95.
Einige Gefühle kann man nicht beschreiben.
Es sind die, die dich in die Knie zwingen und auch die, die dich glauben lassen, zu fliegen.
Ich befinde mich in einem Zwischenstadium.
Es fühlt sich an, als wäre mein Glück zum Greifen nah. Doch dann sind da die Tatsachen, vor denen ich nicht davon laufen kann, vor denen ich nicht die Augen verschließen kann, egal wie sehr ich es versuche.
Bei Jace kann ich mit kleinem klaren Kopf nachdenken.
Allerdings kann ich das auch nicht in dem großen weißen Haus, in dem ich aufwuchs, denn als ich mit meinem Rucksack und der Nachmittagssonne im Rücken durch die Tür trete, blickt mir Sam mit seinen gutmütigen Augen entgegen.
"Hi."
"Hi."
Mein Gruß hört sich mehr wie eine Frage an.
"Was machst du hier?"
"Freust du dich nicht, mich endlich wiederzusehen?", fragt er zurück, begleitet von einem Lachen.
Ehe ich mich versehen kann, steht er vor mir und schließt seine Arme um mich.
Es dauert ein paar Sekunden, bevor ich ihn loslassen und mich entspannen kann.
"Hab dich vermisst", sagt der Blonde leise.
"Ich dich auch."
Plötzlich habe ich einen klaren Kopf.
Bei Sam war schon immer alles einfach. Simpel. Gut zu verstehen.
Die Dinge waren entweder so wie sie sind, oder wir haben versucht, sie zu ändern. Aber ich glaube nicht, dass diese Herangehensweise auf meine Situation anzuwenden ist. Auch, wenn Sam jetzt hier ist.
"Wie lange haben wir uns schon nicht mehr gesehen und geredet?", frage ich, als wir uns voneinander lösen.
"Meinst du richtig gesehen, was zusammen unternommen und geredet oder die abgespeckte Version von allem auf den Galas et cetera?"
Ich verdrehe die Augen und laufe voran ins Wohnzimmer.
Sam lässt sich selbstverständlich auf die Couch fallen, als wäre es nicht fast ein halbes Jahr her, dass er dies zuletzt getan hat. Das Leder quietscht.
"Willst du was trinken?"
"Ich habe deinem Gast bereits etwas angeboten", erklingt Dads Stimme hinter mir.
Ich fahre herum und erblicke ihn in gewohnter Montur; Anzugweste, weißes Hemd und graue Anzughosen mit blankpolierten Schuhen.
"Du bist aber sehr früh Zuhause", sage ich.
Unsicher versuche ich ein Lächeln, doch es fühlt sich falsch und verrutscht an.
Ich ziehe meine Unterlippen ein und bohre meine Zähne in sie.
"Im Gegensatz zu dir", sagt er kühl, doch eine gewisse Genugtuung ist nicht zu überhören.
Mit langsamen Schritten entert er den Raum und pinnt mich mit seinem eisigen Blick an Ort und Stelle fest.
"Ich habe mir erlaubt, Sam in deinem Namen einzuladen. Du scheinst in letzter Zeit so viel zu tun zu haben, dass du deinen Freund scheinbar vergessen hast."
Die Art, wie er das Wort Freund ausspricht, gefällt mir nicht.
Ich winde mich unwohl unter den Blicken der beiden anwesenden Männer.
Aber ich habe es mir selbst zuzuschreiben. Meine Nächte, die ich bei Jace verbringe, mussten irgendwann auffallen, es ist eine Frage der Zeit gewesen und jetzt wischt mir Dad mit doppelter Wucht eins aus.
"Wie nett", lache ich auf. "Wir waren gerade dabei, zu überlegen, wie lange es her ist, dass wir uns privat und ungezwungen treffen konnten."
Ich lege den Kopf zu Seite und hoffe, dass meine Nachricht angekommen ist.
"Dann wusstest du gar nicht, dass ich heute kommen?"
Sam klingt verwirrt und ändert seine Position auf der Couch. Er setzt sich aufrechter hin, legt die Hände ordentlich in seinen Schoß und schüttelt sein Haar. In all der vergangenen Zeit hat er diese Angewohnheit also immer noch nicht abgelegt.
Ich beobachte seine blonden Strähnen, die für kurze Zeit schwerelos erscheinen, und schüttle den Kopf, als unsere Augen aufeinander treffen.
"Ich und Samuels Vater waren so frei, euch die Unannehmlichkeiten einer Terminfindung abzunehmen."
Ich bin immer wieder von seiner stählernen Geschäftsmannseite geflasht.
Wie kann er hier vor uns stehen und uns beide behandeln, wie zwei dumme Kinder, die noch ihre Eltern benötigen, um Termine für gemeinsame Spielnachmittage auszumachen?
Sam scheint sich davon allerdings nicht bevormundet zu fühlen.
"Mit Ihrer Tochter zu reden, wäre nie eine Unannehmlichkeit, Mr. Rosethorn."
"Ich glaube, ich bin im falschen Film", rutscht es mir heraus.
"Aber wieso denn, Spätzchen? Ich habe dich oft genug daran erinnert, dich mit Sam in Verbindung zu setzten und da du dies bis heute nicht getan hast ..."
Ich schaue meinen Vater mit bitterbösem Blick an.
Es ist mir egal, dass Sam von diesem Kontrollverlust Zeuge wird.
"Erst meine Konten und jetzt mein Handy?"
Wenn ich so darüber nachdenke, würde ich es ihm sogar zutrauen, mein Handy zu überwachen.
"Sein nicht kindisch, Ophelia."
Mein Vater macht eine abwertende Handbewegung und sieht mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank.
