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17.˖*

Und schon wieder ist es soweit, dass uns eine Gastautorin mit in ein neues Larryversum nimmt! Am heutigen 17. Dezember versorgt uns die liebe Elfe mit ein wenig Weihnachtsstimmung, bei der es sich um nicht weniger als fast 11,5k Worten handelt :o Nehmt Euch hierfür also etwas Zeit, ein grooooßes, warmes Getränk, eine Menge Lebkuchen und sucht Euch eine gemütliche Ecke, um in Ruhe in diese schöne Welt einzutauchen, die sie für uns geschaffen hat :>

Darüber hinaus möchte ich allerdings ebenfalls loswerden, wie froh ich darüber bin, dass du mir zugesagt hast, liebe Elfe! Abgesehen davon, dass du selbst wahnsinnig talentiert bist (aber davon überzeugst du uns ja gleich, hihi), bist du maßgeblich daran beteiligt gewesen, mich und meinen Account dorthin zu bringen, wo ich nun bin.
Ich weiß gar nicht, ob dir das bewusst ist, aber seit du am 20.03.2021 mein Buch 'the other side of me' in einem deiner TikToks als Favorit nanntest (und dies immer wieder mit weiteren meiner Werke tust), ist dieses wortwörtlich durch die Decke gegangen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Geschichte knapp 25k reads, heute kratzt sie fast an den 200k reads. Ich glaube, ich habe mich dafür nie wirklich aufrichtig bedankt, was ich nun mehr schlecht als recht und viel zu spät gern nachholen mag... :>

Danke. Wirklich, dein Support bedeutet mir die Welt, DANKE ♡

written by: ElfeeQ
title: gay for christmas
(bitte unten genannte TW beachten)

.。*♡-✧*。

Hallo :)

Erstmal möchte ich mich hier noch mal bei Ally bedanken, dass ich bei ihrem wundervollen Adventskalender mit machen darf! Ich habe mich so sehr gefreut, als deine Nachricht kam *-* <3

Dann möchte ich einmal anmerken, wie viele nerven mich das schreiben dieses OS gekostet hat... :D Besonders da ich erst eine andere Idee hatte, die auch ziemlich weit geschrieben habe, bis ich sie dann doch zu traurig und unweihnachtlich fand und dann sehr schnell noch einen anderen schreiben musste... Welcher dann einfach so lang wurde und kein Ende nahm.. Es war wundervoll :D

Außerdem kommt hier noch eine Triggerwarnung: Homophobie und Gewalt wird erwähnt.

Viel Spaß beim lesen und eine wundervolle Vorweihnachtszeit <3

***

Eleanor sah mich mit großen Augen an, dann blinzelte sie ein paar mal, öffnete den Mund, zog die Stirn in Falten und schloss ihren Mund wieder.

Dass sie nicht wusste, was sie sagen sollte, konnte ich gut verstehen. Ich hatte ihr gestern Abend eine Nachricht geschickt, komplett in Großbuchstaben, dass wir dringend reden mussten, und zwar so schnell wie möglich und nun saßen wir hier in diesem Café, welches direkt neben ihrer Wohnung lag, aber 45 Minuten mit der Bahn von meiner entfernt - Großstädte waren manchmal echt zum Kotzen.

Wir hatten den großen Ansturm von Studenten und Arbeitenden abgewartet und waren somit, mit einer Handvoll anderen Leuten, die Einzigen, die an den Tischen saßen.

Eleanor griff nun nach ihrem Muffin, welchen ich ihr gekauft hatte, da ich wusste, dass sie Schokolade brauchen würde. Wahrscheinlich würde es noch ein paar Sekunden dauern, bis sie endlich was sagen würde.

Also trank ich was von meinem Kaffee, der mittlerweile etwas abgekühlt und somit trinkbar war.

Nachdem sie den halben Schokomuffin gegessen hatte, schloss sie kurz ihre Augen, so als würde sie sich sammeln und sah mich dann wieder direkt an. „Du bist also schwul?"

„Was? Nein!" Jetzt war ich derjenige, der sie mit großen Augen ansah. Hatte sie mir denn überhaupt nicht zu gehört?

„Aber du hast deiner Mum erzählt, dass du schwul bist."

Ich seufzte. „Ja."

„Aber du bist es nicht?", fragte sie nach. „Wieso hast du es ihr dann erzählt?"

Innerlich betete ich zu irgendeinem Gott im Himmel, dass mein Geduldsfaden noch etwas hielt, weil ich sie sonst wahrscheinlich erwürgen würde. „Das habe ich dir doch gerade alles erklärt, El. Du sitzt doch direkt vor mir. Ist nichts davon bei dir angekommen?"

„Doch, doch." Sie nickte mit ihrem Kopf. „Der Anfang kam klar und deutlich an, als du meintest, dass du gestern bei deiner Mum warst und ihr gesagt hast, dass du schwul seist. Und dann ist dieser süße Typ reingekommen und mein Gehirn hat sich abgeschaltet. Sorry?"

Stöhnend stützte ich meinen Kopf auf der Hand ab und wusste nicht ganz, ob ich die Kraft hatte, ihr noch mal die ganze Geschichte zu erzählen. Ich liebte meine beste Freundin, aber...

„Okay, ich höre dir nun wirklich zu, versprochen! Meine ganze Aufmerksamkeit gehört allein dir. Kein Mann oder Frau wird mich ablenken, wirklich!" Sie legte ihr Hand auf die linke Brust und hob die andere hoch, so als würde sie ein Eid leisten und da ich wirklich ihre Hilfe brauchte, wiederholte ich alles noch mal.

„Also. Mum nervt mich ja schon Ewigkeiten damit, dass ich endlich mal eine Freundin mit nach Hause bringen soll und das nervt wirklich extrem sehr, also dachte ich, dass sie wahrscheinlich nicht darauf drängen würde, dass ich jemandem vorstelle, wenn es ein Kerl ist. Du kennst meine Eltern, sie lieben Traditionen und Ordnung. Deswegen habe ich einfach erzählt, dass ich schwul sei und einen Freund habe. Das Problem ist nur, dass Mum gar nicht so reagiert hat, wie ich dachte. Sie will ihn unbedingt kennenlernen und nun soll ich ihn über die Feiertage mitbringen."

„Aber du hast gar keinen festen Freund.", stellte Eleanor fest.

„Ach was?", gab ich etwas heftiger zurück, weil sie gerade das sagte, was offensichtlich und somit überhaupt nicht hilfreich für mich war. „Das ist ja das fucking Problem, El."

„Ey, mach mich nicht so blöd an, Louis! Ich kann nichts dafür, dass du deine Mum angelogen hast." Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust.

Für einen Moment starrten wir uns einfach nur stumm an, bis ich dann nachgab. „Entschuldigung... Aber ich brauche wirklich dringend eine Lösung... Weihnachten ist schon 14 Tagen."

„Okay, lass mich darüber nachdenken."

So sehr sie sich auch von jeder Kleinigkeit ablenken ließ und eine echt schlechte Zuhörerin war, so konnte ich mich doch immer darauf verlassen, dass ihr ständig irgendwelche Lösungen einfielen, wenn ich mal wieder kompletten Mist gebaut hatte. Was in unserer langjährigen Freundschaft schon viel zu oft der Fall war.

Während sie also nachdachte, den Rest des Muffins dabei aß, widmete ich mich wieder meinem Kaffee und hoffte einfach nur das Beste.

„Ah!" Sie spuckte Krümel von ihrem Muffin aus, welche Gott sei Dank nicht mich, sondern nur den Tisch erreichten und strahlte mich an. „Harry ist die Lösung!"

Fragend zog ich die Stirn zusammen. „Wer ist Harry?"

„Harry ist der schönste Mensch auf dieser Welt und schwul.", erklärte sie mir. „Und er wohnt neben mir, deswegen kenne ich ihn."

„Und wie soll er mir helfen?"

„Vor ein paar Tagen, meinte er, dass er echt dringend Geld bräuchte, keine Ahnung mehr wieso und ob ich wüsste, ob irgendwo nach Aushilfen oder so gesucht werden würde.", erzählte meine beste Freundin weiter, doch ich kam noch nicht ganz mit. „Und du hast doch Geld!"

Das hatte ich wohl, dank des Jobs meinem Vater. „Uuund... deine Idee ist nun welche..?"

„Du bezahlst ihn dafür, als dein fester Freund über die Feiertage mit zu deiner Familie zufahren!"

***

Einen Tag später, saß ich wieder im selben Café, diesmal aber deutlich später. Es war schon dunkel draußen und die Lichterketten im Fenster waren eingeschaltet.

Ich saß an einem Tisch, welcher direkt an einem Fenster stand, hatte mir, wie immer, einen Kaffee geholt und hatte keine Ahnung, was ich hier eigentlich machte.

Außer dass ich natürlich genau wusste, was ich hier machte. Ich wartete auf Harry.

Keine Ahnung, ob die Idee von Eleanor brillant oder einfach zum Scheitern verurteilt war, aber da ich auch keine bessere hatte, musste ich es versuchen. Sie hatte ihrem Nachbarn gleich gestern noch geschrieben und mit ihm ein Treffen für heute vereinbart und eigentlich wusste ich gar nicht, ob sie ihm erklärt hatte, worum es genau ging, aber ich hoffte es. Denn es wäre mir sehr unangenehm, ihm die ganze Situation zu erklären.

Gerade als ich darüber nachdachte, dass ich gar nicht wusste, wie dieser Harry aussah, betrat jemand das Café und ich wusste sofort, dass er es war.

Eleanor hatte eindeutig nicht damit übertrieben, als sie meinte, dass er der schönste Mann auf der Welt war. Mit seiner Größe und den braunen, langen Locken fiel er wahrscheinlich über all sofort auf.

Ich beobachtete, wie er sich um sah und sein Blick dann auf mich fiel. Er sah mich einen Moment an und da ich seinen Blick erwiderte, zählte er wahrscheinlich eins und eins zusammen und wusste, dass ich derjenige war, mit dem er verabredet war. Vielleicht hatte Eleanor ihm aber auch ein Foto geschickt.

„Louis?", fragte er nach, als er bei meinem Tisch war und ich nickte, war mir unsicher, wie wir uns begrüßen sollten, also wollte ich gerade aufstehen, um ihm meine Hand zugeben, da setzte er sich schon hin und schnell tat ich so, als wollte ich einfach nur meine Position etwas verändern. Überhaupt nicht unangenehm.

