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25.˖*

ein (eigentlich gar nicht mal so) kleines, aber feines Extratürchen
für meinen kleinen Sonnenschein ☼

.。*♡-✧*。

"Warte... du willst da ernsthaft zusagen?"

Fassungslos blickt meine beste Freundin mich an, schüttelt sprachlos den Kopf. "...Ja?" Meine Reaktion ist eher eine unsichere Frage, als eine überzeugte Antwort. Dabei bin ich es eigentlich wirklich. Ich will diese Anfrage annehmen.

"Aber du-... Lou, ist dir bewusst, was die von dir verlangen? Es ist der 18., wie zur Hölle willst du eine komplette Choreografie in so kurzer Zeit nicht nur lernen, sondern perfektionieren? Du kennst die Weihnachtsgala doch, da gibt es keine halben Sachen. Es ist DER Tanz, das Highlight der ganzen Aufführung. Das, worauf alle im Saal hin fiebern. Du darfst dir in diesem Moment keinen einzigen Fehler erlauben. Bist du dir sicher, dass du diesen Druck, vor allem nach Verlauf diesen Jahres, so kurz vor Weihnachten aushältst, dir gar antun willst?"

Doch ich nicke, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. "Ja, Frieda. Ich bin mir sicher. Ich habe das Gefühl, es ist genau das, was ich brauche. Diese Herausforderung, es nicht nur allen anderen, all meinen Kritikern, sondern vor allem mir selbst zu beweisen. Du hast Recht, das ist der Tanz, dieser eine Moment, auf den sämtliche Blicke gerichtet sind. Natürlich ist der Druck immens und wenn ich es verkacke, war es das wohl für immer mit meiner Profi-Tanz-Karriere. Aber, Frieda-" ich richte mich vom Sofa auf und greife mit glitzernden Augen nach ihrer Hand, "...Frieda, was, wenn nicht? Das ist meine Chance, verstehst du? Was, wenn ich es nicht verkacke, wenn ich es wirklich schaffe, diese knapp 3 1/2 Minuten 110% zu geben. Sie alle werde da sein, sämtliche Coaches der Schulen... verstehst du, dass ich das nicht ablehnen kann, Love?"

Schnaufend spielt sie mit einem meiner Finger und sieht mich mit besorgtem Blick an. "Ich habe bloß so eine Angst um dich, mein Herz. Ich ertrage es nicht, wenn du noch einen Schlag einstecken musst. Nicht nach diesem Jahr." Ich lasse ebenfalls den Kopf sinken, nicke dabei ganz leicht. "Ich weiß... aber Mama wäre so stolz. Sie würde wollen, dass ich es versuche."

Sie muss nicht antworten, um mir Recht zu geben. Ich weiß ganz gewiss, dass sie genauso denkt. Auch wenn Mama mich seit einem halben Jahr nicht mehr in den Arm nehmen kann, ich spüre ihren Stolz, die Liebe und ihre Präsenz noch immer hier unten, obwohl sie ihr neues Zuhause dort oben in den Wolken bezogen hat. Sie ist noch immer bei mir, passt auf mich auf.

Ich habe nun meinen ganz persönlichen Schutzengel, der über mich wacht.

Ein paar weitere Sekunden herrscht Stille im Raum, dann durchbricht das Rascheln der Lebkuchentüte auf ihrem Schoß das Schweigen, als sie nach meinem Handy greift. Die Mail des Institutes für darstellende Künste, die mir gerade an einem Sonntagabend um kurz vor 10 von meiner Agentur weitergeleitet wurde, ist auf dem ungesperrten Smartphone noch immer geöffnet, weshalb sie auf den kleinen Papierflieger drückt, um eine Antwort zu versenden, und es mir hinhält. "Dann lass sie nicht länger warten, das ist unhöflich." grinst sie frech, bevor ich ihr das iPhone abnehme. "Und dann ab ins Bett mit dir. Du musst schließlich morgen früh um 6 in einem Tanzsaal stehen, der ein halbe Stunde mit der Bahn entfernt liegt."

"Und ich bin mir sicher, Styles akzeptiert keine Müdigkeit."

Da ich besagten Mister Styles, bei dem es sich um meinen Tanz-Lehrer für die nächsten Tage und zeitgleich um den Leiter des Institutes handelt, auf gar keinen Fall enttäuschen mag, stehe ich bereits eine Viertelstunde vor angesetztem Beginn vor dem Studio.

Ich habe so vieles über ihn gehört, kenne natürlich jede einzelne seiner Choreografien, seien es diese, welche er selbst getanzt, oder doch nur als Trainer für andere Paare und Solotänzer konzipiert hat. Absolut alles, was Harry Edward Styles anfasst, wird zu einem Meisterwerk, ausnahmslos. Allein die Tatsache, von ihm für dieses Event trainiert zu werden, hätte für mich ausgereicht, um zuzusagen.

Und das, trotz allem, was ich über ihn gehört habe. Denn er soll nicht einfach bloß streng sein. Nein, das Wort 'streng' sei wohl nicht mal im Ansatz ausreichend, um sein Training zu beschreiben. Er erwarte Perfektion und das absolut konsequent und kompromisslos.

Aber das ist mir bewusst gewesen, als ich die Anfrage annahm. Mir ist klar, dass ich Schmerzen haben werde, so massive Schmerzen, wie ich sie nie zuvor verspürt habe. Ich weiß, ich werde mehr als einmal am Ende meiner Kräfte sein. Meine Nerven werden bis ans Maximum gereizt werden und dennoch werde ich es durchziehen. Es gibt keinen Weg zurück.

Ich werde am Freitagabend eine perfekte Show abliefern. Ich werde nicht nur mich selbst stolz machen, sondern genauso meine verstorbene Mutter.

Und obwohl mir bewusst ist, dass das vermutlich nahezu unmöglich ist, ist es dennoch mein festes Ziel: Ich will vor allem Harry Edward Styles stolz machen.

"Davon-..." Ich schrecke zusammen, als eine große, filigrane, mit Ringen besetzte und durch himmelblau lackierte Fingernägel geschmückte Hand, mir das Handy aus den Finger nimmt, auf dem ich gerade Frieda mitteilen wollte, dass ich angekommen bin, "...verabschieden Sie sich am besten direkt für die nächsten 5 Tage, Mister Tomlinson."

Ich sehe auf, blicke in ein grünes Augenpaar, das im kalten Neonlicht der Laterne hinter mir fast ein wenig bedrohlich funkelt. Unverkennbar handelt es sich um sein Augenpaar.

Ich atme einmal tief durch, lächle souverän und antworte ruhig "Selbstverständlich, Si-..." Oh Gott, wollte ich ihn gerade Sir nennen?! "... M-Mister Styles, ich wollte bloß Bescheid geben, dass ich angek-" Er wirft mein Smartphone in die offene Seitentasche meiner Sporttasche, unterbricht mich dann indem er "...sparen Sie sich den Atem fürs Training, es interessiert mich nicht, wem Sie Ihren Aufenthaltsort mitteilen wollen." brummt. Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter, folge ihm stumm in den großen, zu dieser frühen Zeit noch gespenstisch düsteren Tanzsaal.

