30.
Ben
Song: rosier / punk2 - brakence
Der Sommer kam schleichend. Erst habe ich ihn gar nicht bemerkt, der Frühling hatte für mich nicht mal richtig begonnen und plötzlich rollten die ersten Sommergewitter heran. Die Sonne brennt vom Himmel, mein Gips ist verschwunden und Ophelia straft mich nach wie vor mit Gleichgültigkeit und abschätzenden Blick, wenn ich ihr aus Versehen im Flur oder in der Küche über den Weg laufe - und das, obwohl sie von Dad einen neuen Mini bekommen hat, eigentlich sollte doch jetzt alles wieder gut sein.
Sie hat, was sie so geliebt und durch mich verloren hat, wiederbekommen.
Doch ihr Hass auf mich scheint ins Unermessliche gewachsen zu sein. Außerdem verhält sie sich seltsam. Seit einiger Zeit ist sie fast nicht mehr Zuhause, sie verlässt das Haus morgens überpünktlich wie eh und je und kehrt erst nach Einbruch der Dunkelheit - und die Tage sind verdammt lang - zurück oder gar nicht.
Ich weiß, dass ein Kerl dahintersteckt. So hat sich meine prüde, langweilige Spießer-Schwester noch nie verhalten.
Ich bin schon unzählige Mal kurz davor gewesen, meine Schlafzimmertür aufzureißen und sie auf frischer Tat zu ertappen, wie sie sich mit ihren Schuhen in der Hand nach Mitternacht in ihr Zimmer schleicht.
Doch bis jetzt habe ich es nie getan, immer nur mein Ohr an das kühle, glatte Holz gelegt und gelauscht, ob sie allein ist oder ob ein zweites Paar Schritte hinter ihr auf dem Boden aufkommt.
Bis jetzt war sie immer allein.
Was mich zum einzigen Überlebenden in diesem Haus macht, wenn die Sonne gnadenlos am Himmel steht.
Das macht mich automatisch zu Dads einziger Zielscheibe. Ophelia ist wie ein Prellbock zwischen uns und jetzt, da sie so gut wie nie hier ist, hat sich ein echtes Problem für mich ergeben.
Dad platzt des Öfteren in mein Zimmer, wenn ich mal wieder dabei bin, mir die Finger blutig zu spielen.
Als ich das erste Mal, nachdem mir der Gips entfernt wurde, meine Gitarre wieder in die Hand nehmen und spielen konnte, war es, als ob ich den Trip meines Lebens durchleben würde. Das elektrisierende Gefühl, die Noten, die meine Finger erzeugten, zu hören, zu spüren, weil ich die Verstärker so hochgedreht hatte.
Das Flattern in meinem Magen, als ich die Anschlüsse in die Adapter meiner E-Gitarre gesteckt habe, das sphärische Knacken in den Lautsprechern, das eine Gänsehaut meine Wirbelsäule hinunterlaufen ließ.
Besser als jeder Joint, besser als jedes Schmerzmittel. Dennoch habe ich James und seine kleinen, durchsichtigen Tütchen nicht aus meinem Leben gestrichen.
Ich kann sie nicht verbannen. Dafür ist es zu laut in meinem Kopf, wenn der Rest des Hauses totenstill ist.
Ophelia, wer weiß wo. Dad, darin vertieft das Leben anderer zu zerstören oder mich fertig zu machen. Mom, in irgendeiner fünf Sterne Klinik, in der sie lernen soll, ihr Leben wieder auf die Reihe zu bekommen.
Meine Familie hat mich allein gelassen, zurückgelassen. Und nach meinem Verständnis tut das eine Familie nie. Das ist die goldene Regel, die nie gebrochen werden darf. Man darf sich anschreien, temporär hassen, aber man darf sie nie allein lassen.
Und genau aus diesem Grund bezeichne ich diese Menschen nicht als meine Familie.
Diese Menschen haben mir schon so oft vorgeworfen, dass ich mich selbst auszusperren würde, weil ich nicht mit ihnen rede, mich vor ihnen verschließe.
Sie bräuchten nur meiner Musik zuhören. Der Musik, die ich so laut aufdrehe, dass wahrscheinlich unsere Nachbarn noch in der Lage sind, die Songtexte Wort für Wort zu verstehen.
Sie müssten nur hinhören.
Ich lege mich ihnen fast tagtäglich wie ein offenes Buch aus, doch sie hören nicht zu, sagen, ich soll die Musik leiser machen.
Manchmal ist diese Tatsache zu traurig und ironisch, um wahr zu sein und manchmal liege ich lachend auf meinem Bett, weil mir klar wird, wie kaputt das alles hier ist.
