53.
Ben
Song: Trees - Twenty One Pilots
Ab dem späten Nachmittag trafen die ersten Gäste ein. Jetzt ist die Sonne bereits dabei unterzugehen und unten im Haus klimpert eine Jazzband die immer gleichen fünf Songs rauf und runter - jedenfalls hört es sich für mich danach an.
Ich habe die ausdrückliche Anweisung bekommen, mich unten nicht blicken zu lassen.
Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass mich solche Zurechtweisungen nicht verletzen würden. Bis vor ein paar Monaten hätte ich das ganze mit einem Schnauben und einem Schlag gegen die Wand abgetan. Doch seit diesem Tag in Ophelias Auto ... hat sich etwas geändert.
Auch, wenn ich meinen Vater nicht angeschrieben habe, als er mir sagte, ich solle mich von Ophelias Feier fernhalten, musste ich doch mit mir kämpfen, nicht auf ihn zuzustürmen, ihn umzurennen, zu Boden zu ringen und auf ihn einzuschlagen.
Weil er mir weh tut. Ständig.
Aber stattdessen habe ich einfach abgewartet, bis er die Tür wieder hinter sich zu gezogen hat und mich still zurück auf mein Bett gelegt. Ich habe mich lange nicht mehr so passiv gefühlt. Ich habe es nicht mal geschafft, meine Hände zu ballen, geschweige denn in ein Kissen zu boxen.
Doch gegen das unerträgliche Gefühl des Passiv seins und viele weitere Gefühle, die jetzt immer öfter an die Oberfläche drängen wollen, habe ich James kleine Tütchen.
Ohne die Tablette, die ich vorhin nach dem Auftauchen meines Vaters geschluckt habe, hätte ich bereits Ärger angezettelt. Hätte entweder die Musik lauter als die Jazzband aufgedreht oder wäre nackt aus dem Fenster gesprungen.
Letzteres wäre das einzige Statement, das die toten Partygäste da draußen verstehen würden.
Mein Kopf fühlt sich jetzt wohlig, schwer und dumpf an. Die Band höre ich zwar immer noch unerträglich deutlich und zucke bei jeder schiefen Note des Klaviers - die durchaus gewollt sind - zusammen.
Die dritte Tablette ist es, die mein übervolles Fass zum Überlaufen bringt.
Die Szenarien in meinem Kopf werden lebendiger und lebendiger und die Frage, warum ich nicht einfach runtergehen und die Szenarien zum Leben erwecken soll, wird lauter und lauter.
Ich sollte Ophelias Gästen zeigen, dass es mich, das schwarze Schaf der Familie Rosethorn, immer noch gibt und dass ich trotz all der Gerüchte wohl auf bin.
Ich sollte meiner Schwester vor allen Anwesenden gratulieren, sonst würde mein Ruf noch schlechter werden. Und außerdem bin ich dazu heute Morgen gar nicht gekommen. Sie soll nicht etwa denken, dass ihr großer Bruder unhöflich ist!
Als meine Füße auf dem Boden aufkommen, fühlt sich dieser wabbelig und weich an.
Aber das Gefühl vergeht nach ein paar Sekunden und nach einigem Blinzeln befindet sich die Tür auch wieder dort, wo sie immer war.
Ich stehe einige Zeit vor ihr, starre das zerschrammte Holz an und überlege, wie ich mich fühle, welchen Namen der Zustand in mir trägt.
Frustriert, schießt es mir dann durch den Kopf, ich bin frustriert. Über alles.
Ich reiße meine Tür auf, lasse sie offen stehen und folge dem Licht aus der Eingangshalle, die voller Menschen ist. Ophelia kann diese Leute unmöglich alle kennen, ausgeschlossen.
Ich gehe die Treppe sicheren Schrittes herunter. Das habe ich schließlich schon oft gemacht; so getan, als ob ich nüchtern bin, wenn das Gegenteil der Fall ist. Und bis jetzt wurde es mir immer abgekauft.