Flackernd begrüßen uns allerdings kurz darauf die locker 100 Deckenstrahler, sodass ich instinktiv die Augen zusammen kneife. "...'hab den Schlüssel für die Umkleiden nicht mitgenommen, ich ging davon aus, dass Sie sich vor mir umziehen können, ohne einen Schreikampf zu bekommen?" murmelt er, als ich bloß in Richtung des Schildes blicke, auf dem 'changing room' steht. "I-Ich habe bereits alles drunter..." Es ärgert mich enorm, wie sein nahezu herabwürdigender Blick mich einschüchtern kann. "Fantastisch." antwortet er trocken, dreht sich dann zur Musikanlage und schmeißt seine Tasche daneben.

Auf leisen Sohlen - die dennoch in diesem riesigen, leeren Raum deutlich nachhallen - folge ich ihm, lege meine Tasche und die weite Jogginghose, die ich über die Trainingsleggings gezogen habe, zusammen mit dem Pulli und meinem muckeligen Wintermantel in eine Ecke und tausche die nassen Boots gegen meine Tanzschuhe ein.

Noch immer scheint er mit der Anlage beschäftigt zu sein, weshalb ich mich leise räuspere, als ich fertig umgezogen neben ihm auftauche. Etwas irritiert dreht er bloß minimal seinen Kopf zu mir, was das Folgende sicherlich nicht einfacher über meine Lippen bringt. Doch es ist mir dennoch wichtig und ich möchte es loswerden.

"Bevor es später untergehen könnte-" Sein kritischer Blick lässt mich kurz stocken, bevor ich mich erneut räuspere, "...Uhm, ich wollte mich bedanken, für die Chance, hier sein zu dürfen und das Vertrauen, das mir das Institut dadurch entgegen bringt."

Langsam nickt er, setzt ein verkrampftes Lächeln auf und gibt ein gequältes "Jaaa..." von sich. Dann schüttelt er jedoch den Kopf, dreht sich mit dem gesamten Körper zu mir, wodurch sich seine Präsenz um einiges unangenehm-autoritärer wandelt und stemmt zusätzlich die Hand seitlich in die Taille.

"Hören Sie, Mister Tomlinson-" wieder dieses wahnsinnig künstliche, fast sarkastisch wirkende Lächeln, zu dem sich seine eigentlich so hübschen Lippen verziehen, "...es mag sein, dass Sie hierin ihre grooooße Chance sehen, entdeckt zu werden und Ihre eigene Karriere anzukurbeln. Aber schauen Sie, Sie sind nicht hier, um Englands nächster Dancing-Star zu werden, sondern damit mein Institut sich bei dieser beschissenen Weihnachtsshow nicht bis auf die Knochen blamiert. Ich habe absolut keine Ahnung, wie ich einen blutigen Anfänger-" Nachdem ich die letzten 3 Landesmeisterschaften für mich entscheiden konnte, tut diese Bezeichnung miiiinimal weh... "...innerhalb von 5 Tagen zu dem Hauptakteur meiner Weihnachtaufführung formen soll, aber nun gut. Leider war besagter Star-Tänzer dämlich genug, sich auf dem Weihnachtsmarkt so dermaßen einen hinter die Binde zu schütten, um sich mit Bravour eine Woche vor der Aufführung das Wadenbein und den Mittelfußknochen zu brechen, sodass uns nun wohl nichts anderes übrig bleibt, als es zu versuchen."

Stumm und stocksteif stehe ich da, wie eine Schaufensterpuppe, als er noch einen Schritt näher tritt. "Gnade Ihnen Gott, rühren Sie auch nur einen Tropfen Alkohol an in den nächsten Tagen, drehe ich Ihnen eigenhändig den Hals um, das verspreche ich Ihnen." Ich schlucke schwer und stammle "I-Ich trinke generell keinen Alko-", doch er unterbricht mich direkt erneut. "Ich möchte, dass Ihnen Eines klar ist, Mister Tomlinson. Es gibt nicht die Option, dass Sie es verkacken, okay? Und wenn Sie bis Freitag rund um die Uhr trainieren, es ist mir egal. Sie sich nur hier, da ich auf das Urteil meines alten Freundes Sam vertraue, der Ihnen Talent und Disziplin zuspricht. Und glaube Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass Sie mich ganz sicher nicht enttäuschen wollen."

Das habe ich auch nicht vor.

Noch immer wortlos nicke ich allerdings bloß brav, er mustert mich wenige Sekunden kritisch, ehe er sich wieder weg dreht. Noch bevor ich den Kopf demütig senken könnte, um diese eindeutige Ansprache sacken lassen zu können, fährt er erneut herum und hebt die Hand, bevor er zu reden beginnt. "Noch etwas..." Er blickt mir mit einer solchen Intensität in die Augen, dass ich Schwierigkeiten habe, keine weichen Knie zu bekommen, "...unterbrechen Sie mich nicht, wenn ich rede. Das ist unhöflich." Sofort nicke ich zustimmend, spreche ruhig "Natürlich. Bitte entschuldigen Sie, Mister Styles."

Er hebt bloß zufrieden die Nase, ohne auch nur eine leichte Regung in seinem Gesicht zuzulassen, dann wendet er sich dem MacBook zu, das auf dem Tisch neben uns steht und erhebt erneut die Stimme. "Ihre Tanzpartnerin Caroline wird erst in ein paar Stunden zu uns stoßen, bis dahin werde ich ihren Part übernehmen." lässt er mich wissen, während er eine Datei auf seinem Bildschirm öffnet. "In der Hoffnung, dass Sie sich die Choreo auf diesem Wege bereits etwas einprägen können, sodass wir möglichst wenig von der Zeit verlieren, die wir sowieso nicht haben..." Er beendet den Satz symbolisch, in dem er seine ausgestreckte Hand in Richtung des Bildschirmes neigt und den Playbutton drückt.

Ich trete einen Schritt näher, überkreuze die Hände hinter dem Rücken und richte meinen Blick starr auf den Bildschirm vor mir, in der Hoffnung, mir möglichst viele der Schritte bereits jetzt behalten zu können. Die Abläufe einer Choreo zu verinnerlichen war nie etwas, was mir besonders schwer fiel, doch so nervös wie ich bei diesem Projekt bin, habe ich Angst, etwas zu vergessen. Und wenn es bereits daran scheitert, brauchen wir eigentlich gar nicht erst weiter zu machen.

Nur minimal zuckt einer meiner Mundwinkel in die Höhe, als ich den Song bereits an den ersten Tönen erkenne. Ich liebe 'Ghost of you' von 5 seconds of summer, nicht nur wegen der überragenden musikalischen Komposition an sich, sondern genauso aufgrund des Textes. Es ist ein wunderschönes Lied und ich habe mir immer gewünscht, irgendwann mal dazu tanzen zu dürfen. Doch ich schiebe die Freude darüber beiseite und fokussiere mich stattdessen auf die fließenden Bewegungen der beiden Tänzer vor mir, lege dabei besonders viel Fokus auf die männliche Person, denn dabei handelt es sich schließlich um den Part, den ich übernehmen soll.

