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Nachdem ich das Schlafzimmer aufgesucht hatte, wollte ich mich gerade hinlegen und alles für einen Moment vergessen, da hörte ich jedoch die Haustür unten laut ins Schloss fallen.
Ein wirklich unwohles Gefühl breitete sich in meinem Magen aus und obwohl ich gar nicht wissen wollte, wohin Kieran mit Misha verschwinden würde, trugen mich meine Füße wie von alleine zum Fenster herüber.
Das Zimmer war abgedunkelt und auch draußen nahm die Finsternis alles mehr und mehr ein, sodass nur noch wenige Laternen am Rand die enge Straße und breite Einfahrt beleuchteten.
Tief durchatmend wandte ich meinen Blick herunter an den Anfang der Einfahrt, wo ich auch gleich Misha erkannte, die mit einem strahlenden Lächeln ihr wunderschönes weißes Kleid zurecht rückte. Ich wartete voller Hoffnung darauf, dass meine Wölfin bei ihrem Anblick durchdrehen würde. Dass sie getrieben von Eifersucht, Hass und Enttäuschung endlich ein Lebenszeichen von sich geben würde...
Doch sie tat es nicht - und genau diese Tatsache schmerzte so sehr, dass ich die ersten Tränen in meinen Augen spürte, die zu meiner Erleichterung meine Sicht verschleierten. Im Grunde wollte ich gar nicht sehen, was dort unten vor sich ging. Ich wollte es verdrängen und ignorieren, denn es sollte mir egal sein. Immerhin kämpfte ich für meine Freiheit und nicht um die Aufmerksamkeit eines Mannes, der keinerlei Gefühle in sich trug.
Als Kieran plötzlich neben Misha auftauchte und ihr die Tür zu seinem Mercedes aufhielt, glitt meine Atmung nur noch ganz langsam über meine Lippen. Ich blieb wie erstarrt - unfähig meinen Blick auch nur kurz von ihm abzuwenden. Mich durchfuhr Abneigung - Zorn und auch die Gedanken daran, mich an ihm für all das zu rächen. Doch seltsamer Weise auch Schuld - Reue und Scham darüber, dass ich mich nicht einfach unterwarf und meinem Schicksal nachgab. Jede andere Wölfin wäre froh über solch einen Gefährten gewesen. Ich jedoch sah nur das Schlechte in ihm... nur die Dunkelheit, die ihn stetig umgab, sobald er sich in meiner Nähe aufhielt...
Aber wie sollte ich ihm verzeihen, mir meine Familie und meine Wölfin genommen zu haben? Dazu hatte er den Alpha meines Rudels getötet und Charlie entführt. Welch Last wohl meine Familie gerade durch machen musste...
Ich verdrängte diese grausamen Gedanken und gerade, als ich frustriert mit der Hand über mein Gesicht fuhr, spürte ich ganz genau, dass Kierans Augen auf mir lagen. Ich brauchte ihn nicht mal ansehen, um es zu wissen - und genau deswegen drehte ich mich ohne noch einmal den Kopf zu heben herum und lief einige Schritte ins Zimmer hinein.
Draußen hörte ich aufgrund der Stille den Motor starten und die Zerissenheit, die sich mir daraufhin offenbarte, war Segen und Fluch zugleich.
Während nämlich meine eine Seite nur froh darüber war, ihn nicht länger in meiner Nähe zu haben - wollte eine andere Seite von mir diesem Wagen hinterherlaufen und dem Alpha vorwerfen, mich alleine gelassen zu haben.
Diese Spaltung meiner selbst war überfordernd und beängstigend, doch ein sanftes Lächeln legte sich trotz allem auf meine Lippen - denn sie war noch da. Tief in mir und versteckt in meinem Unterbewusstsein lauerte sie und wartete sicher nur darauf, dass ich mich endlich wieder mit ihr vereinen würde. Dass ich wieder eins mit ihr, ihren Gefühlen und Gedanken werden würde...
Diese Gewissheit ließ mich erleichtert nach Luft schnappen, während ich mich auf die Kante des Bettes setzte und mich zurück auf die weiche Matratze fallen ließ.
"Du bist noch da", hauchte ich in die Stille und legte dabei meine Hand fest auf meinen Brustkorb. "Ich wusste, dass du mich nicht alleine lässt..."
Mit einem wehmütigen Lächeln auf meinen Lippen, schloss ich gedankenverloren meine Augen und versuchte einfach nur friedlich einzuschlafen. Mir war nicht klar, wie viel Uhr es war. Ich hatte keinerlei Hungergefühl... Da war nichts, was mich noch wach halten würde und so kam es auch, dass ich schneller als gedacht in Träumen versank, die mich wenigstens für einen Moment dieser Finsternis entrissen.
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Das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen, riss mich aus meinem tiefen Schlaf. Meine Kehle - wie zugeschnürt und während ich vor Angst am ganzen Körper anfing zu zittern, öffnete ich entsetzt meine Augen.
"Damien!", hauchte ich wie benommen und sah unter Herzrasen auf zu ihm, während er seine Hände fest um meinen Hals gelegt hatte.
