50.
Ben
Song: nosering - brakence
Ich halte es nicht länger als eine halbe Stunde in meinem Zimmer aus. Denn die Vorstellung geht unten ohne mich weiter.
Die Stimmen meiner Eltern schaukeln sich immer weiter hoch. Ihr Stimmengewirr wirkt fehl am Platz. Die Stille des Hauses existiert plötzlich nicht mehr.
Alles hat sich geändert, seit diese Frau durch die Haustür getreten ist, in ihrer Strickjacke und den umrandeten Lippen.
Und meine Lieblingsschwester kann sich erfolgreich vor den Auseinandersetzungen, den Schreien, dem Klirren und dem erdrückenden Gefühl in der Brust, das unweigerlich mit alldem kommt, drücken.
Ich hasse sie. Am liebsten würde ich sie anrufen und das Telefon raus in die Eingangshalle halten, in der sich der Streit unserer Eltern fängt und immer lauter zu werden scheint.
Es kann an James Tabletten liegen, aber ab und glaube ich, dass sich ihre Stimmen überlappen und einen regelrechten Chor bilden.
Aber ich rufe Ophelia nicht an, sie würde sowieso nicht rangehen, wenn sie sieht, dass ich der Anrufer bin. Wer weiß, bei wem sie ist, zwischen welchen Beinen sie gerade kniet.
Irgendwann wird auch sie merken, dass man sich im Sex nur kurz und nicht endgültig verlieren kann. Spätestens nach den ersten fünf Minuten nach dem Höhepunkt holt einen die Realität wieder ein. Vielleicht sollte ich ihr als langfristig effektivere Variante ein paar Pillen anbieten...
Auch wenn ich niemanden anrufe, um diesen Teil meines Lebens, diesen harten Teil meiner Realität zu teilen, schleiche ich mich dennoch raus in den Flur und bleibe am Geländer der Treppe stehen.
Selbst hier oben kann ich beinahe jedes Wort verstehen, das unten gesprochen wird - auch wenn sie bereits wesentlich ruhiger miteinander reden.
"Paul, das Geld ist so oder so weg. Du kannst es nicht ändern. Und was wäre dir lieber gewesen? Dass ich ein neues Haus gekauft hätte und die ganze Stadt jetzt über uns reden würde?"
Ich lege den Kopf in den Nacken und unterdrücke ein lautes, entnervtes Seufzen. Sie diskutieren ernsthaft über ihre Geldanlagen?
Ich hatte mir einen intimen Streit über verletzte Gefühle, Ehre und eine potenzielle Scheidung erhofft.
Mein Vater hält einen langen, erstickten Monolog, von dem ich weniger als zehn Worte verstehe. Ich will gerade rückwärts zurück in mein Zimmer schleichen, da erweckt ein Satz meine volle Aufmerksamkeit.
Es ist die tiefere Stimme, die spricht.
"Ich verlange, dass du wieder einziehst."
Ich wage es, mich über das Geländer zu lehnen, um dem Schall der Eingangshalle vollkommen ausgesetzt zu sein und den Rest des Gespräches noch besser mitverfolgen zu können.
"Das mit den Hotels muss aufhören, allein der Kinder wegen. Wenn du öfter Zuhause wärst, würde uns Benedikt vielleicht auch nicht so entgleiten. Jedenfalls sind wir gerade dabei, auch noch Ophelia zu verlieren. Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist, aber wenn du wieder hier wohnen würdest und dich öfter als einmal die Woche unten am Esstisch zeigst, könnte sie vielleicht wieder zur Vernunft kommen und mit ihrer kindischen Trotzphase aufhören. Ich brauche dich hier, Georgia."
Ich presse meine flache Hand vor den Mund, um nicht loszuprusten.
Ich brauche dich hier, Georgia? Auf welcher Schiene fährt er denn?
Ich rutsche beinahe auf dem kalten Stein aus, als ich mich noch ein Stückchen weiter vorlehne. Natürlich müssen sie anfangen, leise zu reden, wenn ich dazu komme. Immer, wenn es interessant wird.
Der erste Teil von den Worten meiner Mutter geht unter. Doch was ich höre, ist mehr als genug, um mein informationshungriges Hirn zu füttern.