Ich spüre beim Schauen genau seinen prüfenden Blick auf mir, regelrecht bohrend ist sein Mustern während der gesamten Zeit, die das Video andauert. "Beeindruckend" haucht er, als das Wiedergabesymbol über dem Bild erneut aufploppt, weshalb ich mich irritiert zu ihm wende. "Sie haben die gesamten 3-Minuten-20 nicht ein einziges Mal geblinzelt." Ich schmunzle etwas, blinzle daraufhin einige Male hintereinander, bevor ich mich erneut fasse. "Dürfte ich es noch ein weiteres Mal ansehen?" frage ich ruhig, woraufhin er nickt und sich vorbeugt, um die Aufnahme erneut zu starten.

Ich versuche, mich nicht von seinem erneuten Starren ablenken zu lassen, freue mich unterschwellig aber dennoch über den kurzen Moment Menschlichkeit, den er durchschimmern lässt, als ich aus dem Augenwinkel ein minimales Schmunzeln vernehme.

Ich atme tief ein und wieder aus, brumme leise "Okay..." und drehe mich dann zu ihm. Die Schrittfolge ist alles, aber nicht leicht zu merken. Sie ist anspruchsvoll, auf tänzerischer, wie auch künstlerischer Ebene, die Emotionen wirken regelrecht greifbar - oder sollten es zumindest sein, was die Umsetzung sicherlich nicht einfacher machen wird. Vor allem nicht mit Harrys Anspruch, den er mir ja netterweise so eben noch einmal eindringlich verdeutlicht hat.

Er wiederholt mein 'Okay' etwas leiser, wendet sich dann der riesigen Spiegelfläche zu und kündigt an, das wir nun alles noch einmal durchgehen werden, um es zu verinnerlichen. "...allerdings reicht mir ein verletzter Tänzer im Team, deshalb ziehen Sie die besser wieder aus." weist er mich an, bevor wir beginnen, und zeigt auf meine Füße. Selbstverständlich hat er recht, denn bei einigen der Sprünge und schnellen Bewegungen ist es definitiv viel zu rutschig auf der glatten Sohle meiner Tanzschuhe.

Wenige Augenblicke später stehe ich also nun barfuß neben ihm vorm Spiegel, wodurch mir plötzlich bewusst wird, wie nah ich ihm gleich kommen werde, sodass mich ein kurzer Gänsehautschauer durchfährt.

Natürlich ist mir nicht erst seit heute bewusst, dass er ein wahnsinnig attraktiver Mensch ist, als Tänzer und Trainer selbsterklärend von der Haarwurzel bis zur Fußspitze durchtrainiert, dabei groß und für einen Akteur der darstellenden Künste eher breit gebaut. Auch sein Gesicht ist atemberaubend schön und nahezu perfekt, ich bin mir sicher, würde man einen dieser Biometrie-Filter darüber legen, es würde mir eben diese Perfektion bestätigen. Dennoch war er für mich durch die vermeintliche Unnahbarkeit, die Professionalität und die Autorität, die er ausstrahlt, nie in besonderem Maße anziehend.

Doch seit er die Zeit, in der ich meine Schuhe ausgezogen habe, genutzt hat, um seinen weiten Pulli abzulegen und nun nur noch in knappem Tanktop und enger Leggings dort steht, wirft mich der Anblick etwas aus der Bahn. Die Choreo ist, der Thematik des Songs geschuldet natürlich, ziemlich sehnsüchtig und einige Momente erzeugen einen äußerst intimen Eindruck. Offensichtlich ist jeder dieser Emotionen ausschließlich Teil der Aufführung, aber dennoch gehört einiges an Hingabe dazu, sie nicht künstlich, sondern echt wirken zu lassen.

Immerhin habe ich allerdings noch etwas Zeit, mich mental darauf vorzubereiten, denn er legt den Fokus fürs Erste darauf, mir meinen Part einzutrichtern.

Und tatsächlich schaffe ich es hierbei ein erstes Mal, ihn im positiven Sinne zu überraschen. Auch wenn er dies natürlich niemals aussprechen würde, vermutlich. Doch ich merke ihm an, wie zufrieden es ihn stimmt, dass ich den Großteil der Schritte und Bewegungsabläufe bereits nach kurzer Zeit eigenständig reproduzieren kann.

Doch diesen Anspruch habe ich immer an mich selbst. Es liegt nicht nur an dieser Situation, wie ambitioniert und ehrgeizig ich bin. Wenn es ums Tanzen geht, bin ich ein Perfektionist, ausnahmslos. Egal, wie lange ich bereits ohne Unterbrechung trainiere, ich verlasse den Tanzsaal erst, wenn die Choreo sitzt.

Während einer kurzen, aber umso notwendigeren Trinkpause, lässt er dann tatsächlich ein erstes Urteil durchblicken. "Ihre Sprünge sind gut." Überrascht blinzle ich ihn an und will mich gerade über ein Lob freuen, bevor er selbstverständlich doch noch zum Schlag ausholt. "Immerhin eine Sache, an der wir nicht arbeiten müssen. Ihre Drehungen? Absolut grauenvoll."

Grauenvoll? Aua...

Ich meine, ja. Ich gebe ihm Recht, schnelle, fließende Drehungen, wie man sie beispielsweise aus dem Ballett kennt, waren noch nie meine Stärke. Schon immer wirkte es bei mir nahezu hektisch, ich war damit nie zufrieden.

Also entscheide ich mich dazu, mich durch diese Aussage nicht verletzen, sondern motivieren zu lassen. "Sie haben Recht, sie sind nicht ansatzweise gut genug." stimme ich ihm zu, schaffe es so doch tatsächlich eine minimale, überraschte Mimikveränderung in seinem Gesicht hervorzurufen. Vermutlich ist er es nicht gewohnt, auf Kritik so ein ehrliches Eingeständnis zu bekommen. Ich kann mir vorstellen, einige Tänzer brechen unter seinem strengen Blick einfach bloß zusammen und senken lediglich wehmütig den Kopf, wenn er so deutlich sagt, was er von einem hält.

Doch ich will kein kleines, mickriges Mäuschen sein. Ich habe schon immer jedem die Stirn geboten und mich nicht auf eine tiefere Stufe setzen lassen. Nein, ich habe von Anfang an solche Situationen genutzt, die Kritik ergriffen, um durch diese Hilfe selbst auf das höhere Treppchen klettern zu können.

"Was sagen Sie, es liegt an der Fuß- und Beinarbeit, oder?" Einer seiner Mundwinkel zuckt in die Höhe - anders als vorhin habe ich das Gefühl, es ist kein falsches Lächeln, eher ein nachdenkliches -, bevor er den Kopf etwas unentschlossen hin und her wiegt. Er zieht mich am Arm wieder vor den Spiegel, spricht dann "Zu ruckartig, viel zu unrund." Er hebt den Zeigefinger, lässt ihn rotieren, um mir zu symbolisieren, ich solle mich drehen. Mit verschränkten Armen, einer Hand kritisch am Kinn blickt er mich durch den Spiegel an, brummt nach ein paar Drehungen "Schauen Sie sich selbst an und sagen Sie mir, wo Ihr Fehler liegt."

Er scheint zu sehen, dass mein Blick an mir herab, dann zu meinen Armen wandert, was ihm wohl überhaupt nicht zu gefallen scheint. Er rollt entnervt mit den Augen, schnauft demonstrativ auf, bevor er die Arme senkt und mir näher kommt. Instinktiv friere ich in der Bewegung ein, um ihn nicht mit meinen Gliedmaßen in der Drehung zu treffen, sodass mich eine leichte Gänsehaut durchfährt, als seine riesigen, grazilen Hände sich an meine Hüfte legen.

"Sie haben doch so viel hiervon, be-nut-zen Sie es." Schwungvoll schiebt er mein Becken Silbe für Silbe von links nach rechts, während er dieses Verb besonders deutlich betont.

Ich versuche zu ignorieren, dass er soeben indirekt meine Hüften als fett bezeichnet hat und stattdessen umzusetzen, was seine Kernaussage war. Netterweise bringt er diese noch einmal auf den Punkt. "Es hilft nicht, wenn Sie Arme und Beine um sich schleudern, bis Sie zu rotieren beginnen, wenn Ihre Körpermitte so stocksteif bleibt."

Er löst sich von mir, sodass ich es erneut versuchen kann und schlucke schwer, als mir bei seinem Anblick wie er, sich nachdenklich auf der Lippe kauend, langsam nickt, durch den Kopf geht.

Oh Shit, habe ich gerade wirklich gedacht, dass ich ihm gern auf anderem Wege beweisen würde, dass ich meine Hüfte definitiv bewegen kann?

Ich stehe überhaupt nicht auf dominante Männer, ganz im Gegenteil. Ich mag es, auf einer Augenhöhe zu sein, respektvoll miteinander umzugehen und bin lieber selbst derjenige, der seinem Gegenüber zu purem Glück verhilft - egal ob im alltäglichen Leben oder im Bett. Ich kümmere mich gern um andere, es macht mich einfach glücklich, anderen Menschen ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern.

Schnell verdränge ich also diesen verwirrenden Gedanken darüber, ihm den strengen Blick austreiben zu wollen und konzentriere mich stattdessen auf meine Drehungen, die ihm offenbar nun deutlich mehr zusagen. "Besser..." brummt er, "...vergessen Sie das nicht wieder, wenn wir das nächste Mal bei den Drehungen in der Choreographie ankommen."

3 weitere Stunden verbringen wir damit, die Choreo zu perfektionieren. Gerade will ich die Nervosität gewinnen lassen, da er ankündigt, nun in den Paar-Tanz überzugehen, als mein richtiges Gegenstück mit einem geflöteten "Hallööööchen!" den Raum betritt.

Wie es ihre Natur will, tänzelt sie zu Harry herüber, begrüßt ihn strahlend mit einem Küsschen links, Küsschen rechts und wirft Ihre Jacke zu unseren neben der Musikanlage. "Du bist spät dran." ist alles, was Harry ihr zur Begrüßung ins Gesicht klatscht, doch sie scheint ihn schon deutlich länger zu kennen und lächelt ihn nur entschuldigend an. "Ich weiß, sorry... Die Bahnen sind so überfüllt, dass sie sich verspäten." Er blickt sie entgeistert an. "Das ist ja ganz was neues in London City, willst du mir erzählen, du wurdest von der rush hour überrascht?" Sie legt ihm die Hand auf den Unterarm und flüstert "Harry, entspann dich, es sind 5 Minuten. Jetzt bin ich ja da."

"Ich entspanne mich, wenn das am Freitag keine mittelschwere Katastrophe wird, Caroline. Fahr demnächst früher los, wir haben keine Zeit für sowas." Sie seufzt leise und kommt stattdessen auf mich zu. "Louis Tomlinson, freut mich." Ich lächle sie freundlich an, als sie meine Hand ergreift, hält dann inne, als sie mich nachdenklich mustert. "Warte, ich kenne dich, du warst Sam Smiths Tanzpartner in seinem letztem Video, oder?" Bevor ich ihr zustimmen könnte, höre ich Harry entnervt aufatmen.

"Okay, Schluss mit dem Bullshit, zeigt Euch eure Poesiealben in Eurer Freizeit." Er schnippst zwischen unseren Gesichtern, damit wir ihn ansehen. "Beide in Position, wir gehen die Choreographie jetzt einmal komplett durch, um zu schauen, wie groß die Katastrophe ist."

Auch wenn er das sicherlich anders sieht, kann ich keine besonders große Katastrophe finden. Caroline und ich harmonieren gut, sie vertraut mir sofort bedingungslos und auch die Hebefiguren klappen von Anfang an nahezu flüssig. Dennoch bin ich natürlich froh, dass wir noch eine Woche haben, es zu perfektionieren, denn Harry ist alles, aber nicht zufrieden.

Am dritten Tag, es ist bereits später Abend, unterbricht er uns mit einem lauten Schnauben, während er sich den Nasenrücken massiert. Eine tiefe Falte hat sich darauf gebildet, leise brummt er "... kurze Trinkpause.", bevor er Caroline zu sich rüber zitiert. Obwohl die beiden leise reden, stehen sie dicht neben mir und ich bekomme jedes Wort mit.

"Ist das dein Ernst, Caroline?" Die Tatsache, wie ruhig er redet, macht diese Frage nur noch bedrohlicher. Leise seufzend senkt sie den Kopf. "Ich weiß..." Offensichtlich ist ihr bereits bewusst, was er meint. "Aber es fällt mir einfach so schwer, mich auf eine neue Person einzulassen, weißt du? Ich habe mich die letzten Monate so auf Mike fixiert, ich kann einfach nicht so schnell-" Er unterbricht sie mit einem Kopfschütteln. "Entschuldige bitte, dass dieser Tanzpartner nicht auch außerhalb des Saales die Nächte mit dir verbringt, Liebes." Erschrocken blinzelt sie ihn an. "Ich weiß alles, Sweetheart." Er setzt ein gekünsteltes Lächeln auf, blickt sie einen Moment ernst an, bevor er zu mir rüber sieht.

"Du enttäuscht mich, Caroline. Ich bin besseres von dir gewohnt." Beschämt lässt sie den Kopf hängen, ich höre wie sie die Nase hochzieht, sie scheint zu weinen. Doch das lässt ihn kalt. "Wie kann es sein, dass Louis es schafft, die Sehnsucht und Leidenschaft echter rüber zu bringen, als du, obwohl er schwuler ist, als George Michael?" Nun bin ich es, der ihn überrascht ansieht, denn ich habe nie über meine Sexualität gesprochen, noch sie irgendwo angegeben. Außerhalb meines Freundeskreises ist sie nicht bekannt.

Er hebt selbstsicher Augenbraue und Mundwinkel, sieht mich an und verkündet schulterzuckend "Ich sagte bereits, ich weiß alles. Denken Sie, ich beauftrage einen Tänzer, ohne ihn persönlich durchleuchtet zu haben?" Ich lächle ihn freundlich an und schüttle sanft den Kopf. "Selbstverständlich nicht."

"Sag mir, was ich besser machen kann." fleht meine Tanzpartnerin ihn an, weshalb er sie seufzend ansieht. "Was soll ich dir sagen, Caroline? Lass deine Fantasie spielen, fällt es dir ernsthaft so schwer, Sehnsucht nach einem so attraktiven Mann zu spielen?"

Moment hat er mich gerade attraktiv genannt?

"Nichts davon ist echt, es ist absolut egal, ob du im echten Leben mit ihm in die Kiste springen würdest oder ihn bis aufs Blut hasst, auf dem Parkett ist er deine große Liebe." Als die Verzweiflung in ihrem Blick nicht nachlässt, zucke ich erschrocken zusammen, als er plötzlich nach meiner Hand greift und mich in die Mitte des Raumes zieht. "Schau zu und lerne." Für eine Sekunde halte ich die Luft an, bevor ich sie durch die Lippen langsam entweichen lasse und versuche, mich zu konzentrieren.

Die Musik setzt ein, er hatte sie kurz vorm Refrain gestoppt, doch beide brauchen wir keine Sekunde, um an der richtigen Stelle einzusetzen. Es ist einer der intimsten, sehnsüchtigsten und nahesten Momente in der gesamten Choreographie, extrem viel Körperkontakt und Verlangen. Einige Male werden wir wie von unsichtbaren Händen zurückgerissen, voneinander getrennt, doch schaffen es mit aller Kraft jedes Mal wieder zueinander zu finden. Bis Harrys Part unter der Last zusammen zu brechen droht und vor mir zusammensackt.

Krampfhaft klammert er sich an mir fest, rutscht dann immer weiter an mir herab, seine Hände gleiten über meinen Oberkörper hinab zu meinen Oberschenkeln, seine Lippen und die Nase streifen ebenfalls meine, zumindest während der Probe, bedeckte Haut. Bei der Aufführung werde ich bloß eine seidene, weiße Hose tragen - denn ich bin der Geist von uns beiden. Auf seinen Knien zusammen gekauert, ist er kurz davor meine Hand loszulassen, doch ich halte sie im letzten Moment fest. Es ist der ruhigste Teil des Songs und somit der gebrochenste.

Ich beuge mich zu ihm hinab, lege meine Hände an seine Wangen und ziehe ihn wieder zu mir hoch, schlinge meine Arme um ihn, spüre genau, wie er mir sanft über den Rücken streicht. Für wenige Sekunden verlässt meinen Seele diesen Tanzsaal, all die Emotionen fühlen sich so intensiv, so echt an, als sich unsere Gesichter so nah kommen, dass ich bloß ausatmen müsste, um mit meinen Lippen seine berühren zu können.

Doch ich atme nicht. Nein, ich halte die Luft an, fürchte, sonst die Kontrolle zu verlieren, über das, was hier gerade passiert.

Die Zeit scheint still zu stehen, ich spüre seine Wimpern, die meine Wangenknochen berühren, als sich seine Lider ganz leicht heben. Eine weitere Sekunde vergeht, bevor ich auf meiner Haut deutlich fühle, wie er ausatmet, bevor ich von jetzt auf gleich in diesen Raum zurück kehre. Er löst sich von mir, ich zucke ebenfalls zurück und gebe ihn frei, während er sich direkt zu Caroline dreht. "So stelle ich mir das vor." verkündet er nüchtern, während ich instinktiv ein paar Schritte zurück trete.

Mein Herz rast wie verrückt, ich versuche irgendwie, wieder Luft zu bekommen, doch es fühlt sich an, als hätte er sie mir genommen. Ich schlucke schwer, entscheide mich spontan, noch einen Schluck Wasser zu brauchen, vor allem auch, weil ich nicht weiß, wo ich hinschauen soll.

Weder Harry noch Caroline bekommen allerdings von meiner kleinen Panikattacke mit, denn sie unterhalten sich über Harrys Umsetzung der Szene. Auch ich verdränge das unwohle Gefühl in meinem Magen, drehe mich wieder zu den beiden und warte das Gespräch ab.

"Du hast-... was du mit deiner Hand gemacht hast, an seinem Rücken... ist das neu? Das habe ich nie gemacht." stellt sie fest. "Das ist nicht neu, Herzilein, sondern nennt sich Improvisation. Eine kleine Bewegung, die die vermittelten Emotionen unterstützt, ohne den eigentlichen Tanzschritt zu zerstören. Eine Geste der Zuneigung und Sehnsucht, du willst ihn berühren können, du bist ihm nah, aber dennoch ist er nicht greifbar, das ewige hin und her, du erinnerst dich an die Story, die du rüberbringen sollst?" Sie schnauft leise und nickt.

"Gut, es reicht für heute." Beide hatten wir wohl nicht damit gerechnet, dass er uns kein weiteres Mal tanzen lässt, denn Caroline blickt genauso überrascht drein, wie ich. "Ihr raubt mir den letzten Nerv, ich brauche jetzt einen... keine Ahnung was." murmelt er, "Ich bin telefonieren, packt zusammen, ich schließe gleich ab."

Wir tun, was er uns sagt, verlassen gemeinsam den Saal und gehen an der Bahnstation getrennte Wege. Als ich zuhause hereinkomme, empfängt mich bereits Frieda mit Pasta, wofür ich ihr ein Küsschen auf die Stirn drücke. "Du bist ein Engel, Love." wispere ich. "Alles okay bei dir?" fragt sie mich dann nach einigen Minuten und mustert mich nachdenklich. "Hmn?" Sie macht große Augen. "Oh nein... ich kenne diesen Ausdruck in deinem Gesicht." wispert sie besorgt. "Was meinst du?" Leise seufzend lässt sie ihre Schüssel sinken.

"Das ist der 'ich stehe auf eine Person, auf die ich nicht stehen sollte' Blick." stellt sie fest und obwohl ich gern würde, habe ich keine Chance es zu verstecken. Ich sacke in mich zusammen und gebe einen weinerlichen Laut von mir. "Mach das es aufgehört, Frida..." jammere ich und sie nimmt mich direkt in den Arm.

Ich erzähle ihr, was passiert ist und wie sehr mich seine Nähe aus der Bahn geworfen hat. "Hattest du denn das Gefühl, es ging ihm ähnlich wie dir?" will sie wissen, doch ich zucke mit den Schultern. "Keine Ahnung... in dem Moment war es so-... ich weiß nicht, so real, aber dann hat er sich von einer auf die andere Sekunde distanziert und wirkte extrem abgeklärt." Brummend piekst sie in meine nur noch lauwarmen Nudeln, im mich damit zu füttern. "Vielleicht... war es auch für dich einfach bloß der Augenblick, der sich so krass angefühlt hat? Ich meine, du hast lange keinen so engen Kontakt zu einem anderen Mann gehabt, vielleicht war es einfach die Sehnsucht danach, nicht nach ihm persönlich sondern... ich weiß nicht, nach... Sex?"

Kichernd halt sie meine Hand fest, als ich nach ihrem Arm schlagen will. "Jaja, drück mir ruhig nochmal rein, wie untervögelt ich bin, Liebste..." murre ich. "Du hast im vergangenen Jahr so viel erreicht und das obwohl deine Mama uns verlassen hat. Es ist vollkommen legitim, dass du da weder Zeit noch Nerven fürs Daten hast." Ich brumme zustimmend. "Vielleicht hast du Recht... ich habe mir bestimmt nur eingeredet, dass da irgendwas geknistert hat."

2 Tage später, wir haben gerade das letzte Training vor der Show morgen beendet, ist Caroline bereits verschwunden, während ich etwas in Gedanken verloren vor dem Spiegel stehe. Auch Harry packt bereits zusammen, als ich tief durchatme und mich ihm zuwende. "Harry?" Etwas zögerlich dreht er sich zu mir, wodurch mir auffällt, dass ich ihn das erste Mal beim Vornamen genannt habe, ohne dass er mir je das Du angeboten hätte. "M-Mister Styles, entschuldigen Sie, i-ich-" Er unterbricht mein Gestammle. "Ja, Tomlinson?" fragt er abwartend.

"Würden Sie... ein letztes Mal die Choreographie mit mir durchgehen? Ich habe das Gefühl, das gibt mir das letzte bisschen Sicherheit, das mir fehlt." Er scheint über seine Antwort nachzudenken, blickt mich einige Sekunden an, bevor er reagiert.

Und das tut er tatsächlich mit einem sanften Lächeln auf den Lippen und den Worten "Klar, können wir machen, Louis."

Etwas überrumpelt blinzle ich ihn an, doch er dreht sich weg, zieht Pulli und Schuhe aus, bevor er, wie ich nur in Leggings bekleidet, wieder vor mir steht.

Was leider nicht dafür sorgt, dass ich entspannter werde. Denn ich brauche keine zusätzliche Sicherheit - zumindest nicht in der Choreographie. Nein, ich tue das hier aus rein egoistischen Motiven, so ehrlich muss ich zu mir sein. Seit Mittwoch geht mir der Gedanke nicht aus dem Kopf, geht er mir nicht aus dem Kopf. Ich brauche diese Gewissheit, für mich, für meine Seele.

Ich muss wissen, ob es wirklich er ist, der mein Herz so zum rasen bringt.

Die ersten paar Sekunden ist bloß sein Part aktiv, ich halte mich noch im Hintergrund und genieße dadurch, ihn tanzen sehen zu dürfen. Er hat einfach eine ganz eigene Magie, wenn er sich zu Musik bewegt, die ich wohl nie wirklich begreifen können werde. Kurz darauf ist es Zeit, für den ersten Kontakt und von diesem Moment an kehrt die Professionalität zurück und ich fange ihn im genau richtigen Moment auf, sodass er seine Arme und Beine um mich wickelt.

Auch der Rest der Choreographie verläuft reibungslos, selbst der letzten Sprung, der nicht immer so perfekt war, wie Harry es sich gewünscht hätte. Indem er vor mir hoch springt, ich ihn in der Luft fange und somit der Schwerpunkt äußerst schwierig ist, bin ich oft ins Straucheln geraten und habe einen Ausfallschritt machen müssen. Doch obwohl Harrys Gewicht offensichtlich deutlich höher ist, als Carolines, habe ich ihn sicher. Meine Lippen berühren seine Brust, bevor ich zu ihm hochblicke und seine Augen auf meine treffen.

Ganz langsam gleitet seine verschwitzte Haut über meine, als ich den Griff etwas lockere, um ihn zu mir herunter rutschen zu lassen. Deutlich spüre ich das Herz in seiner Brust schlagen, seine Atmung geht schnell und flach, ich nehme sie eindeutig wahr, als seine Hände sich an meinen Hals legen und sein Gesicht meinem von Sekunde für Sekunde näher kommt.

Dieser Moment ist genauso geplant, er soll so intensiv, so intim und voller Verlangen sein. Doch irgendwas an seinem Blick lässt mich nervöser werden, als mir lieb ist.

Auch meine Atmung geht rasch und unruhig, seine Augen zucken zwischen meinen hin und her, deutlich kann ich ihn schlucken sehen. Und es passiert mir wieder.

Die Welt um uns herum steht still, lang schon sind wir nicht mehr an der richtigen Stelle der Choreographie, denn ich hätte ihn abstellen und davon schreiten müssen. Doch er stützt sich mit seinen Unterarmen auf meine Schultern, hält sich so oben und blickt mir so tief in die Augen, dass mich eine Gänsehaut durchfährt, obwohl hier drin eine enorme, feuchte Hitze herrscht.

Und dann legt er plötzlich seine Lippen auf meine.

Eine Zehntelsekunde friere ich ein, bevor mein Verstand sich verabschiedet und ich den Kuss erwidere. Sekunden vergehen, in denen er sich tiefer in meinen festen Griff um ihn fallen lässt, seufzend ausatmet und seine Fingerkuppen noch ein wenig mehr in meine Haare wühlt, während seine Lippen sich sehnsüchtiger gegen meine pressen.

Als hätte ihn der Blitz getroffen, zuckt er dann schlagartig zurück, öffnet die Augen und sieht mich so erschrocken an, als sei ich tatsächlich der Geist, den ich verkörpere. Seine Hände lösen sich ruckartig von meinen Wangen, woraufhin ich meinen Griff ebenfalls lockere und er zwei Schritte zurück taumelt. "I-Ich-..." setzt er an, ihm fehlt die Luft zum Atmen. Verkrampft reibt er sich die Brust, als würde seine Speiseröhre krampfen, meidet dabei bewusst meinen Blick, bevor er sich einfach umdreht und schnellen Schrittes seine Klamotten einsammelt.

"I-Ich muss los, löschen Sie das Licht, w-wenn Sie gehen, Tomlinson." krächzt er, bevor er zur Tür hinaus hechtet.

Absolut fassungslos, unfähig zu verarbeiten, was in den vergangenen, so wenigen Sekunden alles geschehen ist, stehe ich sprachlos da und ertaste nur ganz zaghaft mit meinen Fingerspitzen meine Lippen, zucke zusammen, als ich sie berühre.

"Fuck."

Die ganze Nacht habe ich kaum ein Auge zubekommen. Obwohl ich mir über Stunden den Kopf zerbrochen habe, was genau gestern zwischen Harry und mir passiert ist, bin ich zu keiner sinnvollen Schlussfolgerung gekommen.

Er hat mich geküsst. Er mich. Egal, wie sehr ich es auch zerdenken will, bei diesem Detail bin ich mir noch immer sicher. Der Kuss ging von ihm aus, nicht von mir.

Doch warum? Bilde ich mir das Knistern, die Anziehung und die Leidenschaft also doch nicht bloß ein? Ist sie für ihn nicht bloß Teil der Choreographie, sondern echt?

