-28-
Höllische Schmerzen durchfuhren meinen gesamten Körper. Eisige Kälte umhüllte mich, während ich warme Tränen über mein Gesicht laufen spürte. Die Hand des Mannes, der hinter mir stand, drückte sich immer fester auf meinen Mund, sodass kein Geräusch über meine bebenden Lippen entkommen konnte.
"Sollte deine Wölfin dir den Schmerz nicht leichter machen?", sprach Kierans Großvater und sah mich durch seine verengten Augen skeptisch an. Ich konnte mich auf seine Worte jedoch nicht mehr konzentrieren. Viel zu sehr nahm mich mein Innerstes ein - meine Wölfin. Ich spürte ihre Nähe... Spürte, dass sie mir helfen wollte. Doch sie tat es nicht. Sie blieb in meiner eigenen Dunkelheit gefallen und die Wunde an meinem Bein, fing immer höllischer an zu brennen. Kaum auszuhalten und doch, überstand ich es und schloss meine Augen, um mich zu sammeln.
Das Zittern meiner Hände nahm ab, genau wie die Tränen, die nur noch langsam über meine Wangen herab liefen. Als ich wohl keine Gefahr mehr darstellte, die gesamte Villa zusammen zu schreiben, gab Kierans Großvater dem Mann hinter mir ein Zeichen, endlich von mir abzulassen. Hektisch rang ich nach Atem und umfasste mein Bein, um mir die tiefe Schnittwunde genauer anzusehen.
"Eine Frau, deren Wölfin selbst für so etwas zu schwach ist, sollte keine Nachfahren eines Alphas gebären. Bring sie raus und sag meinem Enkel, dass ich ihn sofort sprechen möchte!"
Fassungslos starrte ich ihm in seine dunklen Augen, doch der Kerl hinter mir riss mich umgehend an meinem Arm hoch und schleifte mich neben sich her zur Tür. Ich konnte kaum auftreten, so sehr schmerzte mein Bein. Bevor wir allerdings die Tür des Büros erreichten, hörte ich bereits Kierans aufgebrachte Stimme von draußen.
Meine Atmung stoppte für einen Moment und erschrak, als die Tür mit solch Schwung aufgeschlagen wurde, dass sie lautstark an die Wand neben mir krachte.
"Was zum Teufel ist hier los?!" Kierans Stimme, so bedrohlich und wütend, durchdrang den gesamten Raum. Er starrte seinen Großvater feindseelig an, der immer noch am Schreibtisch saß und seelenruhig eine neue Zigarre anzündete.
"Setz dich. Dann reden wir", entkam es dem Alten, der aber plötzlich eine kalte Miene aufsetzte. "Und vergiss nicht, welchen Rang du hast! Noch einmal solch ein Ton, und du-"
Kieran schien ihm gar nicht mehr zuzuhören, den in dem Moment trafen seine dunklen Augen genau auf meine. Er sah mich so intensiv an, dass es mir einen Schauer über den Rücken jagte. Da war so vieles in seinem Ausdruck, was ich nicht deuten konnte. Und doch konnte ich eine Emotion ganz klar aus seinen Augen herauslesen.
Zorn.
Sein Blick schweifte herab zu meiner Verletzung und schon spannte sich sein gesamter Körper an. Ich spürte sie Hitze, wie sie sich von ihm aus im ganzen Raum verteilte, was sie Großvater ebenso bemerkte.
"Kieran! Beruhige-"
"Du!", brüllte Kieran und lief an mir vorbei auf den Schreibtisch zu, um so fest auf diesen einzuschlagen, dass sein Großvater mit großen Augen vom Stuhl aufsprang. "Was denkst du, wer du bist, meine Gefährtin so zu verletzen! Wenn du noch ein einziges Mal, Hand an sie legst, dann-"
"Sie ist keine Wölfin!", unterbrach sein Großvater ihn und zeigte dabei auf mich. "Nicht mal eine Wunde kann sie heilen! Sie soll Luna werden!? Nicht mit mir! Nicht in meinem Gebiet und ganz sicher nicht von dir! Denkst du, sie hätte die Kraft, dein Rudel zu leiten!"
Mein Herz klopfte wie verrückt und ich bemerkte im Augenwinkel jemanden ins Büro eintreten. Es war Damien, der kaum merklich grinste und zu mir herübersah. Ich erwiderte seinen Blick nur flüchtig, um wieder zu Kieran zu schauen, der mit dem Rücken zu mir vor dem Schreibtisch stand.
"Du kannst auch Kinder mit anderen Wölfinnen zeugen! Die alten Legenden besagen das und-"
"Ich scheiß auf deine Legenden!", setzte Kieran ihm entgegen und nahm ein Glas vom Schreibtisch, um es voller Wucht an die Wand neben uns zu werfen. Es zersplitterte in tausend Teile und ich wich erschrocken einen Schritt zurück. "Ich scheiß auf das alles hier! Du bist heute zu weit gegangen!"
"Kieran!"