„Ehm... nur um sicher zugehen, du bist dann wohl Harry?" Ich kam mir wirklich unfassbar dumm vor.

„Komplett richtig." Er schmunzelte leicht und seine Stimme war tiefer, als ich erwartet hatte.

„Okay, gut." Ich nickte wieder mit meinem Kopf und hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte. Direkt das Thema ansprechen oder noch etwas Smalltalk führen?

„Also, Eleanor meinte, du hättest einen Job für mich?" Entschied Harry dann für mich und kam direkt zur Sache, was mir nur Recht sein sollte, bevor es noch peinlicher werden konnte.

„Genau."

„Und was für einen?", fragte er nach, weil ich nicht auf die Idee kam, von mir selber aus weiterzuerzählen und ich hatte keine Ahnung, warum ich so nervös war.

„Ich würde dich dafür bezahlen, dass du meinen Freund vor meiner Familie spielst.", beantwortete ich seine Frage und meine Wangen wurden ganz warm dabei, weil mir das ganze so unangenehm war. Ich bot einem fremden Mann gerade tatsächlich an, für Geld meinen Freund zu spielen.

Harry hob eine Augenbraue an. „Deinen... festen Freund?"

Ich nickte und sah runter zu meinem Kaffee, in der Hoffnung, dass er meine roten Wangen nicht so offensichtlich sehen konnte.

Es dauerte etwas bis Harry wieder etwas sagte, weswegen ich die Zeit damit überbrückte viel zu schnell den immer noch heißen Kaffee zutrinken. „Ich habe sehr viele Fragen."

Ich sah ihn über den Rand meiner Tasse hinweg an und entdeckte ein Schmunzeln auf seinen Lippen, welches mich innerlich erleichtert aufatmen ließ. Mir war bewusst, wie komisch diese Aussage von mir geklungen hatte. Ihn dafür bezahlen, dass er meinen festen Freund spielte? Vor meiner Familie? Da hätte ich auch gleich einen Escort Service anrufen können. Aber so war das ja gar nicht.

„Also, ich will natürlich keine sexuellen Gefälligkeiten oder so!", stellte ich schnell klar.

Harry lachte leise und ich bekam Gänsehaut. „Natürlich nicht."

Ich wünschte, ich hätte einen Schal an, in welchem ich nun mein Gesicht verstecken könnte. Normalerweise war ich nicht so leicht aus der Fassung zu bringen, erröten tat ich schon gar nicht, aber dieser Mann hier vor mir... Der stellte irgendetwas komplett Komisches mit mir an.

„Ja, ehm... Wir müssen uns natürlich nicht küssen, aller höchstens Händchenhalten, uns anlächeln, vielleicht sollten wir uns Kosenamen geben, aber keine ganz so kitschigen. Du kannst die Grenzen setzen und wir tun nur das, womit du dich am wohlsten fühlst. Ich richte mich da ganz nach dir, auch was die Bezahlung angeht. Nenn mir den Preis und ich zahle ihn.", redete ich drauflos und merkte selbst, wie gehaspelt meine Worte klangen.

In seinem Blick konnte ich deutlich erkennen, wie amüsiert er war und darüber war ich zwar einerseits froh, wiederum fühlte ich mich dadurch noch etwas lächerlicher als eh schon.

„Wann überhaupt?", fragte er dann nach, was mich kurz überraschte.

Tatsächlich hatte ich noch gar nicht darüber nach gedacht, dass das ganze Vorhaben über die Weihnachtsfeiertage stattfinden sollte und sehr wahrscheinlich, würde er diese Tage selber mit seiner Familie verbringen wollen.

„Ehm... Anscheinend habe ich das ganze überhaupt nicht durchdacht... Meine Mum will, dass ich meinen Freund über Weihnachten mitbringe. Da wirst du natürlich selber deine Familie besuchen wollen." Ich lächelte ihn entschuldigend an, weil ich seine und meine Zeit gerade komplett verschwendet hatte.

Harry schien kurz einen Moment nach zudenken, dann schüttelte er langsam den Kopf, eine gelockte Strähne blieb dabei kurz an seinen Lippen hängen. „Nein."

„Nein?"

„Nein, ich werde meine Familie nicht über Weihnachten besuchen und habe also Zeit."

Dass ich damit überhaupt nicht gerechnet hatte, sah man mir wahrscheinlich an meiner Mimik direkt an und es brauchte ein paar Minuten, bis ich mich wieder gefasst hatte. „Also... Bist du dabei?"

„Dabei deiner Familie am Fest der Liebe vorzumachen, dass wir beide unsterblich ineinander verliebt wären?", fragte er und seine Mundwinkel zuckten nach oben. „Aber klar doch."

***

Es war Sonntag und viel zu früh am Morgen, als ich bei Harry vor der Haustür stand und noch kurz ein paar Sekunden brauchte, bis ich die Klingeln drückte. Als wir uns das erste Mal in dem Café getroffen und er mein Jobangebot angenommen hatte, konnte er nicht mehr lange bleiben, da er noch eine Verabredung hatte, weil aber noch einige Sachen geklärt werden mussten, hatten wir unsere Nummern ausgetauscht und uns für heute erneut verabredet.

Ich drückte mit meinem Ellenbogen die Klingel, weil ich in beiden Händen Kaffee und Croissants trug.

„Guten Morgen, Louis." Auf Harrys Lippen lag ein fröhliches Lächeln, als er die Tür öffnete und mich begrüßte, was darauf hinwies, dass er ein Morgenmensch war. Ich war das komplette Gegenteil.

„Morgen, Harry." Erwiderte ich und ging in seine Wohnung. Es verwunderte mich nicht, dass sie genau so geschnitten war, wie die von Eleanor. Immerhin wohnten sie im selben Hausflur. Seine Wohnung wirkte nur deutlich größer, was vermutlich daran lag, dass sie nicht so vollgestopft war.

Eleanor konnte keine Sachen wegwerfen. Sie musste einfach alles aufheben, an jedem Gegenstand hing eine noch so wertvolle Erinnerung.

Da er selber keine Schuhe trug, zog ich meine im Flur aus, überreichte ihm das mitgebrachte Frühstück und entledigte mich dann auch noch meiner Jacke und der Mütze.

Irgendwie war es komisch, dass ich mich mit jemanden zum Frühstücken traf, den ich gar nicht kannte. So als wäre es ein Date, was es aber halt auf keinen Fall war.

Harry wartete lächelnd auf mich und ging dann voraus in die Küche, in dem es einen kleinen Tisch mit zwei Stühlen gab.

„Der Becher mit dem Smylie drauf ist meiner.", erklärte ich ihm und er sah sie sich an.

„Kreuze als Augen?" Er hob eine Augenbraue fragend an, doch ich zuckte nur mit den Schultern.

Er stellte mir meinen Kaffee hin, holte dann Teller, Besteck und Marmelade raus und ordnete alles auf dem Tisch an. „Es gibt leider nicht so viel Auswahl, da ich selten Zeit zum Frühstücken habe."

„Schon okay, ich bin, was Essen angeht, eh unkompliziert." Ich lächelte ihn an und erwiderte es.

Jeder holte sich ein Croissant aus der Tüte und während wir anfingen zu essen, erzählten wir uns die grundlegenden Sachen von uns.

Harry war 25 und somit nur zwei Jahre jünger als ich, er ist erst vor kurzem in die Stadt gezogen, weswegen er noch keine feste Arbeit gefunden hat und sich mit Gelegenheitsjobs durchschlägt. Ich hingegen wohnte schon mein ganzes Leben lang hier und es war von klein auf klar, dass ich in die Firma meines Vaters mit einstieg, womit ich aber auch nie ein Problem hatte.

„Okay und wie haben wir uns kennengelernt?", fragte Harry nach, nachdem er den letzten Rest von seinem Croissant runtergeschluckt hatte, doch ich konnte mich nur auf die rote Marmelade an seinem Mundwinkel konzentrieren. „Was?"

„Du.. ehm.. du hast da etwas Marmelade..." Ich deutete mit meinem Finger auf die Stelle an seinem Mund, woraufhin er sich mit seiner Zunge über seine Lippen fuhr und für diese kurze Sekunde fiel mir das Denken unfassbar schwer.

„Weg?"

„Hm?"

„Die Marmelade. Ist sie weg?", verdeutlichte er seine Frage und meine Wangen wurden warm, weil ich mir dumm vorkam, also nickte ich schnell. „Okay, also dann. Wie haben wir uns kennengelernt?"

Ich sah zu meinem To-Go Becher, welcher schon fast leer war, aber unendlich interessant aussah. „Hmm. Ich denke, wir bleiben so nah bei der Wahrheit wie möglich, also haben wir uns über Eleanor kennengelernt oder was meinst du?"

Harry nickte langsam. „Klingt gut." Dann grinste er. „Und wer hat wen zuerst angemacht?"

Oh Gott, wie konnte jemandem ein Grinsen nur so gut stehen wie ihm seins? „Du hast mich angelächelt und ich bin dir sofort verfallen." Dass ich diesen Satz laut ausgesprochen hatte, fiel mir erst viel zu spät auf.

Die Grübchen an seinen Wangen waren ein kleines Meisterwerk in seinem perfekten Gesicht und ich fragte mich, wie er noch Single sein konnte.

„Das gefällt mir." Harry stützte seinen Kopf auf der Hand ab und seine grünen Augen funkelten amüsiert.

***

Ob ich nervös war, als ich am 21ten Dezember mit meinem Auto vor dem Wohnkomplex, in dem meine beste Freundin und mein Fake-Freund wohnten, hielt?

Absolut und auf jeden Fall, zu hundert Prozent.

Mittlerweile zweifelte ich sehr daran, ob das ganze eine gute Idee gewesen war. Ich hätte meiner Mum einfach erzählen sollen, dass wir uns getrennt hatten oder dass er keine Zeit hatte, weil er nun mal zu seiner eigenen Familie fuhr. Da ich ihr aber stattdessen seinen Namen genannt hatte und wie sehr er sich darauf freute sie kennenzulernen, parkte ich jetzt am Straßenrand und schrieb Harry, damit er wusste, dass ich da war.