"Sei still! Sei einfach still!', warnte er mich und drückte noch etwas fester zu, sodass ich wirklich Probleme damit hatte, noch genügend Sauerstoff aufzunehmen. Mein Puls verlangsamte sich und meine Augen wurden schwer. "Du hast versprochen, dass du es hinkriegst! Doch du bist immer noch hier und-"
Ich nahm all meine Kraft zusammen und versuchte ihn zu schlagen, doch ich traf ihn nicht und wo ich bereits dachte, er würde mich sicher jeden Moment umbringen, ließ er aber ruckartig von mir ab und erhob sich wieder.
Meine zitternde Hand legte sich sofort um meinen Hals, als ich mich aufsetzte und mir die Seele aus dem Leib hustete. Mir war schwummrig, doch vor lauter Adrenalin fand ich schnell wieder zu Verstand.
"Halt dich an unseren Plan! Hast du das verstanden?! Ich bin der einzige hier, der dafür sorgen kann, dass Charlie wieder heil nach Hause kommt!"
"Verschwinde!", platzte es unter überschlagener Atmung aus mir heraus und ich sah wütend auf zu ihm, was ihn aber mal wieder nur zum Grinsen brachte. Was wollte dieser irre Psychopath von mir?! Was war sein scheiß Problem?!
"Du kleines, armes Opfer", sprach er und kam erneut einen Schritt auf das Bett zu, da rückte ich aber eilig zur anderen Seite, um genügend Abstand zu ihm zu gewinnen. "Du musst heute Abend bei diesem Rats-Treffen einfach nur dafür sorgen, dass alle merken, dass deine Wölfin weg ist. Kieran wird dafür verurteilt werden und alles wird gut - ich meine ein Alpha und ein Mensch? Das akzeptiert niemand aus dem Rat."
"Ich tue es! Ich tue alles! Aber verschwinde jetzt!", entkam es mir nach seinen Worten, denn ich wollte ihn einfach nur noch los werden. Er war ein Psychopath und ich hatte in seiner Gegenwart wirklich Angst um mein Leben.
"Schon gut", erwiderte er mir völlig ruhig und ich beobachtete ihn noch, wie er nur langsam aus dem Zimmer lief, um anschließend tief durchzuatmen. Mich durchfuhr Angst, doch auch Wut auf dieses miese Arschloch, der anscheinend nicht nur mich - sondern auch Kieran los werden wollte.
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Der nächste Morgen kam schneller, als ich hätte die Nacht verarbeiten können. Von Kieran und Misha fehlte immer noch jede Spur, als ich von Hunger getrieben das Erdgeschoss aufsuchte. Zu meiner Erleichterung traf ich aber auch auf niemand anderen. Einzig Petra stand in der offenen Küche und bereitete mir Frühstück und Kaffe vor, während ich mich an die große Fensterfront stellte und hinab in den Wald sah.
Nebel zog sich über die Gipfel der Bäume und leichter Regen prasselte an das dicke Glas vor mir, während ich mir Gedanken darüber machte, was ich tun sollte. Diese Ratsherren davon überzeugen, um was Damien mich gebeten hatte - oder Kieran die Wahrheit über Damien erzählen...
Als ich plötzlich jemanden neben mir bemerkte, riss ich mich vom Anblick der Bäume los und musterte Petra, die sofort ihren Kopf nach unten neigte und mir voraus zum Tisch zurück lief.
"Wo ist Kieran?", fragte ich sie und erhoffte mir eine Antwort, doch sie gab mir keine. Wortlos nahm sie am Tisch angekommen die Kaffekanne und schüttete mir eine Tasse ein, um mir anschließend noch einen Korb mit frisch gebackenen Brötchen zu reichen. Ich nahm Platz, ließ sie jedoch dabei keine Sekunde aus den Augen. "Du kannst mit mir reden. Ich werde niemanden etwas sa-"
"Sie darf nicht mit uns reden!", hörte ich plötzlich eine weibliche Stimme hinter mir und kaum hatte ich mich herumgedreht, erkannte ich die Göre mit den roten Haaren und zwei weitere weibliche Wölfinnen. "Sie ist nur ein Mensch und dazu eine Dienerin. Verschwende also nicht deine Zeit."
Es machte mich wütend, wie diese arroganten Biester über sie sprachen, jedoch hatte ich keine Kraft mehr übrig, um mich auch noch mit ihnen auseinander zu setzen. Vollkommen ignorant trank ich also meinen Kaffe und ließ mir die Brötchen schmecken, während die drei Frauen ebenfalls Platz nahmen und sich über ein Buch unterhielten.
"Kieran ist wohl noch unterwegs", lächelte die Rothaarige mich nach einer Weile provozierend an und ich hoffte, sie würde es gut sein lassen - doch sie machte natürlich weiter. "Kein Wunder. Ich meine, er ist sehr dominant und sadistisch. Misha würde das ganze Haus zusammen schreien."
"Eifersüchtig, dass er dich nicht mitgenommen hat?", gab ich ihr unbeeindruckt zurück und legte ein gespieltes Lächeln auf, was sie nur zum Auflachen brachte.
