35.
Ben
Song: Apartment 402 - Girl in Red
Ich bin wütend auf mich, dass ich mich von meinen Gedanken so weit in die Vergangenheit habe tragen lassen. Ich beiße auf meine Fingerknöchel herunter und wünschte, ich wäre allein im Haus, um laut schreien zu können.
Aber das bin ich nicht.
Also trete ich die Bettdecke von meinen Waden, wende zu viel Kraft auf und schleudere mich beinahe selbst aus dem Bett.
Die Sonne ist bereits hinter der Fassade unseres Anwesens verschwunden, was bedeutet, dass es mindestens achtzehn Uhr sein muss. Eigentlich noch zu früh, um das Haus zu verlassen, aber ich muss hier raus.
Ich versuche, die klebrigen Erinnerungen von mir abzuwaschen, Erics lange Finger aus meinen Haaren mit einer extra Portion Shampoo zu entfernen und die Gedanken der Angst, davor wieder verlassen zu werden, mit heißem Wasser abzuhalten.
Wie kann ich auch verlassen werden, wenn ich niemanden mehr so an mich heranlasse?
Erst als ich mein Zimmer nach einer viertel Stunden wieder betrete, wird mir bewusst, in was für einer schlechten Luft ich den ganzen Tag vor mich hingesiecht habe.
Ich reiße ein Fenster auf und spüre die warme Sommerluft über meine noch feuchte Haut streifen. Eine perfekte Nacht um durch die dunklen Straßen von Fitchburg zu laufen und sich erst anschließend ins Nachtleben zu stürzen.
In den letzten zwei Wochen war ich nicht mehr mit James und den anderen unterwegs. Ich will James schon schreiben, doch da besinne ich mich eines besseren. Er würde mich wahrscheinlich an meinem kleinen Spaziergang hindern.
Durch die Wand zu Ophelias Zimmer dringen dumpfe Geräusche, die jeden Muskel in meinem Körper versteinern lassen.
Wenn sie Zuhause ist, bedeutet das, dass ich besonders leise und vorsichtig sein muss. Denn sollte sie mich sehen oder hören, wie ich mich rausschleiche, wird sie Dad Bescheid geben, wie das brave, unterwürfige Püppchen, das sie nun mal ist. Und dann würde die Fragerei losgehen, wohin ich denn ohne Absprache verschwinden wollte.
Dass ich fünfundzwanzig und erwachsen bin, hat hier seit meinem kleinen Zwischenfall niemanden mehr interessiert. Ich habe ihnen allen bewiesen, dass ich nicht in der Lage bin, verantwortungsvoll zu handeln.
Und da ich unfähig bin mich loszusagen, bin ich ein Gefangener, der sich missverstanden und in Schande davon schleichen muss.
Mit halb zu geknöpftem Hemd knie ich mich vor mein ungemachtes Bett und beuge mich vor, auf der Suche nach meiner weißen Lederhose. Ich hebe meine halb herunter gerutschte Bettdecke an und stecke meinen Kopf unter das Bett.
Ich finde sie nicht. Nur Staub, Taschentücher, eine leere Wasserflasche und einen Knopf.
Seinen Knopf.
Der Knopf, der abgerissen ist, als wir uns die Klamotten von den Leibern gerissen haben.
Er ist direkt von seiner Brust unter mein Bett gesprungen, hat sich dort versteckt und darauf gewartet, dass ich ihn finde, damit er nach meinem Herz greifen und es so lange im Würgegriff halten kann, bis ich ohnmächtig werde.
Jedenfalls fühlt es sich jetzt so an, als ich langsam erst auf alle Viere komme und mich dann gegen das Bettgestell fallen lasse. Den Knopf fest mit meiner Hand umschlossen, ich würge zurück.
Er ist schwarz und klein. Unscheinbar, unbedeutend und eigentlich sollte ich ihn einfach wegschmeißen und mich nicht daran festklammern, als ob der das einzige Stück Treibholz in einer weiten, offenen, reißenden See wäre.
Ich sollte keinen Gedanken an seinen Besitzer verschwenden und wie er hier gelandet ist, was passiert ist, nachdem er auf meinem Boden aufgekommen ist.
Und doch tue ich es.
Ich sitze vor meinem Bett und kann die Bilderflut, die auf mich einprasselt, nicht aufhalten. Das kleine Stück Treibholz in meiner Hand ist eben zu klein.
Ich presse meine Stirn gegen die geballten Fäuste und versuche Eric buchstäblich aus meinem Kopf zu schlagen.
Als ich damit aufhöre, bleibt da nur die surrende Stille, die mich daran erinnert, dass ich allein bin. Die mir vor Augen führt, dass ich ein Artefakt der Vergangenheit zwischen den Fingern halte.
Mir ist bewusst, dass ich ihn anrufen könnte, jetzt endlich das Gespräch mit ihm suchen könnte. Ich könnte ihn genauso gut einfach darum bitten, herzukommen und mich zu ficken.
Aber ich könnte ihn nie bitten, bei mir zu bleiben. Diese Stadt wird ihm wieder zu langweilig, zu viel werden. Ich werde ihm zu langweilig und zu viel werden.
Ich umfasse meine borstigen Haare mit der freien Faust und verspüre das tiefe Bedürfnis, die Haut von meinem Schädel zu ziehen, all die schweren Gedanken heraus schweben zu lassen, gegen frische Luft in meinem Inneren zu tauschen.
Als ich meine Haare loslasse, lasse ich auch den Knopf los. Er fällt erneut zu Boden und rollt aus meinem Sichtfeld.
Ich will ihn nie wieder berühren, also lasse ich ihn liegen und stehe langsam auf.
In meinem Rücken hat sich ein stechender Schmerz ausgebreitet. Ich finde meine Lederhose nicht, stecke auch keine Energie mehr in die Suche nach ihr und entscheide mich stattdessen für eine schwarze Jeans, die an der rechten Seite von Metallringen zusammengehalten wird.
Viel zu weit und nicht das, was ich wollte, aber sollte ich noch eine Minute länger in diesem Raum verbringen, werde ich nie vor die Tür und in die Dämmerung treten.
"Zeig einfach keine Schwäche und lass dich gehen", sage ich zu meinem Spiegelbild, bevor ich meine Zimmertür möglichst leise schließe, um meine Schwester nicht auf mich aufmerksam zu machen.
Ich habe das hier schon hunderte Mal gemacht; mich rausschleichen. Aber heute fühlt es sich irgendwie anders an. Beinahe nostalgisch, so als würde ich es zum letzten Mal machen.
Beim ersten Mal hätte mich Dad beinahe erwischt, er ist aus seinem Büro gekommen, um auf die Toilette zu gehen. Er hat mich nicht wahrgenommen und auch nicht die glitzernde Jacke mit dem Totenkopf, die ich an diesem Abend getragen habe.
Ich werde wohl nie vergessen, wie er hinter mir über den Flur gegangen und im Bad verschwunden ist, ohne eine Notiz von mir zu nehmen.
Es war, als wäre mein größer Wunsch endlich in Erfüllung gegangen: Ich schien unsichtbar zu sein.
Nur es hat sich nicht so toll angefühlt, wie ich es mir immer ausgemalt habe.
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Wer hier liebt Girl In Red noch?! Cuz if u do, I love u even more! :) (die Lyrics aus Apartment 402 passen einfach SO GUT zu Ben, i can't get over it)
Ich glaube, ich habe mich schon mal ausgeheult, dass ich traurig bin, nicht zu ihrem Konzert gehen zu können oder? (ja, meine Platte hat einen Sprung xD)
Gestern hat es tatsächlich geschneit! Und gegen Abend war der Boden kurz weiß & mit diesem Anblick bin ich heute tatsächlich auch aufgewacht.
Aber gut, die Schneeglöckchen und Krokusse kommen bei uns schon aus der Erde & ich finde auch, jetzt ist es Zeit für den Frühling, wenn wir keinen 1-Meter-Schnee mehr hinbekommen xD
Btw, is it just me oder hat Wattpad irgendwie gerade ein Problem?
Weil gefühlt alle Kapitel dieser Story sind durcheinander! Und das liegt nich an mir.
Ich werde da jetzt erstmal nix machen, vielleicht gibt sich das wieder...
God damn, people get your shit together.
Anyywaayyss: HAVE A WONDERFUL WEEKEND!
All my Love,
Lisa xoxo
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