Vorausschauender Weise hatten wir aus gemacht, dass wir noch nicht so lange zusammen waren, damit es nicht so merkwürdig wäre, wenn wir etwas über den anderen doch noch nicht wussten. Ich war zwar an dem Sonntag noch bis Nachmittags bei ihm gewesen und wir hatten uns alles Mögliche übereinander erzählt, von der Lieblingsfarbe bis hin zum ersten Haustier. Ich wusste, dass er eine ältere Schwester hatte und seine Eltern, so wie meine auch, geschieden waren. Dass er nach seinem Schulabschluss eine Ausbildung zum Bäcker gemacht hatte und Hunde über alles liebte. Als er fünf war, hatte er sich beim Schlittschuhlaufen den Arm gebrochen und war seitdem nicht mehr auf einer Eisfläche gewesen. Er hatte keine Allergien, aß kein Fleisch und liebte Apfelstrudel mit Vanilleeis und Sahne, dicht gefolgt von Apfelpfannkuchen und Apfelkuchen, allgemein mochte er Äpfel sehr gerne.

Eigentlich konnte nichts schiefgehen. Außer halt alles.

Ich beobachtete, wie Harry wenig später aus der Haustür rauskam, in einem roten Mantel und einer großen Tasche auf seiner Schulter. Sein Gang wirkte so selbstsicher, als würde er überhaupt keine Zweifel daran haben, Weihnachten mit einer fremden Familie zu verbringen, anstatt mit seiner eigenen.

Warum er nicht selber, über die Feiertage, nach Hause fuhr, hatte ich nicht gefragt, da es offensichtlich schien, dass man entweder keinen Wert auf diese Tage legte oder man sich nicht gut mit seiner Familie verstand, um sie miteinander zu feiern und falls es zweiteres war, dann war das eindeutig etwas, was mich nichts anging. Immerhin war ich nicht wirklich sein fester Freund.

Harry lud seine Reisetasche in den Kofferraum und nahm dann auf dem Beifahrersitz platz.

„Hast du einen bestimmten Musikwunsch?", fragte ich ihn, während er sich anschnallte.

„Weihnachtsmusik", antwortete er mir wie aus der Pistole geschossen, was mich schmunzeln ließ.

Ich nahm mein Handy zur Hand und öffnete auf Spotify eine Weihnachtsplaylist. „Du hast Glück, dass wir nicht so lange fahren, also werde ich das ertragen können."

„Ertragen können?", zweifelnd sah er mich an. „Weihnachtsmusik genießt und fühlt man, da muss man überhaupt nichts ertragen, Louis!"

„Oh Gott... Ich habe das Gefühl, dass du dich viel zu gut mit meiner Mutter verstehen wirst...", murmelte ich leise, während Michael Bublé anfing zu singen und ich den Motor startete.

Als ich noch klein war, wohnten wir direkt in der Stadt, in einem kleinen Mietshaus, welches noch nicht mal einen Garten hatte. Nachdem sich meine Eltern scheiden gelassen hatten, als ich 14 Jahre alt war, wohnten Mum und ich dort noch vier weitere Jahre bis ich aufs College ging und sie keine zwei Wochen später sich ein Haus kaufte, außerhalb der Stadt auf dem Land, wo es fußläufig kein einziges Geschäft gab, sondern nur Felder, Bäume und Wiesen und ich hatte keine Ahnung, was sie dort den ganzen Tag machte.

Jedes Mal, wenn ich sie dort besuchte, kam mir das alles so unfassbar langweilig und leise vor. Nicht dass meine Mum langweilig war und für ein Wochenende war es auch vollkommen okay, aber immer? Es gab dort überhaupt nichts zu tun und wenn man etwas brauchte, musste man erst mal ewig weit fahren.

Harry und ich sind am frühen Vormittag losgefahren und da es dazu auch noch ein Wochentag war, war der Verkehr in der Stadt nicht so voll und gestresst, es dauerte trotzdem eine ganze Weile, bis wir die engen Straßen verlassen hatten und ich endlich auf die Landstraße abbiegen konnte.

Während der Fahrt unterhielten wir uns eigentlich fast gar nicht, da mein Beifahrer eindeutig zu sehr damit beschäftigt war, jedes Weihnachtslied mitzusingen und damit meinte ich wirklich jedes verdammte Lied, welches Spotify abspielte. Ich hatte keine Ahnung, ob ich das beeindruckend und beängstigend finden sollte.

***

Harry setzte gerade zum Refrain von Last Christmas an, als ich die Einfahrt zum Haus hochfuhr, anhielt und direkt den Autoschlüssel rauszog, wodurch die Musik verstummte.

Empört sah er mich an, aber irgendwo musste ich auch eine Grenze ziehen und die war bei diesem Lied angekommen. Ein Wunder, dass es erst am Ende der Fahrt gespielt wurde.

„Na endlich!" Mum kam direkt auf uns zu gelaufen, als wir aus dem Auto ausstiegen und ich war mir sehr sicher, dass sie die ganze Zeit am Küchenfenster gewartet hatte.

Ich umrundete meinen schwarzen VW und wollte sie in die Arme nehmen, so wie jedes Mal, wenn wir uns begrüßten, doch sie sah mich gar nicht erst an.

„Du musst Harry sein." Sie strahlte ihn regelrecht an. „Ich bin Johanna, aber nenn mich ruhig Jay. Ich freue mich ja so, dich endlich kennenzulernen." Und ehe ich mich versah, hatte sie Harry in eine feste Umarmung gezogen.

Ich bemerkte ein kurzes Zögern bei ihm, aber dann legte auch er seine Arme um meine Mum und es wirkte so, als würden sie sich jedes Mal so herzlich umarmen zur Begrüßung.

Nach ein paar Sekunden, in denen sie sich immer noch umarmten, räusperte ich mich und Mum sah mich über seine Schulter hinweg an, wofür sie sich auf die Zehenspitzen stellen musste. Meine Körpergröße hatte ich eindeutig von ihr.

„Ich glaube, mein Sohn wird eifersüchtig, wenn ich dich noch länger umarme.", sagte sie grinsend, worauf hin sie sich endlich losließen.

„Dein Sohn kann mich noch die ganze Nacht halten, er soll sich mal nicht so anstellen.", gab Harry grinsend zurück und kurz blieb mir der Mund offen stehen, bei seiner Erwiderung. So was konnte er doch nicht einfach vor meiner Mutter raushauen.

Mum kicherte nur und kam dann auf mich zu. „Ich freue mich so, dass du da bist und deinen Freund mit gebracht hast." Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange, bevor sie mich umarmte.

Ich legte meine Hände fest auf ihren Rücken und genoss ihre Nähe. Schon von klein auf war ich ein Mamakind gewesen und daran hatte sich nie etwas geändert.

„Harry ist sehr attraktiv.", flüsterte sie mir in mein Ohr.

Kurz hob ich meinen Kopf, um besagten Mann anzusehen. „Ich weiß."

Ich nahm Harrys und meine Tasche aus dem Kofferraum, während Mum sich direkt bei ihm unter hakte und ihn ins Haus führte. Die nächsten Tage würde ich eindeutig in seinem Schatten verbringen.

„Ich habe euch das Gästezimmer hergerichtet. Boo, du kannst ihm ja alles in Ruhe zeigen und euch noch mal frisch machen, während ich uns Kaffee mache." Es war keine Frage von meiner Mum, obwohl es eindeutig unnötig wäre, uns frisch zu machen, immerhin waren wir nicht mal eine ganze Stunde unterwegs gewesen, aber das behielt ich für mich.

„Ohja, Boo. Zeig mir das Haus." Harry sah mich amüsiert an und machte sich eindeutig über den Kosenamen meiner Mum lustig.

Ich streckte ihm die Zunge entgegen, weil ich eindeutig darüber stand und es mir nun mal nicht peinlich war und ging die Treppe hoch.

Es gab nicht sonderlich viel zu zeigen, da sie hier alleine wohnte und keine zwanzig Zimmer nur für sich brauchte. Da war das Badezimmer, das Kreativzimmer, wo sie malte, ihr Schlafzimmer und das Gästezimmer, in dem eigentlich nur ich übernachtete.

„Naja und das ist dann unser Reich für die nächsten Tage.", erklärte ich Harry, während ich die Tür öffnete.

Es war kein wirklich großes Zimmer, aber es reichte für ein Bett, einen Kleiderschrank und einen kleinen Schreibtisch, der seit dem Abschluss meines Studiums nicht mehr wirklich benutzt wurde.

„Gemütlich.", kommentierte er den Raum und damit hatte er wohl recht. Trotz der wenigen Quadratmeter war es durch die sanften Farbtöne der Möbel und der gestrichenen Wand warm und gemütlich.

Ich stellte unsere Taschen am Ende vom Bett ab und sah dann genau dieses noch mal genauer an. Natürlich war es kein Kingsize-Bett. „Ehm... Wir haben gar nicht darüber geredet, aber ich kann natürlich auf dem Boden schlafen, wenn es dir lieber ist."

Harry lachte und setzte sich auf das gemachte Bett. „Also ich habe kein Problem damit, mir ein Bett mit einem Mann zu teilen. Du etwa?"

Sein Lächeln wirkte frech und provozierend zugleich und meine Wangen wurden schon wieder heiß und ich verfluchte ihn. „Natürlich habe ich damit kein Problem."

„Dann ist ja gut, weil der Boden nicht wirklich bequem aussieht." Er wippte auf der Matratze auf und ab. „Das Bett hingegen schon."

***

Den Nachmittag verbrachten wir zu dritt im Wohnzimmer. Wir tranken Kaffee, danach Tee und Mum fragte Harry über alles aus und erst glaubte ich, dass es ihm irgendwann zu viel werden würde, immerhin kannten sie sich nicht und er würde sie nach den Feiertagen nie wieder sehen, aber er beantwortete all ihre Fragen und stellte danach selber welche. Irgendwann unterhielten sie sich, als wären sie schon seit Jahren eng miteinander befreundet und ich hörte einfach nur zu, kam mir fast schon vor wie das dritte Rad am Waagen. Aber das war okay, immerhin nahm es mir die Angst, dass das ganze komplett schiefgehen würde.

Gegen 17 Uhr machte Mum sich dann ans Kochen und als Harry fragte, ob wir ihr helfen können, scheuchte sie ihn schon fast aus der Küche.

„Nimm es nicht persönlich, aber wahrscheinlich hat sie ein paar Traumata von denen malen, wo ich ihr geholfen habe, davon getragen.", erklärte ich ihm, als wir uns aufs Sofa setzten.