Kieran ignorierte ihn und wandte sich von ihm ab, um direkt auf mich zuzukommen. Er sah mitfühlend zu mir herab und ging langsam vor mir in die Hocke, was für Alphas eigentlich nicht geduldet war. Niemals durften sie öffentlich vor jemanden in die Knie gehen oder sich unterwerfen. Er brach die Regeln. Doch wozu?
"Nicht erschrecken", sprach er mit solch einer sanften Stimme zu mir auf, dass es mich verblüffte, wie wechselhaft er sein konnte. Eben noch der dominante Alpha, der sogar einem Oberalpha die Stirn bietete. Jetzt der Mann, der sich um meine Wunde kümmerte und dem es dabei egal war, ob andere seine weiche Seite sehen konnten.
Beinahe atemlos beobachtete ich ihn, wie er ein Stück seines Hemdes am Ärmel abriss, um es behutsam um meinen Oberschenkel zu legen.
"Du wirst es bereuen, Kieran!", ertönte nochmals die Stimme des Alten vom Schreibtisch aus, doch Kieran ließ sich nicht beirren. Er machte einfach weiter und verband meine Verletzung, um anschließend zu mir aufzusehen und sich wieder zu erheben.
"Ich bereue nur eines", hauchte er so leise, dass nur ich es hören konnte und drehte sich dabei wieder zu seinem Großvater herum. "Du wirst bereuen, dich gegen unsere Verbindung gestellt zu haben! Glaube mir, ich komme stärker wieder und du wirst fallen! Ganz gleich, wen du zum nächsten Oberalpha erwählst!"
Mein Blick fiel zu Damien, der sich aber nichts anmerken ließ und einfach nur da stand. Abwartend, was noch passieren würde. Als ich dann erneut zum Schreibtisch sehen wollte, hob Kieran mich aber schon vorsichtig auf seine Arme und trug mich aus diesem Büro heraus. Ich schmiegte mich eng an ihn, auf der Suche nach Schutz und Geborgenheit und zum ersten Mal fand ich genau das bei ihm. Bei dem Mann, der in mir sonst nur den Instinkt geweckt hatte, so weit weg wie möglich zu fliehen.
"Kieran, du kannst das nicht so stehen lassen", hörte ich Damien hinter mir, doch ich schloss meine Augen und blendete alles um uns herum aus. Meine Arme um Kierans Nacken legend, ließ ich mich von ihm bis nach draußen zu dem Wagen tragen, mit dem Damien und ich hergefunden haben.
"Du siehst doch, dass ich es kann! Siehst du eigentlich, was er getan hat?!"
Kieran stellte mich vorsichtig neben dem Wagen ab und obwohl ich so vieles gerne gesagt hätte, blieb ich stumm. Zu viel ging mir durch den Kopf, was einfach nicht zu verarbeiten war. Ich empfand Angst, Stolz, Wut und Erleichterung... Das alles zur gleichen Zeit. Es war wie ein Strudel, der alles verschlang und nichts übrig ließ, außer dem Gefühl sprachlos zu sein.
"Er wollte sie nur testen. Du hättest nicht so reagieren dürfen! Du musst an das große Ganze denken!"
"Das große Ganze?!", wiederholte Kieran Damiens Worte und lief dabei einen Schritt auf ihn zu, um ihn bedrohlich anzuknurren. "Was denkst du überhaupt darüber nach, Damien!? Was geht es dich an, was hier passiert?! Du bist nur mein Beta! Vergiss das nicht!"
"Natürlich vergesse ich das nicht! Ich möchte nur nicht, dass wir alle in Gefahr geraten, wegen einer ..."
Er stoppte und ich bemerkte bereits wieder, wie Kierans gesamter Körper sich anspannte.
"Sprech es aus und es werden deine letzten Worte gewesen sein...", drohte Kieran, da sah Damien entschuldigend zu Boden und Kieran wandte sich wieder mir zu. "Steig ein."
Er öffnete mir die Tür, doch es gab noch einiges, dass geklärt werden müsste. Andernfalls würde ich auf der Fahrt keine ruhige Minute finden.
"Wo ist Misha?", entkam es mir und auch Damien hob sein Gesicht wieder an, als würde auch er es unbedingt wissen wollen.
"Weg. Und sie kommt auch nicht wieder."
Irrtiert zog ich meine Augenbrauen zusammen und verstand nicht, was er damit meinte. Auch Damiens verwirrte Miene machte mir deutlich, dass irgendwas nicht stimmte.
"Wie weg?! Hast du sie getötet?", sprach ich meine erste Vermutung laut aus, da starrte Kieran mich entsetzt an.
"Was?! Warum sollte ich das tun!?", brachte er mir entgegen. "Du hast verlangt, dass die Frauen verschwinden. Ich hab sie zurück zu ihrem Rudel gebracht."
"Was?!", mischte Damien sich ein und trat näher an uns heran. "Bist du verrückt geworden!? Sie wäre die perfekte Luna geworden!"
"Aber nicht meine."
Kieran nickte erneut zur hinteren Autotür, um mir damit zu demonstrieren, einzusteigen. Jedoch wollte auch Damien an mir vorbei zur Beifahrertür, da entkamen mir die folgenden Worte, ohne dass ich es hätte verhindern können.
"Er ist für das alles hier verantwortlich."
-
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro