6. Kapitel
»Lucy's Sicht«
Ich bedankte mich ein letztes Mal bei dem Publikum, indem ich ins Mikrofon sprach. Mira und Jisoo taten dasselbe, bevor die Kameras ausgingen und wir die Bühne verließen. Mittlerweile hatte sich jeder von uns wieder beruhigt, doch wussten wir nicht, wie lange dies anhalten würde. Im Backstagebereich stürmte uns Jinho entgegen, welcher uns natürlich sofort in eine Umarmung zog. „Ich wusste, dass es so ausgehen würde. Ihr leistet tolle Arbeit", freute sich unser Manager. „Dankeschön", meinten wir gleichzeitig. Jinho löste sich von uns und nahm Mira unseren First Win ab. „Jetzt lasst uns ordentlich feiern, indem wir Kuchen essen", rief Mira laut. Sie hatte es schon wieder getan. Ich fühlte mich wieder einmal, dank ihr, unwohl, da uns nun alle anstarrten. Jinho lief, wie immer, voran und wir liefen ihm hinterher. Auf dem Weg zu unserem Aufenthaltsraum begegneten wir noch wenigen Idols, die uns gratulierten.
An unserem Ziel angekommen, schlossen wir zunächst die Tür hinter uns. Wir vier waren nun die Einzigen in diesem Raum. „Ich bin stolz auf uns. Nach all dieser Zeit und nach den ganzen Komplikationen haben wir es endlich geschafft. Unsere Karriere startet jetzt, in diesem Moment. Es fühlt sich noch alles so surreal an", meinte Jisoo mit einem Lächeln im Gesicht. Eine kleine Freudenträne kullerte über ihre Wange. Mira nahm Jinho die silberne Figur aus der Hand und hielt sie in die Mitte. „Auf uns, auf unseren First Win und auf alle, die uns auf unserem Weg begleitet haben", rief sie und hob den Award in die Luft. „Ich liebe euch, Mädels", sagte sie daraufhin. Mira breitet ihre Arme aus und wir nahmen die Umarmung lächelnd an.
In der Zeit, in der wir uns umarmten und unsere Freude teilten, hatte Jinho den Kuchen fertig auf dem kleinen Tisch vor der Couch aufgestellt. „Lasst es euch schmecken. Ich besorge noch kurz Getränke", lächelte unser Manager. Er verließ den Raum und ließ die Tür dabei offen stehen. Jisoo schnitt den Kuchen in mehrere Stücke und gab jedem von uns eins. „Fühlt ihr euch erleichtert?", fragte sie in die Runde. Ich nickte. „Sogar sehr erleichtert, aber auch etwas unter Druck. Was ist, wenn unser Comeback nicht so erfolgreich wird, wie unser Debüt?", antwortete ich. Mira zog ihre Augenbrauen grimmig zusammen. „Jetzt hast du mir meinen Kuchen verdorben", schmollte sie. „Über sowas denkt man jetzt doch noch nicht nach", meckerte Mira zusätzlich. „Lass sie, du weißt doch, wie sie ist", meinte Jisoo und lachte amüsiert. Wir alle genossen nun unseren Siegeskuchen, bis etwas passierte, womit keiner so richtig gerechnet hatte.
„Oh, ihr habt also schon Kuchen", stellte eine Stimme plötzlich fest. Unsere drei Köpfe schossen in Richtung Tür, wo acht Jungs standen. Mira reagierte sofort ganz natürlich und erwiderte:„Man kann nie genug Kuchen haben." Meine Freundin erhob sich von ihrem Platz und nahm Chan kurzerhand den Kuchen aus seinen Händen. „Wo habt ihr den denn so schnell aufgegabelt?", fragte Mira noch im Nachhinein. „Er war dafür gedacht unser Comeback zu feiern. Da wir aber nichts richtiges zu feiern haben, dachten wir, dass wir es mit euch machen könnten. Wir hatten solange keinen Kontakt und wollten alte Zeiten aufleben lassen", erklärte Chan. Die acht Jungs betraten langsam den Raum und machten sich breit. Zwei von ihnen pflanzten sich zu uns auf die Couch, der Rest setzte sich auf den Boden oder lehnte sich an die Wand. Ab jetzt wurde es still, da niemand so richtig wusste, was gesagt werden sollte. Wer soll es uns auch schon übel nehmen? Wie lange hatten wir uns nicht mehr gesehen und wie lange hatten wir keinen richtigen Kontakt mehr?
„Hier ist das-", kam Jinho in den Raum. Er blieb abrupt stehen, als er Stray Kids in unserem Raum sah. Er seufzte. „Ich hole dann wohl noch mehr Getränke", stellte er fest. Er reichte Jisung das Wasser, da er am nähesten an der Tür stand. Jisung reichte dann Mira, Jisoo und mir eine Flasche. „Dankeschön", sagte ich leise. Ich drehte den Deckel der Flasche auf und trank einen Schluck aus dieser. Danach stellte ich sie wieder auf den Tisch. Inzwischen hatte sich die Situation etwas gelockert und es entstanden einige Gespräche im Raum.
Die Zeit verging und somit wurden wir immer lauter und lauter. Unser Manager vertrieb sich Gott weiß wo die Zeit. Mira, Felix, Hyunjin und Jeongin unterhielten die anderen. Wobei sich Chan und Minho mit Jisoo unterhielten. Ich saß am Ende der Couch und beobachtete Hyunjin lächelnd, der gerade wieder eine seiner Geschichten auspackte. „Hey, Lucy", ich drehte meinen Kopf zur Seite und blickte direkt in zwei braune Augen. Mein Herz setzte für einen kurzen Moment aus, um dann in der doppelten Geschwindigkeit weiterzuschlagen. „Können wir kurz reden", sagte Jisung nun, noch leiser, als zuvor. Ich nickte ihm zu. Der Junge erhob sich aus seiner Hocke und signalisierte mir mitzukommen. Ich folgte ihm aus unserem Raum hinaus, über den langen Gang, bis zu dem Aufenthaltsraum von Stray Kids. Der Raum war leer. Jisung schloss die Tür hinter sich und setzte sich zu mir auf die Couch. Zwischen uns befand sich viel Platz, was die ganze Situation noch unangenehmer machte. Es war so still, dass man die Idols im Raum neben uns hören konnte. Doch dann räusperte sich Jisung. Er spielte nervös mit den Ringen an seinen Fingern herum. „Ähm", ein nervöses Geräusch entfloh seinem Mund, „Ich wollte mich einfach mal alleine mit dir unterhalten. Die Jungs können ab und zu etwas laut sein, deshalb dachte ich, dass dieser Raum am besten dafür geeignet wäre." Er sah zu mir herüber und schenkte mir eines seiner warmen Lächeln. „Wir haben wohl vieles zu besprechen", meinte ich und wurde nur noch nervöser. „Allerdings nur wenn du möchtest", fügte Jisung hinzu. Ich nickte. „Ich habe nichts dagegen", stimmte ich zu. Doch keiner wusste so richtig, was er fragen sollte.
„Wie hast du so die Zeit verbracht, nachdem du JYPE verlassen hast?" Und nachdem ich dich verlassen hatte. Ich lag die ersten Tage weinend in meinem Bett und zweifelte meine Existenz an, doch danach ging es mir Stück für Stück besser. Ich zuckte mit meinen Schultern. „Ich fühlte mich relativ okay. Ich konnte mich weder freuen, noch war ich traurig. Die Situation war ziemlich neu für mich", antwortete ich. Ich fuhr mit meinen Händen über meine Oberschenkel. „Und wie erging es dir so die Zeit über?", fragte ich Jisung nun. „Nicht sonderlich anders. Ich war die ganze Zeit am Arbeiten, weshalb relativ wenig Zeit zur Erholung da war", antwortete der dunkelhaarige Junge neben mir.