„Du kannst nicht kochen?"

„Nicht kochen können ist wahrscheinlich noch viel zu nett dafür ausgedrückt."

Harry sah mich mit großen Augen an. „Ich bin mit jemandem zusammen, der nicht kochen kann?"

„So ist es, Babe." Ich zwinkerte ihm zu und war selber etwas überrascht, als ich den Kosenamen einfach so aussprach.

Seine Mundwinkel zuckten leicht nach oben. „Ich denke, ich werde mich nach den Feiertagen wohl von dir trennen müssen."

Gespielt verletzt griff ich an meine linke Brust. „Aber, ich dachte, wir lieben uns!"

„Es tut mir leid, aber mit jemandem, den man nicht in die Nähe von einer Küche lassen darf, kann ich nicht zusammen sein." Er wischte sich eine imaginäre Träne von der Wange und ich lachte.

***

Es war komisch, im Bett zu liegen und auf Harry zu warten. Er war noch im Badezimmer und ich lag auf der einen Seite der Matratze und hatte die Decke bis kurz vors Kinn hochgezogen.

Was mir erst selbst eben erst aufgefallen war, war, dass es nur eine Decke gab. Sie war zwar groß genug für zwei Personen, aber es war noch mal eindeutig etwas anderes, sich eine Decke zu teilen, als nur ein Bett.

Ich überlegte noch, ob es nicht komisch wäre, Mum nach einer zweiten zu fragen, immerhin gibt es bestimmt genug Paare, die nicht zusammen unter einer Decke schlafen konnten, als die Tür zum Zimmer aufging und Harry reinkam.

Er hatte seine Haare zu einem Dutt zusammen gebunden und, sowie ich, eine Jogginghose und ein Shirt angezogen.

„Wir haben nur eine Decke." Zum Beweis hielt ich ihm sie hoch.

„Okay." Harry zuckte mit seinen Schultern, so als wäre es wirklich kein Problem und wenn es kein Problem für ihn war, dann wäre es auch keins für mich, beschloss ich.

Er setzte sich auf seine Bettseite und schloss sein Handy ans Ladekabel an. Da keiner von uns etwas sagte, kamen mir die anderen Geräusche ungewöhnlich laut vor, besonders als er sich dann neben mich hinlegte.

„Ähm... dann mache ich mal das Licht aus?", sagte ich, was aber mehr wie eine Frage klang, blieb aber regungslos liegen.

„Wenn du es nicht zum Schlafen brauchst, dann wäre ich sehr froh darüber, weil ich es immer so dunkel wie möglich brauche."

Also drehte ich mich etwas auf die Seite, griff nach dem Kabel der Nachttischlampe und schaltete sie aus, wodurch es sofort komplett dunkel im Zimmer wurde.

Ich hörte das Rascheln des Bettbezugs, als Harry sich bewegte. Er murmelte ein leises Sorry, als sein Knie gegen meinen Oberschenkel stieß, weswegen ich etwas zur Seite rutschte, dadurch aber schon fast aus dem Bett fiel.

140 cm waren verdammt klein.

„Gute Nacht, Louis.", wünschte er mir, was direkt in ein Gähnen überging.

Ich musste leicht schmunzeln. „Gute Nacht, Harry."

***

Der nächste Morgen kam viel zu früh. Gefühlt hatte ich keine Sekunde geschlafen. Nachdem ich erst nicht einschlafen konnte, weil Harrys Atmung viel zu laut und viel zu nah an meinem Ohr war, bin ich danach jedes Mal aufgewacht, sobald er sich bewegte.

Ich war es eindeutig nicht gewohnt, neben jemanden zu schlafen. Die einzige Person, die in den letzten Jahren mit mir ein Bett geteilt hatte, war Eleanor und das auch nur rein freundschaftlich und bei ihr hatte ich eindeutig kein Problem damit, ihr mein Bein in den Rücken zu drücken, wenn sie mir zu dicht auf die Pelle rückte.

Harry aber wollte ich unter keinen Umständen aufwecken.

Er hingegen schien aber überhaupt kein Problem damit zu haben, denn als die ersten Sonnenstrahlen durch den Schlitz der Gardine drangen, schien er hellwach zu sein. „Louis?"

Anstatt zu antworten, zog ich mir die Decke über den Kopf.

„Ach komm schon. Es ist schon acht Uhr!" Er zog am anderen Ende der Decke, um sie mir wegzuziehen, doch ich hielt dagegen. „Ich brauche Kaffee."

„Dann geh runter, Mum macht dir bestimmt gerne einen.", brummte ich, weil ich wirklich noch nicht bereit dazu war, aufzustehen.

„Ich fände es aber komisch, ohne dich runterzugehen.", argumentierte Harry, was mich zum Aufstöhnen brachte.

Ich umklammerte die Decke fester, weil auch er mehr Kraft in sein Ziehen legte. „Gestern wart ihr doch beste Freunde, also geh einfach runter, Harry."

„Bitte Louis.", jammerte er, aber ich wollte wirklich noch nicht das Bett verlassen.

Ich schlang meine Beine um die Bettdecke, damit sie mir auf keinen Fall davon rutschte und zog dann mit einem kräftigen Ruck dran.

Womit ich allerdings nicht gerechnet hatte, war, dass Harry seine Seite einfach losließ.

Durch den fehlenden Widerstand rollte ich zur Seite und fiel mit den Beinen aus dem Bett. Das dumpfe Geräusch vom Aufprall und der Schreck ließ mich meine Augen aufreißen und verwirrt durch die Dunkelheit schauen.

„Fuck", fluchte Harry und beugte sich zu mir rüber. „Alles okay?"

„Ehm..." Ich brauchte kurz einen Moment, während ich mich langsam komplett auf den Boden sinken ließ. „Wenn du jeden Morgen so ein Unmensch bist, dann müssen wir uns eindeutig noch vor Weihnachten trennen."

Harrys Lachen füllte den Raum und bescherte mir Gänsehaut auf den Armen. Ich war eindeutig noch nicht richtig wach. „Du bist hier der Unmensch! Immerhin bin ich hier Gast, also solltest du mich nicht alleine aufstehen lassen."

Ich verdrehte meine Augen, konnte aber das Lächeln nicht unterdrücken. „Ich bin kein Morgenmensch, okay? Lass mich einfach erst mal wach werden, bevor ich aufstehen muss."

„Okay." Harry seufzte und stützte sein Gesicht auf seinen Händen ab, er lag mittlerweile quer übers Bett. „Du bist jetzt vermutlich wach, oder?"

Ich erkannte sein breites Lächeln in dem wenigen Licht und schloss kurz meine Augen. „Kann man wohl so sagen."

***

Mum hatte natürlich schon den kompletten Tisch zum Frühstücken eingedeckt, als wir nach unten kamen und strahlte uns über ihre Tasse hinweg an. „Guten Morgen, ihr zwei."

Von mir kam nur irgendwas Gemurmeltes, weil es noch nicht einmal neun Uhr war. Harry war da schon wortreicher. „Guten Morgen, Jay. Das Frühstück sieht wundervoll aus."

Ich verdrehte meine Augen und setzte mich an meinen Stammplatz, griff stumm zur Kaffeekanne und schenkte erst mir und dann Harry eine Tasse ein, füllte seine dann noch mit einem Schuss Milch auf, bevor ich ihm sie rüber schob.

„Danke, Lou." Er lächelte mich sanft an und ich fragte mich, wie seine Locken so gut aussehen konnten direkt am Morgen. Die Hälfte seiner Haare hatten sich während des Schlafens aus seinem Dutt gelöst, aber es sah mehr gewollt, als unordentlich aus.

***

Nach dem Frühstück fuhr Mum los zum Einkaufen, um alles für Weihnachten zusammen zu haben. Ich bot ihr an, dass wir mitkommen könnten, doch sie lehnte natürlich ab. Wir sollten doch die Zeit zu zweit nutzen und dann zwinkerte sie mir zu und das war mir alles mehr als unangenehm, denn sie ging anscheinend davon aus, dass wir nun direkt übereinander herfielen, sobald sie mit dem Auto auf die Straße abbog.

Das taten wir aber natürlich nicht.

Stattdessen zogen wir uns selbst warm an und machten einen Spaziergang.

„Es ist wirklich schön hier." Harrys Nasenspitze war ganz rot geworden von der Kälte und weil er sein halbes Gesicht im Schal vergrub, stach sie besonders hervor.

„Hm.", gab ich zurück, weil er irgendwo natürlich recht hatte. Der blaue Himmel war nur von wenigen weißen Wolkenschleier bedeckt und die Sonne fühlte sich trotz der niedrigen Temperaturen angenehm auf der Haut an. Die Felder waren mit Frost überzogen und anstatt dem Großstadtlärm hörte man Vogelgezwitscher oder die Tiere vom nächsten Bauernhof.

„Ich würde später gerne mit meiner eigenen Familie auf so einem Dorf leben", erzählte er mir, was mich irgendwie überraschte.

„Wirklich?"

„Mhm. Mit meinem Ehemann, ein paar Kindern und zwei Hunden, vielleicht auch drei Hunde." Ich erkannte das Lächeln, welches leider zu sehr vom Schal verdeckt wurde. „Bedauerlicherweise sind die meisten Dörfer noch viel zu veraltet in ihren Ansichten. Wahrscheinlich würden sie kein schwules Ehepaar akzeptieren und es direkt mit Fackeln und Mistgabeln rausscheuchen."

Es machte mich traurig, dass er glaubte, seinen Traum nicht leben zu können, nur weil es da draußen Menschen gab, die unfassbar, engstirnig und dumm dachten. „Mum meinte, dass hier alle ganz begeistert davon waren, als sie erzählt hatte, dass ich einen festen Freund hätte."

„Echt?", fragte er ungläubig nach.

Ich nickte und ohne darüber nachzudenken, griff ich nach seiner Hand. „Jap. Hier wird keiner was sagen, wenn wir Händchenhaltend die einzige Straße entlang laufen."

Harry sah auf unsere Hände runter und kurz glaubte ich, dass er seine wegziehen würde, doch er tat es nicht. „Dann werde ich vielleicht irgendwann hierherziehen."

Ich lachte. „Das würde meiner Mum bestimmt sehr gefallen."

