um seinen Nacken und zog ihn enger zu mir herunter. Auch sein Griff um meine Taille verfestige sich, wodurch ich ganz plötzlich etwas spürte, dass kaum real sein konnte.
Mit großen Augen löste ich mich von ihm und schnappte dabei nach Luft, während ich nicht mehr einschalten konnte, ob ich vor Verlangen oder Kälte zitterte.
"Was ist los?", wollte er besorgt wissen, doch ich zeigte nur hinter uns und versuchte dass, was mit mir passierte, erstmal selbst zu begreifen. Die Wärme meiner Wölfin breitete sich in mir aus. Nicht so stark wie vorher, doch genug um ihre grenzenlose Liebe zu Kieran wahrzunehmen.
"Es geht mir gut!, erwiderte ich ihm und als ich erneut von der Lichtung aus das verzweifelte Heulen eines Wolfes hörte, riss ich an Kierans Arm herum. "Geh jetzt!", entkam es mir unter Herzrasen und er nickte mir zu, um auch gleich los zu rennen und in der Dunkelheit hinter mir zu verschwinden.
Ich sah ihm nach und hatte nur noch Angst davor, dass diese Nacht für uns alle tödlich enden könnte. Angestrengt versuchte ich meine Wölfin zu zwingen, mehr und mehr aus meinem Unterbewusstsein zu kommen. Doch sie weigerte sich und nachdem meine Lippen sich von Kierans gelöst hatten, verkroch sie sich wieder in der Tiefe meiner Seele.
Geräusche von knackenden Ästen und dem peitschenden Wind ließen meine Aufmerksamkeit wieder auf den Wald um mich herum lenken und da sah ich ganz plötzlich eine dunkle Gestalt vor mir. Als sie aber näher kam, bemerkte ich unter angehaltener Atmung, dass es Petra war. Sofort lief ich mit großen Augen auf sie zu.
"Du lebst!", freute ich mich, obwohl ich sie kaum kannte und blieb direkt vor ihr stehen. Sie signalisierte mir aber mit ihren Fingern, dass ich leise sein sollte und zeigte in die Richtung, aus der sie gekommen war.
Ich verengte meine Augen, doch erkannte weiterhin nur Dunkelheit. Trotzdem vertraute ich ihr genug, um ihr langsamen Schrittes zu folgen.
Über dicke Äste und nasse Erde laufend, kamen wir irgendwann am Rand des Waldes an und ich erkannte unter dem Mondlicht Kierans Villa, die sich direkt auf der anderen Seite befand. Irrtiert sah ich zu Petra herunter.
"Ich hab vorhin Schüsse gehört! Wir sollten da nicht rein."
Panisch musterte ich unsere Umgebung, doch Petra schien mir überhaupt nicht zugehört zu haben. Sie ging einfach weiter durch den Regen auf die Villa zu und ließ mich in einem Zwiespalt gefangen an Ort und Stelle verharren.
Was, wenn Damien oder gar Kierans Großvater dort bereits auf mich warten würden? Was, wenn Kieran mich im Kampf brauchen würde? Wenn er mich suchen würde? Wenn er-
Ein lauter Knall ließ mich schreckhaft zusammenzucken und da er genau hinter mir aus dem Wald kam, rannte ich ohne nachzudenken sofort Petra hinterher. Mir blieb nichts anderes mehr übrig und ich betete nur noch, dass es die richtige Entscheidung sein würde.
Schritt für Schritt nahm ich die Einfahrt hoch und hielt erst wieder inne, als ich genau in der breiten Haustür der Villa zum Stehen kam. Alles in mir zog sich zusammen, von diesem schrecklichen Anblick, der sich mir offenbarte.
Das viele Blut ... Dieser fiese Geruch...
Diese Frauen hatten rein gar nichts damit zu tun! Sie waren nur hier, um Kieran nah zu sein und nach dieser Nacht, würden sie nur noch eine bittere Erinnerung von der Nacht des Kampfes werden. Es war ein schrecklicher Gedanke und ich fasste mir überfordert an mein Herz, bis Petra nach meiner Hand schnappte und mich hinter sich herzog.
"Wohin gehen wir!?", wollte ich mit überschlagener Stimme wissen, da führte sie mich durch eine Tür, hinter der Stufen in die absolute Finsternis führten. Irrtiert darüber, starrte ich kurz zu Petra, doch sie schubste mich plötzlich und ich fiel unsanft die wenigen Stufen herunter, um unten angekommen vor Schmerz aufzustöhnen. Mein Herz drohte mir aus der Brust zu springen! Nicht nur, weil Petra schlagartig die Tür zu schloss und mich hier alleine ließ - sondern weil ich trotz der Finsternis wahrnahm, dass ich hier unten nicht alleine war.
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🥺
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