Entsprechend verstreut erscheine ich also am heutigen Freitagmittag zum letzten, angesetzten Training, wo ich allerdings bloß auf Caroline treffe. "Hat er dir auch geschrieben?" fragt sie mich zur Begrüßung, weshalb ich sie fragend anblinzle. "Harry, er hat mir geschrieben, dass Neil heute das Abschlusstraining mit uns macht, da er verhindert sei." Ich versuche, mir das Seufzen nicht anzumerken, denn selbstverständlich ist er heute verhindert.

Frieda hatte es gestern schon prophezeit, als ich bereits mit den Worten "Bestie-Krisensitzung, sofort." die Wohnung betreten hatte. Was fern-Analysen angeht, war sie schon immer sehr ambitioniert und bewertet seit wir uns kennen mit Freude all die Männer, mit denen ich in Kontakt bin. Er sei dieser Typ Mann, der immer distanziert und abgeklärt tut, aber nicht ansatzweise damit umzugehen weiß, wenn er doch mal Gefühle entwickelt und zulässt. Und so albern ich ihre Erörterungen auch oft finde, fürchte ich, dass sie in diesem Falle Recht hat.

Das Abschlusstraining verläuft ereignislos, abgesehen von Neil, der sich vor Begeisterung über meine Leistung nach so kurzer Zeit kaum wieder einbekommt, doch ich kann mich darüber leider nur sehr bedingt freuen. Die Sache mit Harry lässt mich nicht los, allein der Gedanke, ihn heute Abend auf dem Event wieder zu sehen - als Chef des Instituts kann er sich davor selbstverständlich nicht drücken - macht mich noch viel nervöser, als der Tanz selbst.

Gedankenverloren lasse ich meinen Blick durch den Raum streifen, während die Maskenbildnerin mehrere Stunden später meinen Oberkörper eincremt, um meinem Erscheinungsbild, laut ihren Worten 'etwas mehr Lebendigkeit zu verleihen' - was in dem Kontext, einen Geist darzustellen, absolut keinen Sinn ergibt, aber das nur nebenbei erwähnt.

Ein markerschütternder Schrei, der wohl den gesamten Backstage-Bereich zusammenzucken lässt, reißt auch mich aus meinen Gedanken und ich zucke mit meinem Blick herüber zu meiner Tanzpartnerin. 'Oh nein' ist alles, was ich hauchen kann, als ich ihre schmerzverzehrter Gesichtsausdruck auf meinen trifft.

Das ist jetzt nicht wirklich passiert, oder?

Kaum eine Sekunde vergeht, bis mehrere Leute zeitgleich auf die Tänzerin zu stürzen, welche sich mit Tränen in den Augen das Knie halt. Bereits beim Training klagte sie immer mal wieder über Schmerzen an der Kniescheibe, der Physiotherapeut warnte schon davor, sie könnte bei zu hoher Belastung herausspringen. Doch keiner von uns hat wohl dieses Risiko wirklich ernst genommen. Es ist nahezu Normalität, dass ein Großteil von uns das ein oder andere Wehwehchen hat, mit dem man nunmal leben muss. Doch nun ist es grausame Realität.

Nach kurzem Stimmgemenge, kehrt eine Stille ein, die meinen Puls in die Höhe schnellen lässt. "U-Und jetzt?" traue ich mich nach leichtem Zögern zu fragen, Blicke werden ausgetauscht, doch niemand scheint eine Antwort parat zu haben. "...also, fällt der Tanz jetzt-... fällt er aus?" wispere ich, worauf allerdings prompt eine Antwort folgt. "Der Tanz fällt niemals aus." lässt man mich wissen.

"Aber... mit wem soll ich denn tanzen? Niemand kann diesen Tanz so schnell lernen." Ich merke, wie alle Augenpaare hinter mich wandern, Caroline beginnt zum ersten Mal in den letzten Minuten Verzweiflung, wenn auch etwas gequält, zu lächeln. "Lernen ist nicht notwendig, wenn du die Choreographie selbst erschaffen hast." stellt sie fest, woraufhin ich mich langsam umdrehe.

Und in der Tür steht, wie könnte es anders sein, selbstverständlich Harry.

Mich würdigt er keines Blickes, seine Augen kleben fest an Caroline, doch was er denkt kann ich absolut nicht deuten. Leise seufzend lässt er seine Tasche zu Boden sinken, reibt sich kurz die Nasenwurzel, bevor er ruhig zu reden beginnt.

"Nia, ruf einen Krankenwagen für Caroline und besorg in der Zwischenzeit Eis um die Schwellung zu reduzieren. Frederic, informiere Neil, dass er seine Moderation anpassen muss. Leander, du zerschneidest Carolines Kleid und machst daraus ein Oberteil." Sein Blick fällt, wohl eher durch Zufall, weil ich als letzter neben den dreien stehe, auf mich und ich sehe, wie er kurz stockt, als ich den Augenkontakt erwidere. "Warum stehen Sie noch in der Garderobe, Sie sollten sich lange warm machen, Tomlinson."

Ich wünschte wirklich, seine abgeklärten Worte und der strenge Blick, würde mich weniger wehtun, doch was soll ich mir vormachen? Mein Herz rast wie verrückt, ohne dass ich mich einen Zentimeter bewegt hätte. Meine Hände sind schwitzig und meine Atmung wird unruhig, während ich beobachte, wie Harry dem überforderten Leander das Kleid aus der Hand reißt, es mit einem raschen, kraftvollen Griff zerreißt und ihm zurück gibt. Er weist ihn an, wo er Nähte setzen soll und brummt, dass er seine Maße ja wohl kennen sollte.

Doch es bringt alles nichts. Ich muss das Chaos um mich herum ausblenden und mich auf den anstehenden Tanz fokussieren, auch wenn ich absolut keine Ahnung habe, wie ich nach dem Kuss letzte Nacht klar denken soll, wenn ich ihm erneut so nah komme.

Bis kurz vor der Vorstellung sehe ich ihn nicht mehr, erst wenige Minuten vor Beginn taucht er plötzlich neben mir auf, als ich gerade die Ränge nach meiner Familie und Freunden abscanne. Ich bemerke ihn nur, da mir sein Duft um die Nase tänzelt und mich eine Gänsehaut überrollt. Ruckartig drehe ich mich zu ihm um, spreche schon, bevor ich darüber nachdenken könnte.

"Wir müssen darüber reden, Harry." flüstere ich, weshalb er, ohne mich anzusehen, "...ich bin mitten in meiner Konzentrationsphase, Tomlinson." brummt. Also stelle ich mich vor ihn, sodass er mich ansehen muss, doch er schafft es dennoch, mir nicht in die Augen zu schauen. Vermutlich kann er nicht.

"Harry, bitte, wir-" Er unterbricht mich, als Gemurmel hinter uns aufkommt, spricht ruhig "Ich wüsste nicht, worüber wir uns unterhalten müssten, Tomlinson." Die Gefühlskälte in seinem Ausdruck fühlt sich an, wie ein Stich ins Herz.

