Free As A Bird
Als ich auf die Bühne hinaustrete, blendet mich der Scheinwerfer, sodass ich die Hand heben muss, um meine Augen vor dem grellen Licht abzuschirmen.
Zu der Frau mit dem Ariana-Grande-Zopf haben sich noch zwei Männer gesellt. Vielleicht die beiden Türsteher, die mich vorhin durchgewunken haben. Sie stehen hinter mir und versperren mir den Fluchtweg.
Ich spüre, dass ich in der Scheiße sitze.
Das Blut rauscht mir in den Ohren, mein Herz hämmert, meine Beine gehorchen mir nicht mehr. In meinem Kopf herrschen gleichzeitig ein unübersichtliches Wirrwarr und eine gähnende Leere. Alles in mir schreit danach, sofort die Flucht zu ergreifen. Ich will rennen. Einfach von der Bühne springen und lossprinten. Und vielleicht hätte ich sogar eine realistische Chance, es zu schaffen. Aber ich bin wie festgefroren. Wie heute Mittag auf dem Feld. Nur, dass diesmal niemand mit einer Waffe auf mich zielt.
Oder vielleicht doch? Das Licht ist so grell, dass ich den Zuschauerraum kaum erkennen kann.
"Was ist?", erklingt Mikas Stimme. Sie scheint direkt aus dem Licht zu mir zu sprechen. Beinahe wie eine göttliche Erscheinung. "Willst du uns nichts vortanzen?"
Mein Blick wandert zu der Metallstange, die neben mir aus dem Boden ragt, und mir läuft es eiskalt den Rücken herunter. Ich tanze gerne. Beim Putzen. Oder wenn ich mit meinen Freundinnen ausgehe. Aber ich habe noch nie an einer Stange getanzt – schon gar nicht in einem so knappen Outfit und erst recht nicht vor Publikum.
"Na los", sagt Mika auffordernd.
Langsam gewöhnen sich meine Augen an die Lichtverhältnisse, sodass ich ihren Umriss an einem der Tische vor der Bühne ausmachen kann.
"Ich meine, du bist doch für's Vortanzen gekommen, oder ..."
Der Ariana-Grande-Verschnitt fasst mir in die Haare und reißt mir die Perücke vom Kopf.
"... Kitty?"
Ich bin nicht mal überrascht, dass sie mich enttarnt hat. Irgendwie habe ich es gewusst, seit sich unsere Blicke gekreuzt haben.
"Was hast du hier zu suchen?", fragt Mika.
Das Licht blendet ab. Für einen kurzen Moment sehe ich gar nichts mehr. Dann schält sich der Zuschauerraum aus der Dunkelheit. Leere Tische und Stühle. Dahinter die ebenfalls leeren Separees. Jedenfalls ist das mein erster Eindruck. Erst auf den zweiten Blick entdecke ich zwei Gestalten, die sich auf einem der roten Kunstledersofas fläzen: Rayner und Yakov.
Yakov bleckt die Zähne. "Hast du das hier gesucht?" Er hält etwas hoch, das ich auf die Entfernung nicht erkennen kann.
"Was ist das?"
"Stell dich nicht dumm!", faucht Rayner.
"Tu ich nicht", erwidere ich kleinlaut.
Yakov dreht das Ding hin und her. "Was ist auf dieser Speicherkarte?"
Offenbar ist die Scheiße, in der ich stecke, größer als gedacht.
"Keine Ahnung", antworte ich mit heiserer Stimme.
"Ich hab sie in meiner Tasche gefunden", sagt Mika. "Birdie muss sie vor ein paar Tagen hineingetan haben."
"Vermutlich an dem Tag, an dem ich mich mit Miguel getroffen habe", knurrt Rayner und knetet nachdenklich sein Kinn. "Dieses Miststück ist schlauer als gut für sie ist."
"Nicht mehr lange", bemerkt Yakov.
Rayner nickt. Dann wendet er sich wieder an mich: "Aber dass du und dein Bruder mit ihr gemeinsame Sache machen würden ..."
"Wir hatten keine Wahl", murmele ich. Mein Gesicht und meine Finger sind ganz kalt. "Sie hat uns erpresst."
Es fühlt sich nicht gut an, Birdie zu beschuldigen, selbst wenn es die Wahrheit ist. Irgendwie ist sie mir in den vergangenen Stunden ans Herz gewachsen. Keine Ahnung, warum. Sie ist laut, impulsiv und rücksichtslos. Außerdem hat sie eine Aufmerksamkeitsspanne wie ein Vögelchen. Und trotzdem ... sie erinnert mich an Mom.