***

Nach dem Spaziergang waren wir beide so durchgefroren, dass wir erst mal nacheinander duschten und machten es uns dann auf dem Sofa bequem und als Mum dann irgendwann wieder vom Einkaufen kam, halfen wir ihr beim Reintragen der ganzen Tüten und beim auspacken.

Da es ab dem Nachmittag anfing zu regnen, setzten wir uns an den Tisch und fingen an Brettspiele zu spielen, während wir Tee tranken. Irgendwann machte Mum sogar den Kamin an, als es draußen langsam dämmerte und zündete ein paar Kerzen an und es fühlte sich alles so richtig an, mit den beiden zusammenzusitzen und ein Spiel nach dem anderen zu spielen.

Es stellte sich heraus, dass Harry kein wirklich guter Verlierer war, was um so lustiger machte, ihm beim Uno vier Karten ziehen zu lassen. Er schob dann immer beleidigt die Unterlippe vor und legte die Stirn angestrengt in Falten.

Am Abend kochte Mum ihre berühmte Kartoffelsuppe, welche ich schon als kleines Kind geliebt hatte und während wir sie auf dem Sofa aßen, lief irgendein kitschiger Weihnachtsfilm, mit dem ich überhaupt nichts anfangen konnte, aber Harry und Mum liebten ihn.

***

„Es ist so harmonisch bei euch.", flüsterte Harry als wir kurz vor Mitternacht im Bett lagen.

„Wir sind ja auch nur zu zweit... Keine Ahnung, ob es noch so harmonisch wäre, wenn ich Geschwister hätte.", erwiderte ich ebenso leise und drehte mich zu ihm auf die Seite.

Er lag ebenfalls in meine Richtung gewandt, aber weil das Licht schon aus war, konnte ich nicht sonderlich viel von ihm erkennen. „Ich glaube schon. Deine Mama liebt dich und das hätte sich bestimmt nicht durch ein weiteres Kind geändert."

„Aber vielleicht hätten das weitere Kind und ich uns nur gestritten."

Ich hörte, dass er den Kopf schüttelte. „Glaube ich nicht."

Keine Ahnung, warum er sich da so sicher war, aber ich nahm es einfach so hin. „Verstehst du dich mit deiner Schwester?"

„Ja.", war seine knappe Antwort, dann war es kurz still, bis er doch noch weiter sprach. „Wir haben aber nicht mehr so viel Kontakt wie früher."

„Warum?"

„Wir haben uns wohl einfach auseinander gelebt..." In seinen Worten schwang eine gewisse Traurigkeit mit, die mich dazu brachte, unter der Decke nach seiner Hand zu greifen, das zweite Mal an diesem Tag, und sie sanft zu drücken.

„Das tut mir leid", sagte ich leise.

„Danke."

***

Am nächsten Morgen wachte ich vor Harry auf und verschluckte mich fast an meiner eigenen Spucke, als ich die Augen öffnete.

Sein Gesicht lag direkt vor meinem. Meine Nase war nur wenige Millimeter von seiner Wange entfernt und sein Atem streifte mein Ohr. Ich spürte sein Knie an meinem Oberschenkel und meine Hand lag auf seinem Oberarm.

Ich hatte keine Ahnung, wie es passiert war, dass wir uns so nah beim Schlafen gekommen waren, aber ich war verdammt froh darüber, dass Harry noch nicht wach war.

Seine gleichmäßige Atmung kitzelte meine Haut und ich spürte, wie sich meine Härchen im Nacken aufstellten. Ich sollte mich eindeutig bewegen, bevor er aufwachte, doch stattdessen sah ich sein Gesicht an. Seine dünnen, dunklen Augenbrauen, die dichten Wimpern, seine pinken Lippen, die einen kleinen Spalt geöffnet waren und... oh fuck.

Schnell drehte ich mich auf den Rücken, sah unter der Decke an mir runter und schloss dann meine Augen. Natürlich bin ich ausgerechnet heute mit einer Erektion aufgewacht.

Frustriert stand ich auf, verließ das warme Zimmer und ging duschen.

***

Ohne noch mal ins Gästezimmer zurückzugehen, ging ich frisch geduscht die Treppe runter, wo natürlich Mum schon längst wach war und den Tisch zum Frühstücken eindeckte.

„Morgen." Ich drückte ihr einen Kuss auf die Wange und griff an ihr vorbei zur Kaffeekanne, welche sie gerade befüllt hatte.

„Oh, so früh schon wach, Boo?", fragte sie mich überrascht, worauf hin ich nur brummte. „Und Harry schläft noch?"

Wieder gab ich als Antwort nur ein Brummen, weil mir überhaupt nicht nach reden war.

„Hach, wie sehr ich es doch vermisst habe, wie gesprächig du morgens bist.", flötete sie fröhlich. „Das hast du eindeutig von deinem Dad."

Weil das eindeutig keine neue Information für mich war, verdrehte ich meine Augen und trank endlich den ersten Schluck vom heißen Kaffee.

Nachdem ich meine erste Tasse ausgetrunken hatte, kam Harry nach unten.

„Ich war mir ziemlich sicher, dass dich Aliens entführt haben müssen, als ich aufgewacht bin und du nicht da warst.", war seine Begrüßung an mich, doch ich hatte immer noch zu wenig Koffein intus, um auf seinen Witz einzugehen.

Also reichte ich ihm wortlos eine Tasse mit Kaffee und Milch hin.

„Danke, Babe.", sagte er und gab mir einfach so einen Kuss auf die Wange.

Komplett verwirrt sah ich ihn an, doch er lächelte einfach nur und begrüßte dann meine Mum.

***

Einen Tag vor Heiligabend holten wir immer unseren Weihnachtsbaum, also setzten wir uns nach dem Frühstück zusammen in das Auto von Mum, weil es größer war als meins und fuhren los. Natürlich machte sie Weihnachtsmusik an und in der nächsten halben Stunde durfte ich dabei zu hören, wie sie zusammen mit meinem Fake-Freund einen Hit nach dem anderen viel zu laut und viel zu schief mit sangen.

Obwohl ich genervt mein Gesicht zum Beifahrerfenster drehte, konnte ich ein Lächeln nicht unterdrücken und das sanfte Kribbeln in meinem Bauch nicht komplett ignorieren.

Wir kauften den Baum immer beim selben Anbauer, seitdem meine Mum hier wohnte und natürlich war es wie jedes Jahr einen Tag vor dem 24ten Dezember komplett überfüllt. Wir fanden gerade noch so einen Parkplatz und mussten noch einen guten Fußweg hinter uns bringen, bis wir beim Eingang waren und dann fing das Problem an.

Mum und ich stritten uns eigentlich nie, wir hatten mal Meinungsverschiedenheiten, aber an unseren letzten richtigen Streit konnte ich mich nicht mehr erinnern. Außer halt an unseren jährlichen Streit um den perfekten Weihnachtsbaum.

„Der ist viel zu groß, Louis.", bemängelte sie den ersten Baum, den ich vorschlug.

„Der hat ja kaum Tannen, Mum.", lehnte ich ihren Vorschlag sofort ab.

Der nächste war zu klein, der andere zu breit, zu hässlich, zu ungrün, zu dunkelgrün und so weiter und sofort.

„Du kannst doch nicht an jedem, den ich dir zeige, was zu bemängeln haben!" Wir waren schon eine gefühlte Ewigkeit unterwegs und langsam wurde mir kalt.

„Musst du gerade sagen.", gab sie zurück und sah mich gar nicht erst an. Ich liebte sie wirklich, aber hatte keine Ahnung, wie wir bei so einem Thema eine so unterschiedliche Meinung haben konnten.

Harry hatte das alles bisher einfach stumm ertragen, wenn ich ihn zwischendurch ansah, lag so sogar ein amüsiertes Grinsen auf seinen Lippen. Schön, dass er so viel Spaß dabei hatte.

Wir hatten alle Bäume bestimmt schon zwei Mal umrundet und fingen nun mit der dritten Runde an, so als würden in der Zeit neue aus dem Boden schießen.

„Wie wäre es mit dem hier?", fragte Harry plötzlich und Mum und ich sahen gleichzeitig in seine Richtung.

Er stand direkt neben einem Tannenbaum, welcher... Welcher einfach perfekt war. Die perfekte Größe, die perfekte Breite und die perfekte Farbe.

„Wo hast du den gefunden?" Ich sah ihn komplett überrascht an, weil dieser Baum uns eindeutig aufgefallen wäre.

Harry zuckte mit seinen Schultern. „Naja, ich habe zur Seite geschaut und da stand er..."

„Ich verstehe vollkommen, warum Louis sich in dich verliebt hat." Überschwänglich nahm Mum ihn in den Arm und damit war es entscheiden, welchen Baum wir kaufen würden.

***

In gemütlichen Klamotten ging ich zu meiner Mum in ihren Kreativraum, wo sie vor ihrer Staffelei stand und mit dem Pinsel über die Leinwand strich.

Die Sonne ging mittlerweile schon wieder unter und nachdem der Tannenbaum gekauft war, herrschte Frieden zwischen uns.

Sie sah auf und lächelte mich an, als sie mich hörte. „Alles gut bei euch?"

„Ja.", antwortete ich schlicht. „Und bei dir?"

„Bei mir auch. Wie könnte es auch nicht? Es ist so schön, zu sehen, wie verliebt ihr ineinander seid."

Ich stockte kurz in meinem Gang. „Verliebt?"

„Aber klar. Wie ihr zusammen lacht oder euch anlächelt oder wenn du ihm einfach seinen Kaffee einschenkst, ohne dass er was sagen muss."

Meine Wangen wurden warm und sich sah runter zum Boden.

„Das muss dir nicht peinlich sein, Boo." Mum legte ihren Pinsel ab und kam zu mir rüber. „Ich bin froh, dass du endlich jemanden gefunden hast, mit dem du glücklich bist. Harry scheint wirklich toll zu sein."

Sie legte sanft ihre Hand an meine Wange und lächelte mich an. „Ich hatte immer Angst, dass du nie eine feste Beziehung hast, läge daran, dass dein Vater und ich dir nie ein gutes Beispiel waren."

„Nein, daran lag es nie, Mum." Versicherte ich ihr schnell.