"Meine Meinung zählt überhaupt nicht. Ich würde lieber für den Rest meiner Tage in einem Hotelzimmer hausen, als dass ich- "
"Jetzt hör aber auf! Hausen! Du hast dir die beste Suite am Ort gebucht! Georgia, dieses Haus ist groß genug, dann geht euch eben aus dem Weg. Du musst ja nicht alle fünf Minuten in sein Zimmer schauen. Sei einfach da. Und außerdem: Denk doch nur mal an Ophelias einundzwanzigsten Geburtstag! Glaubst du nicht, es wäre das größte Geschenk für sie, ihre Mutter wieder bei sich zu wissen?"
Die Stimme von meinem Vater wird durch meine Gedanken überschattet.
Sie hat in einem Hotel gelebt? Die ganzen Wochen und Monate über, in denen sie nur sporadisch aufgetaucht und mit einer Tasche frischer Klamotten abgehauen ist, wie eine Diebin, hat sie in einem Hotel zugebracht?
Die ganze Zeit über, in der ich ihre eine Affäre nachsagte?
Bilder von ihr mit einer Champusflasche auf dem roten Teppichboden eines fünf-Sterne-Hotels blitzen vor meinen Augen auf. Das Rot hat denselben Farbton wie ihr der Wein, der sich wie eine Blutlache um ihren dürren Körper ausgebreitet hatte, als ich sie vor ein paar Wochen bewusstlos in der Küche gefunden habe.
Warum konnte sie an diesem Tag nicht tot gewesen sein?
Ich erschrecke mich nicht mal vor dem Gedanken, der durch mich fließt. Ich meine es ernst.
"Wie kannst du es wagen, mich so zu erpressen?", erklingt die Stimme meiner Mutter, wieder deutlich schriller und aufgebrachter.
Ich möchte fast sagen, dass sie emotional klingt.
"Ich habe alles für meine Kinder getan! Sie sind alt genug, hier allein zu sein. Sie brauchen mich nicht mehr, siehst du das nicht? Sie -"
Ihre Stimme versiegt.
Ich kann die beiden vor mir sehen, wie sie in der Küche stehen, ein Sicherheitsabstand von mindestens zwei Metern zwischen sich - immerhin könnte das nächste Glas oder die nächste fliegende Gabel ihr Ziel treffen.
"Fass mich nicht an!"
Selbst ich zucke bei ihrem Kreischen zurück.
"Ich habe dir dieses Verhalten lange genug durchgehen lassen! Ich bin immer noch dein Mann! Du kannst mich nicht einfach so von dir stoßen. Mich nicht und die Kinder nicht! Du hast Verantwortung zu übernehmen und dich nicht in deinem Alkohol zu ertränken. Werd erwachsen, Georgia!"
Ich gebe ihm ungern und äußerst selten Recht, aber in diesem Moment kann ich nicht anders, als zustimmend zu nicken und den Mund anerkennend zu verziehen.
Georgia sollte wirklich erwachsen werden und sich dem beschissenen, schwarzen Loch stellen, das sich ihr Leben, ihre Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft nennt.
"Du wirst deine restlichen Sachen aus diesem Hotel holen oder holen lassen und dann wird alles so wie früher. Die Rosethorns geben nicht auf, das sagen wir doch immer."
Ein Schauder erfasst mich bei der seltsam weichen Stimme, die plötzlich Besitz über die Furie da unten ergriffen hat.
"Paul, ich -"
Und dann diskutieren sie wieder, wie sie es immer genannt haben, als Ophelia und ich noch klein und naive waren. Sie streiten.
Grinsend stoße ich mich vom Geländer ab, dass an den Stellen, an denen ich mich festgehalten habe, ganz warm geworden ist. Ich habe genug gehört.
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¡Hola! :) GUYS! KAPITEL 50!!!!!!????!!! can u believe it? cuz i can't.
Ernsthaft, seitdem ich 'Through My Window' geguckt habe, höre ich ausschließlich spanische Musik xD
Apropos Musik! Das habe ich gestern voll vergessen zu schreiben, aber als ich gestern mal wieder "Blurryface" (das Album) von Twenty One Pilots gehört habe, ist mir bewusst geworden, wie gut einige Lyrics zu Ben passen. So expect a few more songs from the boys in the future :)
WOCHENENDEEEE! Die Woche ging für mich schnell rum (zum Glück!).
Aber das heißt auch, dass Sonntag die letzte Folge von Euphoria ansteht ;(
All my Love,
Lisa xoxo
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