Als ich den Tisch in der Mitte der Halle passiere, auf dem ich vor ein paar Tagen noch mein Sandwich abgestellt habe, und der jetzt mit einem mächtigen Strauß Rosen geschmückt ist, fällt mir auf, dass ich ein wenig underdressed bin.
Ich trage schwarze Socken, eine braune Shorts und mein ältestes ACDC-T-Shirt.
Mir persönlich wäre es wahrscheinlich nicht aufgefallen, dass ich unpassend gekleidet bin, aber die Blicke, die ich mit den Substanzen in meinem Blut deutlich besser aushalten kann, weisen mich darauf unmissverständlich hin und veranlassen mich, selbst einen Blick an mir herunterzuwerfen. Auf das Loch an meinem rechten, großen Zeh.
Es wird für Gesprächsmaterial sorgen, denke ich mir und halte einen Mann mit Tablett an, greife mir ein Glas Alkohol.
Er sieht mich an, als würde er ein Gespenst sehen, geht dann aber wortlos weiter, tut so, als hätten die letzten zehn Sekunden seines Lebens nie stattgefunden.
Wie viel sie ihm wohl bezahlen, um das auszuhalten?
Ich lege den Kopf schief und schaue ihm nach. Die Rosen versprühen einen unerträgliche süßen Duft, also gehe ich auf Abstand und steuere auf unser Wohnzimmer zu, das kaum wiederzuerkennen ist.
"Ich bin übrigens der glückliche Bruder", sage ich vorgebeugt zu einer jungen Frau in meinem Alter, die für kurze Zeit neben mir steht und nippe danach am Champagner.
Zwischen ihre blauen Augen bildet sich eine tiefe Falte, bevor sie sich sichtlich angewidert von mir abwendet. So, wie es meistens jeder tut.
Ich lache herzlich über diese Tatsache und ziehe damit die Aufmerksamkeit herumstehender Gäste auf mich. Unter anderem auch die Aufmerksamkeit von Ophelias glücklich strahlenden besten Freunden - jedenfalls strahlen sie immer, wenn ich sie auf den Fotos in Ophelias Zimmer sehe.
AJ und Jess haben die Köpfe zu mir gedreht, ihre Augen weiten sich. Dann kommen sie im Eilschritt auf mich zu, während mein Sichtfeld für kurze Zeit ins Wanken gerät.
"Ben?", fragt Jessica und greift nach meinem Oberarm.
"Was zur Hölle machst du hier, Mann?", dröhnt AJs Stimme in meinem Kopf.
Ich versinke in Jessicas eisblauen Augen, bis AJ die Frechheit besitzt, nach meinem halb vollen Glas zu greifen.
"Moment!", rufe ich und drehe mich von ihm weg, "Erst noch einen Toast auf meine wundervolle Schwester, Ophelia! Sie hat es sich verdient! So viele nette Gesichter hier!"
"Es reicht! AJ, was sollen wir machen?"
Als ich mich wieder zu den beiden drehe, sehe ich die schiere Panik in Jessicas blassem Gesicht.
Der blonde Junge greift wortlos nach meinem Glas und verfehlt es dieses Mal nicht.
"Mann, lass mich doch auch mal Spaß haben. Dafür sind wir doch da, oder? Zum Spaß haben!"
"Wenn du nicht gleich die Klappe hältst, werde ich dir eine reinhauen müssen. Du wirst Ophelia diesen Tag nicht ruinieren, hörst du?", knurrt er mich an.
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Hi my loves! <3
Ich nehme alles zurück, Sonntag ist noch nicht die letzte Episode von euphoria rausgekommen xD
Heute scheint bei mir mal wieder die Sonne, *glückliches Seufzen*. Aber dafür war ich heute so gar nicht produktiv... oopsi...
Wir lesen uns morgen wieder, mit dem Troublemaker Benny xD
All my Love
Lisa xoxo
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