"Seid Ihr bereit?" fragt uns Nia, die soeben Caroline in den Rettungswagen verfrachtet hat. Beide nicken wir ihr zu, wenn auch ich mit einem leisen Seufzen.

"Lass ihn bloß nicht fallen..." schmunzelt die Assistentin in meine Richtung, woraufhin ich zu Harry herüber blicke. "Ich würde ihn niemals fallen lassen." wispere ich, sehe seinem Adamsapfel an, wie er sich schwer hebt und senkt, als ich ihm tief in die Augen sehe. Sarkastisch rutscht mein Mundwinkel in die Höhe, drehe mich zu Nia und füge "Als könnte ich es bezahlen, Harry Edward Styles ins Krankenhaus zu bringen."

Ich bilde mir ein, seine Reaktion hätte einen Hauch von Verletzt sein, doch ich habe nun keine Zeit mehr, darüber nachzudenken. Das Licht wird gedimmt, nachdem Neil uns ankündigte, woraufhin Harry noch einmal tief durchatmet, bevor er durch die Dunkelheit in die Mitte des Raumes läuft.

Auch ich schließe noch einmal die Augen, nehme einen tiefen Atemzug und konzentriere mich auf das, was mir vorbesteht. All die echte Sehnsucht, Verzweiflung und Emotionen in die kommenden Minuten zu legen.

Und ja, vielleicht ist es genau das, was es so perfekt macht.

Denn das ist es. Ich glaube, nicht einmal war ein Durchlauf je SO gut, wie genau dieser eine, der zählt. Das Publikum tobt, als Harry neben mir zu Boden geht, während ich davon schreite und das Licht erneut gelöscht wird.

Nur ganz leicht wird der Raum erneut erhellt, als ich zu Harry hinüber jogge, meine Freunde darüber, wie gut die Vorführung war, einfach nicht im Zaum halten kann und ihn am Arm zu mir hochziehe, meine so fest um ihn schlinge, dass er kurz nach Luft schnappt. Knapp eine Sekunde dauert es, bis er sich entscheidet, die Umarmung zu erwidern, die Anspannung ihn verlässt und er sich - wie eben im Tanz - in meine schützenden Arme fallen lässt. Es sind bloß wenige Sekunden, die wir diesen Moment teilen, doch es wirkt, als seien nur wir beide Teil davon.

Kurz darauf lösen wir uns voneinander, verbeugen uns vor der Menge, bis Harry plötzlich einen Schritt zurück tritt und selbst zu klatschen beginnt. Etwas verdutzt blicke ich ihn an, doch er lächelt sanft und scheint mir tatsächlich die Anerkennung geben zu wollen, die ich mir wünsche.

Neil kommt zu uns herüber getänzelt, teilt seine Freude über das gelungene Event mit dem Publikum und dankt besonders Harry für eine erneut perfekte Planung dessen. Doch ein weiteres Mal heute Abend überrascht mich eben dieser Mann, als er Neil bittet, ihm das Mikrofon zu reichen.

"Du dankst vorallem mir, Neil, doch ohne mein Team wäre nichts von all dem hier heute Abend möglich gewesen. Alles was ich organisatorisch kann, ist Anweisungen geben, so fair sollten wir bleiben. Doch, über mein wundervolles Team hinaus, möchte ich vorallem einer Person danken, ohne die der heutige Abend nicht das geworden wäre, der er war. Also, Danke dir, Louis." Mit großen Augen blinzle ich ihn an, zeige mit dem Finger auf meine Brust, als er sich zu mir umdreht. Er nickt, nimmt meine Hand und zieht mich zu sich in den Scheinwerferkegel.

"Ich bin sicher, der ein oder andere von Euch und Ihnen, liebe Zuschauer, hat mitbekommen, dass wir einen sehr kurzfristigen Ausfall für unseren Haupttanz hatten - plus einen weiteren, weshalb ich nun überhaupt hier verschwitzt vor Euch stehe, aber das mal außen vor gelassen. Was ich sagen will..." Er dreht sich zu mir, blickt mir in die Augen und atmet schwer aus. "Was du in den vergangenen Tagen geleistet hast, inklusive dessen, was du uns heute Abend für eine überragend gute Show geboten hast, ist wohl kaum zu übertreffen. Ich weiß, ich bin ein strenger Lehrer und..." einen kurzen Moment hält er inne, bevor er weiter redet, "...und oft ein schwieriger Mensch, aber..."

"Ich wollte es unbedingt noch einmal deutlich aussprechen. Danke, Louis. Danke, dass du dir diesen Stress in der Vorweihnachtszeit angetan und uns alle heute so verzaubert hast. Auch wenn es nicht immer leicht war..." Noch einmal schnappt er nach Luft, ich bilde mir ein, dass seine Hand schwitzig ist, doch das kann genauso gut an der Anstrengung liegen. "So schwer es auch zeitweise war, würde ich mich freuen, wenn du uns noch öfter an deinem Talent teilhaben lassen magst und es..." seine Augen treffen punktgenau meine, "...und es keine einmalige Sache war."

Eine Gänsehaut breitet sich auf meinem gesamten Körper aus, als er den letzten Satz ausspricht, denn alles woran ich denken kann, ist der einmalige Kuss. Dennoch versuche ich mir nichts anmerken zu lassen, bedanke mich aufrichtig bei ihm und nehme lächelnd die Blumen entgegen, die man mir reicht.

Die nächsten Minuten gehen in dem Gewusel unter, das sich um uns herum bildet, wodurch ich ihn aus den Augen verliere. Von allen Seiten werde ich beglückwünscht, doch ich kann mich kaum darüber freuen, denn das emotionale Chaos in mir tobt. Ich will Harry finden, mit ihm reden und dieses grauenvolle Gefühl der Unsicherheit aus meinem verknoteten Magen bekommen. Irgendwann wird es mir alles zu viel, ich entschuldige mich kurz aufs stille Örtchen und verschwinde im Backstage-Bereich.

Ich versuche, meine Atmung in den Griff zu bekommen und schließe einen Moment die Augen, als ich plötzlich zusammenzucke, da sich Finger um mein Handgelenk legen. Ich werde hinter einen Vorhang gezogen, stolpere gegen eine Brust, die ich nur allzu gut kenne und wohl mittlerweile blind ertasten würde. Sein Duft lässt jeden noch übrig gebliebenen Zweifel verpuffen, sodass ich die Luft anhalte.

"Es tut mir Leid, ich-... ich war einfach überfordert, ich wollte dich nicht einfach so stehen lassen, aber ich-" Meine Hand auf seinen Mund drückend bringe ich ihn zum Schweigen, lächle sanft, als seine Hände an meiner Taille ihren Platz finden und wispere "Frohe Weihnachten, Harry."

Ohne ihn zu Wort kommen zu lassen, lege ich dann meine Lippen auf seine, sodass er in meinen Händen zu schmilzen scheint, wie das selbstgemachte Vanilleeis meiner Oma unter den heißen Kirschen an Weihnachten.

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