„Das weiß ich nun auch. Aber dass er daran lag, dass du schwul bist und mich nie getraut hast, das zu sagen, hat mich auch verletzt. Immerhin bist du 27 und hast nie ein Wort darüber verloren.", erzählte sie mir und ich fühlte mich verdammt schlecht. „Aber ich wollte immer nur, dass du glücklich bist und deswegen bin ich es nun auch und weiß, dass deine Sexualität und dein Umgang damit überhaupt nichts mit mir oder unserer Beziehung zueinander zu tun hat."

„Ich..." Ich hatte keine Ahnung, was ich darauf sagen sollte, denn mir war nie bewusst gewesen, was ich mit meiner Lüge bei ihr auslösen würde.

Natürlich würde sie sich Gedanken darüber machen, warum ich mich erst so spät vor ihr geoutet hatte.

„Louis?" Harrys Stimme aus dem Flur war wie ein Geschenk, denn sie bot mir den perfekten Ausweg aus dieser Situation.

„Ich bin hier.", rief ich zurück, lächelte dann meine Mum noch mal an und ging raus auf den Flur.

Harry stand vor dem Gästezimmer und ich drängte mich schnell an ihm vorbei und öffnete das Fenster, hielt das Gesicht raus, weil ich das Gefühl hatte zu ersticken.

Ich hörte, wie die Tür geschlossen wurde.

„Ist alles okay?", fragte Harry zögerlich.

Ich brauchte noch kurz einen tiefen Atemzug, bis ich mich wieder vom Fenster weg lehnte. „Nein, denn ich bin wirklich der dümmste Mann auf dieser Welt."

„Mhm... Das ist eine interessante Feststellung, wie kommst du drauf?"

Bevor ich mich auf die schmale Fensterbank setzte, schloss ich das Fenster und sah kurz Harry an. Er stand an der Tür gelehnt. „Mir war nicht bewusst, was ich mit meiner dämlichen Lüge alles anrichten könnte..."

„Weil es deiner Mum das Herz bricht, wenn wir uns wieder trennen?" Er schmunzelte, aber mir war gerade nicht nach Scherzen zu mute.

„Nein, weil sie glaubt, dass ich ihr nicht genug vertraut habe, um ihr zu erzählen, dass ich schwul bin." Meine Worte kamen heftiger als erwartet aus meinem Mund und Harry sah mich überrascht an.

„So wie Jay auf mich wirkt, wird sie das verstehen. Nicht jeder weiß schon mit neun, dass er schwul ist und nicht jeder outet sich mit 14, nachdem er seinen ersten Kuss mit einem Jungen hatte. Jeder Mensch hat seine eigene Zeitlinie und das hat nicht immer was mit den Menschen in seinem Umfeld zu tun."

Jetzt sah ich Harry überrascht an, bis es bei mir klick machte. Er dachte, dass ich schwul war. Natürlich dachte er das. Immerhin hatte ich ihm nur erzählt, dass ich einen festen Freund bräuchte, weil ich meiner Mum erzählt hatte, dass ich in einer Beziehung sei. Dass die Lüge noch viel weiter ging, hatte ich ihm gar nicht gesagt.

„Harry, ich bin nicht schwul."

Seine Gesichtszüge, die sonst immer weich waren, verhärteten sich sofort. „Du hast ihr gesagt, dass du gay bist, obwohl du es nicht bist?"

Ich nickte nur als Antwort.

„Wow.", kam es knapp und kalt von ihm. „Weißt du eigentlich, was-"

Weiter kam er nicht, da es an der Tür klopfte und Mum ihn im Satz unterbrach. „Ich will euch nicht stören, Jungs, aber kommt ihr heute Abend mit zu Mark?"

***

Mark gehörte dem größten Bauernhof hier in der Gegend und jedes Jahr vor Weihnachten veranstaltete er einen kleinen Weihnachtsmarkt, weil es im Dorf natürlich keinen gab. Es wurden Bratwürstchen und Créps verkauft, es gab Glühwein und ein Lagerfeuer und eigentlich kamen immer alle Bewohner.

Deswegen waren Mum, Harry und ich natürlich auch dabei, auch wenn zwischen Harry und mir eine komische Stimmung herrschte, seit dem Gespräch.

Mittlerweile war es komplett dunkel draußen, obwohl es erst 18 Uhr war. Ich hatte meine Mütze tief in die Stirn gezogen und vergrub mein Kinn im Kragen meiner Winterjacke. Es war arschkalt und ich freute mich schon auf die Wärme, die der Glühwein in meinem Körper verbreiten würde.

Ich ging hinter meiner Mutter und Harry her, welche sich angeregt über irgendetwas unterhielten. Wahrscheinlich wie toll es war in deinem Dorf zu leben, also kein Gesprächsthema für mich.

Als wir auf dem Hof ankamen, waren schon gefühlt alle da und wir wurden sofort begrüßt.

„Ah, Jay! Wie schön, dass du da bist!" Mark begrüßte meine Mum herzlich mit einer Umarmung und mir fiel eindeutig auf, dass diese länger als nötig war. Seitdem meine Eltern sich geschieden hatten, war sie Single. „Und Louis ist auch wieder da." Er klopfte mir auf die Schulter und ich lächelte ihn an. „Oh und dann musst du Harry sein. Jay hat uns schon allen von dir erzählt!"

Harrys Lächeln wirkte etwas gezwungen, aber er erwiderte den Händedruck. „Haha, ja der bin dann wohl ich. Schön, Sie kennenzulernen."

„Ach, quatsch. Wir sind hier natürlich alle beim du! Ich bin Mark und mir gehört dieser Bauernhof und deswegen geht der erste Glühwein natürlich auch auf mich!"

Und ehe wir uns versahen, hatte jeder eine Tasse mit dem heißen Wein in der Hand. Dankbar nahm ich direkt einen großen Schluck und verbrannte mich natürlich daran.

„Scheiße." Hastig hustete ich und hielt meine Zunge an die Luft, damit sie etwas abkühlen konnte.

„Alles okay?", fragte mich Harry und sah mich etwas besorgt an und ich war erleichtert, denn anscheinend hasste er mich doch nicht.

Ich nickte vorsichtig. „Ja, nur etwas an der Zunge verbrannt."

„Achso." Kam es dann wieder sehr knapp von ihm und die besorgten Gesichtszüge verschwanden.

Klar, war es scheiße von mir gewesen, ihm nicht deutlich zu machen, was meine Sexualität betraf, aber es ging hier ja eh nicht um echte Dates. Es war alles nur Fake, wieso regte es ihn also so sehr auf?

Mum war in der Menge verschwunden und nachdem Mark uns die Getränke gebracht hatten, blieben Harry und ich alleine zurück.

Bisher gab es nie unangenehmes Schweigen zwischen uns, was die Situation jetzt noch viel schlimmer machte. Ich sah aus dem Augenwinkel zu ihm rüber und er sah gerade aus, beobachtete die anderen Menschen, während er seinen Glühwein mit den behandschuhten Handschuhen festhielt.

Er trug seinen roten Mantel und eine schwarze Mütze, unter welcher seine braunen Locken raushingen. Wie immer sah er gut aus, besonders mit dieser geröteten Nasenspitze, die ihn mehr süß als attraktiv wirken ließ.

Verwirrt über meine eigenen Gedanken, nahm ich noch einen Schluck vom Glühwein. Es war das eine, einen anderen Mann attraktiv zu finden, aber ihn plötzlich mit dem Wort süß zu beschreiben...

„Louis!" Eine ältere Frau kam auf mich zu und ich brauchte einen kurzen Moment, um sie zu erkennen.

„Wie schön, dass du auch gekommen bist!" Sie drückte mich etwas zu fest an sich, was ich aber einfach über mich ergehen ließ. „Jay hat erzählt, dass du deinen Freund mitgebracht hast. Ist das wahr? Ist er hier?"

Ich lächelte sie schwach an und drehte mich dann zu meinem Fake-Freund um. „Hey, Harry. Hier ist jemand, der dich kennenlernen möchte." Harry sah mich kurz verwirrt an, kam dann aber die wenigen Schritte zu mir rüber. „Gabby, das ist Harry, mein... Mein Freund. Harry, das ist Gabby, eine Freundin von Mum."

„Oh, freut mich dich kennenzulernen, Gabby." Harry lächelte sie charmant an und man konnte an ihrem Gesichtsausdruck sofort erkennen, wie begeistert sie von ihm war.

„Ach, wie höflich! Es ist so schön, euch hier zusammen zu sehen. Seit Jahren sind es immer nur dieselben Leute und Ehepaare hier im Dorf und nun kommen endlich zwei junge, überaus attraktive, schwule Männer zu uns!", plapperte sie drauflos und ich wollte sie eigentlich darauf hinweisen, dass wir theoretisch nicht hier wohnten, aber sie redete einfach weiter. „Fred wird sich so ärgern, dass er lieber zu Hause auf dem Sofa liegen bleiben wollte. Kann ich ein Foto von euch zwei machen, was ich ihm unter die Nase reiben kann?"

„Ehm..." Ich sah zu Harry, weil ich ihm die Entscheidung überlassen wollte.

Dieser zuckte mit seinen Schultern und legte dann seinen freien Arm um meine Schultern, grinste. „Klar doch. Fred eins auszuwischen, klingt wundervoll."

Gabby zückte sofort ihr Handy und machte ein Foto, während wir beide in die Kamera lächelten. „Oh und ein Kussfoto natürlich!"

„Ehm...", kam es nur wieder von mir. Dass die Freundin meiner Mum schon immer etwas distanzlos war, wusste ich ja, aber das ging dann doch vielleicht etwas zu weit.

„Dann muss ich aber eben mal die Tasse loswerden." Überrascht sah ich zu Harry, welcher noch schnell die Tasse ansetzte, den Rest austrank und diese dann auf einen Holztisch abstellte und wieder zu mir zurückkam.

Er stellte sich direkt vor mich, brachte sein Gesicht nah an meins und flüsterte: „Oder hast du ein Problem damit, einen Mann zu küssen, so als Heterosexueller?"

Ich konnte die Provokation genau raushören, er scherzte nicht und er wollte mich auch nicht einfach nur aufziehen. Er wollte mich eindeutig herausfordern.

„Glaubst du etwa, ich habe noch nie einen Mann geküsst?", gab ich zurück und sah ihm direkt in die grünen Augen, die etwas dunkler schimmerten als sonst.

„Dann ist ja alles gut.", sagte er noch leiser und im nächsten Moment, lag seine Hand schon in meinem Nacken und im darauffolgenden Moment, sein Mund schon auf meinem.

