27. August 2013
Leise Geräusche am Fenster ließen mich aufschrecken und verschlafen setzte ich mich in meinem Bett auf, rieb mir über die müden Augen. Die Zahl auf der Uhr sagte 4.30 Uhr morgens. Ich seufzte und erneut in diesem Moment klapperte etwas an meinem Fenster. Eine Sekunde lang hatte ich Angst, dann erschien Harry's Gesicht vor meinem Fenster, er grinste über beide Ohren und klopfte leise dagegen, winkte mir zu.
Völlig verwirrt stand ich auf und öffnete das Fenster. "Was machst du denn hier?" fragte ich verschlafen und sah nach unten in den Garten. "Und wie bist du überhaupt hier hochgekommen?!"
Mein Zimmer war im ersten Stock, ich hatte keinen Balkon. Harry grinste weiter. "Bin über die Regenrinne hochgeklettert!" sagte er, als wäre es das selbstverständlichste auf der Welt. "Zieh dich an!" forderte er mich auf.
"Warum? Es ist halb fünf, Harry."
Er wuschelte mir durch die Haare und lachte leise. "Weil ich zwei Karten für Leeds habe und Eminem heute auftritt, du Dussel! Wir schleichen uns rein!"
Meine Augen wurden groß und ich sah ihn erschrocken an. "Haz, weißt du wieviel Ärger wir dafür bekommen? Mom bringt mich um dafür!" flüsterte ich.
Der Lockenkopf schmunzelte nur und schüttelte amüsiert den Kopf. "Ist es dir das nicht wert? Was kann maximal passieren, eine Woche Hausarrest? Deine Mom ist doch sowieso nicht so streng. Schreib einen Zettel und dann geht's los!"
Er nahm mein Gesicht in beide Hände und kam mir näher, mein Puls erhöhte sich sofort. "Vertrau mir, ich passe auf dich auf", sagte er lächelnd.
Ich nickte sofort, denn wie könnte ich meinem besten Freund je irgendetwas abschlagen? Wir waren unzertrennlich und das würden wir immer bleiben, das wusste ich. Außerdem verfiel ich seinen grünen Augen immer wieder, weshalb ich schlussendlich nickte. "Ich zieh mich an!" flüsterte ich und löste mich aus seinem Griff, schnappte mir Kleidung aus dem Schrank und zog mich vor Harry um, der mittlerweile in mein Zimmer geklettert war und es sich auf meinem Bett gemütlich gemacht hatte. Ein Anblick, der das Blut in mir ein wenig in Wallung brachte und mein 15-jähriges Gehirn aussetzen ließ.
Ich starrte ihn einen Moment an, bis er es bemerkte und ich schnell wegsah und die Hose zuknöpfte, ehe ich ein Shirt überzog.
"Trainierst du jetzt öfter?" fragte er mich und ich sah zu ihm. "Wie kommst du da drauf?" stellte ich die Gegenfrage und lachte nervös.
Er zuckte mit den Schultern und grinste mich an. "Weil du Bauchmuskeln hast, die hattest du noch nie!"
Leise lachend nickte ich und schob mein Shirt hoch, zeigte sie ihm und spannte den Bauch ein wenig an extra. "Das kommt, wenn man erwachsen wird!" sagte ich. "Außer bei dir, da wird wohl nichts mehr passieren", fügte ich frech hinzu und er lachte und sprang auf, boxte mir in den Bauch und ich quietschte leise auf, während der Raum sich mit unserem Lachen füllte.
"Lass uns gehen bevor wir Jay wecken. Der Zug kommt eh gleich!" sagte Harry irgendwann und ich nickte und schrieb meiner Mutter einen Zettel, den ich ihr vor ihr Schlafzimmer legte, ehe ich mich zurück zu Harry schlich, der bereits am Fenster auf mich wartete. Irgendwie bekam ich es mit der Angst zutun in diesem Moment.
"Bereit?" fragte Harry und ich nickte nur zögerlich. War das wirklich eine gute Idee? Das Leeds Festival war riesig groß und die Chance, dass wir hineinkommen würden, sicher recht gering. Ich wollte ungern behaupten, dass ich noch jung aussah, doch es ließ sich nicht leugnen. Ich ging definitiv nicht als 18 durch, Harry ebenso nicht. Wir waren 15, definitiv zu jung, um auf eines der größten Festivals in England zu gehen.
"Komm schon, jetzt los! Unser Zug kommt gleich!" drängte Harry mich und so kletterten wir beide kurz darauf vorsichtig am Regenrohr hinunter.
Der Weg zum Bahnhof war kurz und als wir im Zug saßen, zog Harry die Karten hervor. Es waren laminierte Karten, die an einem Schlüsselband hingen, welches Harry mir über den Kopf zog und die Karte richtig herum auf meiner Brust platzierte. Er tippte mir gegen die Nasenspitze und ich sah ihn lächelnd an. "Sei nicht nervös. Uns wird nichts passieren und wir werden Eminem sehen!" sagte er und ich nickte begeistert.
"Wie bist du überhaupt an die Karten gekommen?!" fragte ich ihn neugierig.
Geheimnisvoll sah er mich an und zuckte mit den Schultern. "Das verrate ich dir nicht. Wichtig ist, ich habe sie!"