„War es denn schwer für dich?", mit dieser Frage hatte mich Jisung völlig aus der Bahn geworfen. Ich sah leicht erschrocken zu ihm herüber. „Du musst das nicht beantworten. Ich wollte nur einen Eindruck davon bekommen, wie es Woojin wohl ergangen ist", erklärte Jisung seine Frage. Ich sah ihn nun bemitleidend an und rückte ein Stückchen näher. „Als ich es gehört habe, war ich ziemlich geschockt. Es tut mir leid, dass es so gelaufen ist", meinte ich. „Aber mach dir keine Sorgen. Die Menschen stellen es sich meist schwerer vor, als es überhäupt ist. Er hatte einen festen Grund und war sich sicher, diesen Schritt gehen zu wollen. Solange Woojin es nicht bereut, ist alles gut. Zudem hat er viel schneller ein neues Entertainment gefunden, als wir. Es geht ihm gut", versuchte ich Jisung aufzumuntern. Ein kleines Lächeln schlich sich über sein Gesicht. „Weißt du, ich hätte jemanden, wie dich gebraucht, als er ging. Jemanden, der mich nicht ständig an ihn erinnert und der die Sache vollkommen unvoreingenommen betrachtet. Die Jungs haben sich selber oder Woojin die Schuld gegeben. Die erste Zeit war wirklich nicht leicht. Ich habe es vermisst mit jemandem offen über alles reden zu können, ohne gleich irgendwelche unnötigen Kommentare zu bekommen. Bei uns war das Thema irgendwann durch und keiner traute sich auch nur ein Wort über den Vorfall zu verlieren. Verstehst du, was ich meine?" Jisung sah zu mir herüber und ich nickte ihm zu. „Bei uns ging auf einmal alles drunter und drüber. Alle waren für kurze Zeit von der Strecke abgekommen und hatten ihren Weg verloren. Wir wussten nicht, was gesagt werden musste und wie die Situation zu handhaben war. Uns fehlten die richtigen Worte, aber du hast diese gerade eben gefunden.", fuhr Jisung fort. Ich musste nun lächeln. „Du hast es echt vermisst, mit Jemandem außerhalb von Stray Kids zu reden, oder?", fragte ich ihn. Jisung nickte eindeutig. „Mit Jemandem, der mir zuhört und mich versteht, dem ich vertrauen kann und dem ich etwas bedeute. Mir fehlt so jemand", gestand Jisung mir. „Ich kann das verstehen, mir ging es eine zeitlang auch so. Aber dafür habe ich jetzt Yumi. Sie weiß vielleicht nicht viel vom Leben als Idol, aber sie hat Erfahrung im Rampenlicht zu stehen. Ich kann ihr viele Dinge anvertrauen. Du solltest dir auch so jemanden suchen. Dir fällt das bestimmt nicht schwer, du bist schließlich sympathisch", lächelte ich meinem Sitznachbarn aufmunternd zu. „Vielleicht habe ich denjenigen schon gefunden", Jisung drehte seinen Kopf in meine Richtung und lächelte mich nun mit einem noch viel wärmeren Lächeln an. Mir blieb die Luft im Hals stecken. „Bist du dir da sicher?", hinterfragte ich seine Entscheidung. Jisung nickte, er war sich sogar sehr sicher. „In meiner ganzen Zeit als Idol, habe ich mich nur mit dir so gut verstehen können. Ich habe das vermisst. Die Nächte in denen wir lange aufgeblieben sind und zusammen über Gott und die Welt geredet haben. Du bist meine beste Freundin, Lucy. Naja, du warst es jedenfalls", sein Lächeln verschwand nun wieder. „Jisung, ich-", ich wollte antworten, doch konnte ich es nicht. Ich fand keine richtige Worte. Zudem betraten gerade die restlichen Jungs den Raum. „Bitte", seine Augen sahen mich durchringend an. „Ich geb dir meine Nummer und dann kannst du entscheiden, was du damit machst", Jisung holte aus seiner Hosentasche ein Blattpapier heraus. Er drückte es mir in die Hand. „Alles gut bei euch? Ihr seht etwas überrumpelt aus", stellte Chan fest. „Alles gut, ich wollte eh gerade gehen", meinte ich und stand auf. „Bis irgendwann mal", verabschiedete ich mich. Ich drückte das Blatt Papier in meiner Hand fest zusammen und lief zurück zu Jisoo und Mira.
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1688 Wörter
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