Seine Lippen waren kalt und fühlten sich rau an und der Kuss dauerte keine zehn Sekunden, dann ließ er mich wieder los.

„Ich brauche noch mehr Alkohol.", sagte er lächelnd und ging dann einfach weg.

Verwirrt sah ich ihm hinterher und hatte keine Ahnung, was gerade geschehen war, nur dass mein ganzer Körper sich heiß anfühlte.

„Hach, junge Liebe ist einfach das schönste." Das Gabby ja ein Foto machen wollte, fiel mir erst wieder ein, als sie wieder bei mir stand. „Ich schicke deiner Mama auch die Fotos, ja? Dann kann sie sie dir schicken."

Ich nickte einfach nur, sah immer noch Harry hinterher, der mit seiner Größe einfach zu verfolgen war.

***

Das ganze Fest auf Marks Bauernhof ging nie wirklich lange. Die meisten, die hier lebten, waren schon in Rente und gingen meistens schlafen, sobald die Sonne untergegangen war. Deswegen wurde es ab 22 Uhr auch immer leerer und leerer.

Harry stand bei Mum und Mark und ich hatte mich etwas weiter weg auf eine Bank gesetzt, trank mittlerweile meinen vierten Glühwein und hatte kein weiteres Wort mit meinem Fake-Freund gewechselt, sondern ihn durchgehend einfach nur angestarrt.

Kam ich mir vor, wie ein Stalker? Eindeutig. War ich betrunken und es mir deswegen egal? Auf jeden Fall.

„Hey, Boo. Wir würden langsam gehen wollen." Mum war zu mir an die Bank gekommen, hinter ihr Harry und sah mich sanft an.

„Okay." Sie hatte mich schon oft genug betrunken erlebt, trotzdem versuchte ich mich so gut es geht zusammen zu reißen. Sie würde so oder so Fragen stellen, weil ich den ganzen Abend abgesondert saß, anstatt mich zu ihnen zu gesellen.

Der Rückweg verlief schweigend. Ich war mir nicht genau sicher, wie viel Harry getrunken hatte, aber seine Schritte waren auch nicht mehr wirklich gerade, also waren wir wahrscheinlich auf demselben Pegel.

Mum sagte uns an der Treppe zum ersten Stock gute Nacht und ich ging in die Küche, um zu mindestens noch ein Glas Wasser zu trinken, bevor ich ins Bett ging. Was Harry tat, war mir egal.

Da ich mich in dem Haus auskannte, als wäre es mein eigenes, machte ich mir nicht die Mühe Licht anzumachen, sondern griff im Dunkeln nach der Schranktür, in denen die Gläser waren, holte mir eins raus und füllte es mit Wasser auf, welches neben dem Kühlschrank stand.

Gierig trank ich in großen Schlucken das Glas leer und füllte es mir gleich darauf erneut auf. Nachdem ich das ausgetrunken hatte, füllte ich es mir erneut mit Wasser auf, um es diesmal mit nach oben ans Bett zu nehmen und holte dann ein zweites Glas aus dem Schrank, schenkte auch dort Wasser ein.

Vielleicht war es mir doch nicht so egal, was Harry tat.

Als ich oben im Gästezimmer ankam, lag er schon im Bett, seinen Rücken der Tür zugewandt und die Decke bis über sein Kinn hochgezogen.

Leise stellte ich das Glas für ihn, auf dem Nachttisch auf seiner Seite ab, danach dann meins auf der anderen Seite und ging ins Badezimmer.

Da ich viel zu müde für irgendetwas war, entleerte ich nur meine Blase und putze mir unter drei Minuten die Zähne. Meine Schlafsachen hatte ich nicht mitgenommen, also zog ich mir Jeans und Pullover einfach aus und ging in Unterhose und T-Shirt zurück ins Zimmer.

Harry lag immer noch genau so im Bett, also wechselte ich mein Oberteil gegen mein Shirt zum Schlafen und zog mir meine Jogginghose darüber und legte mich dann auf meine Seite der Matratze, mit dem Gesicht der Wand zugewandt.

„Danke." Drang Harrys Stimme ganz leise durch die Stille und ich schloss meine Augen.

„Bitte."

Ich dachte, das wäre es jetzt gewesen, aber er schien noch nicht schlafen zu wollen. „Ich bin sauer auf dich."

Hörbar seufzte ich und drehte mich auf den Rücken, sah an die Decke. „Wieso?"

„Dass du einfach lügst, was deine Sexualität angeht, macht mich wütend.", erklärte er mir.

„Was geht dich das denn an?" Ich wollte nicht pampig klingen, merkte aber selber, dass es mir nicht wirklich gelang.

Harry bewegte sich neben mir und als ich zu ihm sah, hatte er sich hingesetzte und an das Kopfteil vom Bett gelehnt und weil ich dadurch das Gefühl hatte, er würde auf mich runterschauen, tat ich es ihm gleich.

„Weißt du eigentlich, wie viele Menschen auf dieser Welt lügen müssen, um nicht wegen ihrer Sexualität verspottet, verprügelt, verhaftet oder sogar getötet zu werden?" Harrys Stimme zitterte beim Sprechen. „Wie viele da draußen sagen sie seine Hetero und sich verbieten, die Person zu lieben, die sie eigentlich lieben, nur um in Sicherheit zu sein?"

Ich hatte keine Ahnung, was ich darauf antworten sollte, also sagte ich nichts.

„Und du lügst deine eigene Mutter an, damit sie dich nicht weiter nervt. Du hast wirklich gedacht, dass es einfach wäre schwul zu sein? Meine Familie redet nicht mehr mit mir, seitdem ich mich geoutet habe, Louis!" Er klang wütend und verletzt und ich schämte mich in Grund und Boden, weil er so verdammt recht hatte.

„Ich-", setzte ich an, doch er unterbrach mich sofort.

„Nein, lass es gut sein. Ich will es gar nicht hören." Blockte er sofort ab. „Anscheinend habe ich irgendetwas in dir gesehen, was nicht da ist."

Im Dunkeln konnte ich beobachten, wie er wieder runter rutschte, um sich hinzulegen, doch ich griff schnell nach seinem Oberarm und hielt in fest. „Hör mir bitte zu, Harry. Bitte."

Es dauerte kurz, dann nickte er leicht und ich atmete erleichtert aus.

„Du hast recht. Komplett und vollkommen und ich bin ein kompletter Idiot.", räumte ich sofort ein. „Ich kann mein Verhalten auch mit nichts entschuldigen, weil ich eindeutig nicht darüber nach gedacht hatte, als meine Mum angelogen hatte. Ich habe so ein großes Privileg mit meiner Familie und habe mich wie ein ekelhafter weißer, cis-Mann verhalten und ich wollte auf keinen Fall von irgendwem die Gefühle verletzten." Meine Worte überschlugen sich fast, weil ich so schnell redete. „Besonders dich wollte ich damit nicht verletzen. Deine Familie ist bescheuert und du bist wundervoll."

Wieder wurde es still im Zimmer und ich rechnete damit, dass Harry meine Entschuldigung nicht annehmen würde. Dass er sich einfach umdreht zum Schlafen und es dann war. Was ich eindeutig verdient hätte.

Doch dann fing er an zu lachen und ich war verwirrt über seine Reaktion, aber auch so froh und musste ganz automatisch mit lachen.

„Oh Gott, manchmal bin ich so ne Dramaqueen, besonders wenn ich Alkohol getrunken habe.", meinte er dann. „Du kannst natürlich überhaupt nichts für diese ganzen homophoben Menschen auf dieser Welt."

Ich schüttelte meinen Kopf. „Nein, du hast komplett richtig reagiert. Danke, dass du mich auf mein schreckliches Verhalten hingewiesen hast."

„Dann war das wohl unser erster Streit als Paar, hm?" Ich hörte das Grinsen aus seinen Worten raus und konnte das Zucken meiner eigenen Lippen nicht verhindern.

„Finde den haben wir gut gemeistert. Darf gerne immer so ablaufen."

„Finde ich auch."

Harry nahm meine Hand in seine, verflochtet unsere Finger miteinander und strich mit seinen Daumen über meinen Handrücken, was ganz komische Sachen mit meinem Bauch machte. „Sorry, dass ich dich einfach geküsst habe."

Ich wünschte mir, dass es nicht so dunkel im Zimmer wäre, damit ich seinen Gesichtsausdruck sehen könnte. „Wie gesagt, glaubst du wirklich, ich hätte noch nie einen Mann geküsst?"

„Wirklich?"

„Mhm." Es fiel mir etwas schwer, meine Aufmerksamkeit bei dem Gespräch zu behalten und nicht auf seine Haut in meiner. „Ich war 16, glaube ich, und da hat mich so ein Typ auf einer Party geküsst. Keine Ahnung, wie es dazu kam, vielleicht war ich zu betrunken, um zu erkennen, dass er mit mir flirtete."

„Und dann?"

„Erst war ich etwas verwirrt, dann habe ich den Kuss erwidert. Er ging nicht lange, weil Eleanor uns dann unterbrach."

„Du hast einfach so mit einem anderen Kerl rumgeknutscht?"

Ich zuckte mit meinen Schultern. „Ja, wieso auch nicht?"

„Weil die meisten Männer nicht einfach mit anderen Männer knutschen... Hatte es dir gefallen?"

Kurz überlegte ich, obwohl ich das gar nicht brauchte. „Ja."

„Louis..." Harrys streicheln hörte auf. „Hast du jemals darüber nach gedacht, dass du vielleicht doch nicht ganz so straight bist?"

„Ich habe nie gesagt, dass ich straight bin, Harry.", erwiderte ich und musste dabei schmunzeln. „Aber ja... Ich..." Es war komisch, dass ich das so einfach zugab vor Harry, obwohl ich bisher noch nie mit jemandem darüber geredet hatte. Noch nicht einmal mit meiner besten Freundin. „Als Teenager habe ich öfter darüber nachgedacht, aber dann hatte ich meine erste Freundin und irgendwie... Keine Ahnung, es fiel mir schon immer schwer, mich in jemanden zu verlieben. Die meisten verliebten sich so schnell und oft, dass es sich immer anfühlte, als würde etwas mit mir nicht stimmen, weil ich niemanden interessant fand. Und nur weil ich damals eine Freundin hatte, fand ich Männer trotzdem schon immer attraktiv und habe sie gerne angesehen, aber verliebt hatte ich mich noch nie in jemanden... Gleichzeitig fand ich den Stempel Hetero falsch für mich, jede andere Sexualität klang aber auch nicht richtig in meinem Kopf."

