105.
Die Haustür, wie sie ins Schloss fällt.
Die Vögel, wie sie fröhlich weiter zwitschern, als wäre nichts gewesen.
Die Stille, die wie immer einkehrt, bis Ben seine Stereoanlage aufdreht, weil es nichts mehr zu lauschen gibt.
Das alles klingt noch lange in mir nach, obwohl Jace nicht mehr hier ist, obwohl er schon seit mehreren Tagen gegangen ist.
Alles ist wie immer. So, als wäre nie ein Jace hier gewesen. Nur das Gefühl in meiner Brust bleibt.
Und das Wissen, dass wir einander verletzt haben.
Ich höre immer noch seine Schritte hinter mir.
Die langsame Melodie in meinen Ohren lullt mich seit Stunden in diesen unbeschreiblichen Trancezustand, den ich eigentlich nicht vorhatte in nächster Zeit zu unterbrechen. Doch mein Vater hat andere Pläne.
Ich weiß nicht, ob er angeklopft hat, ich will es hoffen, aber nach dem bitteren Gesichtsausdruck, kann es auch gut sein, dass er einfach so in meine Privatsphäre geplatzt ist.
"Du liegst noch im Bett?", fragt er missbilligend.
"Ich bin angezogen."
Ich deute auf mein verwaschenes T-Shirt aus High-School-Zeiten, das ich wieder hervorgekramt habe.
"Es sind Ferien und du hast nichts Besseres zu tun, als in deinem Bett zu liegen und ... was genau zu tun?"
Ungläubig blickt er von mir zu meinem Handy, in dem meine Kopfhörer eingestöpselt sind.
"Die Sonne scheint", schiebt er hinterher.
Ich zucke nur mit den Schultern. Ich habe wirklich keine Lust, jetzt dieses Gespräch mit ihm zu führen.
"Ophelia."
Ich ziehe meine Kopfhörer widerwillig aus den Ohren.
"Ja, Dad?"
Ich beiße auf meine Zunge, um nicht noch mehr zu sagen, um nicht meinen Frieden zu deklarieren.
"Hattest du nicht sowieso noch einige Verabredungen diesen Monat?"
Es ist offensichtlich, worauf er anspielt. Es ist eigentlich schon fast traurig, dass er eine solche Masche aufzieht.
"Das ist richtig. Nur nicht jetzt", antworte ich zuckersüß, verziehe dabei allerdings keine Miene.
"Gut. Darüber wollte ich nämlich mit dir reden. Kommst du mal mit?"
Er zitiert mich ins Büro.
"Können wir das nicht hier klären?"
"Mein Büro. Jetzt", sagt er mit Nachdruck und hebt seine Augenbrauen.
Was passt ihm jetzt wieder nicht? Welche Veranstaltung, bei der ich seinen Rücken freihalten soll, kommt auf mich zu? Soll ich mich Mom besser annehmen, damit sie nicht den ganzen Tag lethargisch im Wohnzimmer sitzt?
Seit Tante Jennifer abgereist ist, scheint auch Moms Lachen mit ihren Koffern verschwunden zu sein.
Ich fühle mich schon ein wenig schuldig, immerhin zeige ich ihr die kalte Schulter, aber es ist nicht ihre Tochter, die sie sehen will. Georgia Rosthorn will ihren Sohn. Und auf den habe ich keinen Einfluss.
Es kommt mir vor wie ein Déjà-vu wieder in Dads akribisch aufgeräumten Arbeitszimmer zu stehen.
Was Jace jetzt wohl gerade macht?
"Es geht - wie du es dir sicherlich denken kannst - um Samuel", setzt mein Vater in diplomatischer Tonlage an.
Ich wette, er hatte noch nie einen seiner Mitarbeiter im Schlabberlook vor sich sitzen.
Ich kratze an meiner Nagelhaut herum und unterdrücke das nervöse Wippen meines Beines. Mein Gehirn hat keine Kapazität, Dads Worte aufzunehmen. Ich will einfach nur zurück ins Bett.
Als ich die Augen zum Fenster hebe, stelle ich fest, dass er tatsächlich den Ast davor hat entfernen lassen.
Ich schmunzle verkniffen.
"Ich möchte, dass du mehr Zeit in die Beziehung mit Sam investierst, anstatt dich um die Häuser zu treiben und mit wer-weiß-wem rumzuhängen. Wir waren da doch eigentlich schon auf einem ganz guten Weg ..."
"Bitte?"
Jetzt hebe ich die Augenbrauen.