"Alles, was ich für dich getan habe, ist, dir ein bisschen Arbeit abgenommen zu haben, weil du dazu anscheinenden nicht in der Lage warst. Und jetzt kümmere dich bitte um deinen Gast."
Ich balle die Hände zu Fäusten.
In seinen Augen verhalte ich mich also kindisch, weil ich mich nicht mehr bevormunden und wie eine Schachfigur über das Spielbrett schieben lasse?
"Ich habe ihn nie eingeladen. Es ist also streng genommen dein Gast. Wobei ..."
Ich werfe Sam einen flüchtigen Blick zu, der sich auf dem weißen Leder zusammenkauert hat.
"Eigentlich müsste Mr. Kites an seiner Stelle dort sitzen. Immerhin hat er sicherlich in Sams Namen die Einladung angenommen, stimmt es nicht Sam?"
Dieses Mal halte ich meine Augen länger auf unseren anständigen Gast gerichtet. Er spannt seine Arme an, sodass seine Muskeln hervortreten.
"Na ja, also ..."
"Sag nichts, Junge."
Dad hebt seine Hand.
"Du bist Ophelias Gast, daran gibt es nichts zu rütteln. Dein Vater wird dich sicherlich aufgeklärt haben."
Ein vielsagender Blick wird getauscht, den ich nicht verstehe.
Gerade will ich wieder ansetzten, da erklingt Sams zögerliche Stimme von meiner Linken.
"Also ... ich will hier wirklich nicht stören. Ich kann auch wieder gehen, gar kein Problem."
"Ja", sage ich im selben Moment, in dem mein Vater ein bestimmtes Nein ausspricht.
"Du bleibst", schiebt er hinterher, schaut dabei aber mich an.
Eine klare Botschaft, dass ich es nicht weiter wagen soll, seine Autorität zu untergraben und mich gegen sein Wort aufzubäumen.
Für paar Sekunden lang könnte man eine Stecknadel fallen hören. Dann strafft mein Vater seine Schultern und streicht über den blutroten Stoff seiner Weste und nickt uns zu, bevor er nach einer eleganten Wendung mit steifen Schritten davon stakst.
"Wow", bläst Sam seine angehaltene Luft aus.
"Ja, ich weiß."
"Passiert das öfter?"
"In letzter Zeit schon", überlege ich laut und drehe mich zu meinem ungeladenen Gast.
"Nach was zu trinken hatte ich dich schon gefragt, oder?", frage ich mit in Falten gelegter Stirn.
"Ja ... Dein, ähm dein Vater hatte mir schon ..."
"Ja, genau."
Wir schauen einander an und schweigen.
Was soll ich auch sagen? Dass ich ausgelaugt bin und meine halbwegs gute Laune verpufft ist, seitdem ich durch diese Tür gekommen bin?
Sam macht wie immer den ersten Schritt, indem er sich zurücklehnt und laut seufzt.
"Segeln also. Wie sieht es aus?"
Ich hebe meine Augenbrauen und blicke ihn ein paar Sekunden zu lange an.
Verlegen wende ich den Blick ab und sehe dem Pendel der Standuhr beim Schwingen zu. Die Zeit vergeht, bis ich eine Antwort herausbringe.
"Ich weiß nicht, zurzeit ist viel los", wende ich mich Sam mit einem aufgesetzten Lächeln zu.
Er kauft es mir ab.
Ich kann es an der Erleichterung erkennen, die über sein Gesicht schwappt, und an der Lockerung in seinen Schultern.
"Aber wir müssen doch das gute Juliwetter ausnutzen."
Der nächste Monat klingt so weit entfernt, dabei hat der Juni nur noch wenige Tage.
"Ja", höre ich mich sagen. Einfach, weil es einfacher ist.
"An irgendeinem Wochenende werde ich Zeit finden."
Sam klatscht in die Hände und reibt sie dann triumphierend aneinander.
"Dann schreib mir einfach kurzfristig oder ruf mich an."
Ich nicke, gehe um die Couch und setze mich neben ihn.
Sam schüttelt sein Haar erneut aus der Stirn und wirft mir einen schnellen Seitenblick zu.
"Ich dachte, du bist genauso dagegen, dass unsere Väter uns ständig verkuppeln wollen, wie ich", merke ich an und drehe mich zu ihm.
"Na ja ... Wenn sie es nicht täten, würde ich dich gar nicht mehr sehen, also ..."
Er zuckt mit den Schultern. Ich mag es nicht, wenn er seine Sätze nicht beendet und alles irgendwie immer offen und unverbindlich lässt.
"Aha", ist alles, was ich für eine Weile sage.
Er soll nicht denken, dass ich ihm jetzt mein Herz ausschütte. Nicht nachdem, was sich da eben abgespielt hat.
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Song: The Steps - Haim
Hiiii :3
meine Pause war zwar anders geplant, aber in dieser Woche sowieso nötig, weil ich nächste Woche für 2 Wochen in den Urlaub fahre, yaayyyy *-* (I need that!)
Aber keine Sorge my Loves, ich werde jeden Dienstag & Samstag updaten, alles vorgeschrieben, also keine Sorge, ich werde Urlaub machen :)
Gerade habe ich MEGA viel zu tun weil der Garten bis Montag tipp top sein muss. Das wird uns dann in zwei Wochen Arbeit sparen. Also ich bin wieder weg, Hecke schneiden, uff. Ya girl is hustling xD
2 neue Alben, die ihr UNBEDINGT auschecken solltet!:
Happier then ever - Billie Eilish
&
Take the sadness out of saturday night - Bleachers
All my Love,
Lisa xoxo
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