„Und was für Kategorien schaust du dir bei Pornos an?"

Ich schnappte nach Luft. „Wir reden jetzt nicht über meine Vorlieben bei Pornos, Harry!"

Er lachte und ich grinste und dann wurde es wieder ruhig.

„Man muss sich auch nicht labeln, Louis. Das ist nicht für jeden was und vollkommen okay.", meinte Harry dann leise und ich war ihm dankbar dafür.

Unsere Hände berührten sich immer noch und ich schob es auf den Alkohol, dass ich mir wünschte, noch mehr von ihm zu berühren. So wie heute früh beim Aufwachen. Dass unsere Gesichter sich ganz nahe waren, sein Bein meins berührte. Aber ich traute mich nicht, irgendetwas zu machen oder etwas zu sagen.

Es war komisch, dass ich mich von Anfang an zu ihm hingezogen gefühlt hatte, aber jetzt gerade, würde ich mich am liebsten direkt auf seinen Schoß setzen und meinen Mund nie wieder von seinem nehmen wollen.

Der Kuss vor ein paar Stunden war nichts gewesen. Er war weder schön noch leidenschaftlich und doch wollte ich mehr.

„Vielleicht sollten wir... schlafen gehen.", sagte Harry, die Worte, die ich nicht hören wollte, aber wahrscheinlich sollten wir das wirklich tun.

Uns hinlegen, die Augen schließen, einschlafen und das Gespräch am besten einfach wieder vergessen.

„Oder vielleicht sollten wir uns nochmal küssen." Ich hatte keine Ahnung, woher dieser Mut kam und ob wirklich ich diesen Satz ausgesprochen hatte, aber anscheinend hatte ich das.

Fast schon ruckartig hatte er seinen Oberkörper mir wieder zugewandt. „Bist du noch betrunken, Louis?"

„Und bist du noch betrunken, Harry?", stellte ich ihm dieselbe Frage anstatt zu antworten, denn natürlich war ich nicht nüchtern, doch war das gerade wirklich wichtig? Mir kam es nicht wichtig vor.

„Dann küss mich." Ich konnte das freche Grinsen nicht sehen, es war aber unverkennbar rauszuhören, also dachte ich nicht weiter darüber nach.

In weniger als fünf Sekunden hatte ich die kurze Distanz zwischen unseren Gesichtern überbrückt und meine Lippen einfach auf seine gedrückt.

Es war erst etwas holprig, vermutlich weil ich doch nervös war, aber dann fing Harry wieder an, mit seinem Daumen über meinen Handrücken zu streicheln und ich schloss meine Augen.

Seine Lippen waren nicht mehr so kalt und fühlten sich weicher an. Sie gaben unter meinen eigenen nach, als ich anfing sie zu bewegen, und ja, das war ein schöner Kuss.

Und ja, ich wollte eindeutig mehr.

Ich lehnte mich weiter zu ihm rüber, legte meine freie Hand auf seine Schulter, fuhr mit ihr dann zu seinem Hals hoch, spürte die erhitzte Haut unter meiner.

Meine Zunge stieß gegen seine Lippen und ohne zu zögern, öffnete er seinen Mund und ich schmeckte noch schwach den süßen Glühwein und die Zahnpasta und am liebsten wäre ich darin ertrunken.

Harry rutschte langsam nach unten, bis er auf dem Rücken lag und ich über ihn gebeugt war. Ich drückte mit meinem Daumen sein Kinn nach oben, um ihn besser küssen zu können, während unsere immer noch miteinander verschränkten Hände neben seinem Kopf lagen.

Vielleicht hätte ich ihn die ganze Nacht so küssen können. Bis unsere Münder geschwollen waren und wir unseren Atem teilten.

Vielleicht wäre ich dann aber auch verrückt geworden, denn die kleinen Seufzer, die Harry gegen meine Lippen stieß, brachten mich um den Verstand und ich wollte mehr, so viel mehr.

Woher auch immer meine Beherrschung herkam, aber das Gästezimmer im Haus meiner Mum war dafür nicht der richtige Ort und wir beide auch nicht im richtigen geistigen Zustand.

Ich schaffte es mich von seinen Lippen zu lösen, küsste stattdessen seinen Kiefer, seine Wange und seine Nasenspitze.

„Fuck.", brachte ich hervor, als ich mich neben ihn auf die Seite fallen ließ, zog seinen Arm zu mir rüber, weil ich nicht bereit dafür war, seine Hand loszulassen.

Harrys Lachen war leise und abgehackt und wunderschön. „Ja, das wollte ich auch sagen."

Meine Augen fühlten sich unfassbar schwer an und ich spürte die Müdigkeit in all meinen Gliedern. „Ich weiß... wir sollten darüber reden, aber können wir das auf nach dem Aufwachen verschieben?"

Ich spürte seinen Mund an meinen Haaren. „Das ist, glaube ich, okay."

„Schön."

„Mhm... Wunderschön."

Und ohne ein weiteres Wort zu sagen, schmiegte ich mich an seine Seite, schob ein Bein zwischen seine und er zog mich noch fester an sich und die Decke über uns.

***

„Happy Birthday to you. Happy Birthday to youuu. Happy Birthday dear Louis, Happy Birthday to youuu." Das Letzte, womit ich gerechnet hatte, nachdem ich in der Nacht mit meinem Fake-Freund herumgeknutscht hatte, war am nächsten Morgen vom schiefen Gesang meiner eigenen Mutter geweckt zu werden.

Dabei hätte ich damit eindeutig rechnen müssen, immerhin tat sie dies jedes Jahr.

Verschlafen rieb ich mir meine Augen, blinzelte gegen das Licht, das durch die Tür ins Zimmer fiel und richtete mich langsam auf. Das Gute daran, dass Mum eh glaubte, dass Harry und ich zusammen sein, war, dass ich ihr nicht erklären musste, wieso wir so eng aneinander gekuschelt im Bett lagen.

„Mum... Du weißt doch, dass du mich immer viel zu früh weckst...", murmelte ich und wollte mich am liebsten wieder unter der Bettdecke verkriechen und mich an Harry drücken, doch dieser ist natürlich auch wach geworden.

„Wieso Happy Birthday...?" Seine Stimme war ganz rau vom Schlafen und ich erinnerte mich zu gut an seinen Lippen auf meinen und wünschte mir direkt, dass Mum überall auf der Welt wäre, nur nicht in diesem Haus.

„Louis! Hast du deinem Freund etwa nicht erzählt, wann du Geburtstag hast?" Ohne uns vorzuwarnen, drückte sie auf den Lichtschalter, wodurch es viel zu schnell, viel zu hell im Zimmer wurde.

„Mum!"

„Du hast heute Geburtstag?", fragte Harry gleichzeitig, dem die Helligkeit anscheinend nichts ausmachte.

„Ohje... Mach dir nichts daraus, Harry. Louis war noch nie ein Fan davon, dass sein Geburtstag am 24ten Dezember ist und behält es deswegen lieber für sich.", erklärte sie ihm und kam dann zu meiner Seite des Bettes. „Ich bin trotzdem sehr froh, dass er ihn jedes Jahr bei mir verbringt." Sie fuhr mir durch die Haare und drückte mir einen Kuss auf die Wange. „Ich hab dich lieb, Boo."

„Ich dich auch, Mum...", murmelte ich zurück.

„Naja, dann bereite ich mal das Frühstück unten vor. Wenn ihr soweit seid, kommt einfach runter." Sie gab mir noch mal einen Kuss und ging dann aus dem Zimmer.

Ich legte mich wieder aufs Kopfkissen, zog die Decke höher und wollte eindeutig weiter schlafen, weil es auf keinen Fall schon acht Uhr sein konnte und das war eindeutig zu früh.

„Du hast wirklich heute Geburtstag?"

Ich öffnete wieder meine Augen und sah in das Grün seiner Augen, welche direkt vor mir waren. „Jaa..."

„Das hättest du mir sagen müssen!" Harry schien komplett munter zu sein und es war eindeutig keine gute Idee gewesen, gefallen an einem Morgenmenschen zu finden.

„Quatsch... Kein großes Ding, okay?" Ich wollte ihn wieder an mich drücken, weiter kuscheln und weiter schlafen.

Er wollte aber anscheinend lieber weiter über meinen Geburtstag reden. „Aber ich habe gar kein Geschenk für dich."

Ich seufzte, dann lächelte ich ihn an. „Wie wär's mit einem Kuss als Geschenk?"

Harry hob eine Augenbraue an, aber das Zucken seiner Mundwinkel verriet ihn. „So einfach gibt's du dich zufrieden?"

„Mhm.." Ich nickte, fuhr mit meinen Fingerspitzen sanft seine Wange entlang. „Ein Kuss und ein Date."

„Ein Date?" Nun sah er wirklich überrascht aus, aber ich war ganz ruhig.

Vielleicht sollte ich aufgewühlt sein, über das, was ich dachte oder fühlte, wenn ich ihn ansah, und ich konnte es selber nicht genau erklären, aber es war okay. Ich mochte Harry und ich wollte noch mehr Zeit mit ihm verbringen. Ich müsste eindeutig noch mal genauer über mich und meine Sexualität nachdenken und wahrscheinlich würde er auch noch mehr darüber reden wollen, aber das musste nicht heute sein und auch nicht unbedingt morgen und genau das sagte ich ihm auch. „Wenn das für dich okay ist? Ich weiß, es ist irgendwie komisch und ich kann auch verstehen, dass du auf sowas keine Lust hast und denkst, ich würde mich nur ausprobieren wollen oder so aber-"

„Auf jeden Fall will ich ein Date mit dir.", unterbrach er mich und lächelte mich breit an, so dass es in meinem Bauch kribbelte.

Also küsste ich ihn schnell und dann noch mal und noch mal und so wurde aus meinem Fake-Freund, den ich dafür bezahlte über die Feiertage, mit zu meiner Mum zu fahren, Harry, der mit mir auf ein Date gehen wollte.

„Frohe Weihnachten.", murmelte ich zwischen unseren Küssen.

„Happy Birthday.", erwiderte er.

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ElfeeQ

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