Und ich kann nicht entkommen. Mein Kopf hat mich in diesem Zimmer festgekettet. Die Vorstellung dieses Gefängnis zu verlassen, ängstigt mich.
Das Gleiche wird auch über Straftäter gesagt, die sich über die vielen Jahre ihrer Haftstrafen an die Gitter vor ihren Fenster gewöhnt haben. Wenn sie entlassen werden, sind sie schlichtweg überfordert, sehnen sich zurück in ihren geregelten Alltag im Gefängnis, die vertraute Umgebung und begehen Straftaten, nur um erneut verhaftet zu werden. Um zurück in ihre Sicherheit zu gelangen.
Und genauso geht es mir. Hier drinnen geht es mir nicht gut. Dieses Haus erdrückt mich und seine Bewohner foltern mich. Aber da draußen vor den dicken, weißen Mauern wird es mir nicht besser gehen. Ich werde zwar keinen Paul Rosethorn haben, der in mein Zimmer platzen kann, aber es wird einen andern Paul geben, einen Nachbar oder Arbeitskollegen. Es gibt immer einen. Und die Gefahr besteht, dass es mehr als einen geben wird.
Wenn meine sogenannte Familie schon unter der Erde liegen würden, wäre es mir eine Freude auf ihre Gräber zu spucken und es mir alleine in diesem stillen Gefängnis gemütlich zu machen.
Doch zu diesem Zeitpunkt muss ich mich noch gedulden.
Aber der Tag wird kommen und diese Tatsache vermag es, mir manchen dunklen Tag aufzuhellen.
Ich bin gerade dabei, ein Pflaster um meinen linken Mittelfinger zu wickeln. Ich bin in den letzten Wochen, in denen mich der Gips von der einzigen Sache abhielt, die mein Leben ein bisschen versüßt, verdammt eingerostet.
Meine Finger haben ihre Leichtigkeit eingebüßt.
Jetzt verbringe ich jede freie Minute mit meiner Gitarre auf dem Schoß, um meinen Rückstand aufzuholen. Wenn es Schreierei und Beschimpfungen wegen der Lautstärke gibt oder Dads Arbeitstag geendet hat, mit Kopfhörern über den Ohren.
Wenn die Noten meinen Kopf ausfüllen und meine Trommelfelle kitzeln, dann habe ich keine Möglichkeit, über etwas anderes nachzudenken.
Nicht wo ich bin, wer ich bin, was aus mir werden soll, was ich gestern gemacht habe und was ich morgen machen will.
Ich denke nicht an Eric. Und auch nicht daran, wie er gegangen ist, nachdem wir miteinander geschlafen haben.
Unsere letzten Worte an der Haustür hallen nicht mehr durch meinen Kopf, wie sie es in den ersten Nächten in meinem Bett taten - einem Bett, das plötzlich wieder nach ihm roch.
"Du kannst nicht ewig nur in der Nacht aus diesem Zimmer kommen und dich einfach ohne Ziel treiben lassen."
"Vielleicht kann ich das ja doch."
Und dann ist er gegangen. Nach diesen Worten, meiner Antwort, ist er einfach gegangen.
Und ich habe genau das gemacht, was ich gesagt habe. Ich bin in der Nacht aus meinem Zimmer gekommen, in James Auto gestiegen und mit ihm davongefahren, habe mir den Kopf volldröhnen lassen, bis ich nicht mehr geradeaus gucken konnte.
Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich erfolgreich war, dass meine Handlungen den jungen Mann und seine großen Hände aus meinem Bewusstsein vertrieben haben, aber das ist nicht der Fall.
Wenn ich spiele, dann denke ich wirklich nicht an ihn. Aber, wenn ich nicht spiele ... dann ist er plötzlich wieder überall.
__________________________________
Hello :)
u guyssss, 2k let's goooo! Thank y'all so much for reading :) <3
Reden wir nicht über die Schule, machen wir es einfach nicht. Ich mag es nicht. ugh.
Ich habe vor ein paar Tagen eine neue Serie angefangen: Peaky Blinders. Alle, die sie schon gucken oder kennen; I know I'm late to the party. An alle, die sie nicht kennen; die Serie hat schon 7 Staffeln oder so & ist, glaube ich, letztes Jahr geendet. Well, I really like it! :)
Und das ist auch alles, was ich berichten kann, denn von dem Desaster vom Sonntag, als der Krankenwagen kam, werde ich nicht berichten (keine Sorge, allen geht es gut.)
All my Love,
Lisa xoxo
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro