90.
Mein Kopf brummt und scheint über Nacht eine Tonne an Gewicht zu gelegt zu haben.
Nur mühsam kann ich mich aus dem Bett rollen.
Der Teppich unter meinen Füßen fühlt sich seltsam komisch an. Es ist nicht mein Teppich. Es ist mein Kleid von letzter Nacht.
Mit dem rechten Fuß kicke ich es unter mein Bett.
Fluchend begegne ich meinem Blick im Schminkspiegel.
Meine Augen sind klein und geschwollen, umrahmt von verschmiertem Eyeliner und Lidschatten.
Meine Lippen sind trocken und rissig und meine Haare ... die will ich mir lieber gar nicht weiter ansehen.
Es ist bereits später Vormittag und das Haus ist ruhig, ein Zustand, der mit Tante Jennifers Besuch tatsächlich nicht mehr ganz so häufig eintritt.
Ich schnappe mir frische Sachen aus meinem Schrank und husche ins Bad. Kurz bevor ich eintrete, halte ich inne und blicke zu Bens geschlossener Zimmertür.
Mein Vater hat in der Nacht auf meine Wiederkehr gewartet, Mom war auch noch wach. Aber Bens Abwesenheit haben sie scheinbar nicht bemerkt.
Wann ist er wieder nach Hause gekommen? Befindet er überhaupt hinter dieser Tür?
Beinahe drehe ich um, um mich zu vergewissern, dass er Daheim und am Leben ist.
Doch ich stoppe mich und verschwinde im Bad.
Mit frisch gewaschenen Haaren, geputzten Zähnen und einem sauberen Gesicht setze ich mich wenig später an den Esstisch zu meiner Familie.
Mein Bruder sitzt mir schräg gegenüber und er sieht besser und weniger mitgenommen aus als ich. Er hat nur leichte Augenringe und seine zusammengepressten Lippen benötigen keine Vaseline, um feine Risse zu pflegen.
Als er meinen prüfenden Blick bemerkt, schüttelt er sein langes Haar wie einen schwarzen Vorhang vor sein Gesicht.
Ich unterdrücke ein Augenverdrehen und werfe Tante Jennifer ein schnelles Lächeln zu, die sich gerade auf dem Stuhl neben Ben niederlässt.
"Na meine Kleine, wie war dein Abend gestern? Deine Eltern haben ja so getan, als würdest du eine Weltreise unternehmen."
Lachend schüttelt sie den Kopf.
Zu meiner Überraschung drück Mom ihr Kreuz nicht durch und sie wirft ihrer Schwester auch keinen strafenden Blick zu. Im Gegenteil, sich lächelt verlegen und schlägt den Blick nieder.
Ich lehne mich ungläubig über den Tisch, um einen besseren Blick auf sie zu erhaschen.
"Du gedenkst aber nicht solche Nächte zur Gewohnheit werden zu lassen, oder?", reißt mich die brummende Stimme meines Vaters aus meinen Beobachtungen.
Selbst während eines familiären Mittagessens trägt er ein gebügeltes Hemd mit silbernen Manschettenknöpfen.
Mirella taucht neben mir auf und füllt mein Wasserglas. Ich spüre ihre Hand zwar nur für eine Sekunde an meinem Rücken, aber sie gibt mir die Kraft, die ich brauche, um meinem Vater mit meinen verquollenen Augen anzusehen.
"Warum nicht? Wenn es mir Spaß gemacht hat."
Ben gibt ein schnaubendes Lachen von sich.
"Hat es das denn, Liebling?", fragt meine Mutter aufrichtig.
Tante Jennifer sieht mich aufmunternd an. Das alles kommt mir wahnsinnig abstrakt vor. Hier an diesem gedeckten Tisch mit der weißen Tischdecke und dem Blumenstrauß in der Mitte zu sitzen und über meinen Samstagabend zu reden, als ob wir das jeden Sonntag so tun würden.
Ich räuspere mich und visiere Ben an.
"Es war ein schöner Abend, wäre da nicht dieser eine Zwischenfall gewesen ..."
Mein Schweigen lässt den missmutigen Jungen aufblicken. Braune Augen blitzen durch seine langen Strähnen hindurch.
Ich lasse ihn zappeln, quäle ihn ein bisschen länger als nötig, indem ich nicht gleich auf die Nachfrage, was denn passiert sei, antworte.
"Ach, nur so ein schmieriger Typ, der uns anmachen wollte", winke ich ab und nehme einen Schluck Wasser.
Mom räuspert sich verlegen und greift ebenfalls zum Glas. Erst jetzt fällt mir auf, dass Alkohol am Tisch fehlt.
Sollte es Jennifer tatsächlich gelungen sein, auf offene Ohren gestoßen zu sein?
Konnte sie dem Hausherren erklären, dass die ständige Versuchung des süßen Alkohols meine Mutter bei ihrem Unternehmen, trocken zu bleiben, nicht gerade unterstützt?
"Ihr musstet ja auch in einen öffentlichen Club gehen, also selbst schuld. Ich habe dir mehrere Adressen von Privatclubs angeboten, Spätzchen."
Aufgeladen dreht er seine Gabel zwischen den Fingern und konzentriert sich dann auf seine Serviette.
Ich entgegne dem nichts mehr und warte einfach nur stumm den ersten Gang ab.
Tante Jennifer und ich rühren unseren Salat kaum an. Ehrlich gesagt, dreht sich mir der Magen ein wenig um, wenn ich daran denke, Salat oder eine Kartoffelbeilage zum Frühstück zu essen.
Ben hingegen stopft alles willenlos in sich hinein, ohne auch nur einen Blick von seinem Teller zu heben.
Gerade als sich die unangenehme Stille wieder über uns legt, da die Kaugeräusche verstummt und stattdessen alle Augen hoffnungsvoll auf die Tür gerichtet sind, durch die unsere Haushälterin gleich kommen und uns von unserem Elend erlösen sollte, ergreift meine Tante das Wort.
"Es ist schön, dass wir alle mal so zusammensitzen."
"Findest du?", fragt mein Vater ehrlich überrascht.
"Ja. Wenn du ständig auf Reisen bist, schätzt du es irgendwann wert, einen Ort und Menschen zu haben, zu denen du zurückkehren kannst."
Auch wenn diese Menschen Paul und Georgia Rosethorn sind?, denke ich und schaue auf das gemalte Stillleben hinter Bens Kopf.
"Nun, du bist natürlich immer herzlich willkommen in unserem bescheidenen Heim, liebe Jennifer."
Und schon muss er den edlen Gastgeber raushängen lassen.
Ich verdrehe die Augen. Meine Stirn fühlt sich an, als wäre sie in einen Schraubstock gespannt.
"Danke, aber beim nächsten Mal hat Ophelias Freund meine Wohnung vielleicht schon wieder geräumt, sodass ich euer Gästezimmer nicht mehr beanspruchen muss", lächelt Jennifer in Dads Richtung.
Ihre Hände sind dabei unter ihrem Kinn verschränkt.
Sie lächelt, als sie mich in den Abgrund stößt.
Ich kann nicht mal dazwischen funken, laut Husten oder ähnliches tun.
Es raubt mir den Atem und lässt Panik in mir aufsteigen.
Wachsame braune Augen fallen auf mich und das freundliche Lächeln verrutscht.
"Ich dachte, du hast es ihnen endlich gesagt", bringt sie geschockt heraus.
Ich fahre über mein Gesicht und puste Luft in meine Hände.
"Nein, da haben wir uns wohl falsch verstanden. Ich sagte, ich werde es ihnen bald sagen. Dieses bald ist noch nicht eingetroffen", zische ich in verhaltenem Ton über den Tisch.
"Klärst du uns auf, Ophelia?"
Ich werfe meinem Vater einen scheuen Blick zu.
Ben scheint sich herrlich zu amüsieren. Ich knirsche mit den Zähnen.
"Nichts Wildes, Dad. Ein Freund hat nur für einige Zeit ein Obdach gebraucht und da habe ich an Tante Jennifers freistehende Wohnung gedacht. Ich habe euch nur nichts gesagt, weil ihr dann vielleicht eure Mithilfe aufgedrängt hättet. Und ... er tut sich nicht sonderlich gut damit, Hilfe anzunehmen."
Mein Lachen klingt hoch, verstellt, falsch, angespannt. All die Dinge, die mich verraten könnten und nach denen mein Lachen in diesem Moment wirklich nicht klingen sollte.
Meine Tante wirft mir einen entschuldigenden Blick zu und fährt sich durch ihr aufgetürmtes Haar.
Doch in ihren Augen kann ich lesen, dass sie es für nicht weiter schlimm erachtet. Wahrscheinlich glaubt sie, sie hätte mir am Ende noch einen Gefallen getan, damit ich nun endlich reinen Tisch machen kann.
"Keine Sorge, das hätten wir schon nicht getan", sagt mein Vater.
Seine Stimme ist seltsam gefasst und distanziert.
"Richte ihm liebe Grüße von uns aus."
Seltsamerweise empfinde ich diesen Satz als Drohung.
"Es ist aber nicht AJ, oder?", fragt meine Mutter besorgt und greift sich an den Hals.
"Nein, Mom", lache ich, immer noch viel zu steif und aufgesetzt. "AJ geht's gut."
"Kennen wir ihn denn?"
Moms Neugier ist geweckt.
Ich überlege kurz, nehme Bens schadenfrohes Grinsen aus dem Augenwinkel wahr.
"Nein ... Ich glaube nicht."
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Song: Space Oddity (Cover) - Passenger
Hello,
mal ehrlich, diese unangenehme Stille bei Familienessen kennen wir doch alle, oder?
Ich muss mich heute mal ein bisschen aufregen. Und zwar über das männliche Geschlecht, dass kein Nein versteht. (Keine Sorge, mir ist nichts dramatisches passiert!)
Schon vor etlicher Zeit hat mich ein ... Bekannter - mehr ist er nicht - angeschrieben. Naja, dann ging es irgendwann los mit "ich finde dich toll", "du bist echt heiß".
I mean ... c'mon, dass ist SO flach und schwach! Ugh.
Und irgendwann habe ich ihn dann mal richtig auf den Arsch gesetzt, so nach dem Motto, "hör mal wir sind Freunde, mehr nicht, alles klar?!"
So fast forward, 3 Monate später!!! antwortet er auf diese Nachricht mit "Schade". DREI MONTAE SPÄTER JUNGE!!! Und jetzt ist mir schon wieder sowas passiert, aber dieses Mal mit einem von diesen typischen Instagram-Typen, die dich anschreiben und denken, "wenn ich ihr sage, du siehst echt gut aus, dann schickt sie mir safe pics".
Ich erlaube mir meistens einen Spaß und verarsche die dann ein bisschen (maximal 2-3 Antworten, dann is Schluss, reine Zeitverschwendung, auch wenns manchmal ganz amüsant sein kann). Dann antworte ich auch nicht mehr. Also nicht falsch verstehen, ich gebe denen deutlich zu verstehen, dass ich NICHTS ABER AUCH GAR NICHTS VON DENEN WILL.
Und dieser eine besagte Kerl, schrieb mir gestern "Oha" nachdem ich ihm 2 Monate nicht mehr geantwortet habe (ich habe ihm insgesamt dreimal geantwortet - unteranderem gesagt, dass ich kein Interesse auf ein Frage-Antwort-Spiel habe und der sich bitte aus meinen dms verpissen möchte.)
Und hier kommt mein Aufreger: Warum können diese Kerle kein Nein verstehen?! Warum schreibt man nach Monaten noch mal, so nach dem Motte: "Komm ich bin so geil, jetzt muss sie aber Ja zu mir sagen! "
Glauben die wirklich, Frauen ändern ihre Meinung & meinen nicht das, was sie sagen?! Hallo?! Wo leben wir?!
Natürlich, ich könnte mich auch verstecken, keine Bilder mehr posten, privat gehen, aber ich will mich eben nicht verstecken, weil ab und an kann man wirklich, wirklich nette Menschen kennenlernen, mit denen man zum Beispiel eine Leidenschaft teil oder sich über das Reisen austauschen kann, was weiß ich.
Und ich wette, dass ist so gut wie jedem hier schon mal passiert, und wenn nicht, dann wird es noch passieren.
Mich macht das manchmal echt einfach nur fassungslos, ganz nach dem Motto: "Ich bin der geilste und alle lieben mich! "
Nein Junge, du bist einfach nur dumm wie Scheiße.
In diesem Sinne.
All my Love,
Lisa xoxo
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