Bei dem Gedanken steigen mir die Tränen in die Augen und ich blinzele hektisch, um sie wieder loszuwerden.
"Und wieso bist du nicht sofort zu mir gekommen, Kitty?", fragt Rayner. Seine Stimme scheint zu beben. Vielleicht vor unterdrücktem Zorn.
Mir ist klar, dass ich vorsichtig sein muss. Aber was könnte ich schon tun, um ihn zu besänftigen? Er weiß, was ich vorhatte. Er weiß, dass ich ihn umbringen wollte.
Bandy-Bandy die Speicherkarte zu bringen ist nichts anderes als ein Mordversuch. Ich weiß das. Rayner weiß das. Da gibt es nichts schönzureden.
"Ich dachte, Sie würden unserem Vater etwas antun, weil Joe und ich Birdie nicht vergraben haben."
Rayner seufzt. "Ach, Kitty ... wie lange kennen wir uns jetzt schon?"
Sein vorwurfsvoller Tonfall gefällt mir nicht. Also bleibe ich stumm und starre auf meine rot lackierten Fußnägel.
"Du, Joe und dein Dad ... ihr gehört doch schon fast zur Familie."
"Sie haben meinem Vater gedroht", murmele ich.
Rayner lehnt sich vor, faltet die Hände und nickt. "Das habe ich. Und ganz offensichtlich war ich noch nicht deutlich genug."
"Dad und Joe haben damit nichts zu tun", stammele ich. "Es war ... meine Entscheidung. Ganz allein meine. Also ... wenn Sie jemanden bestrafen wollen, dann ..."
Rayner lacht. "Bestrafen?"
Ich verstumme und starre wieder auf meine Zehen.
"Ich werde doch niemanden bestrafen." Rayner wendet sich an Yakov: "Habe ich schonmal jemanden bestraft?"
"Wir sind ja nicht die Polizei", erwidert Yakov spöttisch. "Anders als dein Freund Dylan." Er lässt die Worte für ein paar Sekunden in der Luft hängen, als wollte er mein Entsetzen genießen. Doch ich gebe mir keine Blöße und betrachte weiterhin schweigend meine Füße. "So ein schönes Paar, ihr zwei. Wieso habt ihr euch getrennt?"
Ich sage kein Wort, auch wenn es in meinen Eingeweiden rumort.
"Vielleicht hat es etwas mit dem Metall und den Tattoos zu tun", schlägt Rayner vor.
Yakov starrt mich an. Ich fühle seinen Blick auf meiner Haut wie die Glut eines Kaminfeuers. "Gut möglich. Eine Frau sollte so rein und unberührt wie frisch gefallener Schnee sein. Innerlich und äußerlich."
"Das dachte ich auch mal." Rayner reibt sich mit der Hand über die Lippen. "Aber die Zeiten haben sich geändert. Und ich muss zugeben, dass ich diesen rebellischen Look inzwischen ganz interessant finde. Und außerdem ..." Er mustert mich von Kopf bis Fuß. "... macht sie sich ganz gut in diesem Outfit. Wir müssten ihr natürlich noch einiges beibringen, aber ... es könnte die Mühe wert sein."
Panik steigt in mir hoch und schnürt mir den Hals zusammen. "Sie haben gesagt, Sie würden niemanden bestrafen", bricht es wie ein Wimmern aus mir heraus.
"Aber Kitty ...", ächzt Rayner. "Das ist doch keine Strafe." Er breitet die Hände aus. "Ich meine ... das Man Down rentiert sich nicht mehr. Mir wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als es niederzubrennen. Dann kriege ich wenigstens noch was von der Versicherung."
"N-nein ... nicht", keuche ich. Keine Ahnung, ob Rayner damit andeuten möchte, dass er meinen Dad ermorden will, aber wenn er das Man Down abfackelt, wird es Dad so oder so umbringen.
"Und wenn das erledigt ist, dann stehst du ja quasi auf der Straße", fährt Rayner ungerührt fort. "Und ich bin so gnädig und biete dir einen Job an." Er deutet mit einer weit ausholenden Geste in meine Richtung. "Immerhin bist du hergekommen, um dich als Tänzerin zu bewerben, oder?"
"Ich mache, was Sie wollen, aber lassen Sie meine Familie und das Man Down da raus."
"Aber der Laden gehört mir", erwidert Rayner scharf. "Und ich werde mir weder von einer kleinen Göre noch von ihrem Daddy sagen lassen, was ich damit mache." Er drückt sich den Cowboyhut auf den Kopf und ergänzt in einem sanfteren Tonfall. "Außer ..."
Tränen laufen mir über die Wangen. "Außer?"
"Wo ist Birdie?"
Am Hinterausgang, denke ich. Sie wartet am Hinterausgang. Aber was, wenn ich Rayner das sage? Er wird sie umbringen. Was spielt das für eine Rolle? Die Toten sind tot und wir müssen für uns selbst sorgen. Das hat Birdie gesagt. Und trotzdem widerstrebt es mir, sie zu verraten.
"Ich ... ich weiß es nicht", antworte ich.
Der Angriff trifft mich vollkommen unvorbereitet. Einer der beiden Schlägertypen, die hinter mir stehen, packt mich an der Schulter, zerrt mich herum und schlägt mir ins Gesicht. Er trifft mich nicht richtig, weil ich schon bei der Drehung den Halt auf meinen hohen Schuhen verloren habe. Trotzdem fühlt es sich an, als wäre ich von einem Auto gerammt worden.
Ich taumele und gehe zu Boden. Zuerst fühle ich nur die Schlagwirkung. Eine seltsame Mischung aus Kälte und Hitze, ein Vibrieren in meinem Wangenknochen. Dann kommt der Schmerz. Dumpf breitet er sich durch meinen Schädel aus und wird dabei immer greller. Lichtblitze tanzen vor meinen Augen. Ich krümme mich und schlage schützend die Hände vors Gesicht.
"Was ist los, Kätzchen?", vernehme ich Yakovs Stimme durch das Dröhnen in meinen Ohren. Anscheinend hat er seinen Platz im Zuschauerraum verlassen. Mit kalten Fingern fasst er mich am Nacken und – ich habe keine Ahnung, was er da macht – aber es tut höllisch weh. So weh, dass ich mich ganz automatisch wieder aufrichte. Dabei wäre ich beinahe ausgerutscht und erneut gestürzt.
"Also ... nochmal. Wo ist Birdie?", fragt Yakov und verstärkt den Druck auf meine Wirbel.
Ich keuche vor Schmerz und will ihn abschütteln, aber alles, was ich damit erreiche, ist, dass er meinen Nacken loslässt und mich an der Kehle packt. Sofort schnürt mir der Druck auf meine Luftröhre den Atem an. Ein komisches, gurgelndes Geräusch dringt aus meinem Hals.
Mein eines Auge ist schon halb zugeschwollen. Ich sehe Yakovs bleiches Gesicht nur durch ein stetig kleiner werdendes Fenster. Dennoch entgeht mir nicht das bösartige Funkeln in seinen hellblauen Augen.
"Na los, Kätzchen", schnurrt er. "Wo ist das blonde Miststück?" Er schüttelt mich. "Sag es jetzt, bevor ich härtere Geschütze auffahre."
Ich schüttele – so gut ich kann – den Kopf.
"Wieso willst du sie überhaupt beschützen?", höre ich Rayner fragen. "Birdie würde keine Sekunde zögern, dich und deinen Bruder den Haien zum Fraß vorzuwerfen."
Vermutlich stimmt das, geht es mir durch den Kopf, während meine Lunge krampft und ich verzweifelt nach Luft schnappe. Aber dann muss ich wieder daran denken, wie sie sich heute Mittag auf dem Feld für uns eingesetzt hat. Sie war bereit, alle Verantwortung auf sich zu nehmen. Selbst wenn das ihren Tod bedeutet hätte. Offenbar kennt Rayner seine Frau nicht so gut wie er glaubt.
"Birdie ist nicht deine Mutter", raunt Yakov mir ins Ohr.
Ich versteife mich in seinem Griff und er lächelt, als würde er es genießen, mich derart in der Hand zu haben.
"Raus mit der Sprache, Kitty", drängt Rayner. "Wo ist sie?"
"Ich nehme mal an, dass ihr von mir redet!"
Yakov lässt mich los.
Ich verliere den Halt und lande auf dem Hintern. Doch das bemerke ich kaum, denn ich kann endlich wieder atmen. Gierig sauge ich die Luft ein, verschlucke mich daran und gerate ins Husten. Durch einen Tränenschleier kann ich eine verschwommene Gestalt erkennen, die sich durch den Zuschauerraum der Bühne nähert.
"Offenbar scheinst du mich zu vermissen, Ray", flötet Birdie. "Ich meine, bei der ganzen Anstrengung, die du betreibst, um mich wiederzufinden."
"Das wäre alles nicht nötig, wenn du irgendwo im Wald liegen würdest."
"Ich würde irgendwo im Wald liegen, wenn du nicht wie ein kleines Mädchen zugeschlagen hättest."
"Ich hätte noch einmal zugeschlagen, wenn du nicht mit Dom gevögelt hättest."
Birdie klettert auf die Bühne. "Ich hätte nicht mit Dom gevögelt, wenn du nicht so ein Versager im Bett wärst." Sie dreht sich um, schirmt ihre Augen mit der Hand ab und blinzelt ins Publikum. "Aber vergessen wir das. Du hast etwas, das mir gehört."
Rayner nimmt die Speicherkarte vom Tisch und hält sie hoch, so wie Yakov vor ein paar Minuten. Sie müssen die echte Karte gegen eine Attrappe ausgetauscht haben. "Du meinst das hier?"
"Ganz genau." Birdie wendet sich ab und kommt zu mir. Dabei gleitet ihr Blick kurz über Mika und die Tänzerinnen, die sich am Rand der Bühne versammelt haben. Dann habe ich ihre Aufmerksamkeit. "Alles in Ordnung?"
Ich halte mir den Hals, der sich wie ein zerdrückter Gummischlauch anfühlt, und nicke.
"Sie wird es überleben", sagt Yakov und ergänzt mit einem fiesen Grinsen: "Vielleicht."
Birdie erwidert sein Grinsen mit einem schwer zu deutenden Lächeln und sieht sich wieder nach Rayner um. "Du hast meine Speicherkarte. Na und?"
"Na und?", wiederholt Rayner und lässt die Karte wieder sinken. "Wir wissen doch beide, was da drauf ist."
"Fotos von unserem letzten Urlaub auf den Bahamas?"
Rayner fährt in die Höhe. "Du hast mich betrogen, Birdie."
"Du meinst ... mit Dom?"
"Ich meine, dass du mein Gespräch mit Miguel aufgezeichnet hast!"
"Wer ist denn bitte Miguel?"
"Tu nicht so dämlich! Du weißt genau, wer Miguel ist!"
Birdie mustert ihren Gatten abschätzend. "Ray ... was auch immer du mit diesem Miguel getrieben hast ... ich meine, es würde wirklich nicht überraschen, wenn du-"
"Miguel ist mein Kontaktmann beim Pueblo-Kartell – und das weißt du ganz genau."
"Ich habe keine Vorurteile gegen Verbrecher", erwidert Birdie. Offenbar legt sie es darauf an, Rayner zu reizen.
"Du hast selbst gesagt, dass du über alles Bescheid weißt!"
"Wann habe ich das gesagt?"
"Gestern Abend!"
"Gestern?" Birdie knabbert an ihrer Unterlippe herum. "Tut mir leid, aber seit du mir auf den Kopf geschlagen hast, sind meine Erinnerungen an den gestrigen Abend ein bisschen durcheinander."
"Du hast gesagt, es wäre ein Schwanzvergleich zwischen mir und Bandy-Bandy."
"Ach ja, stimmt. Da war was." Birdie kratzt sich an der Nasenspitze. "Irgendwas damit, dass du ins Tequila-Geschäft einsteigen willst. War es nicht so?"
Rayner gibt einen entnervten Laut von sich. "Natürlich nicht. Es geht um Drogen, Birdie. Um Kokain. Das sollte dir doch was sagen. Oder hast du schon wieder getrunken? Kein Wunder, dass du ständig nur Scheiße redest."
Birdie schmunzelt. "Das muss es sein."
"Aber damit ist jetzt Schluss." Rayner fasst hinter sich und zieht einen Revolver hervor. "Diesmal sorge ich dafür, dass du auch wirklich tot bist."
Kaum hat er den Satz beendet, wird es laut. Die Geräusche sind irgendwie dumpf und undefinierbar. Dann stürzen von draußen mehrere, schwarz gekleidete Kerle mit Maschinengewehren herein. In Nullkommanix haben sie Rayner entwaffnet. Die Frauen flüchten kreischend.Oder zumindest versuchen sie es. Ehe ich mich versehe, sind wir auch auf der Bühne von Bandy-Bandys Privatarmee umzingelt. Es geht so schnell, dass ich im ersten Moment gar nicht verstehe, was eigentlich los ist. Erst als Bandy-Bandy in Schlabberhose, neonfarbenem Hoodie und natürlich mit Gasmaske die Bühne betritt, wird mir klar, was geschehen sein muss. Ein vages Gefühl von Erleichterung erfasst mich. Doch so wirklich in Sicherheit fühle ich mich zwischen den ganzen Schwerbewaffneten nicht.
Birdie geht Bandy-Bandy entgegen. "Das wäre dann wohl alles, oder?"
Bandy-Bandy nickt und macht eine Handbewegung, die wohl so viel wie "Verschwinde" bedeutet.
"Komm, Kitty", sagt Birdie und hilft mir auf die Beine. "Verschwinden wir von hier." Mit Blick zu Rayner und Yakov ergänzt sie: "Sie werden es überleben. Vielleicht."
Gemeinsam verlassen wir die Bühne und wenig später den Saloon. Es regnet noch immer. Die Luft riecht nach Abgasen, Feuchtigkeit und Müll.
"Tut mir leid wegen dem ...", sagt Birdie und tippt sich an die Wange.
"Schon gut", murmele ich. Die Kühle lindert den Schmerz in meinem Gesicht. "Wie hast du ...?"
"Bandy-Bandy hat uns überwachen lassen."
"Wirklich?"
"Ja. Er hat uns wohl nicht getraut." Birdie deutet um die Ecke zur Straße. "Kurz nachdem du gegangen bist, ist mir ihr Wagen aufgefallen. Und ..." Sie zögert. "Na ja, ich hatte ein ungutes Gefühl und bin zu ihnen gegangen. Habe sie gebeten, Bandy-Bandy zu holen und mitzukommen"
"Und das haben sie gemacht?"
Birdie lächelt knapp. "Nach der Szene auf dem Feld haben wir wohl an Glaubwürdigkeit gewonnen." Sie zuckt mit den Schultern. "Oder es waren die Karten. Wer weiß?"
"Hätten ihn die Karten nicht vor Rayners Verrat warnen müssen?", murmele ich.
"Tja, so funktioniert das irgendwie nicht." Birdie legt den Kopf in den Nacken und späht in den bewölkten Himmel hinauf, der von der Straßenbeleuchtung orangefarben angestrahlt wird. "Keiner von uns weiß, was die Zukunft bringen wird. Deswegen müssen wir den Moment genießen."
Ich betaste meine geschwollene Wange und denke an Mom. Was Birdie gerade gesagt hat, ist dem, was meine Mutter mir damals geraten hat, gar nicht so unähnlich. Genieße deine Jugend, denn irgendwann wird dir die Zeit davonrennen und du wirst feststellen, dass du alt und runzelig bist, ohne zu wissen, wie es dazu kommen konnte.
"Du ... Birdie?"
"Hm?"
"Denkst du, es ist jetzt vorbei?"
Birdie nickt.
Ich frage nicht weiter nach (auch wenn es noch genug offene Fragen gäbe), denn ich bin es leid, mir Sorgen zu machen. Wenigstens heute Abend will ich den Moment genießen können.
"Und weißt du schon, was du jetzt machen willst?"
"Nein." Birdie streckt den Finger aus und malt ein lächelndes Gesicht auf die nasse Scheibe eines parkenden Autos. Wegen des Regens sieht es jedoch ein bisschen melancholisch aus. "Vielleicht fliege ich irgendwann zurück nach Hause. Es gibt da ein Grab, dem ich einen Besuch abstatten müsste."
"Willst du ..." Ich traue mich fast nicht, diese Worte auszusprechen. "... für ein paar Tage bei uns wohnen?"
"Bei euch?" Birdie mustert mich belustigt. "Wirklich?"
Ich knete meine Finger. "Nur für den Anfang. Ich denke ... Joe würde sich freuen."
"Aha. Joe würde sich freuen."
Mir steigt die Hitze in die Wangen. "Ich mich natürlich auch. Und Dad. Und Whiskey."
"Whiskey?"
"So heißt unser Kaninchen."
Birdies Mundwinkel zucken. "Euer Kaninchen heißt Whiskey?" Sie lässt ihren Blick schweifen. Für ein paar quälend lange Sekunden sagt sie nichts, dann scheint sie zu einem Entschluss zu kommen. "Klingt als könnte ich mich bei euch wohlfühlen."
"Heißt das ja?"
"Ja, aber nur wenn ich mich an der Bar bedienen darf und wenn wir den süßen Cop mit dem Knackarsch zum Abendessen einladen."
"Machen wir", sage ich rasch.
Birdie hält mir die Hand hin. Der Regen tropft ihr aus den Haaren und dem Verband und läuft ihr über das Gesicht. "Deal?"
Ich schlage ein. "Deal."
Ende.
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