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24.˖*

larryverse: kill my mind
unreleased book (hihi, surprise? :>)

Triggerwarnung: mental health issues, Familienprobleme, Tod, Kindheitstrauma

.。*♡-✧*。

Leise seufzend rühre ich gedankenverloren in der Bratensoße herum, als ich zu Archie rüber blicke. Den ganzen Tag schon sitzt er stumm dort vor dem Kamin, hängende Schultern und schwache Augen, ab und an höre ich ihn leise die Nase hochziehen. Es bricht mir das Herz, ihn so zu sehen, vor allem heute.

Ich meine, natürlich ging es ihm in den letzten Wochen oft nicht gut, in seinem Alter die Mutter an den Krebs zu verlieren ist absolut grausam. Dennoch gab es vermehrt auch wieder Tage, an denen ich ihn zum Lachen bringen konnte, was mir definitiv Hoffnung gemacht hat.

Heute ist einfach ein schwerer Tag. Niles, der Butler, erzählte mir, dass der 24. für die Familie Tomlinson immer heilig war, ein absoluter Familientag, wie er im Buche steht. Leni - oder Miss Charlène Evelyne Tomlinson, wie sie offiziell für mich hieß - liebte Weihnachten, hat er mir verraten. Alle habe sie mit ihrer Feiertagslaune angesteckt, selbst ihren Mann.

Umso mehr scheint sie nun zu fehlen, denn besagter Mann, Mister Tomlinson, scheint das mit der Besinnlichkeit dieses Jahr noch nicht ganz hinzubekommen. Den ganzen Tag über hat er sein Büro hier auf dem Anwesen noch nicht verlassen, ich bin nicht mal sicher, ob er gestern Abend überhaupt zu Bett gegangen ist. Klar, er arbeitet immer viel, aber heute? Ganz ehrlich, ich bin wirklich wütend. Natürlich, ich bin hier die 'Nanny', es ist mein Job, mich um das Kind zu kümmern, aber... nein. Den eigenen Sohn am ersten Weihnachten ohne die Mutter den Tag über allein zu lassen, das kann ich nicht entschuldigen.

Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch, als ich sehe, wie Leana, die Hausdame, beginnt eines der Gedecke vom Tisch zu räumen. Verwirrt blinzle ich sie an, bis mir ein Licht aufgeht. "Was tun Sie d-... Oh nein, das ist nicht sein Ernst?" Anstatt zu antworten, nickt sie bloß stumm und sieht mich durch aufrichtige, traurige Augen an. "Aber das-... es ist das verdammte Weihnachtsdinner und er denkt wirklich, es sei in Ordnung, daran nicht teilzunehmen?!" rutscht es mir raus, weshalb sie eine strenge Miene aufsetzt. Doch das ist mir egal.

Ich gehe zu ihr rüber und füge, in etwas gemäßigterem Ton, hinzu "Bei aller Liebe, Leana, wie kann Mister Tomlinson Alfie das antun? Sehen Sie sich den Kleinen doch an, soll ich da jetzt wirklich hingehen und ihm mitteilen, dass sein Papa nicht wie jedes Jahr mit ihm den Truthahn anschneiden wird, weil der lieber Akten wälzt?" Verständnisvoll legt sie den Kopf etwas schief und spricht ruhig "Ich kann ihren Standpunkt nachvollziehen, Mister Styles, glauben Sie mir. Aber auch Mister Tomlinson hat eine geliebte Person verloren und jeder geht mir so einer Situation anders um." Schnaufend verschränke ich die Arme. "Aber-... Es ist sein Sohn, verdammt! Der Junge ist 5 Jahre alt, wie soll er den Verlust seiner Mutter verarbeiten, wenn sein Vater sich komplett zurückzieht?"

"Ich denke, das ist der einzige Grund, weshalb Sie es sind, der nun für Master Alfreds Wohl zuständig ist." wirft sie mir trocken ins Gesicht, bevor sie das Geschirr anhebt und in die Kammer verschwindet.