"Ich? Du solltest eifersüchtig sein. Immerhin bist du doch angeblich seine Gefährtin, was ich immer noch nicht glauben kann."
Sie grinste triumphierend und auch die anderen beiden dunkelhaarigen Mädchen lachten auf, was mich fast dazu gebracht hätte, ihnen den brühend heißen Kaffee ins Gesicht zu schütten. Ich blieb aber ruhig, denn Ignoranz konnte eine sehr starke Waffe sein.
"Ich brauche nicht eifersüchtig sein und weißt du auch wieso?", erwiderte ich ihr mit einem amüsierten Lächeln, während ich mich von meinem Stuhl erhob und sie von oben herab betrachtete. "Weil ihr alle Geschichte wärd, wenn ich ihn wirklich haben wollen würde. Das ist der Unterschied, zwischen einer Gefährtin und billigen Huren, die nur gut genug sind, die Beine breit zu machen."
"Du-", wollte sie mich beleidigen, da ging jedoch die Haustür auf und Damien trat ein, was sie zum inne halten brachte.
"Also. Ich habe heute Abend noch ein Rats-Treffen, wofür ich mich frisch machen muss. Wenn ihr mich also entschuldigen würdet."
Ich lehnte mich vor und trank mit dem Blick auf ihre giftgrünen Augen gerichtet noch einen Schluck meines Kaffee, ehe ich mich zu Damien drehte und ihn ohne Ausdruck musterte. Er sagte kein Wort, als ich an ihm vorbeilief. Doch das musste er auch nicht. Ich wusste genau, was er verlangte und machte mich schnellen Schrittes auf den Weg nach oben.
Dort angekommen suchte ich das Badezimmer auf und ließ mir warmes Wasser ein, um mich anschließend komplett zu entkleiden. Ich ließ mir Zeit beim Baden und genoss diese Ruhe hier, während ich aus dem Fenster heraus einige Berge beobachten konnte.
Der Tag zog ereignislos an mir vorbei und ich verbrachte die Stunden hauptsächlich damit, meine Haare zu glätten und im Zimmer auf und ab zu laufen. Erst, als Petra irgendwann klopfte und eintrat, wurde ich meiner Stille entrissen.
Natürlich sagte sie wieder kein Wort und legte eine weiße Tüte auf mein Bett, um mir mit der anderen einen Bügel mit einem schwarzen Kleid daran zu reichen.
"Dankeschön."
Obwohl sie mich im Grunde fast immer igrnorierte, schenkte ich ihr trotzdem ein sanftes Lächeln, was sie zu meiner Verwunderung auch erwiderte. Sie verschwand jedoch genau so schnell wieder, wie sie gekommen war und ich öffnete sofort neugierig die Tasche, in der ich Unterwäsche und Make Up Utensilien vorfand.
"Ich hoffe, die Sachen gefallen dir."
Verwundert drehte ich mich herum und erkannte Damien im Türrahmen lehnend.
"Hast du das etwa ausgesucht?"
"Nein, Kieran", erklärte er und trat einige Schritte ins Zimmer ein, was mich wieder verunsicherte. "Er hatte wohl aber keine Zeit, es persönlich vorbeizubringen. Ich habe es in dem Hotel abgeholt, wo er sich die Nacht mit Misha aufgehalten hat."
"Schön für die beiden", gab ich ihm ohne Ausdruck zurück und zeigte anschließend an Damien vorbei zur Tür. "Würdest du jetzt bitte gehen? Ich möchte mich umziehen für meinen großen Auftritt heute. Immerhin werde ich einen Alpha bloß stellen."
"Ich kann dir beim Umziehen helfen."
"Und ich kann dir dafür deine Augen auskratzen", platzte es überfordert aus mir heraus und ich war mehr als dankbar, dass in dem Moment Petra erneut mit einem Wäschekorb in der Hand das Zimmer betrat.
"Viel Spaß wünsche ich. Falls du noch etwas brauchst, sag mir bescheid", tat er vor ihr auf über freundlich und als er dann endlich wieder aus dem Zimmer verschwunden war, machte ich mich daran, mit den Sachen im Bad zu verschwinden.
Ich zog die rote Unterwäsche an, obwohl sie mir zu reizbar aussah. Auch das schwarze Kleid legte sich wie angegossen um meinen Körper - doch auch dieses war mir mit dem tiefen Rückenausschnitt zuwider. Wie eine angezogene Puppe kam ich mit vor - stets nach dem Geschmack des Alphas hergerichtet. Doch das würde bald nicht mehr so sein, wenn ich fertig damit wäre. Ich legte also noch Make Up auf und schminkte meine Augen dunkel, um erst vollkommen zurecht gemacht wieder aus dem Badezimmer zu kommen.
Petra war weg und mir fiel ein Karton auf dem Bett auf, auf den ich neugierig zulief, um ihm zu öffnen.
"Oh Gott", flüsterte ich und erkannte diese High Heels, in denen ich vermutlich nicht mal 3 Meter laufen könnte. Vermutlich hatte Damien mir diese ausgesucht, in der Hoffnung, ich würde die Treppen herunter stürzen und mit das Genick brechen.
"Jetzt gibt's keinen Weg zurück..."
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