Ungläubig betrachte ich meinen Vater, der in gerader Pose vor mir sitzt, die Ellenbogen auf den Tisch gestützt, das Haar streng zurückgekämmt und die blauen Augen erbarmungslos auf mich gerichtet.
Sein Hemd ist faltenfrei und puderfarben. Bestimmt hat Mom es für ihn ausgesucht. Sie liebt diese Farbe.
Die manikürten Hände falten sich vor mir, treffen zwei, dreimal auf die massive Tischplatte und dann zeigt sein Finger auf mich.
"Du hast eine Verantwortung für diese Familie, das weißt du. Daran brauche ich dich nicht zu erinnern. Aber es scheint mir, dass ich dich in letzter Zeit oft daran erinnern muss, dass wir ein Team sind. Und ich sehe für dich nur positive Dinge aus einer guten Freundschaft mit Samuel hervorgehen."
Ich erstarre in meinen unruhigen Bewegungen.
"Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich es nach all dieser Zeit leid bin, ein Gespräch dieser Art mit dir zu führen."
Ich breche unseren Blickkontakt nicht ab. Ich starre einfach kalt zurück.
Wie der Vater so die Tochter, oder?
Er lehnt sich lachend zurück.
"Du scheinst den Ernst der Lage nicht ganz zu verstehen ... Lass es mich so sagen: Die Kites sind wichtige Partner von mir. Es stand von Anfang an fest, dass ihr einziger Sohn und meine Tochter eine gute Beziehung führen sollten."
"Weil es gut für die Geschäfte ist", unterbreche ich ihn, "weil sich Kite und Rosethorn ganz wunderbar zusammen anhören. Aber es wäre euch allen doch noch viel lieber, wenn ich seinen Nachnamen annehmen würde, oder?"
Ich verschränke die Arme.
"Du brauchst mich gar nicht so anzugucken."
Dad kratz sich am Kinn und dreht sich zum Tageslicht.
"Es wäre mir wesentlich lieber, du würdest seinen Namen annehmen, als den eines dahergelaufenen Niemand."
Ben, schießt es mir durch den Kopf.
Er wird Dad doch nicht von Jaces Besuch erzählt haben?
Brühwarm und ohne Scham?
Natürlich würde er, natürlich hat er.
Ich sinke in mich zusammen. Das lässt meine Karten deutlich schlechter aussehen.
Dennoch wähle ich die Strategie des dumm stellen für den weiteren Verlauf dieses Gesprächs.
"Ich verstehe nicht, was du meinst", sage ich gefasst und umklammere die Sitzfläche meines Stuhls.
"Du weißt genau, was ich meine, junge Dame. Wer ist er? Wo kommt er her? Niemand von uns kennt ihn. Dieser Junge ist kein Umgang für dich!"
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Song: Fallen - Gert Taberner
Hej,
not me still obsessing and cry over Wille and Simon. Also stattdessen hier
!!! Meine Ankündigung: !!!
ICH HABE MEINE ERSTE VERÖFFENTLICHUNG!!!!!!!!!!!!
Can you believe it? Cuz I can't.
Ich bin in einem Sammelband mit Kurzgeschichten zum Thema 'Fernweh' dabei, wobei meine Geschichte wirklich aus der Sammlung herausfällt, weil ich eben nicht über das klassische Fernweh nach fremden Orten und tollen Reisen geschrieben habe, sondern über das Fernweh nach sich selbst.
Es geht um einen Menschen, der realisiert, wo er im Leben überall falsch abgebogen ist, und der plötzlich alte Versionen von sich selbst in anderen Menschen auf der Straße wiedererkennt.
Und ja, wie ihr mich kennt ... ich habe meine poetische Ader bei diesem Projekt praktisch ausbluten lassen xD
Und ich bin sehr stolz auf das, was dabei rausgekommen ist. Dementsprechend würde ich mich natürlich total freuen, wenn ihr ein Exemplar ersteht (bis jetzt nur im digitalen Format erhältlich) und mal reinlest :) - natürlich sind die anderen Beträge auch sehr lesenswert! ;P
Also für jeden, der die Möglichkeit hat & möchte, hier der Link zum Buch:
https://way2-verlag.ch/produkt/fernweh/
Ihr findet mich im way2-Verlag in der Anthologie "Fernweh" :)
Der way2-Verlag ist übrigens auf mich zugekommen und wollte mich gerne bei diesem Projekt dabeihaben. *imagine me smiling big right now*
All my Love,
Lisa xoxo
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