Schmollend nickte ich leicht, ehe ich mich im Sitz vergrub und nach draußen sah. "Ich kann nicht glauben, dass wir beide das endlich erleben!" sagte ich beinahe schon ehrfürchtig und hörte sein Lachen, sah deshalb wieder zu ihm.
"Nur mit dir will ich sowas machen! Beste Freunde für immer, Lou!" sagte er und hielt mir den kleinen Finger hin. Ich hakte meinen eigenen ein und wir sahen uns grinsend in die Augen, während in mir erneut die Wärme einsetzte, die immer einsetzte, wenn er mich so ansah. Harry war perfekt und wunderschön, gütig und witzig. Harry war toll.
"Willst du dich wieder anlehnen?" fragte er nach einer Weile. Ich sah ihn fragend an und er lächelte, während er die Schultern zuckte. "Das machst du immer wenn wir im Bus sitzen und dann schläfst du ein."
Ich lachte leise und nickte, lehnte mich gegen Harry und legte den Kopf auf seiner Schulter ab. Er lehnte seinen Kopf ein wenig gegen meinen und ich schloss die Augen und atmete ruhig, an Schlafen war jedoch nicht zu denken. Wir würden Eminem heute sehen, ich hatte mich rausgeschlichen und nun saß ich mit Harry in einem Zug und hatte mich an ihn gekuschelt. Wer hätte da schlafen können?!
Als der Zug anhielt setzte ich mich wieder auf und streckte mich, ehe wir aufstanden und Harry mich an der Hand nahm und mich aus dem Zug mit sich zog. "Was machen wir eigentlich jetzt die ganze Zeit? Wann kommt Eminem? Es ist gerade mal acht, Harry", bemerkte ich und er sah mich einen Moment so an, als wäre er von meiner Frage überrascht.
"Du hast nicht drüber nachgedacht, oder?" fragte ich erneut und fing an zu lachen. Er lachte ebenso. "Ich wusste nur, dass wir abhauen müssen, bevor unsere Eltern aufstehen. Alles andere habe ich gar nicht durchdacht."
Ich lachte mehr und so saßen wir auf dem Bahnsteig und kringelten uns vor Lachen, bis uns die Bäuche wehtaten.
Mein eigener rebellierte sofort und knurrte, was Harry bemerkte. "Oh nein, mein Lou hat Hunger!" rief er gespielt schockiert und legte den Arm um mich. "Ich besorge dir was zu essen, ja? Damit fangen wir an. Mit Frühstück! Und dann sehen wir weiter!"
Ich nickte ihm grinsend zu. "Los geht's!"
Wir liefen durch Leeds hindurch auf der Suche nach einer Bäckerei. Die Stadt war bereits jetzt schon voll mit Festivalbesuchern und als wir ein kleines Café fanden und hineingingen, sahen wir drei ramponiert wirkende Menschen in einer Ecke sitzen, die allesamt zu schlafen schienen. Ich kicherte und stupste Harry an. "Die sind voll fertig!"
Er sah zu ihnen und grinste mich dann schelmisch an. "So werden wir auch aussehen", sagte er und ich lachte kopfschüttelnd.
"Na hoffentlich nicht!"
Lachend gingen wir an die Theke, begrüßten die ältere Mitarbeiterin dahinter, die uns unfreundlich ansah. "Ein Croissant mit Schokolade für ihn, ein Käsebrötchen für mich bitte!" bestellte Harry aufgesetzt freundlich und ich grinste ihn an, weil er genau wusste, was ich wollte und weil er mich einfach so gut kannte. Es gab niemanden, der so viel über mich wusste und der so perfekt mit mir zusammenpasste.
Wir aßen das Frühstück und als wir fertig waren, sah ich Harry belustigt an. "Und jetzt?"
Er grinste wieder. "Jetzt hängen wir ab!"
Viele Stunden später war unser Plan völlig schief gegangen, denn meine Mutter hatte genug Zeit herauszufinden, dass ich weg war, ebenso wie Anne, Harry's Mutter. Sie riefen ununterbrochen an und ich hatte solche Angst vor ihr, dass ich mein Handy irgendwann sogar ausschaltete. Das Festival zu betreten war denkbar einfach gewesen, wir wurden nicht einmal kontrolliert und so fanden wir uns unter den Massen der Menschen wieder. Ich wusste nicht, wie viele es waren, doch definitiv wusste ich, dass ich in meinem ganzen Leben noch nicht so viele auf einem Haufen gesehen hatte.
Es war unglaublich laut, der Regen prasselte auf uns herab, dennoch hatten wir den größten Spaß seit Ewigkeiten.
Wir tanzten ausgelassen und als wenig später Eminem auf die Bühne kam, schrie Harry vor lauter Aufregung plötzlich los und umarmte mich fest.
Ich erwiderte glücklich und wir schrien uns gemeinsam die Seele aus dem Leib. So glücklich wie in diesem Moment, mit Harry an meiner Seite, wollte ich immer sein. Das nahm ich mir fest vor während ich mit leuchtenden Augen unseren Lieblingsrapper beobachtete, während Harry den Arm um mich legte und mich fest an sich zog.
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