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Wie in einer Trance gefangen, starrte ich in diese nie enden wollende Finsternis. Meine Sinne schienen betäubt, als wäre ich gar nicht mehr richtig anwesend. Die Frage, ob er überhaupt real war, wehte mir unentwegt durch den Verstand - genau wie der starke Wind durch die Bäume hindurch.
Konnte das wirklich sein? Ich - die Mate eines Alphas... Eines Wolfes, der nicht zu unserem Rudel gehörte? Eines Wolfes, der so dominant und mächtig schien?
"Meine Güte!"
Liriels laute Stimme riss mich aus meinen Gedanken heraus und ich zuckte erschrocken zusammen, als sie mich plötzlich an meinem Arm herumriss und mir die Taschenlampe ihres Handys mitten ins Gesicht hielt.
"Willst du, dass ich vor Sorge umkomme!?"
"Das war echt nicht cool", meinte auch Malachy, der direkt neben ihr stand und mich von oben bis unten betrachtete. Während die beiden mich dann wohl auf eine Antwort meinerseits warteten, wandte ich meinen Blick schweigend wieder genau in die Richtung, in die der Unbekannte zuvor verschwunden war. Natürlich jaulte in dem Moment auch meine innere Wölfin wieder laut auf, die ihm und seiner Dominanz bereits vollkommen verfallen war. Sie rief nach seinem Wolf. Verzehrte sich nach seiner Nähe - doch nicht mit mir. Ich würde mich nicht unterwerfen. Egal ob er ein Alpha war oder nicht. Aus Erzählungen der Ältesten wusste ich ganz genau, wie Macht besessen die Alphas unserer Generation alle waren und ich wollte keinesfalls so einen als Mate. Ich wollte einen Seelenverwandten, der mit mir auf Augenhöhe war... Doch die Mondgöttin hatte wohl kein Interesse daran, mir meinen Wunsch zu erfüllen.
"Lasst gehen! Ich will endlich zu den anderen", warf Liriel ein, die wohl sauer darüber schien, dass ich sprachlos wirkte. Sie wollte sich gerade zum Gehen wenden, da knurrte aber Malachy neben ihr schlagartig laut auf und stellte sich anschließend schützend vor uns beide. Mit großen Augen starrte ich hoch zu seinem Gesicht und erkannte durch das Licht der Taschenlampe ganz genau, wie dunkel das braun seiner Augen plötzlich wirkte. Sein innerer Wolf schien die Kontrolle übernehmen zu wollen.
"Er ist hier!", zischte er Zähne knirschend und ich spürte daraufhin auch schon diese intensive Hitze, die von seinem bebenden Körper ausging. Es würde nur noch wenige Augenblicke dauern, bis er sich zum Schutz für uns verwandeln würde - das musste ich jedoch zu verhindern wissen. Er hätte keinerlei Chance gegen den Alpha, von dem ich keine Ahnung hatte, wie er auf einen Angriff reagieren würde. Vermutlich würde er Malachy zerfetzen, alleine schon dafür, dass er sich das Recht herausnahm, mir so nahe zu sein.
"Malachy! Wir gehen! Jetzt!", forderte ich ihn also mit lauter Stimme auf und auch Liriel schien diese Situation nicht zu gefallen. Sie klammerte sich regelrecht an Malachys Arm und zog ihn mit sich zur Richtung des Feuers zurück.
"Und wenn er näher zur Stadt kommt?! Das kann ich nicht zulassen! Es könnte ein Alpha sein!", erklärte er wütend, woraufhin ich mir schnell eine Notlüge einfallen lassen musste.
"Wird er nicht und es ist kein Alpha! Es ist ein Omega auf der Durchreise - wie du gesagt hattest!"
Schlagartig nahmen mich die beiden ins Visier und ich musste schon schützend meine Hand vor meine Stirn halten, da dieses grelle Licht der Taschenlampe mich so stark blendete.
"Du hast mit ihm geredet?!"
"Ja!", erklärte ich nervös und biss mir dabei nachdenklich auf meine Unterlippe. "Er wollte nur wissen, ob es noch andere Rudel in der Nähe gibt. Ich habe gesagt, dass ich es nicht weiß. Dann ist er weiter gezogen."
"Du lügst doch!", ermahnte mich Liriel und sah mir dabei tief in meine grünen Augen. "Wieso sollte-"
"Oh - mein - Gott! Wieso glaubst du mir nicht! Weißt du was? Es ist mir egal, was ihr denkt! Ihr habt mich alleine gelassen und es hätte mir sonst was passieren können! Ich will einfach nur noch nach Hause!"
Vollkommen überzogen regte ich mich auf und hoffte, ihre ganzen Fragereien damit im Keim zu ersticken. Doch es wäre nicht meine beste Freundin, wenn sie einfach aufgeben würde.