Ja, okay... das war deutlich. Natürlich bin ich keine professionell ausgebildete Nanny und auch kann ich nachvollziehen, dass mein etwas bunteres Erscheinungsbild nicht immer perfekt in diese prüde Welt passt, aber dass nur mein Studium in Kindespsychologie ausschlaggebend war, mir diese Stelle anzuvertrauen, finde ich jetzt doch etwas hart. Natürlich bin ich hier, um Erfahrungen zu sammeln und dass Alfie allgemein als 'Problemfall' bekannt ist, klang für mich wie eine willkommene Herausforderung.

Auch wenn ich nach den vergangenen Monaten mehr als sicher bin, dass hier nicht das Kind das Problem ist - wie so oft.

Aber dennoch finde ich ihre Aussage, nach all dem, was ich hier in den letzten Wochen und Monaten bereits bewirkt habe, wirklich... frech.

"Sagen Sie Master Alfred bitte Bescheid, dass das Essen in 5 Minuten servierfertig ist?" weist sie mich dann an, was ich kommentarlos hinnehme. Tief atme ich noch einmal durch, bevor ich zu ihm rüber trotte. "Hey Cutiepiiiiie..." flöte ich, als ich mich neben ihn hocke. Ein winziges Lächeln zuckt über seine Lippen, bevor er langsam zu mir aufblickt. "Wollen wir nach dem Essen noch eine Runde Mensch-ärgere-dich-nicht spielen?" frage ich lächelnd. "Ist-..." er blickt unsicher hinter mich, "...ist es dann nicht schon zu spät?" wispert er nervös. "Es ist Weihnachten, da darf man auch als kleiner Stöpsel mal etwas länger wach bleiben und spielen, versprochen." Aufgeregt beißt er sich auf die Unterlippe. "A-Aber Papa sagt doch immer-" Ich halte mir den Finger vor die Lippen und hauche ganz geheimnisvoll "Wie wär's, wenn wir Papa einfach nichts verraten? Das ist unser kleines Geheimnis, nur wir zwei wissen davon, hmn?"

Ganz aufgekratzt presst er die Lippen aufeinander, zieht seine Ärmelchen bis in die Hände und kichert dann leise. "Wir verraten es keinem?" wispert er. Ich schüttle wild den Kopf. "Auch Niles nicht?" Das Kopfschütteln wird noch viel wilder. "Bloß nicht! Du kennst die alte Plaudertasche doch, wenn Niles es weiß, weiß es eine Stunde später das ganze Haus." Albern giggelnd hält er sich die Hand vors Gesicht.

Und ich atme innerlich auf. Ich hatte wirklich befürchtet, er bleibt heute mein kleines, Trübsal-blasendes Trauerklößchen, aber mittlerweile weiß ich einfach, wie man ihn glücklich bekommt. Gottseidank...

"Mister Styles?" höre ich dann Niles' Stimme leise hinter mir. Ich nicke bloß als Antwort, halte dann Alfie die Hand hin und brumme "Komm, mein kleiner Geheimnishüter, Essen fassen!" Begeistert springt er auf und zieht mich hinter sich her. "Sie wissen genau, dass Mister Tomlinson es nicht gutheißt, wenn Sie ihm solche Gossen-Floskeln beibringen." Mal wieder ist es Leana, die neben mir aus dem Nichts auftaucht. "Gossen-Floskeln? Ihr Ernst, Leana?" Sie zuckt mit den Schultern. "Es ist mein Job, das Personal zu beaufsichtigen und das beinhaltet ebenfalls die Umgangsformen, auf die Mister Tomlinson viel Wert legt und-" Ich unterbreche sie, indem ich "...finden Sie es nicht irgendwie absolut albern, ihn Mister Tomlinson zu nennen? Sie wischen ihm schon den Arsch ab, seit er laufen kann, nennen Sie ihn doch einfach Louis, tun Sie doch nicht so, als wüsste dann niemand, von wem Sie reden, himmelherrgott..."

"Mister Styles!" zischt sie empört, doch Niles räuspert sich laut und beendet somit die Unterhaltung. "W-Wo ist Papa?" Alfie, der gerade auf seinen Stuhl geklettert ist, blickt uns unsicher an. Also bin nun ich derjenige, der sich leise räuspert. "Alfie, mein Spatz, dein Papa schafft es leider nicht, rechtzeitig zum Braten da zu sein..." Sofort sehe ich, wie sein Blick sich innerhalb einer Zehntelsekunde wandelt. Er sieht nicht mal enttäuscht aus, nein.

Er wirkt eher... wütend.

"Papa kommt nicht mal zum Essen aus dem Büro?" fragt er überraschend ruhig, doch ich sehe genau, wie seine Unterlippe zittert. "Leider nein, es tut mir so leid, Love. Leana hat mir gerade mitgeteilt, dass er-" Ich zucke zusammen, als er das Besteck, das er bereits in der Hand hielt, scheppernd auf die teure Mahagoni-Tischplatte pfeffert. "Dann hab' ich keinen Hunger!" knurrt er und springt von seinem Stuhl. "Master Alfred, nehmen Sie sofort wieder Platz, es gehört sich nicht, so herumzustampfen und-" Wutentbrannt stürmt er bereits auf die Tür zu. "Alfie, hey... bitte." versuche ich es zeitgleich in einem ruhigerem Ton, doch er ignoriert auch mich. "Es gehört sich niiiiicht..." äfft er sie nach. "Master Alfred, ich warne sie ein letztes Mal, ich werde Ihrem Vater von Ihrem Verhalten berichten, wenn Sie nicht-"

"Ja und? Soll er halt erfahren, mir doch egal. Sie gehen doch eh' immer petzen. Sagen Sie ihm, dass ich ihn hasse!" Ein weiters Mal zucke ich zusammen, als die Tür schallend ins Schloss fliegt.

"Verzogenes Rotzgör'..." brummt Leana, weshalb ich ihr einen bitterbösen Blick zuwerfe. "Sie raffen auch überhaupt nichts mehr, oder?" knurre ich, als ich einen Schritt auf sie zugehe. "Das Kind hat vor wenigen Wochen seine Mutter verloren, verfickt nochmal! Der Junge ist FÜNF, was erwarten Sie denn, mein Gott? Dass er eine Woche schwarz trägt, nach Protokoll trauert und dann zum Alltag zurückkehrt? Er ist ein Kind, verdammt. Ein Kind, das seinen Vater braucht, um all das zu verarbeiten. Aber der feine Herr von und zu Tomlinson ist sich ja zu gut, für verkackte 2 Stunden aus seiner Höhle zu kommen und wenigstens einen Abend so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Und das an fucking Heiligabend..."

"Harry..." höre ich Niles' Stimme nur ganz leise hinter mir. Doch ich schüttle den Kopf. "Nein Niles, ich weiß er ist mein Boss, aber ich bin hier, um mit seinem Kind zu arbeiten und es ist nun mal ein Fakt, dass Alfie ohne ihn nicht wieder zu sich finden kann." Er seufzt leise und zieht mich am Arm etwas näher. "Ich weiß, natürlich haben Sie Recht, aber bitte glauben Sie mir, dass das hier nicht gut für ihre weitere, berufliche Zukunft in diesem Hause ist." flüstert er beruhigend.

"Leana, bitte rufen Sie die Dienstmädchen und räumen Sie mit ihnen die Speisen in die Kammer und in die Kühlung. Es wäre schade um die vielen guten Dinge. Mister Tomlinson wünscht sicherlich später noch etwas davon zu essen." Anstandslos, da Niles hier die höchste Position aller Bediensteten im ganzen Hause inne hat, wendet sie sich ab und tut, was ihr aufgetragen wurde.

Nicht allerdings, ohne mir einen verachtenden Blick zuzuwerfen, natürlich.

Ich will mich ebenfalls auf den Weg machen, nach Alfie zu schauen, doch Niles legt mir zurückhaltend die Hand auf die Brust. Er deutet mir mit dem Kopf, ihm zum Kamin zu folgen, also dackle ich etwas wehmütig hinter ihm her.

Von Anfang an verstehe ich mich mit Niles hier im Haus am besten, er scheint der einzige hier zu sein, der meine Stelle zu schätzen weiß. Dennoch ist er gewissermaßen mein direkter Vorgesetzter als oberster Bediensteter, was mir ein etwas mulmiges Gefühl im Bauch verursacht, wenn er mich allein sprechen mag.

Doch er scheint mir keine Verwarnung geben zu wollen, denn er mustert mich eher nachdenklich, als wütend, bevor er zu sprechen beginnt. "Ich wollte Ihnen ein paar Worte mit auf den Weg geben, was Mister Tomlinson angeht, Mister Styles. Ich weiß, dass Ihre Absichten keine schlechten sind und Sie nur das Beste für den Kleinen wollen. Und genauso kann ich daher verstehen, wie wütend Sie gerade auf seinen Vater sind, aber bitte bedenken Sie dabei, was ich Ihnen nun sage." Er stockt kurz und blickt rüber zu den Dienstmädchen und -jungen, die uns neugierig beobachten. Sofort stellen sie ihr Getuschle ein, als sein Blick sie streift, kehren ohne Zögern zurück zu ihrer Arbeit.

"Sie wissen, ich kenne ihn schon sehr lang, schon mein Vater war Butler bei der Familie Tomlinson. Bitte verstehen Sie, dass ich Ihnen auf keinen Fall den Mund verbieten will, aber ich weiß, dass Sie sehr impulsiv sein können..." Leise räuspere ich mich, als ich etwas den Kopf senke.

...impulsiv ist schön ausgedrückt, ja.

"Aber bitte, sollten Sie sich nicht aufhalten lassen und ihn darauf ansprechen wollen, bedenken Sie bitte: Mister Tomlinson weiß genau, wie sehr er Master Alfred damit enttäuscht. Und er hasst sich dafür, so sehr wie Sie sich nicht mal vorstellen können." Sprachlos blinzle ich ihn an. "Er hat Angst zu werden, wie sein Vater und glaube Sie mir bitte, das möchte niemand hier im Haus, vorallem Sie nicht." Nachdenklich knibble ich den Nagellack von meinen Nägeln. "Sein Vater war nie da, vorallem Weihnachten hielt er immer für albernes Geplänkel, um Kindern einzureden, sie würden ohne Grund Geschenke verdienen."

"Oh..." hauche ich, bin schlichtweg so überfordert von dieser Info, um mehr von mir zu geben. "Dass mit Madame Charlène seine engste Vertraute von uns gegangen ist, nagt mehr an ihm, als er jemals zugeben würde." Einen Schritt kommt er noch näher, bevor er den nächsten Satz nur noch flüstert. "Die gesamte Situation belastet ihn sehr, seien Sie etwas nachsichtig mit ihm, okay?"

Nachdenklich nicke ich bloß und spüre deutlich, wie meine Wut etwas verpufft. Das imaginäre Wort "Kindheitstrauma" schiebt sich stattdessen in den Vordergrund und ich versuche krampfhaft, meinen Kopf aufzuhalten. Ich neige dazu, Dinge viel zu schnell und überstürzt zu zerdenken, analysieren und Prognosen zu stellen, ohne genug darüber zu wissen. Doch dieses Wissen rückt Mister Tomlinson's oft gefühlskaltes, abgeklärtes und unempathisches Verhalten in ein anderes Licht, als bisher...

"Nun gehen Sie besser nach Master Alfred schauen, ich denke, er kann gerade ein paar kuschelige Arme gebrauchen..." spricht Niles, als er an meinem plüschigen, dunkelgrünen Weihnachts-Pulli zupft. Ich nicke bloß und finde den kleinen Blondschopf kurz darauf eingekauert auf seinem Bett vor.

Sicher eine halbe Stunde rede ich ruhig mit ihm, erreiche immerhin, dass er mir gesteht, seinen Papa eigentlich doch gar nicht zu hassen, aber die Traurigkeit bekomme ich heute dennoch nicht mehr aus ihm heraus. Wir entscheiden uns gemeinschaftlich doch dagegen, heute noch ein Gesellschaftsspiel zu spielen, als er in meine Arme gekuschelt bereits fast wegnickt. Das viele Weinen war einfach zu anstrengend für seinen winzigen Kinderkörper.

Schnaufend mache ich mich anschließend ebenfalls selbst auf ins Bett, komme dabei an Mister Tomlinsons Bürotür vorbei, die anders als sonst nur leicht angelehnt ist. Ohne es verhindern zu können werfe ich einen Blick hinein und bliebe instinktiv stehen. Denn mir gefällt gar nicht, was ich sehe.