"Marcy!? Sag doch einfach die Wahrheit! Hat er dich angegriffen?! Sollen wir zum Rudelhaus?! Was ist passiert?!"
Ich schnaufte überfordert aus und drehte mich anschließend ohne ihr etwas zu erwidern herum zur Straße, um schweigend über die vielen Äste zurück zum Auto zu laufen. Die Wahrheit konnte ich den beiden einfach nicht erzählen, denn es war wirklich außergewöhnlich, dass jemand seinen Seelenverwandten außerhalb des Rudels fand. Ich würde sofort als Sonderling in unserer kleinen Stadt gelten und außerdem würden meine Eltern sowieso nie zulassen, dass ich unseren kleinen Ort mitten im irischen Wald verlassen würde.
"Denkst du wirklich, sie lügt?", hörte ich nach einer Weile des Laufens Malachy hinter mir flüstern und verdrehte daraufhin sofort meine Augen. Wieso waren Wölfe immer so dämlich? Er wusste doch ganz genau, dass ich ihn hören konnte. Bevor Liriel ihm also etwa hätte erwidern können, stoppte ich in meiner Bewegung und drehte mich zu ihm herum.
"Warum sollte ich lügen? Wäre es ein Rouge gewesen, hätte er mich angegriffen! Sehe ich so aus, als wäre ich attackiert worden?!", warf ich ihm vor und gleich darauf leuchtete Liriel wieder unsicher mit der Taschenlampe an mir auf und ab. "Nein! Denn er war nur auf der Durchreise! Können wir das Thema jetzt also bitte gut sein lassen?"
Malachy rückte nachdenklich seine dunkle Cap zurecht und schien endlich aufzugeben - doch nicht Liriel. Sie sah mich neugierig an und kam auch gleich wieder zwischen den Bäumen hindurch einen Schritt auf mich zu.
"Wenn es wirklich so war, wieso bist du dann aber so komisch? Du wirkst, als hättest du einen Geist gesehen!"
"Ich habe Charlie vorhin gesehen und das hat wohl gereicht, um meine Laune zu verderben", gab ich ihr zurück und zuckte dabei dämlich grinsend mit meinen Schultern, was sie zu meiner Erleichterung auch zum Schmunzeln brachte. Sie glaubte mir endlich und nachdem ich zufrieden durchgeatmet hatte, erschrak ich im nächsten Moment aber erneut beinahe zu Tode.
Um uns herum wurden von jetzt auf gleich mehrere Taschenlampen angeknipst und sofort machte ich einen Schritt nach vorne, um mich zwischen Malachy und Liriel zu verstecken. Ich bereute diese ganze Diskussion zwischen uns, denn dadurch hatte ich meine Sinne vernachlässigt und niemanden kommen gehört.
"Was machen Jungwölfe wie ihr im Wald?!", hörte ich die wütende Stimme unseres Alphas. Er sprach mit solch einer Dominanz, dass wir drei sofort auf die Knie fielen und uns ihm unterwarfen.
"Ich hab sie hergebracht!", gestand Malachy mit zitternder Stimme und als ich anschließend das bedrohliche Knurren unseres Alphas hörte, jaulte Malachy vor innerem Schmerz auf, was mich vor Angst zum zusammenzucken brachte.
"Scheiße, scheiße, scheiße", hörte ich Liriel neben mir und sah flüchtig zu ihr, ehe ich meine Augen nach oben wandte und unseren Alpha Lorcan erkannte. Er sah wütend zu uns herab, während seine kurzen, dunklen Locken von Wind umspielt wurden. Er schien uns jeden Moment den Kopf abreißen zu wollen, bis er plötzlich seine Nase ein die Luft streckte und bedrohlich knurrte.
"Bringt sie zu ihren Häusern!", befahl er einigen Umherstehenden und nahm anschließend seinen Beta ins Visier. Ich sah ihm zu. Erkannte, dass sie wohl über ihre Gedanken zu kommunizieren schienen und beobachtete im nächsten Moment mit großen Augen, wie beide sich direkt vor uns zu riesigen Wölfen verwandelten.
Mich umgab augenblicklich ihre Hitze, während ich ihr braunes Fell betrachtete und als letztes noch neugierig in ihre schwarzen Augen starrte.
"Steht auf", befahl einer der Ältesten neben mir, der mir als Torben bekannt war und während ich nur unsicher wieder auf meine Füße fand, preschten Lorcan und sein Beta rasend schnell an uns vorbei in den Wald hinein.
Ich wusste ganz genau, wen sie suchten. Wusste, wessen Geruch sie panisch werden ließ und wunderte mich über mich selbst - denn ich machte mir plötzlich nur noch Sorgen darum, dass sie ihn erwischen könnten.
Was war nur los mit mir...
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