Ihm steht der Schweiß auf der Stirn, obwohl es nicht besonders warm im Haus ist und er bloß ein lockeres Langarmshirt und eine Leinenhose trägt. Ich kann mich nicht daran hindern, ihn noch einen Moment länger zu beobachten, wodurch mir noch mehr Dinge auffallen. Er zittert, seine Atmung ist flach und unregelmäßig, seine komplette Körpersprache, all seine Bewegungen unruhig und hektisch. Obwohl er noch immer seine Akten wälzt, wirkt er absolut unkonzentriert, sein Blick ist trotz Brille auf seiner Nase komplett glasig und rastlos. Als wollte er einen Rekord brechen, zieht er immer und immer wieder nervös an seiner Zigarette, vermutlich weil er denkt, es würde ihn irgendwie beruhigen. Dabei sorgt der Nikotinschock, den er seinem Körper dadurch aussetzt, eher für das Gegenteil.

Dieser Mann versucht gerade mit aller Kraft, die ihm bleibt, eine Panikattacke zu unterdrücken. Und macht es dadurch vermutlich unterschwellig nur noch schlimmer.

So wütend ich vorhin auch auf ihn gewesen sein mag, kann ich das nicht einfach so mitansehen. Ich atme selbst einmal tief ein und wieder aus, bevor ich vorsichtig gegen die Tür klopfe. Doch er reagiert nicht auf mich. Laut räuspere ich mich, trete einen Schritt in den Raum und sage deutlich seinen Namen. "Mister Tomlinson?" Doch noch immer keine Reaktion, obwohl ich fast direkt vor ihm stehe. Stattdessen murmelt er leise "...es muss doch irgendwo sein, irgendwas... es muss einfach..." Wieder nimmt er einen viel zu tiefen Zug von dem schwarzen Gift zwischen seinen Fingern, pustet mir den Rauch direkt ins Gesicht. Doch auch diesmal reagiert er nicht auf meine erneute Ansprache.

Zögerlich gehe ich also um den Schreibtisch herum, bis ich neben ihm stehe, versuche es noch einmal mit Worten, doch habe erneut keinen Erfolg. Also lege ich nur ganz sanft meine Hand an seinen Oberarm. "Mister Tomlin-" weiter komme ich nicht, denn er zuckt so heftig zusammen, dass ihm die Zigarette aus der Hand auf seine Akten fällt.

"Verfickte Scheiße, haben Sie den Verstand verloren, Sie Vollidiot?!" brüllt er mir entgegen, macht einen Satz mit seinem Stuhl nach hinten und blickt mich so schockiert an, dass ich Angst habe, er könnte gleich umkippen. Zittrig atmet er hektisch ein und aus, selbst an seiner Halsschlagader kann ich erkenne, wie sehr sein Puls rast. Als würde ihm das mehr Luft verschaffen, zerrt er an seinem Kragen herum und schluckt deutlich sichtbar.

"T-Tut mir Leid, i-ich wollte Sie nicht-" wie ein verschrecktes Reh gehe ich ein paar Schritte zurück, nachdem ich die Zigarette in den Aschenbecher gelegt habe, die ich davon abgehalten habe, auf den Perserteppich unter dem Schreibtisch zu kullern und einen Brandfleck zu hinterlassen. Er kneift die Augen zusammen und massiert seinen Nasenrücken, bevor er etwas ruhiger "Nein, mir tut's leid, ich wollte sie nicht so anbrüllen..." sagt.

Überrascht über dieses Schuldeingeständnis komme ich wieder einen Schritt näher und lehne mich zaghaft gegen die Tischkante. Ich greife nach dem Glas Wasser auf dem Tisch und halte es ihm mit einem leisen "Hmn?" vors Gesicht. Er öffnet bloß ein Auge, gibt dann ein verneinendes Brummen von sich und zeigt stattdessen an mir vorbei auf ein kleineres, mit Whisky gefülltes Glas. Ich entscheide mich dazu, mir einen Kommentar a'la "Alkohol ist keine Lösung" zu klemmen und tausche das Getränk in meiner Hand durch das Hochprozentige aus. An dem Versuch scheiternd, mich zu freuen, dass er nicht wie sonst oft, das ganze Glas auf einmal herunterkippt, blicke ich nachdenklich über die Akten neben mir. Gerade als ich etwas sagen will, findet er allerdings seine Sprache wieder.

"Was haben Sie da eigentlich schon wieder an?" fragt er kritisch, während er meinen Pullover beäugt. "Einen... ugly Christmassweater?" erkläre ich unsicherer, als ich wünschte. "Ja, ugly trifft es wohl perfekt..." brummt er, als er erneut zu seiner Zigarette greift. "Kann ich Ihnen... vielleicht irgendwie helfen?" frage ich dann behutsam, weshalb er mich erneut prüfend mustert. "A-Also beim Suchen... oder so? Sie, uhm... Gerade, es hörte sich so an, als würde Sie nach etwas suchen?" versuche ich es dennoch noch einmal, weshalb er allerdings bloß schnaubend abwinkt. "Ach, dieser Drecksfall macht mich fucking wahnsinnig..." brummt er und nimmt einen letzten, intensiven Zug, bevor er den Glimmstängel im Aschenbecher ausdrückt.

Und, genauso wie bereits eben, als er so erschrocken war, bin ich verwirrt und fast ein bisschen schockiert über seine Wortwahl. Denn, wie Leana es bereits pflegte hervorzuheben, legt er sonst viel Wert auf 'anständige Umgangsformen'. Ich weiß nicht, ob es am Stress, dem Alkohol oder beidem zusammen liegt, aber ich werde es einfach nicht weiter hinterfragen.

Irgendwie ist die Flucherei ja auch ganz sexy-

Okay, Halt Stopp, Styles. Du hattest dir geschworen, diese Gedanken über deinen Boss so weit weg zu schieben, wie irgendwie möglich, also vergiss das ganz schnell wieder. Vorgesetzter, keine Wichsvorlage, du erinnerst dich?

"Vielleicht..." Er linst über seinen Glasrand zu mir hoch, "...kann ich ja trotzdem helfen? Eine unvoreingenommene, neue Sichtweise hilft manchmal?" biete ich kleinlaut an. Einige Sekunden lang sieht er mich nachdenklich an, bevor er das Glas abstellt, tief Luft holt und sich mit einem leisen Kratzen über seine stoppelige Wange reibt. "Ach, was solls..." brummt er und richtet sich räuspernd auf. "...es macht mich einfach so verrückt, ich weiß, dass ich irgendwo... etwas gelesen habe... irgendwo in einer dieser Akten und ich-... es macht mich so-... ich brauche genau diese Aussage, um mein Abschlussplädoyer zu verfassen, aber ich..." Er gibt ein leises, symbolisches 'Grrrr' von sich und ballt die Fäuste.

Ich nicke verstehend und bitte ihn, mir grob zu erklären, wonach er sucht, bevor ich mich tatsächlich um halb 11 an Heiligabend blindlings in die Akten des Mannes schmeiße, der noch vor wenigen Stunden dafür gesorgt hat, dass mir fast die Hutschnur geplatzt wäre.

Doch Niles' Worte über seine Vergangenheit lassen mich nicht los.

Bis kurz vor 12 sitze ich auf seinem Schreibtisch, tatsächlich ohne Protest seinerseits, und überfliege hunderte, tausende Seiten voll Worte. Gerade, als ich aufgeben und ins Bett gehen will, fällt mir etwas auf, was ich vorsorglich 3 weitere Male lese, um ihm keine Enttäuschung vorzulegen. Ich werfe die Akte neben mich und wühle in einer anderen nach einer Info, um mir wirklich sicher zu sein, weshalb er mich verwirrt mustert. "Was tun Sie da?" Aus dem Augenwinkel fällt mir auf, dass er viel ruhiger wirkt, als noch vor 1 1/2 Stunden. Auch hat er bloß eine weitere Zigarette geraucht und sein Whisky-Glas nicht noch einmal gefüllt. Ich bilde mir ein, es könnte an mir liegen, ob in Gesellschaft im allgemeinen oder der Tatsache, dass ihm jemand bei seiner Arbeit hilft, begründet, mag ich mir nicht anzumaßen.

Ich bin einfach bloß froh, dass er ruhiger atmet und das Zittern aufgehört hat.

Ich habe gefunden, was ich suchte, also nehme ich die ursprüngliche Akte wieder zur Hand und räuspere mich leise, bevor ich den Bankauszug in meiner Hand vorlese.

"15. März 2022, 369 Tausend Pfund, überwiesen von Sir Benedict Winston an Misses Claire Underwood." zitiere ich. Sein Blick zuckt zu mir hoch, alles was er sagt ist ein "Wiederholen Sie das." Also tue ich, was er sagt, woraufhin er mir schlagartig die Akte aus der Hand reißt. Wieder und wieder liest er die Worte vor sich, schüttelt ungläubig den Kopf und sieht mich dann mit offenem Mund an. "Mister Styles, Sie-..." Er reibt sich durchs Gesicht, "...sie haben gerade mit einem Satz die gesamte Grundlage der Gegenseite zur Nichte gemacht." Unsicher beiße ich mir auf die Lippe. "Ist-... Ist das g-gut?" frage ich vorsichtig. "Das ist grandios." wispert er, legt langsam die Akte zur Seite und seine Brille darauf, bevor er sich in seinen Lederstuhl fallen lässt.

Sein Blick fällt auf die Uhr, dann auf das Bild seines Sohnes, das auf dem Schreibtisch direkt daneben steht. Schnell wendet er sich wieder ab, schließt die Augen und stößt mit einem leisen 'puuuh' schwer Luft aus. Er lässt sein Gesicht in seine Hände fallen und massiert sich immer wieder die Schläfe.

"Kann ich noch irgendetwas für Sie tun, Mister Tomlinson?" flüstere ich, weshalb er leise brummt, bevor er tief einatmend den Kopf hebt. "Hmn, Nein... Zur Not rufe ich Niles, Sie können gehen." Ich richte mich auf, füge dann hinzu "Niles schläft bereits, es ging ihm nicht besonders gut vorhin. Melden Sie sich bei mir, wenn irgendwas ist. Ich bin sicherlich noch etwas wach..." Er nickt bloß, bevor er beginnt die Akten zusammen zu sammeln und zu sortieren.

Ich habe den Türknauf bereits in der Hand, als ich ihn leise noch einmal meinen Namen sagen höre. "Mister Styles?" Ich drehe mich zu ihm und frage "Ja, Mister Tomlinson?"

Doch ich bekomme keine Antwort.

Aber ich sehe es in seinen Augen, dass er sich bedanken will. Er wusste genau, dass ich wütend auf ihn war, als er vorhin nicht zum Abendessen erschien. Er wusste es, da bin ich mir sicher. Ich weiß, er war überrascht, dass ich dennoch auf ihn zukam und ihm meine Hilfe anbot. Er will Danke sagen, nicht nur für die Hilfe bei seinem Fall, sondern für Alles. Dass ich einfach anwesend war, nicht weggesehen habe, ihn nicht allein gelassen habe.

Doch er kann nicht.

Aber er muss auch nicht, ich sehe es deutlich in seinem Blick und das reicht mir. Das ist für den Moment mehr als genug.

Es fühlt sich an, wie Stunden, die wir uns einfach bloß ansehen, während absolute Stille herrscht. Und alles, was ich gerade will, ist zurück gehen, und ihn umarmen. Ganz fest und liebevoll, bis er wieder so richtig tief durchatmen kann, sein Puls sich beruhigt und die Tränen fließen. Doch ich kann nicht, das ist mir bewusst. Er ist mein Chef, es würde unser Verhältnis weit überschreiten und ist abgesehen davon ohne Einverständnis absolut keine Option.

Aufmerksam hebe ich etwas den Kopf, als er leicht den Mund öffnet, um etwas zu sagen, dann allerdings noch kurz zögert. Letztendlich ist es ein leises Seufzen, bevor die folgenden Worte seinen Mund verlassen.

"Gehen Sie zu Bett, Mister Styles. Alfred Benjamin hat morgen früh um 8 Französischunterricht, Sie wollen sicherlich nicht verschlafen."

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